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Der perfekte Makel: Die Erfolgsgeschichte eines Chemiekonzerns
von Nalin K.
Ich bin 18 Jahre alt und besuche die 12. Klasse eines Stader Gymnasiums in Niedersachsen. Das ist das erste Mal, dass ich einen Blogeintrag verfasse und dass ich an so einem Wettbewerb teilnehme.
Perfekt sein ist alles? Alles sollte fehlerfrei sein? Makellos? Pah!
Wirtschaftliche Erfolge zeichnen sich damit aus, dass das auf den Markt gebrachte Produkt einwandfrei ist. Die BASF erreichte die Spitze des Erfolges aber anders.
Zu verdanken hat es dieser Chemiekonzern dem Indigo und der Blue Jeans. Nein, niemand hat sich verlesen. Ich spreche tatsächlich von der öden blauen Hose. Tja, nicht alle Superhelden tragen Capes, habe ich Recht? Es handelt sich hierbei um einen qualitativen Makel in der Welt der Chemie, der in der Modewelt aber mehr als nur perfekt ist. Was genau dahinter steckt, erfahrt ihr in diesem Blogeintrag.
Um alles verständlicher zu machen, sind zunächst einige kleine Schlenker in die Vergangenheit nötig:
Was genau ist die BASF?
Alles begann im Jahre 1848, als der Goldschmied Friedrich Engelhorn (1821-1902) eine Gesellschaft gründete, die Leuchtgas produzierte und verkaufte. Ein lästiges Problem stellte der dabei entstehende Steinkohleteer dar, ein schwer zu verarbeitendes Nebenprodukt.
Durch verschiedene Experimente gelang es dem Wissenschaftler William Perkin jedoch, einen Weg zu finden, mithilfe des ungewollten Nebenproduktes den Farbstoff Anilin synthetisch herzustellen. Diese Entdeckung sah Engelhorn als einen Weg, aufwendig herzustellende Naturfarbstoffe weniger kompliziert zu produzieren. Schließlich gründete Friedrich Engelhorn am 6.April 1865 ein Unternehmen im früheren Großherzogtum Baden, das Farbstoffe auf Anilinbasis, auch genannt Teerfarbstoffe, synthetisierte. Der Name des Unternehmens lautet “Badische Anilin und Sodafabrik” oder kurz: BASF. Der erste Hauptsitz in Mannheim wechselte nur nach kurzer Zeit und befindet sich auch heute noch in Ludwigsburg am Rhein. Heute arbeiten mehr als 100.000 Mitarbeiter in ca. 100 Ländern für den weltweit größten Chemiekonzern.
Auch wenn die BASF seine wirtschaftlichen Erfolge vielen Innovationen, Produkten und Ereignissen zu verdanken hat, spielen der Indigo und die Bluejeans eine der wesentlichsten und interessantesten Rollen.
Auch hier ist ein Sprung in die Vergangenheit mehr als sinnvoll:
Seit mehr als 6000 Jahren gehört der Indigo, auch genannt Königsblau, zu den ältesten und bekanntesten Kulturfarbstoffen der Erde.
Zu früheren Zeiten gewann man den König der blauen Farbstoffe auf natürlichem Wege aus verschiedenen Pflanzen. Besonders wichtig waren die Indigopflanze (Indigofera tinctoria) und die Waidpflanze (Isatis tinctoria). Beide beinhalten Vorstufen des blauen Farbstoffs, die mithilfe langer Gärprozesse und mehrerer chemischer Reaktionen zu Indigo verarbeitet wurden. Fertig hergestellter Indigo ist blau und geruchlos, liegt in Blöcken oder als kristallines (rot schimmerndes) Pulver vor.
Da Indigo sich vor allem für Baumwollstoffe eignet, verwendete man ihn insbesondere zum Färben von Uniformen und Arbeiterkleidung. Zudem ist das Färbeergebnis von sehr guter Qualität. Es ist beständig gegen Licht (lichtecht) und gegen Wasser (wasch- und wasserecht). Beständig bedeutet in diesem Fall, dass die Färbung nicht verblasst, sobald sie in Kontakt mit unterschiedlichen Faktoren oder Substanzen kommt.
Die Eigenschaft der Waschechtheit wurde von mir persönlich untersucht. Ich habe ein mit Indigo gefärbtes Unterhemd mehrfach mit Wasser behandelt und tatsächlich kommt es zu keiner Farbänderung. Der Grund dafür liegt darin, dass Indigomoleküle in den Faserhohlräumen des Baumwollstoffes eingeschlossen sind. Sie sind zudem hydrophob, also wasserabweisend, weshalb sich der Indigo nicht in Wasser löst. Bei Kontakt mit Wasser bleiben die Farbstoffmoleküle daher in den Faserhohlräumen und die Färbung bleibt bestehen.
Sobald man den gefärbten Stoff jedoch stark beansprucht, indem man ihn lange an einem Brett reibt, verblasst die Färbung.
Auch wenn die Indigomoleküle in den Faserhohlräumen eingeschlossen sind, liegen nur Van-Der-Waals-Bindungen als eine schwache zwischenmolekulare Kraft zwischen den Farbstoffmolekülen und den Fasermolekülen der Baumwolle vor. Außerdem geht ein Indigo-Molekül Wasserstoffbrückenbindungen mit vier weiteren Indigomolekülen ein. Deshalb lagern sie sich „mikrokristallin“ zwischen die Molekülketten der Cellulosefasern (Baumwolle besteht aus Cellulosefasern) ab. Die Einlagerung kann man sich wie eine Lackschicht vorstellen. Findet nun eine zu starke Beanspruchung statt, in diesem Fall Reibung, werden die Indigomoleküle schnell herausgelöst, als würde man Lack von einer Oberfläche kratzen.
Ein mit Indigo gefärbter Stoff ist daher nicht beständig gegen Reibung und wird als nicht reibeecht bezeichnet.
Im Laufe der Zeit gewann der blaue Farbstoff an mehr Beliebtheit.
Der Bedarf an Indigo wurde größer, die natürliche Produktion war aber kompliziert und kostenaufwendig. Für 1,5kg bis 2kg Indigo verarbeitete man 100kg Blätter der Pflanzen. Es war schwierig, eine ausreichend große Menge auf ein Mal zu produzieren und zudem mangelte es dem natürlichen Indigo an Reinheit. Eine Lösung für dieses Problem fand man schließlich in der synthetischen Produktion (künstlich hergestellt).
Erstmals im Jahre 1880 gewann der Wissenschaftler Johann Friedrich Wilhelm Adolf Baeyer (1835-1917) Indigo auf synthetischem Wege. Die Rechte an dem Syntheseweg (dem sogenannten „Indigo Patent“) erlangten die BASF, sowie die Farbwerke Hoechst.
Nichtsdestotrotz ist auch dieser Produktionsweg noch nicht perfekt, da schon sie Synthese der Grundstoffe viel zu kostenaufwendig ist. Erst 10 Jahre später gelingt es dem Professor Karl Heumann, einen vorteilhafteren und erfolgreichen Produktionsvorgang zu entwickeln (Heumann’Sche Synthese), dessen Rechte erneut von den Farbwerken Hoechst und der BASF erlangt wurden.
Nun standen der BASF alle Türen für eine erfolgreiche Indigosynthese offen. Nach 17 Jahre lang andauernder Forschung kam der Tag, an dem die BASF das Wettrennen gegen seinen Konkurrenten Hoechst in Hinsicht auf die Indigosynthese gewann. Investiert hatte man damals 18 Millionen Goldmark, was heute 320.760.000 Euro entspricht. So wurde dann am 10. Juli 1897 erstmals synthetischer Indigo als „Indigo rein BASF“ auf den Markt gebracht. Bereits 5 Jahre später gewann die BASF ein Drittel ihres Gesamtumsatzes nur durch den Verkauf synthetischen Indigos. Das Königsblau brachte die Badische Anilin- und Sodafabrik an die Spitze des Erfolges.
Doch der Erfolg hält nicht all zu lange an. Der Grund dafür liegt in den unternehmenseigen synthetisierten Idanthrenfarbstoffen, die auf den Textilien wie „eingebrannt“ (Zitat aus: siehe 1. Quelle) haften würden. Während eine mit Indigo gefärbte Faser durch Reibung verblasst, sind Idanthrenfärbungen wasser-, licht- und reibeecht, also makellos. Das führte dazu, dass sie den König der Farbstoffe von seinem Thron stießen. Als die Badische Anilin- und Soda-Fabrik in den 1960er Jahren die Indigosynthese beinahe einstellen wollte, kam Rettung in letzter Not.
Die öde, blaue Hose, die der eine oder andere Leser ganz sicher genau in diesem Moment trägt, hat dazu beigetragen, dass die Indigoproduktion nicht eingestellt wurde.
Ein Design von Levi Strauss, das in den 1850er Jahren für Goldgräber gedacht war. Als die Jeanshosen in der Nachkriegszeit (ca. 1960er Jahre) die Modewelt eroberten, war eine ganz bestimmte Sache gewollt: Perfektion.
Was nun perfekt ist und was nicht, ist eine Meinungssache, aber was die perfekte Jeans ausmacht, war jedem klar. Sie muss blau, verwaschen und auf keinen Fall makellos sein. Eine verblasste Jeans sagte über seinen Träger nämlich aus, dass dieser sportlich, stets aktiv und auch etwas rebellisch sei.
Auch wenn das Färbeergebnis mit Idanthrenfarbstoffen wirklich makellos ist, ist ein mit Indigo gefärbter Stoff gerade wegen der nichtvorhandenen Reibeechtheit, gerade wegen dieses perfekten Makels einfach nur ideal. Manchmal werden Jeanshosen sogar mit Steinen oder Sand gewaschen („stone washed Jeans“), um den verwaschenen Look zu verstärken. Das hat schließlich dazu geführt, dass der synthetische Indigo ein zweites Mal den Erfolg dieses Chemiekonzerns ankurbelte. Heute ist es möglich mit der jährlich produzierten Indigoausbeute der BASF bis zu 800 Millionen Jeans zu färben.
Mithilfe einer Baumwollhose eroberte der König der Farbstoffe schließlich erneut seinen Thron.
Genutzte Quellen für diesen Artikel:
1. Geschichte des Indigos
2. Spektrum.de
3. BASF
4. HARRIET, WORSLEY: 100 Ideen verändern Mode, DuMont Buchverlag, Köln, 2011
5. FISCHEDICK, ARNO: Basiswissen Schule – Chemie Abitur, Bibliographisches Institut GmbH, Berlin, 2015
6. Link zu den Eigenschaften Indigos
7. KIRSCH, WOLFGANG, E. A.: fit fürs abi Oberstufenwissen Chemie, Schroedel, Braunschweig, 2012
8. Link zu der Geschichte der Indigoproduktion
9. DR. ARNOLD, KARIN, E. A.: Chemie Oberstufe Organische Chemie, Cornelsen Verlag, Berlin, 2010
11. WIECHOCZEK, DAGMAR: Erklärung der Reibeechtheit Indigos
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