Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 291: Das Ozonloch
Ein Grund warum es auf der Erde überhaupt Leben gibt, ist der Sauerstoff. Wir brauchen ihn zum Atmen und wir haben Glück, dass er da ist. Das war nicht immer so, wie ich in Folge 171 schon erklärt habe – er wurde erst vor 2,3 Milliarden Jahren von Bakterien produziert. Aber wir müssen dem Sauerstoff mehrfach dankbar sein. Auf dem Erdboden erlaubt er uns Menschen zu atmen. Hoch oben in der Erdatmosphäre schützt er uns dagegen vor der gefährlichen Strahlung der Sonne. Zumindest dann, wenn wir diese Schutzschicht nicht kaputt machen.
Packt man drei Sauerstoffatome zu einem Molekül zusammen, dann entsteht Ozon. Das ist allerdings nicht die normale Form in der Sauerstoff vorkommt. Eigentlich ist Sauerstoff am liebsten nur mit einem anderen Sauerstoffatom unterwegs, als “O2-Molekül”. Ozon herzustellen ist ein wenig komplizierter. Das passiert auf natürlichem Weg vor allem 15 bis 20 Kilometer über der Erdoberfläche, in der sogenannten Ozonschicht. Dort trifft Sonnenlicht auf die Moleküle der Erdatmosphäre. Nicht nur das normale, für uns sichtbare Licht sondern auch die hochenergetische Ultraviolettstrahlung der Sonne. Diese Strahlung hat genug Energie, um O2-Moleküle in einzelne Sauerstoffatome aufzuspalten. So ein einzelnes Sauerstoffatom kann sich dann mit einem O2-Molekül zu Ozon verbinden.
Genau so wie die Ultraviolettstrahlung die O2-Moleküle aufspalten kann, kann sie das natürlich auch mit Ozon-Molekülen tun. Dann zerfällt das Ozon wieder zu O2 und einem einzelnen Sauerstoffatom. Und daraus kann wieder neues Ozon entstehen. Es gibt also einen Ozon-Sauerstoff-Zyklus in der Atmosphäre der vom Ultraviolettlicht der Sonne angetrieben wird. Das praktische daran für uns Menschen: Die Energie, die im Ultraviolettlicht steckt, wird für die Bildung und den Zerfall von Ozon verwendet und landet nicht auf der Erdoberfläche. Und das ist gut: Denn genau so wie das UV-Licht die Sauerstoff-Moleküle aufspalten kann, kann es das auch mit den Molekülen unseres Körpers tun. Das kann Schäden verursachen und die Chance erhöhen, dass wir an Krebs erkranken.
Die Ozonschicht schützt die Lebewesen auf dem Planeten also vor der schädlichen UV-Strahlung aus dem Weltraum. Nicht komplett, denn es gibt immer noch Anteile des ultravioletten Lichts, das bis zu uns am Boden durchkommt und weswegen wir uns nach Möglichkeit nicht all zu lange ungeschützt in der prallen Sonne aufhalten sollten. Zumindest dann nicht, wenn wir Sonnenbrand, Hautschäden und Hautkrebs vermeiden wollen. Das kann man mit ausreichend Sonnencreme und vernünftiger Kleidung aber leicht verhindern. Gäbe es allerdings keine Ozonschicht, dann wäre der Schutz vor der dann völlig ungehindert auftreffenden UV-Strahlung viel schwerer oder sogar unmöglich.
Wir können also froh über die Existenz der Ozonschicht sein. Und trotzdem hätten wir sie fast ruiniert. Aus Versehen: Alles fing in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an, als der amerikanische Chemiker Thomas Midgley nach einem Stoff suchte, mit dem man sichere Kühlschränke bauen konnte. Bis dahin waren die Kühlmittel oft extrem giftig und es gab immer wieder Unfälle, bei denen Menschen durch den Austritt dieser Mittel starben. 1929 entdeckte Midgley dann die Fluorchlorkohlenwasserstoffe oder kurz FCKWs. Diese Verbindungen waren geruchslos, ungiftig, nicht entzündlich und äußerst praktisch als Kühlmittel. Und eben weil sie so praktisch waren, wurden sie überall eingesetzt. Als Kühlmittel, aber auch als Treibgas in Sprühdosen oder bei der Schaumstoffproduktion.
1957 waren FCKWs überall auf der Welt verbreitet. Und 1957 maß eine britische Forschungsstation in der Antarktis, dass die Menge an Ozon hoch oben in der Atmosphäre geringer geworden war. Das hat damals aber kaum jemanden interessiert. 1974 aber kamen die Physiker und Chemiker Mario Molina, Paul Crutzen und Frank Rowland. Sie warnten davor, dass die FCKWs zu einer Schädigung der Ozonschicht führen würde. Denn unter den Bedingungen hoch oben in der Atmosphäre können FCKWs sich mit einzelnen Sauerstoffatomen verbinden. Sie nehmen quasi die Bausteine weg, die nötig sind, um Ozon zu bilden. Das UV-Licht spaltet zwar weiterhin O2-Moleküle auf, aber die dabei entstehenden einzelnen Sauerstoffatome werden nun von den FCKWs abgefangen bevor sie Ozon bilden können.
Die Vorhersage der Wissenschaftler wurde schnell beobachtbare Realität (und sie wurden 1995 dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet). Ab den 1980er Jahren konnte man ein jährliches Ozonloch sehen. In der Ozonschicht, vor allem über der Antarktis sank die Menge an Ozon dramatisch ab. Grund dafür waren die speziellen Bedingungen über dem Südpol. Das Wetter ist dort sehr stabil: Über der Antarktis liegt ein großräumiges Tiefdruckgebiet. Sieht man von der Südspitze Südamerikas ab, steht dem Wind rund um die Küste der Antarktis kein größeres Landgebiet im Weg. Er wird also auch nicht gebremst und dieser sogenannte “Polarwirbel” ist extrem stabil. In seinem Zentrum ist es auch sehr kalt. Und weil es so kalt ist, können dort “Polare Stratosphärenwolken” entstehen. Das sind Wolken, die sich in Höhen von über 20 Kilometern bilden, also in der Stratosphäre. Dort ist normalerweise so wenig Wasser in der Luft, das es für Wolken eigentlich nicht reicht. Es fehlen die Kondensationskerne, die für die Wolkenbildung notwendig sind, wie ich in Folge 105 der Sternengeschichten erklärt habe. Ist es aber kalt genug – etwa -80 Grad Celsius – dann können Schwefelsäuretröpfchen als Ausgangspunkt der Wolkenbildung dienen. Schwefel kommt aus den Meeren und den Vulkanen der Erde in die Atmosphäre und ist es kalt genug, können sich entsprechende Kristalle bilden und daraus Wolken.
Genau an diesen Kristallen können sich nun die FCKWs sammeln. In der langen Polarnacht werden es immer mehr bis dann plötzlich nach sechs Monaten Dunkelheit das erste Mal wieder die Sonne über der Antarktis aufgeht. Dann verdampfen die polaren Stratosphärenwolken und es werden auf einen Schlag all die Stoffe freigesetzt, die die Ozonschicht zerstören können. Über dem Nordpol kann ein ähnlicher Prozess ablaufen, allerdings nicht so effektiv, da hier die Polarwirbel nicht stabil genug sind.
Das Ozonloch jedenfalls hatte sich in den 1980er Jahren als jährliches wiederkehrendes Phänomen über der Antarktis etabliert und wurde immer größer. Die Messergebnisse waren so dramatisch – teilweise war die Hälfte der Ozonschicht betroffen – dass man sich überraschend schnell zu Maßnahmen durchringen konnte. Vor allem auch, weil die wissenschaftliche Ursache des Ozonlochs ohne jeden Zweifel auf die Freisetzung der FCKWs zurück geführt werden konnte, gab es kaum die üblichen politischen Diskussionen, die ansonsten bei solchen Themen gerne geführt werden. Am 16. September 1987 wurde das Montreal-Protokoll angenommen und es trat am 1. Januar 1988 in Kraft. Dieser Vertrag ist mittlerweile von ALLEN Mitgliedern der Vereinten Nationen ratifiziert worden und die Länder der Welt haben sich darin verpflichtet, Maßnahmen zu treffen um die Ozonschicht zu schützen. Die Verwendung von FCKWs wurde verboten oder zumindest massiv eingeschränkt.
Die Bemühungen waren erfolgreich. Zuerst wuchs das Ozonloch noch weiter. Die FCKWs waren ja weiterhin in der Atmosphäre und es dauerte, bis sie verschwanden. Die größte Ausdehnung des Ozonlochs über der Antarktis hat man am 24. September 2006 gemessen. Aber 2012 konnte man zum ersten Mal beobachten, wie das jährliche Ozonloch kleiner war als zuvor. 2017 was das Ozonloch so klein, wie es seit 1988 nicht mehr war. Es wird noch ein wenig dauern, bis alle Spuren der FCKWs aus der Atmosphäre entfernt sind und die Dicke der Ozonschicht wird auch weiterhin schwanken. Aber irgendwann in den nächsten Jahrzehnten werden es dann nur noch die wesentlich geringer ausfallenden natürlichen Variationen in der Ozonmenge sein die wir messen und nicht mehr den schädlichen Einfluss der menschengemachten Stoffe.
Die Geschichte vom Ozonloch zeigt drei Dinge besonders gut. Erstens: Unser Planet ist ein guter Ort zum Leben, es ist aber gleichzeitig ein sehr komplexes System bei dem kleine Änderungen große Auswirkungen haben können. Eine kleine Änderung in der Zusammensetzung der Atmosphäre kann die Bedingungen für uns Lebewesen massiv verschlechtern. Zweitens: Wir Menschen sind durchaus in der Lage, die Eigenschaften unseres Planeten auf einem globalen Maßstab zu verändern. In einem so komplexen System wie der Erdatmosphäre reicht ein kleiner Eingriff wie durch die Freisetzung der FCKWs aus, um dramatische und für uns spürbare Folgen zu haben. Das ist eine Lektion, die wir auch in Bezug auf den menschengemachten Klimawandel nicht vergessen sollten. Und drittens: Wenn wir alle zusammen kooperieren, dann können wir auch solche globalen Probleme lösen. Das Montreal-Protokoll hat die Zerstörung der Ozonschicht verhindert, weil alle beteiligten Länder schnell und effektiv reagiert haben. Es ist schade – und ein wenig deprimierend – das das bei so vielen anderen Problemen nicht möglich zu sein scheint.
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