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Krebs – Er beherrscht uns alle

von Pauli

Ich bin eine Schülerin, die sich so ziemlich für ALLES interessiert.

Der König der Krankheiten, wie ihn Siddhartha Mukherjee nannte, ist wohl ein sehr treffender Name für die Krankheit des 21. Jahrhunderts: Krebs. Jährlich fordert er mehr Opfer. Doch welcher Umstand hat diesem Ungetüm die Krone aufgesetzt? Und können wir diesen König irgendwann vom Thron stürzen?

In der Schule wurde mir vom Biologielehrer gesagt, Krebs sei eine Krankheit verursacht durch die Lebensweise des modernen Menschen. Wieder einmal das typische früher-war-alles-Besser Gerede dachte ich. Aber es stimmt, Krebs rückte erst in der Moderne auf die Spitzenplätze der Statistik für Todesursachen, aber warum?

Tatsächlich taucht die Krankheit bereits in der Antike auf. Die erste medizinische Beschreibung von Krebs findet man in einem ägyptischen Text, von dem man glaubt, dass er ca. 2,500 v. Chr. entstand. Man nimmt an, dass der Papyrus von Imhotep, einem ägyptischen Arzt verfasst wurde. Darin beschreibt er unter anderem einen Fall von großen harten geschwollenen Massen, die sich unter der Haut ausbreiten. Eine ziemlich zutreffende Beschreibung für einen Tumor wie ich finde. Zur Behandlung schrieb er übrigens noch folgendes:,, Es gibt keine´´, so sollte es auch für viele Jahrhunderte bleiben.

Der Papyrus enthält das gesammelte medizinische Wissen von Imhotep (  Urheber: Jeff Dahl, public domain )

Der Papyrus enthält das gesammelte medizinische Wissen von Imhotep ( Urheber: Jeff Dahl, public domain )

Wenn der Krebs also schon so lange und wahrscheinlich noch viel länger existiert, warum erkranken heute immer mehr Menschen daran und warum gibt es immer noch keine zuverlässige Behandlung?

Wie bereits erwähnt glaube ich nicht, dass alleine unsere modernen Lebensgewohnheiten (Umweltverschmutzung, Strahlenbelastung, ungesunde Lebensweise…) Schuld sind an den steigenden Todesfällen durch Krebs. Vielmehr ist es eine Kombination von mehreren Faktoren. Einer davon ist sicherlich, dass Krebs eine Krankheit der alternden Gesellschaft ist. Im Mittelalter war es einfach wahrscheinlicher an Tuberkulose, einer Lungenentzündung oder an einer einfachen Grippe zu sterben, bevor ein Krebs Zeit hatte sich zu entwickeln. Erst als man imstande war diese Krankheiten zu behandeln und die Lebenserwartung durch allgemeine verbesserte Lebensstandards stieg, hatten die Menschen überhaupt genügend Zeit einen Tumor zu bilden. Hinzukommt, dass Krebs oft unerkannt blieb. Die Menschen erduldeten, ohne ihrem Leiden einen Namen geben zu können. Genaue Diagnosen sind erst mit unseren heutigen Mitteln möglich, auch deshalb wurden mit der Zeit immer mehr Fälle von Krebs diagnostiziert.

Eine Diagnose ist schon mal ein Anfang, aber wieso will es uns nicht gelingen den Krebs zuverlässig zu behandeln? Das liegt daran, dass Krebs nicht gleich Krebs ist.

Unser Körper besteht aus Milliarden von mikroskopisch kleinen Zellen und jede von ihnen hat eine andere Funktion. So haben die Hautzellen eine andere Aufgabe als die Zellen in der Leber. Doch die meisten begleiten uns nicht ein Leben lang, auch Zellen sterben irgendwann und können nur eine begrenzte Zeit ihre Aufgabe erfüllen. Deshalb ist es notwendig, dass unser Körper ständig neue bildet. Dies geschieht durch die Zellteilung. Dabei teilt sich eine Mutterzelle in zwei Tochterzellen, sprich: Aus eins mach zwei! Dieser Prozess der Zellteilung läuft in mehreren Schritten ab und ist sehr komplex. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass sekündlich Millionen von Zellteilungen ablaufen, wird einem schnell klar, dass es irgendeinen Mechanismus geben muss, der für einen reibungslosen Ablauf des Ganzen sorgt.

Aus einer Zelle werden bei der Zellteilung zwei (  Urheber: Douglas N Robinson, Guy Cavet, Hans M Warrick and James A Spudich, Creative Commons by 2.0 )

Aus einer Zelle werden bei der Zellteilung zwei ( Urheber: Douglas N Robinson, Guy Cavet, Hans M Warrick and James A Spudich, Creative Commons by 2.0 )

Obwohl dieser Prozess streng kontrolliert wird, unterlaufen ständig Fehler bei der Zellteilung. Besonders die Weitergabe des Erbgutes ist eine heikle Angelegenheit. Das Erbgut, oder auch DNA, wird bei der Zellteilung an jede Tochterzelle weitergegeben. Es wird von der Zelle unbedingt benötigt, da es sozusagen das Handbuch der Zelle ist, wo genau drinnen steht, was sie machen soll. Wenn sich eine Zelle teilt, kopiert sie dieses Handbuch und gibt die Kopie der Tochterzelle mit. Darin ist unter anderem festgelegt, wie sich die Zelle teilen soll. Bei Millionen von Zellteilungen pro Sekunde, ist es nicht verwunderlich, dass beim Kopieren des Handbuches hin und wieder ein Fehler auftritt. In diesem Fall erhält die Tochterzelle ein fehlerhaftes Handbuch. Meist ist dies jedoch kein Problem, da uns die Natur verschiedenste Kontrollmechanismen mitgegeben hat, die in den Handbüchern der Zellen nach Fehlern suchen und diese korrigieren. Solche Korrekturen werden ständig durchgeführt, da unsere DNA auch durch tägliche Umwelteinflüsse, wie UV-Strahlen, Schaden nimmt.

Es kann aber auch vorkommen, dass ein Fehler durch verschiedenste Umstände nicht korrigiert wird und die Zelle künftig den Anweisungen der Fehlerhaften DNA folgt. Diese mutierte Zelle, wie man sie nun nennt, verhält sich nicht mehr wie die anderen Zellen. Je nachdem in welchem “Kapitel” des Handbuches ein Fehler entstanden ist, kann er verschiedene Auswirkungen haben. Besonders wenn ein Kapitel fehlerhaft ist, das die Zellteilung betrifft, kann das gravierende Folgen haben. Normalerweise ist die Zellteilung streng geregelt und verläuft so, dass es ein Gleichgewicht im Körper gibt. Durch einen Fehler in der DNA kann es passieren, dass die Zelle beginnt sich unkontrolliert zu vermehren, da im Handbuch falsche Anweisungen geschrieben stehen. Die Zelle vermehrt sich nun zu häufig und ein Überfluss an Zellen, ein Tumor bildet sich. Der Tumor wird immer größer und beginnt schließlich umliegendes Gewebe und Organe zu bedrängen und in ihrer Funktion zu behindern, was bis zum Organversagen und somit zu Tod führt.

Krebspatienten kämpfen also nicht gegen einen Virus oder einen anderen Erreger, es gibt keinen “Feind”, sie bekämpfen sich selbst. Dort liegt genau das Problem: Wie soll man die mutierten Krebszellen angreifen, die sich unkontrolliert vermehren, aber die gesunden Zellen schonen? Wie kann man unterscheiden? Hinzu kommt noch, dass nicht nur ein Abschnitt in der DNA für Krebs verantwortlich sein kann, es gibt verschiedene Mutationen, die einen Tumor verursachen können.

Krebs ist eigentlich gar keine Krankheit, sondern nur ein Sammelbegriff für verschiedene Krankheiten, die alle eines gemeinsam haben: Unkontrollierte Zellvermehrung. Deshalb gibt es auch keine allgemeine Behandlung für jeden Krebspatienten.

In Zukunft wollen Forscher einen neuen Weg gehen. Sie wollen das Erbgut der Tumorzellen analysieren um herauszufinden wodurch der Krebs ausgelöst wurde, um dann maßgeschneiderte Behandlungen für jeden Patienten anzuwenden. Das hört sich zwar noch ein wenig wie Zukunftsmusik an, aber die Revolution um den König endlich zu stürzen ist bereits in vollem Gange.

Kommentare (8)

  1. #1 Smamap
    20. September 2018

    Vieles von dem, was du schreibst ist richtig. Richtig ist sicherlich AUCH, dass sehr viele von den Krebstoten nicht wären, wenn die Lebensweise des Menschen nicht so wäre, wie sie ist. Insofern ist Krebs zu einem gerüttelt Maß der Lebensweise geschuldet. Nimmt man nur an, dass niemand rauchen würde, die Zahlen wären andere.
    Es ist ebenso, wie mit dem Schlaganfall: Es ist absolut der Lebensweise geschuldet, dass immer mehr Jüngere diese Krankheit bekommen.

  2. #2 Captain E.
    20. September 2018

    @Smamap:

    Aber auch da gilt, dass Krebs ein Sammelsurium verschiedenster Erkrankungen ist mit einer Viehzahl unterschiedlicher Ursachen. Einige werden durch Viren ausgelöst und können per Impfung verhindert werden. Andere entstehen wohl durch Umweltgifte, deren Minimierung unser aller Ziel sein sollte.

    Lungenkrebs entsteht vielfach durch das Rauchen, wobei ein Aspekt darin bestehen könnte, dass die Tabakpflanze den Alphastrahler Polonium-210 in ihrem Gewebe anreichert. Viele Krebsfälle, mit denen sich die Menschheit auch heute noch herumschlagen musse, dürften überhaupt den Nuklearwaffentests geschuldet sein. Der Anstieg der aus den Detonationen stammenden Radionuklide in der Atmosphäre hatte seinerzeit ein Ausmaß angenommen, dass alle Staaten freiwillig auf Tests außer den unterirdischen verzichtet haben, und selbst die sind heutzutage selten geworden. (Der Anstieg durch Tschernobyl war im Vergleich dazu fast nicht messbar!) Die Auswirkungen sollten immer noch nicht ganz überwunden sein. Hautkrebs dagegen dürfte vielfach auf die FCKWs in Verbindung mit einem geänderten Freizeitverhalten zurück zu führen sein. Die geschwächte Ozonschicht lässt einfach mehr UV-Strahlung durch.

    Andererseits geht der Magenkrebs zurück, weil die Leute bei weitem nicht mehr so viel gepökeltes Fleisch essen wie früher – dank Kühlschränken. (Wobei die natürlich wiederum FCKW-Quellen waren.) In ärmeren Ländern ist noch heute Leberkrebs ein großes Problem, der durch Schimmel hervorgerufen wird, den die Menschen mit Pistazien zu sich nehmen.

    Das Wort “Krebs” stammt übrigens von einer frühen Beschreibung einer Brustkrebsdiagnose, da der Tumor Blutgefäße ausbildet, die an der Hautoberfläche ein Muster entstehen lassen, das wie ein Krebs mit seinen vielen Beinchen aussieht. Bei dieser Krebsart spielt bekanntlich die genetische Disposition eine große Rolle und zudem wird über die Wirkung von Aluminumsalzen in Deodorants diskutiert.

    Was aber die “zuverlässige Behandlung” von Krebs angeht, so hat die Medizin inzwischen vieles so gut verstanden, dass Patienten von “schwer oder tödlich erkrankt” in den Zustand “gesund” oder “chronisch erkrankt” überführt werden können. Leider klappt das gerade nicht bei jeder Krebserkrankung und bei jedem Patienten, aber der Fortschritt ist immerhin erkennbar.

  3. #3 Hoffmann
    20. September 2018

    Insgesamt sehr locker und anschaulich geschrieben und damit angenehm lesbar. Aber populäre Mythen wie diese:

    Das Erbgut … wird von der Zelle unbedingt benötigt, da es sozusagen das Handbuch der Zelle ist, wo genau drinnen steht, was sie machen soll. Wenn sich eine Zelle teilt, kopiert sie dieses Handbuch und gibt die Kopie der Tochterzelle mit. Darin ist unter anderem festgelegt, wie sich die Zelle teilen soll.

    sollte man nicht unnötigerweise reproduzieren, auch wenn sie möglicherweise Bestandteil des Biologie-Unterrichts sind. In der DNA steht nichts drin und wird nichts festgelegt. Besser ist es, zu sagen, dass sich die Zelle des Erbguts bedient, um sich zu erhalten und um sich zu teilen, weil über die Basensequenz der DNA u.a. die Zusammensetzung der Enzyme festgelegt ist, die zum Funktionieren der Zellprozesse beitragen.

    Über diese Schiene ist dann auch das Zustandekommen von Krebs ableitbar. Wenn Mutationen die Sequenzen betreffen, die für Reparaturenzyme codieren, entstehen Zellen, die ihr Erbgut nicht mehr effizient reparieren können, so dass mit jeder Zellteilung ein erhöhtes Risiko vorhanden ist, dass die Hemmung der Zellteilung künftig ausbleibt. Und das hat dann ungebremstes und unkontrolliertes Wachstum zur Folge, welches sich zur Tumorbildung auswächst.

    Das Zustandekommen von Krebs ist also nur eine Frage der Zeit, weil Mutationen ständig erfolgen. Entscheidend ist der Ort der Mutation und die Effizienz der Reparaturmechanismen vor und während der Zellteilung. Auf lange Sicht gewinnt der Krebs immer, sofern andere potentielle Todesursachen dem nicht zuvorkommen. Darum ist Krebs letztlich auch nicht besiegbar – allen Therapieansätzen zum Trotz, die ihn zeitweilig eindämmen können.

    Aber dieser Aspekt wurde ja im Artikel hinreichend genau ausgearbeitet.

  4. #4 Hoffmann
    20. September 2018

    Ergänzung: Ich hatte geschrieben:

    In der DNA steht nichts drin und wird nichts festgelegt.

    Das bezieht sich auf Prozesse und Funktionen von Zellen und diversen Proteinen. Die DNA “sagt” also nichts und niemandem, was zu tun wäre, sondern enthält lediglich die Sequenzen für u.a. Proteine, die dann in der Zelle bestimmte Reaktionen auslösen sowie bestimmte Funktionen erfüllen. Aber das hat dann nichts mehr mit der DNA zu tun, sondern mit dem biochemischen Kontext, in den das produzierte Protein entlassen wird.

  5. #5 Joseph Kuhn
    20. September 2018

    Schöner Beitrag, aber der Satz “Jährlich fordert er mehr Opfer” ist etwas pauschal und missverständlich formuliert. Die Zahl der Neuerkrankungen stagniert seit einigen Jahren, siehe z.B. die Daten beim Zentrum für Krebsregisterdaten des Robert Koch-Instituts: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Krebsregisterdaten/krebs_node.html

  6. #6 Mila
    21. September 2018

    Sehr schön geschrieben, gut lesbar!

  7. #7 René
    21. September 2018

    @Hoffmann
    “Auf lange Sicht gewinnt der Krebs immer, sofern andere potentielle Todesursachen dem nicht zuvorkommen. Darum ist Krebs letztlich auch nicht besiegbar – allen Therapieansätzen zum Trotz, die ihn zeitweilig eindämmen können.”
    Durch die Entdeckung von CRISPR erhofft man sich eine sehr effektive und schonende Behandlungsmethode. Durch CRISPR könnte man das eigene Imunsystem dahingehend verändern, dass es die Krebszellen erkennt und auslöscht. CRISPR wird als ein Revolution im medizinischen Bereich gesehen und die Entdecker bekamen auch sehr zügig den Nobelpreis verliehen. Krebs bzw. Medizin ist hierbei nicht der einzige Anwendungsbereich, aber ein möglicher.

  8. #8 Hoffmann
    21. September 2018

    @René:

    Durch CRISPR könnte man das eigene Imunsystem dahingehend verändern, dass es die Krebszellen erkennt und auslöscht.

    So ein Immunsystem haben wir ja bereits. Das Problem ist jedoch, dass es langfristig unterlaufen wird, sobald die entsprechenden Signalketten durch mutierte Proteine ineffizient werden. Und die Arten und weisen sowie die Umfänge und Lokalisierungen der sich mit Sicherheit einstellenden Mutationen in den Proteom-Anteilen des Immunsystems lassen sich auch mit CRISPR-Cas9 nicht vorab ausschließen.

    Eine Optimierung mit CRISPR bewirkt zudem neben erwünschten Effekten eine Reihe unerwünschter Effekte, da zum einen Off-Target-Ereignisse (also Fehl-Mutationen neben der beabsichtigten Mutation) nicht ausgeschlossen werden können und zum anderen das Immunsystem als Ganzes hinreichend komplex ist, um mittels einer gezielten Mutation das Gefüge der Wechselwirkungen als Ganzes auf ebenso komplexe – und damit unvorhersehbare – Weise zu verändern.

    Der Weg von ersten Versuchen bis hin zur Marktreife eines entsprechend effizient wirksamen Produkts bzw. einer entsprechenden Therapie dürfte langwierig und hindernisreich sein, so dass man zwar darauf hoffen mag, aber zugleich sehr viel Geduld aufbringen muss, bis sich derartige Hoffnungen erfüllen mögen.