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Herr Thomas und die Fische
von Frederik Elting
Ich bin Autor und schreibe gern Kurzgeschichten zu diversen Themen.
Diese Kurzgeschichte über das fiktive Leben und Wirken des einsam lebenden Professor Thomas soll den Blick schärfen für die Entdeckungen, die von Menschen gemacht werden, die es nicht in die Öffentlichkeit schaffen.
Diese Geschichte ist Fantasie. Einsame, wichtige Menschen sind Realität.
Herr Professor Thomas war nicht wie andere Menschen, geschweige denn, wie andere Menschen ihn haben wollten. Zu wem sie ihn machen wollten. Mit Artgenossen konnte er nicht viel anfangen. Er mochte Fische.
Seine Passion hatte zur Schulzeit begonnen. Diese war nicht sehr lang gewesen, hatte er doch einige Klassen übersprungen, doch auf einem Schulfest gewann er bei einer Tombola einen Goldfisch mit kleinem Aquarium.
Der Fisch hatte aus einem durchsichtigen Plastiksack in die Welt hinaus geglotzt, ihn gesehen, die Veranstaltung der Schüler und Lehrer , Frau Thomas, die mehr jubelte als ihr Sohn- und einen langen Kotfaden herausgedrückt, der noch einige Zeit am Hintern baumelte.
Seit diesem Moment verehrte Professor Thomas die Fische und vermutete stets, diese wüssten mehr über die Welt, als man gemeinhin ahnte.
Folgend hatte der Professor stets Aquarien besessen. Heute verdeckte ein gewaltiges Wasserbecken, die Nachbildung eines tropischen Ozeanriffes, die gesamte Nordwand seines größten Kellerraumes. Die Heizung, Filteranlagen und Zubehör füllten das, was einst sein Vorratskeller gewesen war.
Beim Füttern, Säubern und Betrachten der Tiere erhielt er die Ruhe zurück, die ihm die Menschen im täglichen Umgang raubten und hier empfand er die Verantwortung, die er weder anderen, noch sich gegenüber spürte.
Obschon Herr Thomas es genoss, minutiöse Pläne für Wasser- und Filterwechsel seiner Becken zu verfassen, fehlte ihm diese Akribie im sonstigen Leben.
Das Obergeschoss seines Hauses beherbergte eine Lawine von alten Tageszeitungen und Fachzeitschriften. Das Erdgeschoss belegte eine Tsunami von physikalischen Gerätschaften, Experimenten und Gitterboxen voller Kabel und Bauteilen.
Seine Kleidung bestand stets aus einem braunen Anzug mit farblich stimmigem Hemd und Krawatte. Von diesem Set besaß er drei. Er empfand es als ungemein praktisch, sich über Belanglosigkeiten wie angemessene Erscheinung keine Gedanken machen zu müssen. An der Universität wurde er jedoch bald hinter seinem Rücken Professor Schmuddel gerufen und wiederholt war nach den Vorlesungen sein Fahrrad mit Lametta behängt oder mit Käsecreme besprüht worden.
Im Kollegium der Universität fand er wenig Rückhalt, hatte diesen auch niemals ernsthaft gesucht. Seine unbestreitbare Genialität, gepaart mit seinem mangelhaften Sozialverhalten, verstörten sein Umfeld und machten ihn zum Aussenseiter. Dem maß er wenig Bedeutung zu.
Seine Unterwasserlandschaften im Keller und seine Forschungen waren einzig wichtig. Diese verstand er und beherrschte sie meisterlich.
Heute musste wieder ein Filterwechsel durchgeführt werden und Herr Thomas stand auf einer kleinen Leiter und zog den schwarzen Schwamm, der Schwebstoffe aus dem Wasser entfernen sollte, aus dem Gerät und platzierte einen neuen hinein.
Von hinten wurde er von einem blauen Licht angestrahlt und ein leichter Wind blies. Diese Nebeneffekte würde er demnächst erforschen müssen, doch bis dahin erwies sich für die Entsorgung von Aquarienfiltern ein stabiles Wurmloch als sehr nützlich.
Ein Student hatte ihn vor einigen Monaten nach der physikalischen Plausibilität der Bestandteile einer Fernsehserie gefragt, die dem Professor unbekannt war, ihn jedoch auf interessante Ideen brachte. Die mehrwöchige Beschäftigung mit Nullpunktenergie, Quantenverschränkung und einer kleinen Bastelei im Keller hatten eine schwebende blaue Kugel in Größe eines Basketballs entstehen lassen.
Ein großer Schritt für die Menschheit wäre dies gewesen. Herr Thomas sparte sich die Schritte zum Mülleimer vor dem Haus.
Vor 3,8 Milliarden Jahren.
Unter einem teilweise lavaüberflossenem Mond, der viel näher als heute über der jungen Erde steht, öffnet sich ein blau glühender Ball. Unter diesem steht ein tiefer Teich aus kristallklarem Schmelzwasser, nach Millionen Kilometern Reise von Asteroiden hier auf die Welt gebracht und von der Hitze des Erdinnern aufgeschmolzen. Über dem Himmel ziehen in steter Folge die Schweife von Sternschnuppen.
Aus dem Lichtball fällt ein schwarzer Quader in das Wasser und sinkt auf den Grund. In die klare Tiefe entlässt er Algen und Bakterien. Diese finden hier keine Konkurrenz, aber Schutz vor der Strahlung der jungen Sonne aus dem Kosmos. Schnell vermehren sie sich und bedecken bald als dünner Schleimfilm die jungen Felsen.
Unbegreiflich lange Zeiträume und eine immense Zahl von Versuchen und Irrtümern werden das Leben zu einem unsozialen, aber genialen Professor führen. Und den Fischen, die er so liebt.
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