Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 282: Ultraviolettes Licht
Im Jahr 1801 war der junge Forscher Johann Wilhelm Ritter an der Universität Jena damit beschäftigt, Papierstreifen in eine Mischung aus Silber und Chlor zu tauchen. Damit wollte er die Eigenschaften des Sonnenlichts erforschen. Schon lange war ja bekannt, dass man das weiße Licht der Sonne mit einem speziell geformten Stück Glas – einem Prisma – dazu bringen konnte, einen schönen Regenbogen zu erzeugen. Isaac Newton selbst hatte mehr als 100 Jahre zuvor in einem seiner berühmtesten Experimente gezeigt, dass das Sonnenlicht eine Mischung aus all diesen Farben ist. Und das diese Farben, abgesehen von der Farbe, auch unterschiedliche Eigenschaften haben. Der blaue Anteil des Lichts wird beim Durchgang durch das Prisma zum Beispiel stärker abgelenkt als das rote Licht und deswegen sind die beiden Farben, die zuvor im weißen Licht gemischt waren, nach dem Durchgang getrennt voneinander zu sehen.
Aber welche unterschiedlichen Eigenschaften haben die verschiedenen Farben des Regenbogens noch? Das wollte Ritter wissen und dafür bereitete er sein Silberchloridpapier vor. Lässt man Licht auf dieses Papier treffen, dann wird dadurch das Silberchlorid zersetzt und es verfärbt sich. Das war schon bekannt – aber sind unterschiedliche Farben vielleicht unterschiedlich gut darin, das Papier zu verfärben? Genau das herauszufinden war Ziel von Ritters Experiment. Er erzeugte also mit einem Prisma einen Regenbogen und legte das Silberchloridpapier in die roten, gelben, grünen, blauen und violetten Streifen. Und tatsächlich stellte er fest: blau/violettes Licht färbte die lichtempfindliche Silberchlorid-Schicht schneller und stärker ein als rotes Licht.
Die wirklich beeindruckende Entdeckung kam aber erst noch! Ritter legte einen seiner Papierstreifen auch hinter das violette Ende des Regenbogens, also dorthin wo man gar kein Licht mehr sehen konnte. Und trotzdem verfärbte sich der Streifen und zwar viel schneller und stärker als die anderen, die er in die farbigen Bereiche gelegt hatte. Johann Wilhelm Ritter hatte eine neue Art des Lichts entdeckt! Es war vorhanden, das zeigte sein Experiment. Aber für unsere Augen ist es unsichtbar. Ritter gab seiner Entdeckung den Namen “oxidierende Strahlung”, andere nannten sie “chemische Strahlung”, weil sie den chemischen Zerfall des Silberchlorids so stark beeinflusste. Heute kennen wir die Entdeckung von Ritter allerdings unter dem Namen „Ultraviolettstrahlung“ oder einfach „UV-Strahlung“.
Und heute haben wir die UV-Strahlung deutlich besser verstanden und erforscht. Wir wissen, dass sie sehr viel mehr kann, als nur Silberchloridpapier verfärben. Die UV-Strahlung ist Teil des elektromagnetischen Spektrums, genau so wie das sichtbare Licht das nur einen kleinen Ausschnitt aller möglichen elektromagnetischen Wellen darstellt. Sichtbares Licht hat Wellenlängen die von circa 780 Nanonmeter bei rotem Licht bis 380 Nanometer bei violetten Licht reicht. Ultraviolettes Licht hat noch kleinere Wellenlängen, die von 380 Nanonmeter bis circa 10 Nanometer reichen. Diese Wellenlängen kann unser Auge nicht mehr wahrnehmen und deswegen ist es für unsichtbar, genau so wie die anderen Bestandteile des elektromagnetischen Spektrums wie Röntgenstrahlen, Gammastrahlen, Mikrowellen, Infrarotlicht oder Radiowellen.
Die kurzen Wellenlängen des UV-Lichts machen es aber auch gefährlich. Im Licht steckt Energie und zwar umso mehr, je kleiner die Wellenlänge ist. UV-Strahlung ist in der Lage, Atome zu ionisieren. Fällt Licht auf ein Atom, kann dessen Energie von den Elektronen aufgenommen werden, die den Atomkern umgeben. Dadurch erhöht sich die Energie der Elektronen und wenn diese Energie groß genug ist, kann das Elektron ganz vom Atomkern gelöst werden. Normalerweise sind Atome elektrisch neutral, sie haben genau so viele elektrisch negativ geladene Elektronen in ihrer Hülle wie sie elektrisch positiv geladene Teilchen im Atomkern haben. Verliert ein Atom durch die Ionisierung ein paar Elektronen, ist es nicht mehr elektrisch neutral und das hat Folgen. Die elektromagnetischen Kräfte zwischen Elektronen verschiedener Atome sorgen zum Beispiel dafür, dass sie sich zu Molekülen verbinden können. Verändert man die elektrische Ladung von Atomen, dann können auch die Bindungen gelöst werden. Ionisierende Strahlung wie das ultraviolette Licht ist also in der Lage, die Bindung zwischen Molekülen aufzubrechen.
Das kann allerdings auch positive Folgen haben. Anfang des 20. Jahrhunderts berichtete der österreichische Arzt Gustav Kaiser, dass er eine Wunde die nicht heilen wollte, mit einer UV-Lampe bestrahlt habe. Kurz danach war die Patientin wieder gesund und weitere Experimente mit anderen Hautkrankheiten zeigten ebenfalls Erfolge. Die ultraviolette Strahlung hatte die Keime in der Wunde abgetötet. Heute verwenden wir die UV-Strahlung immer noch zur Desinfizierung, zum Beispiel in Krankenhäusern oder in der Trinkwasseraufbereitung.
Aber auch wenn es praktisch ist, dass man mit UV-Licht gefährliche Keime und Mikroorganismen abtöten kann, ist es weniger praktisch, wenn das hochenergetische Licht die Moleküle in unserem eigenen Körper beschädigt. Genau das passiert jedesmal, wenn wir einen Sonnenbrand bekommen. Denn wie Ritter ja damals mit seinem Versuch gezeigt hatte, findet sich UV-Licht auch als Teil der Sonnenstrahlung. Wir teilen es heute in drei Arten auf.
Die sogenannte UV-A-Strahlung hat dabei die längste Wellenlänge. Sie kann bis zur Lederhaut, also der mittleren der drei Hautschichten, eindringen. Dort kann sie zur Bildung von Pigmenten, also Farbstoffen sorgen. Man wird braun, die Färbung hält aber nicht lange an. Die UV-A-Strahlung ist aber auch in der Lage, das Bindegewebe zu schädigen und kann dafür sorgen, das unsere Haut vorzeitig altert. Und sie ionisiert Moleküle im Körper, wodurch unser Hautkrebsriskio steigt. Für den Sonnenbrand ist sie allerdings nicht verantwortlich.
Den erzeugt die etwas kurzwelligere UV-B-Strahlung. Sie dringt nur bis zur Oberhaut vor, der äußersten Hautschicht. Hier verursacht sie eine langfristige Bräunung. Sie sorgt dort auch für die Bildung des für uns wichtigen Vitamins D3. Wenn wir zuviel UV-B-Strahlung abkriegen, dann werden aber die Zellen der Oberhaut geschädigt. Dabei werden Botenstoffe freigesetzt, die dann in der Unterhaut eine Entzündung hervor rufen: Die Gefäße erweitern sich, die Haut färbt sich rot, wirft Blasen und Flüssigkeit kann austreten. Man hat einen Sonnenbrand bekommen! Und wenn man sich zu oft zu lange der UV-B-Strahlung aussetzt, steigt auch die Gefahr, Hautkrebs zu bekommen sehr stark.
Weniger Sorgen müssen wir uns um die noch langwelligere UV-C-Strahlung machen. Sie erreicht unseren Körper gar nicht erst, weil sie schon von den Luft-Molekülen in der oberen Atmosphäre blockiert wird. Denn unsere Atmosphäre ist glücklicherweise recht gut darin, UV-Licht auszufiltern. Das liegt vor allem an der Ozon-Schicht. Die Sauerstoffmoleküle aus denen sie besteht, absorbieren die UV-Strahlung die aus dem Weltraum auf die Erde fällt. Ansonsten wäre die Belastung durch UV-Strahlung auf dem Erdboden viel stärker als sie jetzt ist und das wäre für uns Menschen gar nicht gut.
Was aus gesundheitlichen Gründen ein Vorteil ist, ist für die Astronomen allerdings weniger praktisch. Denn wir wollen natürlich auch gerne das UV-Licht der Sterne beobachten. Besonders sehr junge, heiße Sterne geben sehr intensives UV-Licht ab. Das ist praktisch, wenn wir die Sternentstehung erforschen wollen beziehungsweise herausfinden wollen, wo im Universum gerade Sterne entstehen. Mit UV-Licht lässt sich aber auch herausfinden, wo sich zwischen den Sternen interstellare Materie befindet. Die besteht hauptsächlich aus Wasserstoff und der kann UV-Licht gut absorbieren. Wenn wir im Licht aus dem Universum also feststellen, dass bestimmte Teile der UV-Strahlung fehlen, dann können wir daraus schließen, dass es unterwegs auf große Wolken aus interstellaren Wasserstoff getroffen ist.
Um die kosmische UV-Strahlung aber vernünftig beobachten zu können, mussten die Astronomen warten, bis man entsprechende Teleskope ins Weltraum schaffen konnte. Im großen Maßstab war das ab 1978 der Fall. Da schickte die NASA und die ESA den International Ultraviolet Explorer ins All. Dieses Weltraumtelskop war bis 1996 im Dienst (und wurde erst aus finanziellen Gründen abgeschaltet; es war damals noch funktionstüchtig). Mit dem Ultraviolet Explorer hat man fremde Galaxien beobachtet und kartografiert wo dort die Sterne entstehen, hat die interstellare Materie der Milchstraße erforscht, hat heiße junge Sterne beobachtet und die Mengen an heißen Gasen, die diese ins Weltall pusten. Man hat Kometen im Sonnensystem erforscht und die durch die Gravitationskraft riesiger schwarzer Löcher aufgeheizte Materie in den Zentren ferner Galaxien.
Und seitdem haben wir nicht aufgehört, das Universum auch im ultravioletten Licht zu beobachten. Auf den International Ultraviolet Explorer folgten jede Menge andere UV-Teleskope. Das Hubble-Weltraumteleskop hatte beispielsweise auch Instrumente zur Messung der UV-Strahlung anBord. Die Space-Shuttles brachten immer wieder kleinere UV-Teleskope ins All. Zwischen 2003 und 2013 flog GALEX, der Galaxy Evolution Explorer um die Erde um durch die Beobachtung ultravioletter Strahlung die Entwicklung von Galaxien zu erforschen. Momentan ist das Swift-Teleskop der NASA im All unterwegs, um einen ultravioletten Blick auf den Kosmos zu werfen. Johann Wilhelm Ritter wäre vermutlich überrascht – und sehr zufrieden – darüber, was sich aus seiner Entdeckung im Jahr 1801 alles entwickelt hat!
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