Dieser Artikel ist Teil des ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb 2018. Informationen zum Ablauf gibt es hier. Leserinnen und Leser können die Artikel bewerten und bei der Abstimmung einen Preis gewinnen – Details dazu gibt es hier. Eine Übersicht über alle am Bewerb teilnehmenden Artikel gibt es hier. Informationen zu den Autoren der Wettbewerbsartikel finden sich in den jeweiligen Texten.
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Von astronomischen Höhen und Tiefen – hinter den Kulissen eines Science Artikels
von Dr. Oliver Müller
Derzeit noch an der Universität Basel, bald am Observatorium in Strasbourg, studiere ich Zwerggalaxien im nahen Universum. Gelegentlich schreibe ich auf dem Blog Prosa der Astronomie.
Was steckt hinter wissenschaftlichen Entdeckungen? In diesem Artikel erzähle ich meine persönliche Geschichte während meines Doktoratstudiums, das ich diesen August beendete, mit all den Höhen, den Tiefen, den grossen und kleinen Zufällen und den vielen Umständen, die dazu geführt haben, dass wir in einem der renommiertesten Wissenschaftsjournale der Welt unsere Resultate präsentieren konnten.
Vor etwa fünf Jahren klopfte ich an die Türe des letzten Astronomie Professors der Universität Basel und wollte ein Projekt realisieren. Denn seit einer seiner Vorlesungen hatte mich eine Sache nicht mehr in Ruhe gelassen: in seiner Spezialvorlesung über Kosmologie berichtete Prof. Bruno Binggeli über ein Problem, das mit dem Standardmodell der Kosmologie – dem Dunkle Energie + Dunkle Materie Modell (kurz: LambdaCDM) – nicht zu vereinbaren war. Die Satellitengalaxien der Milchstrasse sind in einer extrem dünnen Ebene angeordnet und bewegen sich in demselben Drehsinn um die Milchstrasse. Dies ist aussergewöhnlich, da im LambdaCDM Modell diese Satellitengalaxien zufällig verteilt und ihre Bewegungen chaotisch sein sollten. Ich mag mich noch sehr genau daran erinnern, wie ich während der Vorlesung diese Beobachtung hinterfragt hatte: Ist das nicht vielleicht ein Selektionseffekt, da die Milchstrasse selbst uns die Sicht versperrt? Kennen wir genügend Satelliten, um eine solche Aussage zu treffen? Suchen wir verstärkt nach den Galaxien in dieser Ebene, so dass es kein Wunder ist, dass wir sie so angeordnet finden? Mich faszinierte dieses Phänomen, während mich diese Vorlesung sonst ehrlich gesagt schwer erschütterte. Ich konnte es einfach nicht fassen, dass das Universum aus 95 Prozent unverstandener Energie (der Dunklen Energie) und unverstandener Materie (der Dunklen Materie) bestehen sollte. Die ganzen Gesetze, die ich im Physikstudium gebüffelt hatte, sollten nur für etwa 5 Prozent des Universums anwendbar sein, und beim Rest tappen wir im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln. Für mich war – und ist dies auch heute noch – eine unbefriedigende Situation. Leserinnen und Leser, die meinen letztjährigen Beitrag zum Wettbewerb gesehen haben, werden wohl wissen, von was ich schreibe. Aber es kam noch besser. Im gleichen Jahr wurde ein weiterer Durchbruch von einem Team um Rodrigo Ibata in Strasbourg im bekannten Wissenschaftsmagazin Nature publiziert: Unsere Nachbargalaxie Andromeda ist ebenfalls von einer extrem dünnen Scheibe von sich gleichbewegenden Satellitengalaxien umgeben! Dieses Phänomen ist also nicht ausschliesslich in unserer Heimatgalaxie anzutreffen. Wahnsinn, dachte ich mir, da muss also wirklich etwas dran sein. So also klopfte ich bei Prof. Binggeli an die Türe und schlug ihm ein Projekt vor: Warum suchen wir nicht nach solchen Ebenen in anderen Galaxiengruppen? Schnell wurde der Rahmen des Projekts abgesteckt, und Prof. Binggeli schlug mir vor, die M101 Galaxiengruppe genauer unter die Lupe zu nehmen.
Zur gleichen Zeit arbeitete ich noch als Software Entwickler (irgendwie musste ich ja mein Studium finanzieren) und besuchte Vorlesungen, so machte ich mich hauptsächlich über das Wochenende hinweg an die Arbeit: Daten herunterladen, die bekannten Galaxien in der M101 Gruppe in 3D darstellen, die Ausdehnung der Gruppe studieren und Heureka!, da ist doch was! Die Satelliten um M101 sind auch in einer Ebene angeordnet! Doch etwas war seltsam und linderte unsere Euphorie: Die Ebene verlief weiter zur benachbarten M51/M63 Gruppe und wenn man diese Galaxien somit auch noch einbezieht, ist die Ebene über etwa 3 Megaparsec ausgedehnt. Zum Vergleich, die Ebenen um die Milchstrasse und Andromeda sind etwa 0.5 Megaparsec lang. Dies verleitete Prof. Binggeli zur Annahme, dass dies wie ein Dunkle Materie Filament aussehe, und somit keine Satellitenstruktur wie in der Lokalen Gruppe – der Milchstrasse und der Andromeda Galaxie – sei. Das ganze schrieb ich 2014 als kleine Projektarbeit zusammen und legte es in die Schublade. Im selben Jahr noch began ich dann meine Doktorarbeit bei Prof. Binggeli. Das Ziel meiner Arbeit war, nach neuen Zwerggalaxien in der Centaurus Gruppe zu suchen.
Die Centaurus Gruppe besteht aus zwei grossen Galaxien, der elliptischen Cen A und der spiralförmigen M83 Galaxie. Cen A ist mit etwa 50 bekannten Zwerggalaxien die satellitenreichste Galaxie im nahen Universum. Neue Zwerge zu finden ist per se nicht einfach, da sie in der Regel sehr klein und vorallem extrem leuchtschwach sind. In einem meiner Blogartikel habe ich genauer darüber geschrieben, wie man sie dennoch finden kann. So haben wir uns also mit dem Dark Energy Survey Teleskop, welches in Cerro Tololo in Chile steht, im Verlaufe von 2014 und 2015 auf die Suche nach neuen Zwergen gemacht, und geschlagene 57 solcher Objekte gefunden, also die Anzahl der bekannten Galaxien verdoppelt. Zeitgleich gab es eine weitere Entdeckung von Brent Tully – einem der bedeutesten Astronomen der letzten Jahrzehnte – und seinem Team: Die dazumals bekannten Zwerggalaxien um Cen A seien in zwei parallelen Ebenen angeordnet. Mit meinen neuen Zwergen in der Hand, durfte ich 2016 – obwohl ich die Anmeldefrist verpasst hatte und das Teilnehmermaximum schon erreicht war – an einer Konferenz über Kosmologie in Obergurgl nahe Innsbruck teilnehmen, welche einen Fokus auf eben dieses Satellitenebenen Problem legte. Auch mit dabei war ein gewisser Marcel Pawlowski, welcher seit Jahren auf diesem Problem arbeitete. Die ganze Geschichte, warum dieses in der Kosmologie überhaupt diskutiert wird, geht nämlich auf ihn und seinen Doktorvater, Prof. Pavel Kroupa, zurück. Aus Spass hatte ich meine nun zwei Jahre alte Projektarbeit mit dabei – vorallem da mein Zweitbetreuer, Prof. Helmut Jerjen, immer wieder sagte, dass dies doch publiziert werden müsste – und sprach Marcel darauf an. Das Gesicht, das er machte, als ich ihm die Bilder und Analysen zeigte, werde ich so schnell nicht mehr vergessen. Es war schnell klar, dass wir von nun an zusammenarbeiten würden.
Wieder zuhause, wollten wir untersuchen, wie meine neuen Zwerggalaxien in die beiden Ebenen um Cen A passten. Bei der Analyse fiel uns auf, dass die Ebenen ziemlich genau an unserer Sichtlinie entlang verliefen, wir also quasi in die Ebenen hinein sehen konnten. Dies wird später nochmals wichtig. Weiter zeigte sich, dass die meisten der neuen Zwerge nur in einer der beiden Ebenen oder dazwischen auftauchten und nach statistischen Tests schlossen wir, dass die beiden Ebenen wohl nur eine einzige dickere Ebene sein mussten. Aus zwei machten wir eins. Wir veröffentlichten dieses Ergebnis und legten die Centaurus Gruppe wieder beiseite. Interessanterweise verfolgten wir dieses Projekt nur, weil wir keine Beobachtungszeit am Very Large Telescope in Chile bekommen hatten und ich meine Forschung dementsprechend anpassen musste – ein Glücksfall, wie sich später heraustellen sollte.
Etwa eineinhalb Jahren Doktorates waren verstrichen, als ich plötzlich meine Stelle verlor. Ja, richtig gelesen: die Forschungsgelder unseres Projekts, an das meine Doktorandenstelle geknüpft war, wurden gestrichen. Grund dafür war, dass im Verlaufe des Projektes, seit das Geld gesprochen wurde, zu wenig wissenschaftliche Artikel publiziert worden waren. Das Projekt lief seit etwa 2011, die Stelle wurde aber erst 2014 durch mich besetzt. In der Endabrechnung 2011 – 2016 ergab dies daher nur einen publizierten Forschungsartikel in fünf Jahren, zu wenig für den Schweizerischen Nationalfonds. Und das, obwohl schon zwei weitere meiner Artikel in Fachjournalen eingereicht worden waren und auf ihre Veröffentlichung warteten. Einer temporär-Verlängerung, die eigentlich für Doktoranden am Ende ihrer Arbeit gedacht wäre, mit der sie die Doktorarbeit noch fertigstellen können, ist es zu verdanken, dass ich damals weiter arbeiten konnte. Ein halbes Jahr lang hing ich in der Schwebe und wusste nicht, ob der neue Antrag für die Beendigung meines Doktorats erfolgreich sein würde oder nicht. Wir konnten dem Schweizerischen Nationalfonds jedoch schlussendlich überzeugend vermitteln, dass das Projekt nun auf gutem Weg war und erhielten dann Gelder für die Fortsetzung des Projektes bewilligt. Ich konnte die letzten zwei Jahre des Doktorates in Angriff nehmen.
Drehen wir die Zeit wieder ein wenig zurück. Als Grünschnabel nahm ich 2015 zusammen mit Prof. Binggeli an einer der grössten Astronomiekonferenzen der Welt (EWASS in Teneriffa) – mit etwa 1500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – teil. Mein Professor, seines Zeichens Pionier der Zwerggalaxienforschung, gab dort einen †bersichtsvortrag. Wenn ich ehrlich bin, habe ich an dieser Konferenz quasi nichts verstanden, zu gross, zu überwältigend war die Erfahrung. Es gab aber eine Cocktailparty, die für meine weitere Forschung wegweisend war, obwohl ich dies zu jener Zeit natürlich noch nicht wusste. Ein junger Italiener namens Federico Lelli, ein klassischer Radioastronome, zeigte sich recht aufmüpfig in den Vorträgen. Immer wieder zeigte er Mängel in den Vorträgen auf, und machte deutlich, dass vieles im LambdaCDM Modell nicht so klar ist, wie es gerne dargestellt wurde. Mein Professor sagte damals zu mir, dass ihn Federico an einen kleinen Galilei erinnerte -Êmeiner Meinung nach das grösste Kompliment, das man einem Wissenschaftler machen kann. An der Cocktailparty standen wir nebeneinander und kamen irgendwann ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass er zusammen mit Marcel Pawlowski in der gleichen Gruppe in Cleveland arbeitete. So entstand ein Kontakt, und als er Ende 2016 eine Stelle an der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Garching antrat, luden wir ihn sofort für einen Vortrag bei uns an der Uni Basel ein.
Nun war Anfang 2017, und wie vereinbart kam Federico Lelli an unser Institut. Ein Hintergedanke, den ich hatte war der, dass Federico als Radioastronome die Bewegungen der Zwerggalaxien um Cen A messen könnte. Da wir die Ebene, in der sich die Satellitengalaxien um Cen A aufhalten, von der Kante aus sehen, war meine †berlegung die Folgende: falls sich die Zwerggalaxien um Cen A auch in einer korotierenden Struktur wie in unserer Milchstrasse und der Andromeda Galaxie befinden, müssen sie sich auf der einen Seite der Ebene zu uns hinbewegen, und auf der anderen Seite aber von uns wegbewegen. Also ähnlich wie wenn wir einem Karusell zusehen. Etwa eine Stunde vor seiner Ankunft hatte ich die peinliche Eingebung, dass ich doch im Mindesten zuerst in der Literatur nachschauen müsste, für welche Galaxien bereits Geschwindigkeitsmessungen existieren und ich ihm dieses Projekt nicht einfach total unvorbereitet vorschlagen sollte. Also suchte ich für jede bekannte Zwerggalaxie um Cen A nach Geschwindigkeitsmessungen und musste erstaunt feststellen, dass für 16 Galaxien tatsächlich Daten vorhanden waren, und das seit 20 Jahren! Als nächstes schaute ich, wo diese Zwerge lagen und ob ihre Bewegung auf uns zu zeigt, oder von uns weg geht. Und dann war ich total baff. Genau wie in dem Gedankenexperiment, befolgten die Zwerge die vorhergesagte Bewegung. Um es in Fachbegriffen zu beschreiben: auf der einen Seite ist ihr Signal blauverschoben, auf der anderen Seite rotverschoben. Keine fünf Minuten später kam dann Federico an, und anstelle eines Beobachtungsprojektes zeigte ich ihm meinen Fund. Seine Antwort darauf war: “Du solltest dies in Science oder Nature publizieren”. Wir haben den ganzen Tag damit verbracht, darüber zu diskutieren, wie wir die Signifikanz testen konnten, ob das Resultat auch stichhaltig ist, ob die Beobachtungen wirklich genügend gut sind, etc. Eine aufgeregte Mail an Marcel Pawlowski und Prof. Jerjen, und einige weitere hundert Mails später, hatten wir unser Manuskript mit dem Titel “A whirling plane of satellite galaxies around Centaurus A challenges cold dark matter cosmology” fertiggestellt und reichten es am 24. Juni 2017 im renommierten Wissenschaftsjournal Science ein.
Der Peer-Review Prozess dauerte Monate, mit drei anonymen Experten, die das ganze kritisch über mehrere Runden analysierten. Im August sollte der Entscheid kommen und wir sahen auf dem Internetportal von Science, dass die Expertenberichte auf dem Bürotisch des Editors lagen, und er nun eine finale Entscheidung treffen sollte. Es wurde September – nichts, keine Antwort. Es wurde Oktober – wieder nichts. Es wurde November – immer noch nichts. Wir wurden alle ein wenig nervös, weil ich diesen Fund seit nun etwa einem halben Jahr an Konferenzen vortrug, die Daten alle öffentlich im Archiv waren, und somit jeder auch einen Artikel darüber schreiben und in einem anderen Journal einreichen hätte können. Dann wären wir aus dem Spiel gewesen. Wir diskutierten mehrmals darüber, ob wir den Artikel zurückziehen und zu einem kleineres Journal gehen sollten, sahen aber davon ab. Dann ein Lebenszeichen des Editors anfangs Dezembers: Es tue ihm leid, dass das Ganze so lange ging, aber wegen der Entdeckung von Gravitationswellen von sich verschmelzenden Neutronensternen (Bericht Oktober 2018) wurden alle Astronomieartikel in Science vorübergehend auf Eis gelegt, da die 13 eingereichten Gravitationswellenartikel die ganzen Ressourcen in Anspruch nahmen. Er gebe aber bald Bescheid. Weihnachten rückte näher, und meine Hoffnung auf eine Rückmeldung im gleichen Jahr schwand. Doch dann kam die Entscheidung am 20. Dezember: Der Artikel wird von Science abgedruckt! Was für ein Weihnachtsgeschenk! Mitte Januar doppelte Science dann noch nach und ich wurde informiert, dass der Artikel die Titelgeschichte der ersten Februarausgabe sein würde. Wow.
Danach konnte ich während Wochen keine Wissenschaft betreiben, da ich mit Interviewanfragen überhäuft wurde. Und auch wenn man in Filmen regelmässig sieht, wie Wissenschaftler vor Journalisten treten und souverän ihre Resultate verständlich präsentieren, sieht die Realität ein wenig anders aus. Niemals hatten wir im Studium auch nur eine Sekunde dafür aufgewendet, zu lernen, wie man Wissenschaft an nicht-Experten vermittelt. Und plötzlich muss man jemandem erklären, der nicht einmal weiss, was eine Galaxie ist, warum unsere Resultate so spannend sind. Oder jemandem der wohl nicht wirklich weiss, was eine Theorie ist, wie die grösste Zeitung der Schweiz eindrücklich in ihrem Artikel Artikel missverstand (in Kürze, sie berichteten darüber, dass ich eine neue Theorie entwickelt hatte, die das Universum auf den Kopf stellte). Auch Anfragen von Verschwörungstheoretikern und Astrologen häuften sich exponentiell. In einem Pamphlet auf meinem Blog holte ich zum humorvollen Gegenschlag aus, da mir diese täglichen E-Mails und Telefonanrufe ziemlich auf den Kecks gingen. Auch dass ein Youtube-Verschwörungstheoretiker mich 20 Minuten lang als Lügner darstellte, Bilder von mir zeigte, und dafür 50’000 Besichtigungen erhielt, beschäftigte mich zu dieser Zeit sehr und beschehrte mir einige schlaflose Nächte. Und dass ein Astrologe unangekündigt in meinem Büro stand, etwas von einer Verschwörung in der Zeitmessung vorheulte und von mir Beobachtungszeit verlangte, fand ich wirklich nicht lustig. Andererseits erhielt ich von einem 88-jährigen bekannten Konzertpianisten einen herzerwärmenden Brief, und bald darauf seine Komplettaufnahmen des “wohltemperierten Klaviers” per Post, eine unglaublich schöne Geste.
Videountertitel: Der Versuch von Federico und mir, unsere Entdeckung allgemeinverständlich auf Youtube zu erklären.
Nach einigen intensiven Medienwochen und einem fünfwöchigen Forschungsaufenthalt in Australien, in der ich genügend Abstand zum ganzen Tumult nehmen konnte, blieb mir dann nur noch eines übrig: die Doktorarbeit fertig zu schreiben. Schon bald darauf verteidigte ich diese erfolgreich, und darf mich nun offiziell als Doktor der Philosophie bezeichnen.
Was mich rückblickend am meisten erstaunt, ist wie viele glückliche und unglückliche Umstände dazu geführt haben, dass wir diesen wahnsinnigen Erfolg in so kurzer Zeit haben konnten. Wäre ich korrekterweise in Obergurgl abgewiesen worden, hätte ich nicht Marcel Pawlowski kennengelernt, der einen wesentlichen Beitrag an der Publikation geleistet hat. Meiner Meinung nach bilden wir ein absolutes Dreamteam, er, der Theoretiker, ich, der Beobachter. Wäre Federico Lelli an der Cocktail-Party nicht neben uns gestanden, hätten wir heute wohl keinen Kontakt zu ihm und hätten ihn nicht zu uns ans Institut eingeladen und somit hätte ich mir wohl nicht die Daten in der Schnelle noch angeschaut. Wiederum, hätte ich am Very Large Telescope 2016 Beobachtungszeit bekommen – was zu dieser Zeit mein grösster Traum gewesen war -, wäre ich wohl damit beschäftigt gewesen, diese Daten auszuwerten, und hätte mir keinen Notfallplan ausdenken müssen. Wäre das Doktoratsprojekt nicht verlängert worden, dann wäre es das mit der wissenschaftlichen Karriere gewesen.
Ich hoffe, liebe Leserin und lieber Leser, dass dieser persönliche Einblick hinter die Kulisse der Wissenschaft ein anderes Bild des Forschungsalltags hinterlässt. Es war nicht etwa Genialität, sondern diese kleinen Gesten, scheinbar unwichtige Zufälle und kleine wie auch grosse Rückschläge, Austausch von Ideen, und der richtige Gedanke zur richtigen Zeit, die aus einem Doktoranden einen Science Erstautor gemacht haben.
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