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Der PANDA in der Nussschale

von MZ

Ich bin gelernter Hadronenphysiker und mittlerweile in der industriellen Forschung tätig. Da die Öffentlichkeit Grundlagenforschung finanziert und ermöglicht, hat sie meiner Meinung nach auch das Recht, verständlich erklärt zu bekommen, was da überhaupt geforscht wird!

Abseits vom LHC am CERN und der Erforschung von Higgs-Bosonen, gibt es in der Welt viele Beschleunigeranlagen, die sich völlig anderen Themen widmen. Der folgende Text beschreibt, wie in Deutschland mit einem Antimateriestrahl die Geheimnisse im Innersten der Materie gelüftet werden.

Teilchenbeschleuniger! Die größten menschengemachten Maschinen um die kleinsten naturgemachten Bausteine zu untersuchen. Die meisten Leser werden mittlerweile den Large Hadron Collider am CERN kennen, ein Beschleunigerring mit knapp 27 km Umfang in rund 100 m Tiefe. Das öffentlichkeitswirksamste Experiment dort wird mit dem ATLAS Detektor durchgeführt, welches mit seinen 46 m Länge und 25 m Durchmesser ein Monster von Digitalkamera ist. Dort kommen Protonen zur Kollision, mit höheren kinetischen Energien als Stechmücken im Flug. Was erforscht man mit Teilchenbeschleunigern? Ganz klar: Higgs-Boson, dunkle Materie, Baryonenasymetrie.

Bild 1: Die zukünftige FAIR Beschleunigeranlage. Die blauen Bereiche sind die existenten GSI Beschleuniger, Strahlführungen und Experimentierplätze. Alles in rot, samt umliegenden Gebäuden wird momentan neu gebaut (Quelle: https://www.gsi.de/forschungbeschleuniger/fair.htm, Bild: GSI/FAIR, Bildrechte: GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH).

Bild 1: Die zukünftige FAIR Beschleunigeranlage. Die blauen Bereiche sind die existenten GSI Beschleuniger, Strahlführungen und Experimentierplätze. Alles in rot, samt umliegenden Gebäuden wird momentan neu gebaut (Quelle: https://www.gsi.de/forschungbeschleuniger/fair.htm, Bild: GSI/FAIR, Bildrechte: GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH).

Neben den Superlativen am CERN gibt es aber auch noch viele andere Anlagen mit völlig anderen Forschungsschwerpunkten. In einem Wald bei Darmstadt gibt es seit den siebziger Jahren das GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung. Dort wird bis heute, man ahnt es, Schwerionenforschung betrieben, d.h. es werden Schwerionen beschleunigt, um damit zum Beispiel Krebs zu heilen oder eine ganze Reihe neuer Elemente zu entdecken. Zur Zeit ist die ganze Anlage im Umbau und wird zur Facility for Antiproton and Ion Research, kurz FAIR erweitert (siehe Bild 1). Die bestehende GSI dient in Zukunft als Vorbeschleunigerstufe und bildet flächenmäßig ca. ein Drittel von FAIR. Mit vier großen internationalen Experimentkollaborationen wird FAIR ein Allzweckforschungszentrum sein, mit den Schwerpunkten Kern-, Hadronen-, Teilchen-, Atom-, Antimaterie- und Plasmaphysik, sowie Biologie und Biomedizin.

Bild 2: Der PANDA Detektor. Der Antiprotonenstrahl kommt von links rein.

Bild 2: Der PANDA Detektor. Der Antiprotonenstrahl kommt von links rein.

Eines dieser Experimente benutzt den großen PANDA Detektor (antiProton ANnihilation DArmstadt). Das PANDA Experiment (siehe Bild 2) hat viele Forschungsschwerpunkte, gemeinsamer Nenner ist die Physik der starken Wechselwirkung. Die Theorie dazu lautet Quantenchromodynamik, kurz QCD. Griechisch chroma bedeutet zu deutsch Farbe und bezieht sich auf die Art der Ladung, die mit der starken Wechselwirkung einhergeht. Ladung ist eine Größe, die beschreibt, wie stark eine Objekt einer bestimmten Wechselwirkung unterliegt. Die “Ladung” der Gravitationskraft ist die Masse. Je größer die Masse, desto stärker wirkt die Gravitationskraft. Die Ladung der elektromagnetischen Wechselwirkung ist, nun ja, die elektromagnetische Ladung. Bei der starken Wechselwirkung gibt es nicht eine, sondern drei Ladungen. Hier kommt die Analogie mit der Farbe ins Spiel. Man bezeichnet die drei starken Ladungen (genannt Farbladungen) als rot, grün und blau. Hat man jeweils eine rote, eine grüne und eine blaue Ladung, so mischt sich daraus gemäß Farbtheorie weiß. Hat man ein Teilchen mit roter Ladung (oder grün, oder blau) und ein Antiteilchen mit antiroter (oder -grün, oder -blau) Ladung, ergibt sich zusammen ebenfalls weiß. Diese Farb-Analogie ist deshalb praktisch, weil nur farbneutrale (weiße) Teilchen einzeln auftreten können und das anschaulichste Analogon dieser merkwürdigen Ladungsmathematik eben additive Farbmischung ist. Mit echten Farben hat das Ganze nichts zu tun, weil auf subatomaren Größenordnungen keine Photonen mit optischen Wellenlängen wechselwirken.

Bild 3: Oben sind die sechs verschiedenen Arten (Flavours) von Quarks aufgereiht. Unten die Zusammensetzung von Baryon und Meson.

Bild 3: Oben sind die sechs verschiedenen Arten (Flavours) von Quarks aufgereiht. Unten die Zusammensetzung von Baryon und Meson.

Grundlegende Forschungsobjekte in der QCD sind die Hadronen, also aus Quarks und Gluonen (Überträgerteilchen der starken Wechselwirkung) zusammengesetzte Teilchen. Quarks und Gluonen sind Elementarteilchen (also nach derzeitigem Forschungsstand unteilbar, punktförmig), die einzeln nicht beobachtet werden können, weil sie nicht-weiße Farbladungen tragen. Hadronen wiederum sind zusammengesetzte farbneutrale Teilchen (siehe Bild 3). Man unterscheidet bei Hadronen klassisch zwischen Quark-Antiquark Teilchen (genannt Mesonen) und Quark-Quark-Quark Teilchen (Baryonen). Es gibt in jeder dieser Teilchenklassen hunderte Arten, die sich in Ladung und Quantenzahlen (Quantenzahlen dienen zur Charakterisierung dieser Arten) unterscheiden. Bekannteste (und stabilste) Mesonen sind die Pionen, die unter anderem die starke (nicht elektromagnetische!) Wechselwirkung zwischen Protonen und Neutronen übertragen. Protonen und Neutronen sind wiederum die häufigsten Baryonen.

Bild 4: Das Charmonium Spektrum. Auf der X-Achse sind die Quantenzahlen, auf der Y-Achse die Massen der Teilchen dargestellt. Sieht kompliziert aus, ist es leider auch. Um Ordnung ins Chaos zu bringen, wird das PANDA Experiment gebaut. Im Bild kennzeichnen die Linien die Positionen der gemessenen (schwarze durchgezogene Linie) und der theoretisch vorhergesagten (schwarze gestrichelte Linie) Charmonium Mesonen. Die roten Linien weisen auf gemessene, aber unbekannte Teilchen hin. Dieses Bild zeigt den Stand von vor 30 Jahren, mittlerweile sind noch einige Linien jeder Farbe hinzugekommen (Quelle: https://academic.oup.com/ptep/article/2016/6/062C01/2240707, Creative Commons CC BY).

Bild 4: Das Charmonium Spektrum. Auf der X-Achse sind die Quantenzahlen, auf der Y-Achse die Massen der Teilchen dargestellt. Sieht kompliziert aus, ist es leider auch. Um Ordnung ins Chaos zu bringen, wird das PANDA Experiment gebaut. Im Bild kennzeichnen die Linien die Positionen der gemessenen (schwarze durchgezogene Linie) und der theoretisch vorhergesagten (schwarze gestrichelte Linie) Charmonium Mesonen. Die roten Linien weisen auf gemessene, aber unbekannte Teilchen hin. Dieses Bild zeigt den Stand von vor 30 Jahren, mittlerweile sind noch einige Linien jeder Farbe hinzugekommen (Quelle: https://academic.oup.com/ptep/article/2016/6/062C01/2240707, Creative Commons CC BY).

Ein Forschungsschwerpunkt von PANDA ist die Charmonium Spektroskopie (siehe Bild 4). Charmonium ist die Klasse der Mesonen, die alle aus einem Charm-Anticharm-Quark Paar bestehen. Es gibt im Standardmodell sechs verschiedene Quarkarten (man spricht von Flavours, also Geschmacksrichtungen), das Charm-Quark ist das Quark mit der dritthöchsten Masse. Eine Aufgabe von PANDA ist es, vereinfacht gesagt, alle diese Teilchen zu finden und präzise die Masse, Quantenzahlen und Lebensdauer zu messen. Warum das interessant ist? Man hat im letzten Jahrzehnt an ähnlichen Anlagen diese Teilchenspektren untersucht und dabei eine ganze Latte an Teilchen entdeckt, die nicht mit der Theorie übereinstimmen. Einige sind von der Masse nicht dort, wo sie theoretisch sein sollten, andere Teilchen waren überhaupt nicht vorhergesagt und es ist bei manchen bis heute nicht klar, was dort entdeckt wurde. Man hat die unverstandenen Teilchen originellerweise X, Y und Z genannt und spricht deswegen vom “XYZ-Puzzle”. Mittlerweile weiß man bei einigen Teilchen, was sie nicht sein können, nämlich Baryon oder Meson. Die klassische Ansicht, dass ein Hadron entweder ein Baryon oder ein Meson ist, bröckelt also stark. PANDA ist in der Lage, den relevanten Energiebereich zur Erzeugung dieser Teilchen abzudecken und dabei Massenscans mit bisher unerreichter Präzision zu machen.

Arbeitsmittel bei PANDA ist ein Antiprotonenstrahl, der innerhalb der neuen FAIR Anlage erzeugt und im PANDA-Detektor auf (orts)festes Wasserstoffeis geschossen wird (man spricht von einem Target). Wahrscheinlich stellen sich jetzt zwei Fragen. Woher bekommt man einen Antiprotonenstrahl und wieso überhaupt Antiprotonen? Für Antiprotonen braucht man erst mal Protonen. Diese werden im neuen Linearbeschleuniger p-Linac auf etwa 35% Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Von dort geht es weiter in den GSI Ringbeschleuniger SIS18 und, ausreichend vorbeschleunigt, ins FAIR Arbeitspferd, den Ringbeschleuniger SIS100. Wenn die Protonen nach vielen Umläufen diesen 1,1 km-Umfang Ring wieder verlassen, haben sie einen Impuls, der dem 30-fachen der Ruhemasse entspricht und eine Geschwindigkeit, die sich nicht nennenswert von der Lichtgeschwindigkeit unterscheidet.

Nächstes Ziel der Reise ist das Antiproton Produktionstarget, bestehend aus Kupfer oder Nickel. Man nutzt die Reaktion

pbar

Um Antiprotonen zu bekommen, schießt man also Protonen auf Protonen. Da immer Erhaltungssätze erfüllt sein müssen, in diesem Fall die Baryonenzahlerhaltung, bekommt man am Ende die dreifache Menge an Protonen im Vergleich zu Antiprotonen. Antibaryonen haben immer eine Baryonenzahl von -1 und eine zum Baryon entgegengesetzte Ladung. Die Antiprotonen werden gefiltert, gesammelt und gekühlt (d.h. die Relativbewegungen und -positionen der einzelnen Antiprotonen im Strahl werden angeglichen) und gehen dann in den High Energy Storage Ring (HESR). Dies ist der Speicherring, an dem sich das PANDA Experiment befindet. In einem Speicherring kommen bereits beschleunigte Teilchen rein, die dort für eine gewisse Zeit gesammelt und gebündelt werden können. Für die Antiprotonen im HESR gilt zudem, dass hier die Strahlenergie, und damit die Teilchengeschwindigkeiten, auf das momentane PANDA Experimentierprogramm angepasst werden kann

Jetzt haben wir also schnelle, präzise Antiprotonen, aber wieso brauchen wir die? Möglich wäre es ja auch, einen Protonenstrahl zu verwenden, schließlich werden beim LHC Protonen mit Protonen zur Reaktion gebracht. Wie wir oben gesehen haben, werden beim Erzeugen von Antiprotonen wegen Ladungs- und Baryonenzahlerhaltung unweigerlich auch Protonen erzeugt. Diese Erhaltungssätze sind der Schlüssel zum Verständnis. Folgende Gleichung zeigt beispielhaft, wie so eine Teilchenreaktion stattfinden kann.

pp

Wenn man auf der linken Seite der Reaktionsgleichung zwei Protonen hat (eins vom Strahl, eins vom Target), hat man eine elektrische Ladung vom Wert +2 (in Einheiten der Elementarladung) und eine Baryonenzahl von ebenfalls +2. Auf der rechten Seite, also das was man gerne untersuchen möchte, bekommt man zwangsläufig ebenfalls eine Ladung +2 und Baryonenzahl +2. Wie erwähnt ist aber ein Charmonium ein Meson, welchen zwar eine positive, negative oder neutrale elektrische Ladung haben kann, aber die Baryonenzahl beträgt immer 0. Dadurch hat man auf der rechten Seite der Gleichung in jedem interessanten Fall (also wo Mesonen untersucht werden sollen) mindestens 3 Teilchen, um die Bayronenzahlerhaltung zu erfüllen. Zwei Baryonen, ein Meson. Diese teilen sich die überschüssige Reaktionsenergie in Form von Bewegungsenergie. In welcher Weise sie das machen, ist leider zufällig und muss in der Datenanalyse berücksichtigt werden. Im Falle eines Antiprotonenstrahl in Reaktion mit einem Protonentarget, hat man auf der linken Seite der Reaktionsgleichung sowohl für die Ladung als auch für die Baryonenzahl die Werte 0:

pbarp

Dadurch wird es möglich, (neutrale) Mesonen alleine, ohne durch Baryonenzahlerhaltung aufgezwungene zusätzliche Baryonen zu erzeugen.

Warum werden dann beim LHC Protonenstrahlen kollidiert? Der Grund liegt in der wissenschaftlichen Zielsetzung. Am “Dampfhammer” LHC ist man an der Entdeckung neuer Teilchen bei bisher unerreichten Energien interessiert. Protonen sind leicht zu erzeugen und zu beschleunigen. Man erzeugt einen mächtigen Wumms und schaut dann mal, was hinten rauskommt. Bei Fair geht es in erster Linie um die Untersuchung bereits entdeckter “Dinge”. Hierbei ist nicht die Energie entscheidend, sondern die Strahlqualität und das Auflösungsvermögen der Experimente. Im Dampfhammer-Vergleich wäre FAIR also eher das Skalpell.

So, an dieser Stelle machen wir (erst mal) Schluss. Das war sozusagen “PANDA in a nutshell”, ein sehr oberflächlicher Einstieg in die neue FAIR Anlage, Hadronenphysik und ins PANDA Experiment. Jedes der angerissenen Themen hätte einen eigenen Blogbeitrag verdient und es gibt noch viel interessante Themen, die an dieser Stelle aus Platzgründen ausgelassen werden müssen. Wenn Interesse besteht, freue ich mich auf angeregte Diskussionen im Kommentarbereich!

Kommentare (28)

  1. #1 rolak
    15. September 2018

    XYZ-Puzzle

    Mein Favorit wäre ja XY-Zungelöst gewesen :•)
    Schöne Einführung/Übersicht, MZ, Bonus für den cliffhanger – und aus Neugier: wie erklären sich die Ziffern bei den Synchrotronen, also die ’18’ und ‘100’?

  2. #2 Dampier
    15. September 2018

    Interessanter Einblick, danke.

    Diese werden im neuen Linearbeschleuniger p-Linac auf etwa 35% Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Von dort geht es weiter in den GSI Ringbeschleuniger SIS18 und, ausreichend vorbeschleunigt, ins FAIR Arbeitspferd, den Ringbeschleuniger SIS100.

    Die Antiprotonen werden gefiltert, gesammelt und gekühlt (…) und gehen dann in den High Energy Storage Ring (HESR).

    Ich frage mich immer, wie man diese Teilchen “rangiert”, da muss man doch irgendwann sozusagen eine Weiche umlegen, um die von einem Ring in den nächsten zu bekommen. Hat auch was von Jonglieren.

    Eigentlich müsste es ja APANDA heißen … :]

  3. #3 Mars
    15. September 2018

    feiner einstand – schmeckt nach mehr …
    so oft werde ich ja nicht mit der teilchenphysik konfrontiert, wenngleich ein paar grundlagen doch immer wieder hängen bleiben und erkannt werden.

    gut finde ich am schluss den vergleich des (dampf)hammers mit dem skalpel, denn eine verifizierung und einordnung von ergebnissen scheint in vielen bereichen doch notwendig um die entdeckten grundlagen überhaupt zu verstehen.

    supiie!

  4. #4 rolak
    15. September 2018

    eine Weiche umlegen

    Wir wandern, wir wandern, von ei’m Ring in den andern…
    In diesen harten Zeiten ne Weiche umlegen, nee, wie brutal, Dampier, eine Forschungsstätte sucht einen Mörder. Die ringelnden Teilchen müssen doch mit brachialmagnetischer Gewalt auf dem KreisKurs, in der Kurve gehalten werden – wenn da mal was nicht funktioniert, laufen sie tangential weiter. Dies in absichtlich ist das Rangieren, nicht umsonst sind die Ein-, Aus- und Übergänge alles (Halb)Tangenten.
    OK, wer dann genau wie entscheidet ‘ok, jetzt mal nicht’, das ist eine knifflige technische Lösung, doch ansonsten ists wie beim Schleuderball und auch in anderen Bereichen des Lebens: nach dem Loslassen im richtigen Moment geht alles seinen gewollten Gang.

  5. #5 Bjoern
    15. September 2018

    Ist dort auch Forschung zu Glueballs geplant?

  6. #6 stone1
    15. September 2018

    Sehr professioneller Blogartikel, ein kleiner Fehler hat sich bei den Links in

    oder eine ganze Reihe neuer Elemente zu entdecken.

    diesem Halbsatz eingeschlichen: die ersten beiden führen zu den Wikipediaseiten Bohrium und Meitnerium, bei den anderen ist bloß dieser Artikel selbst verlinkt. Dieser Seite lässt sich entnehmen, dass es sich bei den Entdeckungen um Hassium, Darmstadtium, Roentgenium und Copernicium handelt.

    Wann soll die erneuerte Anlage denn in Betrieb gehen?
    Deuten diese X, Y und Z-Teilchen darauf hin dass mit dem Standardmodell etwas noch nicht ganz stimmt?

  7. #7 Bjoern
    15. September 2018

    @stone1: Deutet eher darauf hin, dass man bisher noch nicht wirklich in der Lage ist, aus den Grundgleichungen des Standardmodells rechnerisch wirklich alle möglichen existierenden Teilchen zu bestimmen.

    Hypothesen gibt es zu diesen Teilchen durchaus, wonach sie schon ins Standardmodell passen. Nur eben zu den (leicht naiven) Schlussfolgerungen, die man bisher aus den Grundgleichungen gezogen hatte.

    https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1742-6596/742/1/012005

  8. #8 Bjoern
    15. September 2018

    gemeint war: “Nur eben nicht zu den…”

  9. #9 stone1
    15. September 2018

    Kann ein besseres Verständnis dieser Teilchen eventuell bei der Suche nach supersymmetrischen Teilchen helfen, so es diese geben sollte, etwa indem man Zerfallspfade untersucht die bisher nicht berücksichtigt wurden?
    Oder liegt das alles innerhalb des bisherigen Teilchen-Standardmodells?

  10. #10 MZ
    15. September 2018

    Danke soweit schonmal für die Rückmeldungen!

    @rolak: Die Zahlen geben die magnetische Steifigkeit (in Tesla-Meter, Tm) an. Dieser Wert sagt aus, bis zu welchem Strahlimpuls der Synchroton die Teilchen noch auf die Kreisbahn bekommt.

    @Dampier: In der Tat teilen sich ja mehrere Experimentierplätze gleichzeitig die schnellen Protonen. Irgendwo gibt es eine Weiche, wo mittels veränderlichem Dipolmagnet die Protonen gelenkt werden. Ich weiß nicht, wie es am Ende bei FAIR sein wird, aber entweder wechselt man ständig das Magnetfeld, sodass alle Experimente ständig Strahl, aber mit verringerter Internsität bekommen, oder man macht größere Pulse. Dann bekommt immer ein Platz die vollen Aufmerksamkeit und die anderen warten und wechseln sich ab.

    @Bjoern: Ja, es werden auch Glueballs gesucht. Einige XYZ-Kandidaten sind wohl heiße Glueball-Anwärter.

    @stone1: Im Prinzip hat’s Bjoern gesagt. Die exotischeren Hypothesen sind zwar noch nicht entdeckt worden, aber das Standardmodell verbietet sie auch nicht. Soll heißen, es gibt keinen Grund, warum sie nicht da sein sollten. Alles, was man dann findet oder auch nicht findet und bei welchen Energien, hilft, die QCD besser zu verstehen.

    Zur Zeitschiene: Nun, die ist im Laufe der Jahre ziemlich dynamisch gewesen. Aktuell ist der Stand, dass die Analage bis 2025 voll in Betrieb sein wird, bis dahin gibt es nach und nach eine modulare Inbetriebnahme.

  11. #11 Mirko
    15. September 2018

    Toller Artikel, Dankeschön!
    Zwei Fragen: Wie ist der Zeitrahmen für die Erweiterungen? Aber noch wichtiger: Wie kalt ist denn fester Wasserstoff? Ich hatte immer angenommen, dass so die 0K definiert werden – denn weniger als festen Wasserstoff geht doch nicht mehr? Meine mich aber zu erinnern, dass man das nie erreichen kann, weil man dann ja noch was kälteres zum Abkühlen bräuchte?

  12. #12 Mirko
    15. September 2018

    Ok, Frage 1 warst du 1 sek schneller..

  13. #13 stone1
    15. September 2018

    @Bjoern #8

    Hab ich mir schon gedacht.

    @MZ

    Okay, das verstehe ich so dass diese exotischen Teilchen nicht auf irgendetwas jenseits des Standardmodells wie eben Supersymmetrie hindeuten.

  14. #14 MZ
    15. September 2018

    Ich bin kein Theoretiker, aber ich denke, für Supersymmetrie ist die FAIR Anlage energetisch um Größenordnungen zu niedrig. Man möchte schon das Standardmodell untersuchen. Auch, wenn das eine extrem erfolgreiche Theorie ist, gibt es dort ein Haufen Aspekte, die nicht verstanden sind.

    Gerade die QCD ist eine merkwürdige Theorie. Im Gegensatz zu den anderen Wechselwirkung interagieren die Austauschteilchen, also die Gluonen miteinander, weil sie ebenfalls Farbladung tragen. Dadurch wird die Theorie sehr kompliziert und komische Sachen passieren (-> es gibt keine freien Quarks, Gluebälle,…). Bei hohen Energien wird die starke Kopplungs”konstante” immer schwächer, sodass Quarks sich doch wieder frei verhalten (->Quark-Gluon-Plasma). Dann kann man auf bewährte mathematische Verfahren zurückgreifen (Störungstheorie). Für QCD bei niedrigen Energien (also FAIR-Energien) gibt es nichts Bewährtes, erst durch moderne leistungsfähige Großrechner lassen sich hier brauchbare Vorhersagen (durch Gittereichtheorien) machen.

  15. #15 Sven
    15. September 2018

    @Mirko:
    Wasserstoff wird bei Normaldruck bei 14 K fest. Helium hingegen wird bei Normaldruck erst bei 4 K flüssig und überhaupt nicht fest; stattdessen tritt Suprafluidität auf. Um Helium zu verfestigen braucht man neben der tiefen Temperatur auch noch einen hohen Druck.

    Der Nullpunkt der Kelvin-Skala ist definiert als die theoretisch tiefst mögliche Temperatur. Die liegt dann vor, wenn das System mit 100% Wahrscheinlichkeit im energetisch niedrigsten Zustand ist. Klassisch würde das bedeuten, dass bei 0 K alle Teilchen komplett stillstehen. Aber durch die Quantenmechanik wird das ein bisschen komplizierter.

    Den absoluten Nullpunkt kann man in der Tat nicht erreichen. Aber das liegt nicht daran, dass man etwas kälteres zum Abkühlen bräuchte (sonst könnte man ja auch Gase nicht verflüssigen). Sondern das ist ein grundlegender Satz der Thermodynamik; nennt sich das Nernst-Theorem.

  16. #16 tomtoo
    16. September 2018

    Möööp, da ist man als Laie ganz froh, zu glauben, das Standardmodell wenigstens ein wenig zu kennen, dann sowas!
    Schöner Artikel.

  17. #17 stone1
    16. September 2018

    @MZ

    für Supersymmetrie ist die FAIR Anlage energetisch um Größenordnungen zu niedrig

    Schon klar, mein Gedanke ging in die Richtung dass man mit den Erkenntnissen aus FAIR die Analyse der am LHC gewonnenen Daten verbessern könnte.
    Aber bis ich diesen Artikel gelesen hatte wusste ich auch noch nicht, dass es auch innerhalb des Standardmodells noch so viel Unverstandenes gibt.

  18. #18 Captain E.
    17. September 2018

    Ob wohl die CMS-Leute das genauso sehen, dass ATLAS das “öffentlichkeitswirksamste” am LHC sein soll? Aber vielleicht hätten sie sich lieber auch ein lustiges Akronym (evtl. auch Apronym oder Backronym) ausdenken sollen?

    Mal eine Frage zu den Farbladungen: Protonen und Neutronen bestehen bekanntlich aus eine Kombination von jeweils drei Up- bzw. Down-Quarks. Ihre “Farbe” ist natürlich “weiß”, da die drei Quarks jeweils eine “blaue”, “grüne” und “rote” Farbladung tragen. Ich frage mich nur gerade eines: Macht es einen Unterschied, ob das einzelne Down-Quark eines Protons bzw. das Up-Quarks eines Neutrons nun “blau”, “grün” oder “rot” ist? (Und ja, mir ist schon klar, dass die Mesonen bzw. Pionen ebenfalls aus Quarks bestehen, somit Farb-/Antifarbladungen tragen und durch ihre Interaktion mit den Quarks zu deren ständiger Fluktuation führen.)

  19. #19 MZ
    17. September 2018

    ATLAS vs CMS: Mir war dieses potentielle Fettnäpfchen beim Schreiben bewusst, glaube aber trotzdem, dass ich recht habe. Einerseits denke ich, dass bei vielen Leuten der ATLAS Detektor die erste Assoziation ist, wenn sie an CERN/LHC/Higgs/etc. denken. Andererseits war ich einige Zeit am CERN und habe auch mit Leuten von den betreffenden Experimenten gesprochen, die diese Einschätzung bestätigen. ATLAS hat damals enorm viel Öffentlichskeitsarbeit betrieben und auch echt coole Videos produziert. Die anderen Experimente waren da etwas “geerdeter”. Das hat natürlich nichts mit der wissenschaftlichen Leistung von CMS&Co. zu tun und soll diese auch nicht schmälern! Bevor ich mich weiter reinreite, halte ich zum dem Thema jetzt aber den Mund 🙂

    Zu den Farbladungen: Ne, macht keinen Unterschied. Diese Farbladungen sind völlig gleichberechtigt, es gibt nur eine Sorte Proton. Der große Bruder vom Proton ist die Delta-Resonanz. Besteht aus den gleichen Valenzquarks (up, up, down), die aber im Gegensatz zum Proton parallelen Spin haben, womit das Teil einen Gesamtspin von 3/2 hat (Proton hat 1/2). Parallelen Spin mag die Natur nicht so gerne, dadurch ist das Teil schwerer als das Proton und sehr kurzlebig (Lebensdauer ~10^-24s).

  20. #20 MZ
    18. September 2018

    @Captain E.:
    Hm, dein Mesonenargument habe ich nicht verstanden. Farbladung von Quarks kann man mittels Mesonen nicht ändern, die sind ja farbneutral. Das geht nur mit Gluonen, die tragen Farb-/Antifarbladung in jeder Kombination (also z.B. grün/antiblau).

    Mit Mesonen kann man hingegen den Quarkflavor von Hadronen austauschen, solange die Flavor der einzelnen Quarks erhalten bleibt.

  21. #21 Captain E.
    18. September 2018

    @MZ:

    Hm, dein Mesonenargument habe ich nicht verstanden. Farbladung von Quarks kann man mittels Mesonen nicht ändern, die sind ja farbneutral. Das geht nur mit Gluonen, die tragen Farb-/Antifarbladung in jeder Kombination (also z.B. grün/antiblau).

    Mit Mesonen kann man hingegen den Quarkflavor von Hadronen austauschen, solange die Flavor der einzelnen Quarks erhalten bleibt.

    Mein Fehler! Ich hatte da irgendwie die Gluonen mit den Mesonen verwechselt. Mesonen: Quark und Antiquark. Gluonen: Elementarteilchen, aber trotzdem Farbladung Farbe/Antifarbe. Muss ich mir einfach jetzt mal merken 🙁

    Durch die Gluonen, die ja die Austauschteilchen der Starken Wechselwirkung sind, werden der Vorstellung nach die Quarks in Protonen und Neutronen und vermutlich auch in den Mesonen (bestehend aus zwei Quarks) zusammengehalten, wobei die Quarks durch die Übertragung der Farbladung (Farbe/Antifarbe) unablässig ihre Farbe ändern. Die additive Summe der Farben in einem Proton oder Neutron bleibt dabei aber immer weiß. (Gilt das für Mesonen eigentlich ebenfalls?)

    Im Grunde ist es also eine logische Annahme, dass es einen Unterschied geben müsse, je nachdem, welche Farbe das einzelne Quark in einem Proton oder Neutron gerade annimmt. Nachdem aber offensichtlich ein derartiger Unterschied bislang nicht entdeckt werden konnte, gibt es neben der Antwort, dass alle Farben gleichberechtigt sind, auch noch die Möglichkeiten, dass der Unterschied viel zu klein und/oder viel zu kurzfristig wäre, um ihn mit heutigen Methoden finden zu können. Sollte wider Erwarten doch ein Unterschied existieren, wäre dessen Entdeckung für die Physiker bestimmt eine spannende Angelegenheit.

  22. #22 Alderamin
    18. September 2018

    @MZ

    Zur Farbladung: wenn ich das richtig verstehe, hat nicht jedes Quark eine feste Farbe (während jedes Lepton und Quark eine elektrische Ladung hat).

    Wie kann man das erklären? Kann ein Quark seine Farbe ändern wie ein Neutrino seinen Flavor? Oder gibt es eigentlich 18 Quarks, jedes der 6 mit der jeweiligen Farbe?

  23. #23 Captain E.
    18. September 2018

    @Alderamin:

    Zur Farbladung: wenn ich das richtig verstehe, hat nicht jedes Quark eine feste Farbe (während jedes Lepton und Quark eine elektrische Ladung hat).

    So verstehe ich das auch. Es ist, also ob jedes Quark seine eigene Taschenlampe hätte, die wahlweise blau, rot oder grün leuchten kann. Ein Trio (in einem Proton oder Neutron) wechselt wohl ständig seine Farben, aber in der Addition kommt immer weiß heraus.

    Wie kann man das erklären? Kann ein Quark seine Farbe ändern wie ein Neutrino seinen Flavor? Oder gibt es eigentlich 18 Quarks, jedes der 6 mit der jeweiligen Farbe?

    Ich schätze, das könnte oder müsste man so spezifizieren, aber da die Farbladungen als absolut gleichwertig angenommen werden, hat man wahrscheinlich (bislang) darauf verzichtet. Vermutlich spielt da auch hinein, dass ein Quarks sowieso unablässig seine Farbe ändert. Fix ist da nix…

  24. #24 Alderamin
    18. September 2018

    @Captain E.

    Also schmeißen sich die Quarks im Proton bunte Gluonen zu und nehmen dann deren Farbe an? Nee, so einfach kann’s nicht sein, beim Meson muss das Antiquark ja immer die Anti-Farbe (Komplementärfarbe?) haben. Mit einfachen Bällchen-Modellen kommt da wohl nicht weit. Man darf die Analogie nicht überziehen.

  25. #25 Captain E.
    18. September 2018

    @Alderamin:

    Also schmeißen sich die Quarks im Proton bunte Gluonen zu und nehmen dann deren Farbe an? Nee, so einfach kann’s nicht sein, beim Meson muss das Antiquark ja immer die Anti-Farbe (Komplementärfarbe?) haben. Mit einfachen Bällchen-Modellen kommt da wohl nicht weit. Man darf die Analogie nicht überziehen.

    Die Bällchen hast du jetzt aber erwähnt! 😉

    Laut der Animation bei Wikipedia ist es allerdings so, dass die Quarks ihre Farbe wegwerfen, eingehüllt in die passende Antifarbe, und eine andere annehmen, während das empfangende Quark genau zu der Farbe des Gluons wechselt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Starke_Wechselwirkung

    Wie das bei den Mesonen passen soll, weiß ich aber auch nicht. Allerdings ist da eines der beiden Quarks ein Antiquark und hat demnach wohl eine Antifarbe. Gluonen haben dafür immer Farbe und Antifarbe.

    Ganz abseits von bunten Kugeln, die sich zweifarbige Kügelchen zuwerfen, bleibt eines aber doch festzuhalten: Ein (Anti-) Quark hat immer genau eine (Anti-) Farbe, die sich aber ständig ändert. Diese Änderung geschieht mittels der zweifarbigen Gluonen als Austauschteilchen und im Zusammenspiel mit den Quarks in der unmittelbaren Nachbarschaft – wie immer man sich das am Ende auch vorstellen mag.

  26. #26 MZ
    18. September 2018

    Die “Bällchen”-Analogie ist soweit eigentlich in Ordnung, so wird auch EM-Wechselwirkung über Photonenaustauch anschaulich erklärt. Man muss sich allerdings klarmachen, dass ein Proton (bzw. Hadron) viel komplizierter ist, als durch die drei Quarks suggeriert. Neben einem Haufen Gluonen gibt es besagte drei Valenzquarks und virtuelle Quark-Antiquark Paare, genannt Seequarks. Die Eingeschaften des Protons (Spin, Masse, Ladung), lassen sich nur erklären, wenn man das ganze Zeugs berücksichtigt (beim Spin weiß man’s bis heute nicht so richtig). Am 23.10. gibts darüber wohl einen Blogbeitrag an gleicher Stelle, ich will nichts vorwegnehmen.

    Bzgl. Farbladung: Die QCD ist konzipiert als eine Eichtheorie basierend auf der SU(3) Gruppe. Vereinfacht gesagt, geht es hierbei um Berechnungen mit komplezahligen 3×3 Matrizen. Der Vektorraum, indem sich die Quarks (=Quantenfelder) transformieren ist dreidimensional. Nach einer bestimmten Wahl der drei Basisvektoren nennt man diese dann rot, grün und blau, um damit die Analogie zu kombiniertem weiß hinzukriegen. Energetisch gibt es aber keine Unterschiede zwischen rot, grün und blau und den Antifarben, das ist wirklich nur ein Versuch, sehr komplizierte Mathematik anschaulich zu machen.

    Wahrscheinlich hilft diese Erklärung nicht wirklich, aber immerhin habe bei der Recherche ein nettes Feynman-Zitat gefunden 🙂

    “The idiot physicists, unable to come up with any wonderful Greek words anymore, call this type of polarization by the unfortunate name of ‘color,’ which has nothing to do with color in the normal sense.”

  27. #27 MZ
    19. September 2018

    Ich hatte gestern eine längliche Antwort auf eure Fragen geschrieben, wo ist die? Hängt die in der Moderation, hat die mein Browser gefressen? Wie finde ich das raus?

  28. #28 Florian Freistetter
    19. September 2018

    @MZ: Sollte jetzt da sein.