Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 286: Meteorströme
“Meteorstrom” klingt wie etwas aus einem Jahrzehnte alten Science-Fiction-Film. Es ist aber tatsächlich ein astronomischer Fachbegriff. Man kann stattdessen auch “Meteorschauer”, “Sternschnuppenschauer” oder “Sternschnuppenschwarm” sagen. Nicht korrekt ist dagegen die Bezeichnung “Meteoritenschauer”, denn ein Meteor ist kein Meteorit. Aber bevor es komplett konfus wird, sollten wir lieber anfangen zu klären, worum es tatsächlich geht.
Es geht um Sternschnuppen. Eine Sternschnuppe ist das, was man am Himmel sehen kann, wenn ein kleines Objekt aus dem Weltall mit der Erde zusammenstößt. Und “klein” heißt in diesem Fall wirklich klein. Es geht um kleine Staubkörnchen; um Felsbrocken, die ein paar Millimeter oder ein paar Zentimeter groß sind. Solche kosmischen Staubkörner gibt es jede Menge im Sonnensystem. Der Kram schwirrt überall zwischen den Planeten herum und immer wieder treffen sie auf die Planeten und auch auf die Erde. Weil die Objekte dabei mit enorm hohen Geschwindigkeiten von bis zu einigen Dutzend Kilometern pro Sekunde auf die Atmosphäre der Erde treffen, bleibt das nicht ohne Folge. Bei ihrem rasanten Flug durch die Lufthülle unseres Planeten reißen sie Elektronen aus den Hüllen der Atome aus denen die Luft besteht. Wenn diese Atome sich die Elektronen wieder zurückholen, wird dabei ein wenig Energie abgegeben und das können wir als Leuchterscheinung wahrnehmen. Diese Leuchterscheinung heißt offiziell “Meteor” oder landläufig “Sternschnuppe”. Das Objekt selbst überlebt den Zusammenstoß im Allgemeinen nicht, es verglüht durch die hohen Temperaturen beim Flug durch die Atmosphäre.
Nur größere Brocken können den Eintritt in die Atmosphäre überleben, es bis zum Boden schaffen, wo man sie dann aufsammeln kann und dann “Meteorit” nennt. Aber um die soll es heute nicht gehen. Und auch nicht um die ganz normalen Sternschnuppen, die man in jeder klaren Nacht am Himmel sehen kann. Heute geht es um das Phänomen, bei dem während einer vergleichsweise kurzen Zeit überdurchschnittlich viele Sternschnuppen am Himmel zu sehen sind. Um Sternschnuppenschauer oder eben um “Meteorströme”.
Es gibt verschiedene Meteorströme mit unterschiedlichen Namen. Am bekanntesten sind vermutlich die Perseiden, die man jedes Jahr zwischen Mitte Juli und Ende August am Nachthimmel der Erde beobachten kann. In den kalten Winternächten sausen zwischen Mitte und Ende November die Leoniden über den Himmel. Es gibt aber auch die Draconiden, die Orioniden, die Geminiden, die Lyriden oder die Virginiden. Wer ein wenig Ahnung vom Himmel hat, dem wird auffallen, dass die Bezeichnungen der Meteorströme alle ähnlich klingen wie die lateinischen Namen bestimmter Sternbilder. Perseus, Leo der Löwe, Draco der Drache, Orion, Gemini die Zwillinge, Lyra die Leier, Virgo die Jungfrau. Das ist kein Zufall. Betrachtet man in den warmen Sommernächten zwischen 17. Juli und 24. August den Himmel auf der Suche nach Sternschnuppen, dann wird man jede Menge beobachten, die alle aus Richtung des Sternbilds Perseus auf die Erde zu fallen scheinen. Dieser scheinbare Ursprung des Meteorstroms wird “Radiant” genannt und der Meteorstrom selbst bekommt den Namen des Sternbilds, in dem der Radiant liegt.
Aber: Warum gibt es solche Sternschnuppenschauer überhaupt? Man sollte doch eigentlich davon ausgehen, dass die Kollisionen zwischen der Erde und dem kosmischen Staub zufällig und ohne Muster und zeitliche Häufungen auftreten. Und das wäre normalerweise auch so. Es wäre vor allem dann so, wenn der kosmische Staub gleichmäßig überall im Sonnensystem verteilt ist. Das aber ist nicht der Fall. Neben dem Staub, der tatsächlich überall zwischen den Planeten zu finden ist, gibt es auch Bereiche in denen der Staub gehäuft auftritt. Und schuld daran sind Asteroiden und vor allem die Kometen. So ein Komet ist die meiste Zeit über eine in der Kälte des Weltraums tiefgefrorene Mischung aus Gestein und Eis. Kommt er aber auf seiner Bahn der Sonne zu nahe, erwärmt er sich. Das Eis taut auf, wird gasförmig und dehnt sich dabei stark aus. Das entweichende Gas reißt Staub von der Oberfläche des Kometen mit sich hinaus ins All. So entsteht, wie ich in den Folgen 44 und 45 genau erklärt habe, der Kometenschweif. So entsteht aber auch eine regelrechte Spur aus Staub, die der Komet hinter sich her durchs Sonnensystem zieht.
Dort, wo sich die Kometen bewegen, findet man also mehr Staub als anderswo. Und wenn die Bahn der Erde die Drecksspur eines Kometen kreuzt, dann gibt es sehr viel mehr Sternschnuppen als normal. So ein Sternschnuppenschauer wiederholt sich dann einmal pro Jahr, immer zur gleichen Zeit, wenn die Erde auf ihrem Weg um die Sonne herum wieder bei den Hinterlassenschaften des Kometen angekommen ist.
Natürlich ist das alles nicht komplett exakt und vorhersagbar. Der Staub den ein Komet hinterlässt bleibt ja nicht einfach still im Sonnensystem stehen. Er wird durch die Gravitationskraft der Planeten beeinflusst. Er wird durch die Strahlung der Sonne beeinflusst. Ein Komet verteilt seinen Staub auch nicht völlig gleichmäßig; mal verliert er mehr; mal weniger Staub. Das alles führt dazu, dass es “klumpigere” Regionen in der Staubspur gibt und relativ “saubere” Bereiche. All das ändert sich auch im Laufe der Zeit. Deswegen kann man immer schwer vorhersagen, wie viele Sternschnuppen ein bestimmter Schauer in einem bestimmten Jahr produzieren wird. Bei den Perseiden zum Beispiel können das mehr als 100 Sternschnuppen pro Stunde sein. Es können aber auch deutlich weniger zu sehen sein.
Die Menge an Sternschnuppen hängt auch davon ab, wie lange es her ist, dass der Komet seinen Staub abgeladen hat. Wenn er gerade erst vorbei gekommen ist, gibt es noch jede Menge Staub und viele Sternschnuppen. Das ist etwas, was man bei den Leoniden gut beobachten kann. Sie werden vom Komet Tempel-Tuttle erzeugt. Der braucht ungefähr 33 Jahre für eine Runde um die Sonne. Das heißt, er lädt auch etwa alle 33 Jahre neuen Staub im inneren Sonnensystem ab. Wenn er das gerade dann tut, kurz bevor die Erde seine Spur kreuzt, kann es richtig viele Sternschnuppen geben. Im Jahr 1966 konnte man so im November ein paar tausend Sternschnuppen pro Stunde beobachten; im November 1833 sollen es sogar bis zu 200.000 Sternschnuppen in einer Stunde gewesen sein.
Sternschnuppen beobachten macht Spaß. Man braucht dafür kein Fernglas und kein Teleskop. Man braucht nur einen Ort mit gutem Blick über den Himmel und eine möglichst dunkle und klare Nacht ohne störende Lichter in der Nähe. Dann legt man sich einfach zurück, blickt hinauf zu den Sternen und früher oder später wird man eine Sternschnuppe sehen. Wenn man sich für die Beobachtungsnacht die Zeit eines Meteorstroms aussucht, dann kann man die Sternschnuppen in kurzen Abständen immer wieder über den Himmel sausen sehen. Man sollte sich dann aber auch etwas Zeit nehmen. Am besten klappt es mit der Beobachtung in der zweiten Nachthälfte; kurz vor der Morgendämmerung. Wenn man dann am Himmel Richtung Osten blickt, schaut man genau in die Richtung, in die sich auch die Erde selbst dreht. Dort ist mit den meisten Sternschnuppen zu rechnen (genau so wie es ja auch viel wahrscheinlicher ist, dass Insekten bei einem fahrenden Auto auf die vordere, in Fahrtrichtung gelegene Windschutzscheibe klatschen und nicht auf die hintere Heckscheibe).
Wenn man dann Sternschnuppe um Sternschnuppe über den Himmel sausen sieht, dann hat man fast das Gefühl, man könne sie angreifen oder aufsammeln, so nahe scheinen sie uns zu kommen. In Wahrheit sind sie aber viel weiter weg. Die meisten von ihnen verglühen in 80 bis 90 Kilometer Höhe; näher als 75 Kilometer kommt kaum eine Sternschnuppe an uns heran. Aber das muss uns ja eigentlich nicht stören. Wir müssen die Sternschnuppen nicht angreifen, um sie schön zu finden.
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