Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 280: Exotische Sterne Teil 2 – Elektroschwache Sterne und Planck-Sterne
In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich über exotische Sterne gesprochen. Also über Sterne, die am Ende ihres Lebens zu Objekten werden, die nicht mehr aus der normalen Materie bestehen, die wir kennen sondern aus hypothetischen Materiearten wie Quark-Materie oder seltsamer Materie. Ob es solche Sterne wirklich gibt, wissen wir noch nicht. Es könnte aber sein und es könnte sogar noch seltsamere Objekte geben. Dazu müssen wir aber zuerst noch einmal schauen, wieso Sterne am Ende ihres Lebens eigentlich kollabieren.
Ich habe in den Sternengeschichten ja schon oft darüber gesprochen, wie ein Stern funktioniert. Ganz vereinfacht gesagt, sind es zwei Kräfte, die einen Stern stabil halten. Einmal ist da die Gravitation der Masse aus der ein Stern besteht. Diese Gravitation will den Stern eigentlich unter seinem eigenen Gewicht zusammenfallen lassen. Da im Inneren eines Sterns aber enorm hohe Temperaturen existieren, findet dort Kernfusion statt. Atome verschmelzen zu neuen chemischen Elementen und dabei wird Energie freigesetzt. Diese Energie strahlt nach außen und dieser Strahlungsdruck wirkt der Gravitation entgegen. Die Gravitation drückt nach innen; der Strahlungsdruck nach außen und in einem normalen Stern halten sich beide Kräfte die Waage.
Wenn jetzt aber der Brennstoff im Inneren eines Sterns aufgebraucht ist, fällt der Strahlungsdruck weg und die Gravitation gewinnt die Oberhand. Was nun passiert, hängt von der Masse des Sterns ab und davon, ob und welche Kräfte den Kollaps noch aufhalten können. Zuerst einmal aber kollabiert der Stern. Die Masse wird immer dichter und dichter; die Atome rücken immer näher aneinander. Wenn die Elektronen der Atomhüllen aufeinander treffen, dann können sie nicht mehr weiter komprimiert werden. Die Elektronen üben eine Kraft aufeinander aus, die einen weiteren Kollaps des Sterns verhindert. Zumindest dann, wenn seine Masse nicht groß genug und die Gravitation entsprechend schwach ist. Dann kriegt man einen “weißen Zwerg”, so groß wie die Erde und so schwer wie die Sonne.
Ist die Masse des Sterns größer, dann reicht der Druck zwischen den Atomen nicht aus, um den Kollaps aufzuhalten und der Stern kollabiert weiter. Dann werden die Elektronen der Atomhüllen in die Atomkerne gepresst. Es entstehen elektrisch neutrale Neutronen, die ebenfalls immer weiter aneinander gepresst werden, bis zwischen ihnen kein Platz mehr ist. Dann passiert das gleiche, was zuvor mit den Elektronen im weißen Zwerg passiert ist. Die Neutronen wehren sich dagegen, noch weiter ineinander gepresst zu werden und es entsteht ein Druck, der den weiteren Kollaps aufhält. Ist die Masse des Sterns noch größer, dann hilft aber auch das nicht mehr. Er fällt weiter in sich zusammen und wir kennen keine Kraft mehr, die irgendwas dagegen tun könnte. Das Resultat ist ein schwarzes Loch, bei der die gesamte Materie des Sterns zu einem einzigen Punkt komprimiert wird. Zumindest sagen das die mathematischen Gleichungen; was wirklich mit der Materie passiert, wissen wir nicht.
Wie ich in der letzten Folge der Sternengeschichte erzählt habe, gibt es aber zumindest theoretische Möglichkeiten, dass auch vor der Entstehung des schwarzen Lochs noch stabile Zustände möglich sind. Die Neutronen könnten in die Quarks aufgespalten werden, aus denen sie bestehen und Quark-Materie bilden, die ebenfalls stabil ist. So ein Quarkstern wäre noch dichter und noch kleiner als ein Neutronenstern und könnte dem Kollaps zu einem schwarzen Loch noch ein wenig länger widerstehen.
Im Jahr 2009 haben Wissenschaftler aber noch eine weitere hypothetische Möglichkeit identifiziert, in der ein Stern seinem ultimativen Zusammenfall entgegenwirken kann. In Folge 46 der Sternengeschichten habe ich über das Standardmodell der Teilchenphysik und die vier Grundkräfte gesprochen und in Folge 70 ein wenig über die Bedingungen im frühen Universum erzählt. Kurz noch einmal zusammengefasst: Wenn die Temperaturen hoch genug sind, dann können sich Teilchen und Kräfte, die wir heute als unterschiedlich wahrnehmen, so wie eine einzige Kraft verhalten bzw. können die Unterschiede zwischen bestimmten Teilchenarten verschwinden. Deswegen geht man heute auch davon aus, dass es nach der Entstehung des Universums und unter den extremen Bedingungen die damals geherrscht haben, nicht vier unterschiedliche Kräfte gegeben hat, sondern nur eine “Urkraft”, die sich im Laufe der Abkühlung des Kosmos dann in die vier Kräfte aufgespalten hat, die wir heute beobachten.
Ob das so war, wissen wir nicht. Aber wir wissen auf jeden Fall, dass bei ausreichend hohen Temperaturen die elektromagentische Kraft und die in den Atomkernen wirkende schwache Kernkraft zu einer elektroschwachen Kraft verschmelzen. Das konnte schon in den 1970er Jahren experimentell bestätigt werden und es könnte sein, dass solche Bedingungen auch im Inneren eines Quarksterns herrschen. Dann könnte die dort wirkende elektroschwache Kraft dafür sorgen, dass sich Quarks in Elektronen umwandeln. Bei dieser Umwandlung wird Energie freigesetzt und dieser Prozess kann ein wenig wie die Kernfusion betrachtet werden. Nur dass eben hier nicht mehr Atome zu anderen Atomen fusioniert werden, sondern Quarks zu Elektronen (bzw. allgemein zu Leptonen, aber das würde jetzt zu weit führen). Dieses “elektroschwache Brennen” erzeugt eine dem Strahlungsdruck vergleichbare Kraft, die den Stern stabil halten und den Kollaps zu einem schwarzen Loch verhindern könnte.
Die Wissenschaftler vermuten, dass dieses elektroschwache Brennen bis zu 10 Millionen Jahre dauern könnte. Es könnte aber auch sein, dass es nach ein paar Sekunden schon vorbei ist. Und der Nachweis solcher elektroschwacher Sterne ist ebenfalls durch Beobachtung kaum möglich. Aber wenn das, was wir über das Standardmodell der Teilchenphysik wissen richtig ist, dann muss es diese Phase in der Entwicklung massereicher Sterne eigentlich geben.
Wenn aber irgendwann auch das elektroschwache Brennen vorüber ist, bleibt dem Stern nichts anderes mehr übrig, als zu einem schwarzen Loch zu kollabieren. Über die schwarzen Löcher habe ich in Folge 40 der Sternengeschichten schon ausführlicher gesprochen. Je näher man einer gewissen Menge an Masse kommt, desto größer ist ihre Anziehungskraft. Die Ausdehnung der Materie verhindert aber, dass man sich der gesamten Masse beliebig weit nähern kann. Selbst wenn ich mich so weit nähere, wie es nur geht, ist ja – vereinfacht gesagt – immer noch Materie auf der “anderen Seite” des Objekts, die weiter weg von mir und deren Anziehungskraft daher schwächer ist. Je stärker Materie komprimiert wird, desto näher kann ich aber der gesamten Masse kommen und desto stärker wird die Anziehungskraft. Und irgendwann wird sie so groß, dass ich mich nicht mehr weg bewegen kann. Man müsste dann schneller als das Licht sein, um sich entfernen zu können und das geht nicht. Diese Grenze wird “Ereignishorizont” genannt und man müsste zum Beispiel unsere Sonne auf 3 Kilometer Größe zusammenquetschen, um diesen Zustand zu erreichen. Was hinter dem Ereignishorizont liegt, können wir nicht sehen oder irgendwie mitbekommen, weil von dort ja nichts – nicht einmal Licht – entkommen kann. Von außen betrachtet IST der Ereignishorizont also quasi das schwarze Loch. Aber was ist mit der Materie hinter dem Ereignishorizont, die dieses Phänomen erst verursacht?
Nach allem was wir derzeit wissen, kennen wir keine Kraft, die den Kollaps der Materie aufhalten könnte. Hinter dem Ereignishorizont kollabiert die Materie immer weiter und weiter, bis alles in einem einzigen Punkt mit unendlich hoher Dichte vereinigt ist. Das nennt man “Singularität” und es ist ein Zeichen dafür, dass unsere Theorie hier nicht mehr funktioniert, denn unendlich dichte Punkte kann es in der Realität nicht geben. Was mit dem kollabierenden Stern hinter dem Ereignishorizont wirklich passiert, wissen wir nicht. Aber manche Wissenschaftler vermuten, dass er zu einem “Planck-Stern” werden könnte.
Um zu verstehen, was damit gemeint ist, brauchen wir die Quantenmechanik. Hier gibt es ja die berühmte Heisenbergsche Unschärferelation. Weil in der Quantenmechanik die Teilchen ja keine echten Teilchen mehr sind, also keine klar begrenzten Objekte, sondern eher über den ganzen Raum “verschmierte” Wellen, ist es auch nicht möglich, für einen bestimmten Zeitpunkt sowohl den Ort als auch die Geschwindigkeit eines Teilchens exakt anzugeben. Diese Unschärfe existiert auch für die Energie und die Zeit. Man kann Energie und Zeit nicht gleichzeitig beliebig genau messen. Werden die Distanzen immer kleiner, dann macht es irgendwann keinen Sinn mehr, noch kleiner zu werden, weil dann wegen dieser Unschärfe keine vernünftige Betrachtung mehr möglich ist. Das passiert bei Distanzen, die kleiner als die sogenannte “Planck-Länge” von 10 hoch -35 Meter sind. Also wirklich, wirklich kleine Distanzen!
Manche Wissenschaftler vermuten nun, dass bei diesen Größenskalen der Raum selbst aufhört, Raum zu sein. Wir stellen uns den Raum und die Zeit ja gerne kontinuierlich vor. Aber das muss nicht so sein. Raum und Zeit könnten quantisiert sein. Das heißt, dass es quasi kleinste Raum/Zeit-Einheiten gibt, unterhalb derer schlicht und einfach nichts existiert. Ein Stück Raum, das kleiner als die Planck-Länge ist, könnte es dann nicht geben. Und wenn das so ist, dann kann aufgrund der Unschärferelation auch nur eine bestimmte Menge an Energie innerhalb dieses Stück Raums existieren. Mehr geht nicht und das wäre dann der Moment, in dem ein kollabierender Stern wirklich nicht mehr weiter kollabieren kann. Wenn die Masse so weit kollabiert ist, dass die maximal mögliche Energiedichte pro Stück Raum erreicht ist (das wären 5 mal 10 hoch 113 Joule pro Kubikmeter, also so viel, dass man es beim besten Willen nicht vernünftig veranschaulichen kann), dann kann sie nicht weiter kollabieren. So ein hypothetisches Objekt haben die Wissenschaftler “Planck-Stern” genannt und sie vermuten, dass genau so etwas im Inneren von schwarzen Löchern zu finden ist.
Aber vermuten kann man viel… Wir haben keine Ahnung, was hinter dem Ereignishorizont abgeht. Wir haben keine Ahnung, ob der Raum wirklich quantifiziert ist. Wir haben keine Ahnung, wie man solche extremen Zustände richtig beschreiben muss, weil wir bis jetzt noch keine Theorie haben, die unter diesen Bedingungen funktioniert. Aber wenn wir sie irgendwann einmal haben sollten, dann bin ich mir sicher: Was auch immer so eine Theorie für exotische Sterne beschreiben wird – sie werden noch viel exotischer sein, als die Objekte, die wir uns heute vorstellen können.
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