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Sternengeschichten Folge 291: Das Ozonloch

Ein Grund warum es auf der Erde überhaupt Leben gibt, ist der Sauerstoff. Wir brauchen ihn zum Atmen und wir haben Glück, dass er da ist. Das war nicht immer so, wie ich in Folge 171 schon erklärt habe – er wurde erst vor 2,3 Milliarden Jahren von Bakterien produziert. Aber wir müssen dem Sauerstoff mehrfach dankbar sein. Auf dem Erdboden erlaubt er uns Menschen zu atmen. Hoch oben in der Erdatmosphäre schützt er uns dagegen vor der gefährlichen Strahlung der Sonne. Zumindest dann, wenn wir diese Schutzschicht nicht kaputt machen.

Packt man drei Sauerstoffatome zu einem Molekül zusammen, dann entsteht Ozon. Das ist allerdings nicht die normale Form in der Sauerstoff vorkommt. Eigentlich ist Sauerstoff am liebsten nur mit einem anderen Sauerstoffatom unterwegs, als “O2-Molekül”. Ozon herzustellen ist ein wenig komplizierter. Das passiert auf natürlichem Weg vor allem 15 bis 20 Kilometer über der Erdoberfläche, in der sogenannten Ozonschicht. Dort trifft Sonnenlicht auf die Moleküle der Erdatmosphäre. Nicht nur das normale, für uns sichtbare Licht sondern auch die hochenergetische Ultraviolettstrahlung der Sonne. Diese Strahlung hat genug Energie, um O2-Moleküle in einzelne Sauerstoffatome aufzuspalten. So ein einzelnes Sauerstoffatom kann sich dann mit einem O2-Molekül zu Ozon verbinden.

Irgendwo da ist das Ozon - wenn es da ist (Bild: NASA)

Irgendwo da ist das Ozon – wenn es da ist (Bild: NASA)

Genau so wie die Ultraviolettstrahlung die O2-Moleküle aufspalten kann, kann sie das natürlich auch mit Ozon-Molekülen tun. Dann zerfällt das Ozon wieder zu O2 und einem einzelnen Sauerstoffatom. Und daraus kann wieder neues Ozon entstehen. Es gibt also einen Ozon-Sauerstoff-Zyklus in der Atmosphäre der vom Ultraviolettlicht der Sonne angetrieben wird. Das praktische daran für uns Menschen: Die Energie, die im Ultraviolettlicht steckt, wird für die Bildung und den Zerfall von Ozon verwendet und landet nicht auf der Erdoberfläche. Und das ist gut: Denn genau so wie das UV-Licht die Sauerstoff-Moleküle aufspalten kann, kann es das auch mit den Molekülen unseres Körpers tun. Das kann Schäden verursachen und die Chance erhöhen, dass wir an Krebs erkranken.

Die Ozonschicht schützt die Lebewesen auf dem Planeten also vor der schädlichen UV-Strahlung aus dem Weltraum. Nicht komplett, denn es gibt immer noch Anteile des ultravioletten Lichts, das bis zu uns am Boden durchkommt und weswegen wir uns nach Möglichkeit nicht all zu lange ungeschützt in der prallen Sonne aufhalten sollten. Zumindest dann nicht, wenn wir Sonnenbrand, Hautschäden und Hautkrebs vermeiden wollen. Das kann man mit ausreichend Sonnencreme und vernünftiger Kleidung aber leicht verhindern. Gäbe es allerdings keine Ozonschicht, dann wäre der Schutz vor der dann völlig ungehindert auftreffenden UV-Strahlung viel schwerer oder sogar unmöglich.

Wir können also froh über die Existenz der Ozonschicht sein. Und trotzdem hätten wir sie fast ruiniert. Aus Versehen: Alles fing in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an, als der amerikanische Chemiker Thomas Midgley nach einem Stoff suchte, mit dem man sichere Kühlschränke bauen konnte. Bis dahin waren die Kühlmittel oft extrem giftig und es gab immer wieder Unfälle, bei denen Menschen durch den Austritt dieser Mittel starben. 1929 entdeckte Midgley dann die Fluorchlorkohlenwasserstoffe oder kurz FCKWs. Diese Verbindungen waren geruchslos, ungiftig, nicht entzündlich und äußerst praktisch als Kühlmittel. Und eben weil sie so praktisch waren, wurden sie überall eingesetzt. Als Kühlmittel, aber auch als Treibgas in Sprühdosen oder bei der Schaumstoffproduktion.

1957 waren FCKWs überall auf der Welt verbreitet. Und 1957 maß eine britische Forschungsstation in der Antarktis, dass die Menge an Ozon hoch oben in der Atmosphäre geringer geworden war. Das hat damals aber kaum jemanden interessiert. 1974 aber kamen die Physiker und Chemiker Mario Molina, Paul Crutzen und Frank Rowland. Sie warnten davor, dass die FCKWs zu einer Schädigung der Ozonschicht führen würde. Denn unter den Bedingungen hoch oben in der Atmosphäre können FCKWs sich mit einzelnen Sauerstoffatomen verbinden. Sie nehmen quasi die Bausteine weg, die nötig sind, um Ozon zu bilden. Das UV-Licht spaltet zwar weiterhin O2-Moleküle auf, aber die dabei entstehenden einzelnen Sauerstoffatome werden nun von den FCKWs abgefangen bevor sie Ozon bilden können.

Größte Ausdehnung des Ozonlochs im Jahr 2006 (Bild: NASA, gemeinfrei)

Größte Ausdehnung des Ozonlochs im Jahr 2006 (Bild: NASA, gemeinfrei)

Die Vorhersage der Wissenschaftler wurde schnell beobachtbare Realität (und sie wurden 1995 dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet). Ab den 1980er Jahren konnte man ein jährliches Ozonloch sehen. In der Ozonschicht, vor allem über der Antarktis sank die Menge an Ozon dramatisch ab. Grund dafür waren die speziellen Bedingungen über dem Südpol. Das Wetter ist dort sehr stabil: Über der Antarktis liegt ein großräumiges Tiefdruckgebiet. Sieht man von der Südspitze Südamerikas ab, steht dem Wind rund um die Küste der Antarktis kein größeres Landgebiet im Weg. Er wird also auch nicht gebremst und dieser sogenannte “Polarwirbel” ist extrem stabil. In seinem Zentrum ist es auch sehr kalt. Und weil es so kalt ist, können dort “Polare Stratosphärenwolken” entstehen. Das sind Wolken, die sich in Höhen von über 20 Kilometern bilden, also in der Stratosphäre. Dort ist normalerweise so wenig Wasser in der Luft, das es für Wolken eigentlich nicht reicht. Es fehlen die Kondensationskerne, die für die Wolkenbildung notwendig sind, wie ich in Folge 105 der Sternengeschichten erklärt habe. Ist es aber kalt genug – etwa -80 Grad Celsius – dann können Schwefelsäuretröpfchen als Ausgangspunkt der Wolkenbildung dienen. Schwefel kommt aus den Meeren und den Vulkanen der Erde in die Atmosphäre und ist es kalt genug, können sich entsprechende Kristalle bilden und daraus Wolken.

Genau an diesen Kristallen können sich nun die FCKWs sammeln. In der langen Polarnacht werden es immer mehr bis dann plötzlich nach sechs Monaten Dunkelheit das erste Mal wieder die Sonne über der Antarktis aufgeht. Dann verdampfen die polaren Stratosphärenwolken und es werden auf einen Schlag all die Stoffe freigesetzt, die die Ozonschicht zerstören können. Über dem Nordpol kann ein ähnlicher Prozess ablaufen, allerdings nicht so effektiv, da hier die Polarwirbel nicht stabil genug sind.

Das Ozonloch jedenfalls hatte sich in den 1980er Jahren als jährliches wiederkehrendes Phänomen über der Antarktis etabliert und wurde immer größer. Die Messergebnisse waren so dramatisch – teilweise war die Hälfte der Ozonschicht betroffen – dass man sich überraschend schnell zu Maßnahmen durchringen konnte. Vor allem auch, weil die wissenschaftliche Ursache des Ozonlochs ohne jeden Zweifel auf die Freisetzung der FCKWs zurück geführt werden konnte, gab es kaum die üblichen politischen Diskussionen, die ansonsten bei solchen Themen gerne geführt werden. Am 16. September 1987 wurde das Montreal-Protokoll angenommen und es trat am 1. Januar 1988 in Kraft. Dieser Vertrag ist mittlerweile von ALLEN Mitgliedern der Vereinten Nationen ratifiziert worden und die Länder der Welt haben sich darin verpflichtet, Maßnahmen zu treffen um die Ozonschicht zu schützen. Die Verwendung von FCKWs wurde verboten oder zumindest massiv eingeschränkt.

Die Bemühungen waren erfolgreich. Zuerst wuchs das Ozonloch noch weiter. Die FCKWs waren ja weiterhin in der Atmosphäre und es dauerte, bis sie verschwanden. Die größte Ausdehnung des Ozonlochs über der Antarktis hat man am 24. September 2006 gemessen. Aber 2012 konnte man zum ersten Mal beobachten, wie das jährliche Ozonloch kleiner war als zuvor. 2017 was das Ozonloch so klein, wie es seit 1988 nicht mehr war. Es wird noch ein wenig dauern, bis alle Spuren der FCKWs aus der Atmosphäre entfernt sind und die Dicke der Ozonschicht wird auch weiterhin schwanken. Aber irgendwann in den nächsten Jahrzehnten werden es dann nur noch die wesentlich geringer ausfallenden natürlichen Variationen in der Ozonmenge sein die wir messen und nicht mehr den schädlichen Einfluss der menschengemachten Stoffe.

Die Geschichte vom Ozonloch zeigt drei Dinge besonders gut. Erstens: Unser Planet ist ein guter Ort zum Leben, es ist aber gleichzeitig ein sehr komplexes System bei dem kleine Änderungen große Auswirkungen haben können. Eine kleine Änderung in der Zusammensetzung der Atmosphäre kann die Bedingungen für uns Lebewesen massiv verschlechtern. Zweitens: Wir Menschen sind durchaus in der Lage, die Eigenschaften unseres Planeten auf einem globalen Maßstab zu verändern. In einem so komplexen System wie der Erdatmosphäre reicht ein kleiner Eingriff wie durch die Freisetzung der FCKWs aus, um dramatische und für uns spürbare Folgen zu haben. Das ist eine Lektion, die wir auch in Bezug auf den menschengemachten Klimawandel nicht vergessen sollten. Und drittens: Wenn wir alle zusammen kooperieren, dann können wir auch solche globalen Probleme lösen. Das Montreal-Protokoll hat die Zerstörung der Ozonschicht verhindert, weil alle beteiligten Länder schnell und effektiv reagiert haben. Es ist schade – und ein wenig deprimierend – das das bei so vielen anderen Problemen nicht möglich zu sein scheint.

Kommentare (8)

  1. #1 René
    22. Juni 2018

    Ich vermute der Unterschied bei der Freisetzung von CO2 und der Freisetzung der FCKWs ist der, dass es zu den FCKWs einige Alternativen gibt, die man statt der FCKWs einsetzen kann/konnte, die deutlich weniger umweltschädlich sind.
    Der Reduzierung von CO2 steht der steigende Energiebedarf durch die rasch steigende Weltbevölkerung und den in diesem Zusammenhang stehenden Probleme (Globalisierung mit erhöhten Warentransit etc.) im Weg. Derzeit ist Erdöl und Kohle die effektivsten Energieträger (in Bezug auf wirtschaftlichen Kosten/Nutzen-Faktor). Die Atomkraft ist dahingehend noch etwas effektiver, aber durch den Atommüll auch nicht besser für die Umwelt.
    Wir sind von diesen schmutzigen Energiegewinnungsformen deutlich abhängiger als wir es von den FCKWs früher waren und es gibt kaum Alternativen dazu. Regenerative Energien wie Wind oder Sonnenenergie ist nicht überall auf der Welt verfügbar und der Transport der Energie über größere Strecken ist ebenfalls nicht leicht zu bewerkstelligen und mit großen Verlusten behaftet. Ich denke eine Herabsetzung des CO2 Austoßes auf ein nötiges Maß ist nur mit einer drastischen Reduzierung der Weltbevölkerung zu bewältigen, weil nur dadurch der Energiebedarf sinkt. Nur wie stellt man das halt an?

  2. #2 schorsch
    22. Juni 2018

    Wenn Bakterien erst die Voraussetzung für Leben geschaffen haben – was sind dann Bakterien?

  3. #3 Captain E.
    22. Juni 2018

    @schorsch:

    Das nennt man dann wohl “Chauvinismus”. Als Sauerstoffatrmer versteht Florian nur das Vorhandensein von Sauerstoffatmern so wie wir als Leben. Pflanzen gehören allerdings auch nicht dazu, denn die atmen bekanntlich Kohlendioxid.

    Im Prinzip hast du also recht: Wären nicht irgendwann Bakterien auf den Trichter mit der Photosynthese und dem daraus resultierendem Stoffwechselprodukt Sauerstoff gekommen, gäbe es heute trotzdem noch Leben, so wie schon Milllionen oder gar Milliarden Jahre zuvor auch. Nur uns Sauerstoffatrmer gäbe es halt nicht.

  4. #4 Alderamin
    22. Juni 2018

    @Florian

    Dieser Vertrag ist mittlerweile von ALLEN Mitgliedern der Vereinten Nationen ratifiziert worden

    Wird aber offenbar nicht mehr überall eingehalten:
    https://www.scinexx.de/wissen-aktuell-22751-2018-05-18.html

  5. #5 Christian Berger
    22. Juni 2018

    Thomas Midgley wollte anscheinend auch bei FCKWs alles richtig machen. Zuvor war der schon (und das ist kein Witz) für die Bleizusätze in Benzin verantwortlich, was eigentlich schon lange als giftig bekannt war.

  6. #6 Florian Freistetter
    22. Juni 2018

    @Christian: Über Midgley und seine Arbeit hab ich auch mal nen Artikel geschrieben. Hatte ein interessantes Leben… https://www.profil.at/wissenschaft/thomas-midgley-umweltsuender-zeiten-375451

  7. #7 Bbr1960
    22. Juni 2018

    @Captain E.:
    Auch Pflanzen sind Sauerstoffatmer. Allerdings produzieren sie über die Photosynthese in Summe mehr Sauerstoff, als sie selbst verbrauchen.

    Anerobier habe es meines Wissens auf diesem Planeten nie über den Status von Einzellern hinaus geschafft. Ein aerober Stoffwechsel ist einfach viel effizienter. Leben gäbe es ohne Sauerstoff also schon, aber ob höheres Leben möglich wäre wissen wir nicht.

  8. #8 derdeet
    23. Juni 2018

    Chapeau!
    Dieses Thema/Schlagwort aus alten Tagen “aus dem Hut gezaubert”, verständlichst erklärt und mit den aktuell akutesten Problemen unseres Planeten logisch, unspektakulär und unreisserisch zusammengeführt – ein Meisterstück des Wissenschaftsjournalismus!
    Danke . . . !