Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 270: NGC 2264 und die Farben im Weltraum
Der Weltraum ist voll mit Farben! Zumindest dort, wo er nicht schwarz ist und das ist eigentlich der überwiegende Teil. Dort, wo der Kosmos aber nicht komplett leer ist, findet man Objekte in allen Formen und Farben. Besonders die Sternhaufen und interstellaren Gaswolken zeigen alle Farben des Regenbogens. Das ist zumindest der Eindruck den man bekommt, wenn man sich die vielen beeindruckenden Bilder ansieht, die von den Teleskopen der Astronomen gemacht werden.
Nehmen wir zum Beispiel NGC 2264. So heißt ein Gebiet in unserer Milchstraße, das sich etwa 2500 Lichtjahre entfernt in Richtung des Sternbilds Einhorn befindet. Es besteht aus einem H-II-Gebiet mit einer Dunkelwolke, einem Sternhaufen und einem diffusen Nebel dazwischen. Das erste Mal beobachtet hat es Wilhelm Herschel im Jahr 1785 und seitdem haben es Astronomen immer wieder fotografiert.
Es lohnt sich – auch rein visuell. Zum Beispiel das H-II-Gebiet. So bezeichnet man eine Wolke aus interstellarem Gas; hauptsächlich Wasserstoff-Moleküle (deswegen auch der Name “H-II”). Solange die Wolke eine Wolke bleibt, tut sich nicht viel. Irgendwann fangen diese Wolken aber an zu kollabieren. Das Gas fällt in sich zusammen und es entstehen Sterne. Diese jungen Sterne leuchten heiß und stark und ihre Strahlung ionisiert das Gas in ihrer Umgebung. Es wird also selbst zum Leuchten angeregt – ein paar Millionen Jahre lang, bis sich das Gas aufgrund der Strahlung und des Sternwinds der Sterne verteilt hat. So lange das Gas aber leuchtet, leuchtet es vor allem rot – das ist die Farbe der Strahlung die man kriegt, wenn man Wasserstoff zum Leuchten anregt. Und so leuchtet auch das H-II-Gebiet in NGC 2264.
Ein Teil des Nebels aber leuchtet nicht – beziehungsweise sehen wir nicht, dass er leuchtet weil er von einer Dunkelwolke verdeckt wird. So eine Dunkelwolke besteht aus Gas und Staub und in dem Fall ist das Zeug so dicht, dass es die Strahlung der dahinter liegenden Region nicht durchlässt. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Sternen. Weil das Gas hier so sehr konzentriert ist, entstehen auch in ihrem Inneren oft neue Sterne die dann erst später durchscheinen und das ihr Licht verdeckende Gas vertreiben. Sie können aber auch bei ihrer Bewegung durch eine H-II-Wolke dafür sorgen, dass anderswo Gas zusammenklumpt und neue Sterne entstehen. Im Fall von NGC 2264 sieht die Dunkelwolke wie ein Kegel aus, weswegen sie auch auch “Konusnebel” genannt wird.
Inmitten all dieser dunklen und leuchtenden Wolken befinden sich die schon entstanden jungen Sterne. Der von ihnen gebildete Sternhaufen trägt den schönen Namen “Weihnachtsbaum-Sternhaufen”, weil man bei der Betrachtung des ganzen Ensembles mit ein wenig Fantasie den Eindruck gewinnen kann, einen bunt geschmückten Weihnachtsbaum zu betrachten. Dazu trägt auch das Leuchten des diffus verteilten Gases zwischen den Sternen bei. Es leuchtet auf den Bildern etwas grünlich, weil hier nicht nur Wasserstoff sondern auch andere chemische Elemente vorhanden sind, die in anderen Farben strahlen, wenn sie angeregt werden.
Bunte Bilder wie das vom Weihnachtsbaum-Sternhaufen und seinen diversen Nebel findet man überall wo es um Astronomie geht. Sie sind es auch, die die Astronomie in den Augen vieler Menschen so faszinierend machen. Die bunten Bilder des Universums findet man als Poster, als Bildschirmhintergrund, gedruckt auf Tshirts und an vielen anderen Orten. Aber: Sieht der Kosmos wirklich so aus?
Und ich will mit dieser Frage gar keine große wissenschaftstheoretische Diskussion über die Natur der Wirklichkeit anfangen. Gemeint ist: Wenn wir das alles nicht durch Teleskope aus der Ferne betrachten müssten, sondern mit einem Raumschiff in die Nähe fliegen könnten – würde das, was wir dort dann mit unseren eigenen Augen sehen können, auch so schön und bunt aussehen wie auf den Fotos der Astronomen?
Um diese Frage zu beantworten muss man zwei Dinge berücksichtigen: Was heißt “in die Nähe” und was heißt “sehen”? Ich hab schon oft über die Eigenschaften verschiedener Sterne gesprochen. Es gibt rote Riesen, weiße Zwerge, blaue Überriesen, gelbe Sterne – und so weiter. Diese Sterne leuchten tatsächlich in all diesen Farben und würden wir in ihre Nähe fliegen, würde wir auch all diese Farben genau so sehen. Bei den Gaswolken und Nebeln wie bei NGC 2264 ist es aber anders. Diese Regionen sind viel, viel größer als ein Stern. Sie können viele tausende Lichtjahre groß sein und da ist es schwierig zu definieren, was man meint, wenn man “in die Nähe” fliegt. Würde man zum Beispiel mitten in so eine große interstellare Gaswolke hinein fliegen, würde man vermutlich gar nicht merken, dass man dort ist. Dort befinden sich zwar enorme Mengen an Gas und Staub – aber das ist so weit und fein über die ganze Region verteilt, dass wir es kaum von einem Vakuum unterscheiden könnten. Tatsächlich SIND diese Regionen nach all unseren technischen Maßstäben reines Vakuum. Ein besseres Vakuum sogar als wir es hier auf der Erde mit unseren Maschinen produzieren können.
Das uns die Wolken als Wolken erscheinen liegt nur daran, dass wir sie aus der Ferne betrachten, so dass wir die Gesamtheit des Materials wahrnehmen können. “In die Nähe” einer interstellaren Wolke zu fliegen ist also keine gute Idee. Wir müssen weit genug entfernt sein, wenn wir eine Chance haben wollen, etwas zu sehen. Nur ist eben auch das mit dem “sehen” so eine Sache. Ja, die Wolken und die Sterne dort leuchten tatsächlich. Das heißt sie geben Licht in verschiedenen Farben ab. Aber nur weil irgendwo Licht ist, heißt das nicht, das wir es auch sehen können.
Man kann dazu ein einfaches Experiment machen. Nehmt euch irgendein Fernglas. Es muss nichts besonderes sein; irgendein billiges Ding reicht dazu völlig. Dann geht ihr in einer klaren Nacht nach draußen und schaut zum Himmel. Zuerst nur mit euren Augen. Ihr werdet Sterne sehen – und Regionen dazwischen in denen ihr keine Sterne sehen könnt. Sucht euch eine solche “leere” Region aus und nehmt jetzt das Fernglas. Wenn ihr damit die “leere” Region betrachtet, werdet ihr auf einmal jede Menge Sterne sehen. Die sind nicht plötzlich aufgetaucht, die waren auch vorher schon da. Aber eure Augen waren nicht gut genug, um sie zu sehen. Beziehungsweise: Sie waren nicht groß genug um sie zu sehen. Licht kann nur durch die Pupille auf die Netzhaut des Auges fallen und die ist ziemlich klein. Kleiner auf jeden Fall als die Linse eines Fernglases oder der Spiegel eines Teleskops. So ein optisches Instrument kann mehr Licht sammeln als das Auge und damit Dinge sichtbar machen, die man ohne das Instrument nicht sehen würde.
Ein zweiter Punkt ist aber noch viel wichtiger. Astronomen schauen nicht einfach nur in den Himmel. Professionelle Astronomen benutzen ihre Teleskope eigentlich so gut wie gar nicht, um damit zu schauen. Nicht so jedenfalls, wie man das früher gemacht hat und sich das heute immer noch oft vorstellt. Die Astronomen kleben nicht mit dem Auge am Objektiv des Teleskops und betrachten den Himmel. Die Astronomen sitzen in einem Kontrollraum vor dem Computer und am Objektiv befindet sich optisches Instrument. Eine Kamera zum Beispiel, die das Licht über lange Zeiträume hinweg sammelt.
Und dann passiert das, was man ja auch von normalen Fotografien kennt. Wenn man in einer dunklen Nacht nach draußen geht und dort auf der Straße vielleicht nur eine schwache Laterne leuchtet, dann sieht das für uns mit unseren Augen dunkel aus. Wenn man aber mit einer Kamera ein Foto der Szene macht und das Bild sehr lange belichtet, dann erscheint auf der Fotografie alles ziemlich hell. Weil die Kamera eben das Licht der Lampe über einen langen Zeitraum hinweg sammelt und aufzeichnet – und unser Auge das nicht kann. Das kriegt quasi nur ein instantanes Live-Bild der Welt; die Kamera kann die Daten sammeln und je mehr Zeit vergeht, desto mehr Licht sammelt sich an und desto heller ist das Bild.
Das ist auch einer der wichtigsten Gründe, warum Astronomen immer größere Teleskope bauen. Um möglichst viel Licht sammeln zu können und so immer schwächere Objekte beobachten können. Selbst aus ausreichend großer Entfernung würden wir mit unseren Augen nichts von der bunten Farbenpracht der Nebel sehen. Das geht nur mit optischen Instrumenten.
Auch die Farben selbst sind in gewissen Sinne nicht real. Die Kameras der modernen Astronomie funktionieren digital. So wie ja eigentlich alle Kameras heutzutage. Und da gibt es keine Farben im eigentlich Sinn, da gibt es Filter. Die Astronomen machen nicht eine Aufnahme und die ist dann bunt. Sondern sie machen viele verschiedene Aufnahmen mit verschiedenen Filtern die jeweils nur eine bestimmte Wellenlänge des Lichts durchlassen bzw. bestimmte Wellenlängenbereiche. Das kann zum Beispiel ein Filter sein, der nur rotes Licht durchlässt. Das digitale Bild, das man so erhält, ist dann aber erst Mal nicht rot, sondern grau. Man erhält ja nur Informationen über die Intensität des Lichts: Wo kommt viel Licht her und woher kommt wenig? Und man weiß, dass alles Licht das durch den Filter kam, rotes Licht war. Das gleiche kann man mit einem blauen Filter machen und einem grünen Filter, und so weiter. Diese einzelnen Aufnahmen kann man dann überlagern und entsprechend der Filter einfärben, um so ein Bild zu erzeugen, dass wieder “natürliche” Farben zeigt.
Nichts anderes machen – im Prinzip zumindest – auch die normalen Digitalkameras. Die Astronomen machen aber noch mehr. Sie können nicht nur das für unsere Augen sichtbare Licht beobachten. Sondern auch Ultraviolettes Licht. Infrarotes Licht. Mikrowellenstrahlung. Radiowellen. Und so weiter. All diese Bilder kann man ebenfalls irgendwie einfärben und überlagern. Sie machen das nicht, um noch schönere und buntere Bilder des Himmels zu kriegen – sondern weil das alles wichtige Informationen sind, die man nur mit dem normalen Licht nicht kriegen würde. Der Weihnachtsbaum-Sterhaufen schaut zum Beispiel im Infrarotlicht ganz anders aus als im normalen Licht, weil die Infrarotstrahlung Gas- und Staubschichten durchdringen kann, die das normale Licht blockieren würde.
Manche mögen vielleicht enttäuscht sein, dass die schönen bunten Bilder der Astronomen nicht das zeigen, was man auch “in echt” und mit den eigenen Augen sehen kann. Aber es ist nicht die Aufgabe der Astronomie, exakt naturgetreue Abbilder des Universums zu erzeugen. Ihre Aufgabe ist es, das Universum zu verstehen. Und darum hat sie gelernt, viel, viel mehr zu sehen als unsere Augen es können. Nur deswegen wissen wir so viel über den Kosmos. Das macht die Bilder meiner Meinung nach noch viel beeindruckender. Sie zeigen uns nicht das, was unsere Augen vom Universum sehen. Sondern das, was unser Geist vom Universum verstanden hat!
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