Dieser Artikel ist Teil des ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2017. Informationen zum Ablauf gibt es hier. Leserinnen und Leser können die Artikel bewerten und bei der Abstimmung einen Preis gewinnen – Details dazu gibt es hier. Eine Übersicht über alle am Bewerb teilnehmenden Artikel gibt es hier. Informationen zu den Autoren der Wettbewerbsartikel finden sich in den jeweiligen Texten.
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“Achtung! Es wird spannend” oder “Wie erkläre ich meine Doktorarbeit?”
Hallo. Ich bin Sarah. Und ich schreibe eine Doktorarbeit. In Rechtswissenschaften. Besser gesagt im Umweltrecht. Das klingt spannender. Und da ich nun einen Blog über meine Doktorarbeit schreibe, der von mindestens tausenden Leuten gelesen werden soll, muss es ja spannend werden. Und persönlich. Und höchst emotional. Denn das lieben wir alle und das habe ich im Kurs über “scientific blogging” bei Astronom und Blogger Florian Freistetter gelernt, an dem ich im August teilgenommen habe. Nun gut, emotional über eine juristische Doktorarbeit zu schreiben, ist nicht einfach. Also verzeiht, wenn ihr am Ende meines Textes keine Tränen in den Augen habt. (Falls ihr euch nach ein wenig Rührung sehnt – empfehle ich diesen Artikel in der Hessisch/ Niedersächsischen Allgemeinen: “Unglaublich: Hier rettet ein Golden Retriever ein Rehkitz vorm Ertrinken”).
Das “Persönliche” lasse ich aus. Denn ich bin sehr schüchtern. Und will auch weder niedliche Tierfotos noch ein peinliches Familienfoto posten (dazu gibt es bereits eine durchaus sehenswerte Sammlung)
oder euch mit den Zahnputzgewohnheiten meines nicht vorhandenen Schäferhundes langweilen (bei Interesse, mehr dazu hier):
Also bleibt das “Spannende”. Nun lasst mal überlegen was spannend ist:
- 1. Krimis sind spannend:
Allerdings zu spannend für mich. Selbst einen Tatort mache ich nach der Hälfte aus.
- 2. Abenteuerspiele spielen ist spannend:
Na ja, ich weiß nicht so recht…
- 3. Und anscheinend ist auch Toilettenpapier spannend.
Das überzeugt mich (Aber warum ein Frosch?)
Aber schaut her, das Internet lehrt mich, dass auch juristische Doktorarbeiten witzig und spannend sein können:
“9 aktuelle und spannende Dissertationen: “Juristische Doktorarbeiten sind nicht für ihre unterhaltenden Themen oder den spritzigen Schreibstil bekannt. Ein paar goldene Ausnahmen mit ungewöhnlichen Inhalten oder toller Sprache gibt es dann aber doch.” (Quelle)
Zum Glück, es besteht Hoffnung. Und vielleicht reiht sich meine Arbeit sogar als Nummer 10 in die Liste ein. Ich werde mir Mühe geben, Versprochen! Also Spot on und Buch auf!
Es geht los:
Ich schreibe über “Numerical Environmental Models of coastal processes as Evidence in Legal Proceedings in Germany und New Zealand”. Zum besseren Verständnis auf Deutsch: “Numerische Umweltmodelle von Küstenprozessen als Beweis in juristischen Verfahren in Deutschland und Neuseeland”. Trotzdem nicht verstanden? Aber bitte nicht aufhören zu lesen! Ich weiß der Titel ist bisher etwas sperrig, da kaum jemand (mich eingeschlossen) wirklich versteht was ein “numerisches Modell” ist und “Beweis in juristischen Verfahren” nicht wirklich unterhaltsam klingt. Daher hörten sich die bisherigen Gespräche über meine Doktorarbeit auch in etwa so an:
Freund/Freundin/Familienmitglied von Sarah: “Sarah, um was geht es eigentlich in deiner Arbeit?”
Sarah: “Es geht um numerische Umweltmodelle und wie diese als Beweis in juristischen Verfahren, also in der Verwaltung oder vor Gericht verwendet und bewertet werden können”.
Stille
Freund/Freundin/Familienmitglied von Sarah: “Ah, das hört sich ja ganz interessant an”
Meinte aber eigentlich:
Nun gut, vielleicht sollte ich mir in Zukunft etwas mehr Mühe geben und meinen ersten Satz folgendermaßen ergänzen:
Sarah weiter, etwas erläuternd: “Also Umweltmodelle kennt man beispielsweise von Klimamodellen, welche berechnen und voraussagen wie weit der Meerespiegel ansteigen, oder sich die Erde erwärmen wird. Und ähnliche Modelle gibt es auch für die Veränderung von Küsten, etwa weil ein Hafen gebaut, oder ein Fluss vertieft werden soll, und man wissen möchte welche Auswirkungen dies auf die Wasserqualität oder die dort lebenden Pflazen und Tiere hat. Juristen müssen letztlich, in der Verwaltung oder vor Gericht, darüber entscheiden, ob der Hafen gebaut und der Fluss vertieft werden kann oder ob sich dadurch die Wasserqualität zu sehr verschlechtert oder die Pflanzen und Tiere ihren Lebensraum verlieren und das Projekt nicht verwirklicht werden kann. Die Modelle werden aber von Wissenschaftlern, also Modellierern entworfen, angewendet und die Ergebnisse schließlich in Form eines Gutachtens in der Verwaltung oder vor Gericht präsentiert. Diese technisch-komplexe Gutachtensprache ist für Juristen allerdings schwer verständlich. Und daher fällt es ihnen schwer zu beurteilen, ob das Modell gut ist, oder zumindest sinnvoll, und ob das was der Modellierer sagt richtig ist. Und Modellierer wissen umgekehrt nicht genau, was die Juristen eigentlich genau wollen. Ich versuche das zu ändern”
Etwas besser?
Für die die gerne Bilder anschauen noch folgende Ergänzung: Die Kommunikation zwischen Juristen und Modellierern läuft bisher in etwa so ab:
Aber das ist nicht gut! Dafür sind die Entscheidungen, die getroffen werden müssen, viel zu wichtig. Schließlich geht es oft um riesige Projekte und teure Bauvorhaben, die einen massiven Eingriff in die Umwelt darstellen. Um das Verständnisproblem zwischen Modellierern und Juristen zu lösen, begebe ich mich auf die Suche nach juristischen Kriterien, mit denen Juristen bewerten können, ob das Modell, welches beispielsweise berechnet, wie sich der Wasserstand, der Salzgehalt oder die Tide bei einer Flussvertiefung verändert, sinnvoll ist. Oder ob der Modellierer selbst nicht versteht, was das Modell berechnet (soll auch schon vorgekommen sein). Ich bin also auf der Suche nach einer Art juristisch – modellierungswissenschaftlichen Esperanto. Kurz gesagt, ich möchte, dass die Kommunikation zwischen Juristen und Modellieren in etwa so aussieht:
Da sind sie nun doch, die niedlichen Tierfotos.
Ich würde sagen, dass reicht erstmal. Allerdings gebe ich zu, dass doch die erforderliche Spannung dieses Beitrags noch etwas fehlt. Vielleicht probiere ich es mit der Beschreibung meiner Dissertation mal folgendermaßen:
Ich suche. Nach etwas Wichtigem, etwas Großem, etwas Einzigartigem. Etwas das die Welt verändert. Ich suche seit anderthalb Jahren. Die Hälfte der Zeit ist schon rum. Und die Uhr läuft. Ich nehme Strapazen auf mich, bin schon zweimal um die Welt gereist; Neuseeland und zurück. Ich spreche mit Leuten, bitte sie, flehe um Hilfe. Ich wälze mich durch staubige Bibliotheken, zerstöre meine Augen und trinke schlechten Kaffee. Ich schwitze, fluche, weine, schlafe schlecht. Wo ist es nur? Ich MUSS es finden.
Fortsetzung folgt.
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