SG_LogoDas ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.

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Sternengeschichten Folge 301: Die Internationale Astronomische Union

Die meisten Menschen die keine Astronomen sind, haben von der Internationalen Astronomischen Union oder kurz IAU vermutlich das erste Mal gehört, als diese Organisation im Jahr 2006 auf ihrer Generalversammlung in Prag beschlossen hatte, dass Pluto nicht mehr als Planet bezeichnet werden soll. Aber geben tut es diese weltweite Vereinigung von Astronomen schon deutlich länger.

2006: Pluto wird bei der IAU rausgewählt (Bild: Astronomical Institute, Academy of Sciences of the Czech Republic, CC-BY-SA 2.5)

2006: Pluto wird bei der IAU rausgewählt (Bild: Astronomical Institute, Academy of Sciences of the Czech Republic, CC-BY-SA 2.5)

Heute ist die Wissenschaft in all ihren Bereichen so gut wie immer ein internationales Projekt und es gibt entsprechende viele internationale Vereinigungen von Wissenschaftlern. Aber das war nicht immer so. Früher schlossen sich Wissenschaftler vor allem in nationalen Akademien und Vereinen zusammen, wie zum Beispiel die Royal Society in Großbritannien, die mit ihrer Gründung im Jahr 1660 zu den ältesten Wissenschaftsgesellschaften der Welt gehört. Noch ein klein wenig älter und die älteste dauerhaft existierende naturwissenschaftliche Akademie ist die 1652 als Academie Naturae Curiosorum gegründete Akademie, die heute Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina heißt und die nationale Akademie der Wissenschaften Deutschlands ist.

Deutschland hat mit der Astronomischen Gesellschaft auch eine der ältesten astronomischen Vereinigungen. Schon 1800 wurde eine “Vereinigte Astronomische Gesellschaft” gegründet, um die internationale Suche nach einem Planeten zu koordinieren, den man damals zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter vermutete. Von dieser Suche und der Entdeckung dieses “Planeten”, den wir heute als den Asteroid Ceres kennen, habe ich in Folge 186 der Sternengeschichten erzählt und man sieht daran schön, wie wichtig internationale Kooperationen gerade in der Astronomie sind. Der Himmel ist viel zu groß, um alleine erforscht zu werden.

1887 etwa hat die Pariser Sternwarte das “Carte du Ciel”-Projekt gestartet, bei dem der gesamte Himmel kartografiert werden sollte. 22.000 Aufnahmen wollte man machen um so die Position und Helligkeit von circa einer Million Sternen zu bestimmen. Es wäre die größte und die erste fotografische Himmelskarte gewesen und man brauchte Sternwarten auf der ganzen Welt, um dieses Projekt durchführen zu können. Die Fertigstellung gelang nicht, die Beobachtung dauerte zu lange und wurde irgendwann von moderner Technik ersetzt und unnötig gemacht. Aber es war ein Projekt, das die Gründung der Internationalen Astronomischen Union quasi vorweg genommen hatte.

Ende des 19. Jahrhunderts erkannten auch andere Wissenschaftler den Wert internationaler Kooperation in der Astronomie. Zum Beispiel der amerikanische Astronom George Ellery Hale, der sich ganz besonders intensiv mit der Erforschung der Sonne beschäftigte. Er wollte das Wissen der überall auf der Welt in verschiedenen Ländern verteilten Forscher zusammenführen und organisierte im Jahr 1904 eine entsprechende internationale Konferenz in St. Louis. Die Teilnehmer hielten es für eine gute Idee, nicht nur eine Konferenz zu veranstalten, sondern schlugen vor, eine dauerhafte Organisation zu gründen. Ein Jahr später hielt diese International Union for Cooperation in Solar Research ihr zweites Treffen in Oxford ab. Weitere Treffen folgten, bis der erste Weltkrieg der internationalen Kooperation ein Ende setzte.

Auf Betreiben von Hale gründete die USA während des Krieges im Jahr 1916 den National Research Council, einen nationalen Forschungsrat, der die bestehenden wissenschaftlichen Vereinigungen in den USA vereint und den Wissenschaftlern helfen sollte, während des Krieges ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt zu werden und nicht einfach nur als normale Soldaten an die Front geschickt zu werden. Der National Research Council wurde auch nach Ende des Krieges beibehalten und man nahm Kontakt mit der britischen Royal Society und der Académie des sciences aus Frankreich auf. Mit den wissenschaftlichen Vereinigungen anderer Länder schloss man sich 1919 in Brüssel zum “International Research Council” zusammen. Man wollte nach dem Krieg die internationale Kooperation zwischen den Ländern stärken. Es wurden verschiedene thematische Zusammenschlüsse gegründet, je nach Wissenschaftsdisziplin und unter anderem auch eine für Astronomie. Diese “Internationale Astronomische Union” war eine der ersten dieser internationalen Wissenschaftsunionen und ihr offizieles Gründungsdatem ist der 28. Juli 1919.

Die Mittelmächte waren nach dem 1. Weltkrieg nicht sonderlich beliebt... (Bild: gemeinfrei)

Die Mittelmächte waren nach dem 1. Weltkrieg nicht sonderlich beliebt… (Bild: gemeinfrei)

Die Internationale Astronomische Union ersetzte Organisationen wie die International Union for Cooperation in Solar Research, die Carte-du-Ciel-Kooperation und ähnliche Vereinigungen und kümmerte sich von da an um alle internationalen Belange der Astronomie. Bei der Gründung bestand die IAU noch nur aus den sieben Ländern Belgien, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Griechenland, Japan und den USA. Aber schnell traten andere Ländern bei: Italien, Mexiko, Australien, Brasilien, die Tschechoslowakei, Dänemark, die Niederlande, Norwegen, Polen, Rumänien, Südafrika und Spanien. Nicht dabei waren allerdings Deutschland und Österreich. Die Kooperation zwischen den Gegner aus dem ersten Weltkrieg war auch in Sachen IAU anfangs noch schwierig. Die IAU wollte schon im Verlauf der 1920er Jahren die Länder aufnehmen, die im Krieg auf der Gegenseite standen. 1927 war der niederländische Astronom Willem de Sitter Präsident der IAU und angesichts der kommenden großen Generalversammlung die 1928 in Leiden stattfinden sollte, wollte er auch endlich Deutschland in der IAU sehen. Das war aber schon rein bürokratisch nicht möglich, denn Deutschland weigerte sich, dem übergeordneten International Research Council beizutreten und konnte deswegen auch kein IAU-Mitglied werden.

Stattdessen lud de Sitter einzelne Astronomen aus Deutschland ein, die an der Konferenz teilnehmen sollte. Das taten viele auch, aber nicht alle wollten sich so einfach der IAU anschließen. Der damalige Direktor der Berliner Sternwarte, Georg von Struve, schrieb zum Beispiel 1927 in einer Berliner Zeitung ziemlich stur und beleidigt: “Wir wollen doch nicht die Rolle von Lakaien spielen, die im Vorzimmer so lange zu warten haben, bis die hohen Herren allergnädigst geruhen, sie hereinzurufen”.
Trotzdem fand die Konferenz in Leiden statt und mit dabei waren auch jede Menge Astronomen aus Deutschland, Österreich und Ungarn, auch wenn die jeweiligen Länder immer noch keine Mitglieder der IAU waren.

Und bis es so weit war hat es dann auch noch ein wenig gedauert. Zuerst kam der zweite Weltkrieg. Und erst 1951 wurde Deutschland, vertreten durch den Rat Deutscher Sternwarten, ein nationales Mitglied der IAU. Österreich folgte, vertreten durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften, im Jahr 1955. Insgesamt sind heute 73 Länder Mitglied der IAU und mittlerweile über zehntausend individuelle Astronomen, aus den Mitgliedsländern bzw. aus Ländern die noch nicht nationales Mitglied der IAU sind. Obwohl man als Astronom nicht unbedingt Mitglied der IAU sein muss. Viele sind es zwar, aber es ist nicht zwingend nötig, um in der Astronomie vernünftige Arbeit zu leisten.

In der IAU gibt es ein paar Dutzend Kommissionen und Arbeitsgruppen die sich mit der Organisation astronomischer Forschung auf internationaler Ebene beschäftigen. Die IAU ist zum Beispiel zuständig für die gesamte astronomische Nomenklatur, also die Regeln die bestimmen, was wie im Weltraum benannt werden soll. Wenn zum Beispiel Krater auf der Venus nach berühmten Frauen benannt werden, Monde des Uranus nach Figuren aus den Büchern von Shakespeare und Strukturen auf Pluto nach Göttern der Unterwelt, dann liegt das an genau den Regeln, die die IAU festgelegt hat. Bei diesen Regeln handelt es sich nicht um Gesetze; man wird also nicht verhaftet, wenn man dagegen verstößt. Aber alle Astronomen halten sich an die von der IAU festgelegten Konventionen. Notwendigerweise, denn nur wenn die Wissenschaft weltweit die gleiche Sprache spricht und sich nach den gleichen Regeln richtet, kann sie auch vernünftig zusammenarbeiten. Wenn jeder Astronom den Dingen im Universum andere Namen gibt, hat bald niemand mehr Ahnung, wovon die Rede ist.

Das sieht man schön bei den in der Öffentlichkeit so beliebten “Sterntaufen”. Überall im Internet kann man “Sternnamen” verschenken: Man sucht sich einen Stern am Himmel aus und kann ihn dann selbst taufen, also ihm einen Namen geben. Das klingt nach einer schönen Sache und einer romantischen Geschenksidee. Und natürlich kann das jeder machen; es ist nicht verboten. Aber die offiziellen Namen, also die Namen, an die sich alle Wissenschaftler halten und die Namen, die in allen wissenschaftlichen und offiziellen Veröffentlichungen auftauchen: Diese Namen legt nur die IAU fest und die verkauft keine Sterntaufen, wie ich in Folge 2 der Sternengeschichten schon einmal ausführlich erklärt habe.

Die IAU kümmert sich aber natürlich nicht nur um die Namen der Sterne. Sie verwaltet zum Beispiel auch das Minor Planet Center, wo alle Beobachtungen von Asteroiden, Kometen und anderen Kleinkörpern weltweit gesammelt und analysiert werden. Die IAU organisiert jedes Jahr einen Haufen Konferenzen überall auf der Welt, wo sich Wissenschaftler über alle astronomischen Themen austauschen können. Alle drei Jahre gibt es die großen Generalversammlungen, wie die anfangs erwähnte in Prag im Jahr 2006. Dort fand auch die berühmte Abstimmung über den Status von Pluto statt. Die in den Jahren davor gesammelten Erkenntnisse über große Asteroiden im äußeren Sonnensystem hatten den Astronomen klar gemacht, dass es nicht mehr so einfach war wie früher, zu erkennen, was ein “Planet” ist und was ein “Asteroid”. Deswegen tat sie, was ihr Job ist: Nämlich dafür zu sorgen, dass solche Verwirrungen verschwinden und Astronomen auf der ganzen Welt wissen, wovon sie reden, wenn sie “Planet” sagen. Das Resultat war eine Neudefinition des Planetenbegriffs mit der Folge, das Pluto nicht mehr dazu gehört.

IAU XXX General Assembly Vienna (Logo: IAU)

IAU XXX General Assembly Vienna – mal schauen wer jetzt rausfliegt (Logo: IAU)

Die IAU kümmert sich um Öffentlichkeitsarbeit; gibt wissenschaftliche Zeitschriften heraus, vergibt Wissenschaftspreise und fördert junge Forscherinnen und Forscher mit Stipendien. Sie macht all das, was nötig ist, damit Astronominnen und Astronomen aus der ganzen Welt möglichst reibungslos zusammen arbeiten können.

Kommentare (4)

  1. #1 Daniel Rehbein
    Dortmund
    31. August 2018

    Wie stellt man sicher, daß möglichst viele Wissenschaftler rund um den Globus zu internationalen Treffen erscheinen können? Die Mitgliedschaft in einem internationalen Verband setzt ja nicht die Grenzen der Nationalstaaten außer Kraft. Und für Menschen aus manchen Ländern sind diese Grenzen sehr schwer (oder gar nicht) zu überwinden. Wie geht man damit um?

    Ein Kollege von mir ist im Behindertensport aktiv. Er berichtet, daß bei internationalen Turnieren, wenn diese in Deutschland stattfinden, insbesondere die Teilnehmer aus Staaten in Afrika häufig nicht kommen können. Da geht ein Teilnehmer zum Beispiel in Marokko zur deutschen Botschaft in Rabat und sagt dort zum Beispiel “Ich möchte nach München zu einem Turnier im Gehbehinderten-Badminton” und beantragt ein Visum für Deutschland. Der Mitarbeiter in der Botschaft sagt “Da könnte ja jeder kommen” und lehnt den Antrag ab.

    Es gibt keinen Rechtsanspruch auf ein Visum in ein bestimmtes Land. Daran ändert auch eine internationale Veranstaltung nichts.

    Meiner Ansicht nach müsste die Konsequenz daraus sein, internationale Veranstaltungen in Ländern abzuhalten, in die Teilnehmer aus möglichst vielen Ländern visafrei einreisen dürfen. Laut Welcome-Index der weltweiten Staaten sind dies zum Beispiel Länder in Afrika wie Mosambik, Uganda oder Madagaskar, nicht aber die Staaten der Europäischen Union.

    https://www.passportindex.org/byWelcomingRank.php

    Wie wird das bei der Internationalen Astronomischen Union gesehen? Was sprach für den Konferenzstandort Wien? Gab es Wissenschaftler, die gerne zu der Konferenz gekommen wären, aber kein Visum bekommen haben?

  2. #2 Florian Freistetter
    1. September 2018

    @Daniel: Die IAU-Tagung ist ja nicht die einzige die existiert. Es gibt jedes Jahr hunderte Astronomiekonferenzen, zu alle nmöglichen Ländern und zu allen möglichen Themen. Wo IAU Tagungen stattfinden wird von der IAU entschieden. Da kann man sich bewerben (ein klein wenig so wie bei olympischen sSpielen) und dann entscheidet der Vorstand (mWn). 2021 ist Südkorea dran; 2024 waren Pueblo in Mexiko und Kapstadt die Favoriten und Wien wurde vorgestern entschieden, das Kapstadt die Tagung ausrichten wird.

    Ob es Leute gab, die nicht nach Österreich einreisen durften? Möglich; gehört hab ich nix. Aber es waren Leute aus WIRKLICH vielen Ländern da.

  3. […] Und für all diejenigen die lieber etwas hören anstatt zu lesen habe ich zum Abschluss auch noch eine Folge meines Sternengeschichten-Podcasts der Internationalen Astronomischen Union gewidmet und ein wenig zu ihrer interessanten Entstehungsgeschichte erzählt: Sternengeschichten Folge 301: Die Internationale Astronomische Union […]