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#nichtgesehen
von El Itai
Ich bin Schüler und besuche derzeit die 12. Klasse eines Gymnasiums. Neben dem Interesse für Naturwissenschaften bin ich leidenschaftlicher Triathlet.
Einzigartig ist das gesuchte Tier… Mit zwei Teleskopaugen, die einen Rundumblick garantieren, sowie einer Zunge, die der Körperlänge gleicht und milimetergenau Insekten fängt, ist das Tier ein Jäger und ein Gejagter zugleich. Des Weiteren kann der Gejagte – Jäger in den Baumwipfeln auf Madagaskar und dem afrikanischen Kontinent mit seinem langen Schwanz die Balance halten und sich zugleich mit seinen zangenähnlichen Füßen an den Ästen festhalten. Da hat man sie auch mal #nichtgesehen. Das, was dieses Tier auszeichnet, ist aber vielmehr etwas anderes: der Farbwechsel. Rot, wenn es grantig ist, lachsrosa, während der Paarungsbereitschaft oder gut getarnt in Naturtönen ist der Jäger im gleichen Moment ein Spezialist unter den Gejagten. Habt ihr es schon erraten? Nach diesen einleitenden Worten liegt es auf der Hand: Es handelt sich um das Chamäleon.
Fast magisch verändern Chamäleons ihre Farbe und deswegen war bereits Aristoteles von den Chamäleons fasziniert; bestimmt genauso fasziniert wie ich nach meinen Recherchen. Doch das, was eigentlich hinter dem Farbwechsel dieser Tiere steckt, ist ein Mysterium. Ein Mysterium, das auch Wissenschaftler zunächst in die Irre führte und zwar nicht nur hinsichtlich der Gründe, weshalb Chamäleons ihre Farbe ändern, sondern auch der Prozess des Farbwechsels stellte Biologen und andere Naturwissenschaftler vor ein großes Rätsel. Ein Rätsel, dem ich mich gewidmet habe…
Wenn man dann aber einmal mit dem Lesen von Artikeln und dann mit dem Schreiben angefangen hat, dann ist man gepackt – zu mindestens ich war gefesselt – von der Magie die Chamäleons ausstrahlen und Faszination, die diese Tiere hervorrufen. Vielleicht werdet auch ihr nach diesem Artikel ergriffen sein, bis es dann heißt: “So schön kann die Natur(wissenschaft) sein!”
Gründe für den Farbwechsel
Bevor man den Farbwechsel genauer untersucht, fragt man sich, wann ein Chamäleon seine Farbe ändert. Eines ist wohl euch genauso wie mir klar: Ein Chamäleon passt sich seiner Umgebung an, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Diese Art des Schutzes, Mimese genannt, ist für Chamäleons essentiell wichtig, weil sie nicht sehr schnell sind. Dadurch erhöhen sie ihre Überlebenschancen um ein Vielfaches.
Dennoch wissen nicht viele, dass Chamäleons ihre Farbe auch noch wegen eines anderen Grundes nutzen: Kommunikation. So absurd es klingt, Chamäleons kommunizieren mit Hilfe ihrer Farbe. Ein rot-oranges Chamäleon ist beispielsweise aggressiv, grantig oder aufgeregt. Dies wird dem Gegenüber durch eine knallige Warnfarbe wie rot-orange übermittelt.
Nicht nur Menschen können romantisch sein, auch Chamäleons haben die eine oder andere romantische Seite: Wenn sie paarungsbereit sind, dann werden die Weibchen lachsrosa. Natürlich kann auch ihre Tarnfarbe als Kommunikationsmittel gedeutet werden… Dann wollen sie einfach nichts mit einem zu tun haben…
Nun ist eigentlich die Frage geklärt, wann die Chamäleons ihre Farbe verändern. Damit kann das Rätsel ja eigentlich schon gelöst sein, aber nein! Wir wissen nun, wieso die Chamäleons ihre Farbe ändern. Wie das ganze geht, schauen wir uns jetzt an…
Farbwechsel des Chamäleons
In der Naturwissenschaft gibt es die “Wasserkochmethode”. (Wovon schreibt der Typ? Das ist ein naturwissenschaftlicher Blog und kein KOCHBLOG!) Die Wasserkochmethode ist einigen von euch wohl unbekannt. Sie besagt nur, dass man Gelerntes auf Neues anwenden kann, um damit in den allermeisten Fällen Erfolg zu haben.
Diese Methode findet man auch in der früheren Erklärung des Farbwechsels: “Ganz einfach!”, müssen sich einst die Wissenschaftler gedacht haben. Wie man wissen könnte, gibt es bei Menschen und anderen Tieren, sogar Pflanzen sogenannte Chromatophoren, auf Deutsch: Pigmentzellen. Sie befinden sich in den Hautschichten bei Chamäleons. Bei Ausschüttung dieser Pigmente sieht es so aus, als ob das Tier dann eine andere Farbe hat. Werden in den Pigmentzellen grüne Pigmente ausgeschüttet, wird es grün. Wenn gelbe, dann wird es gelb usw. Da das Chamäleon im Ruhezustand grün ist, sind dann wiederum in diesem Zustand die grünen Pigmente ausgeschüttet.
Jedoch haben Forschungen gezeigt, das Chamäleons gar keine grünen Pigmente in der Haut haben! Deswegen muss man davon ausgehen, dass Chamäleons ihre grüne Farbe nicht ausschließlich durch Pigmente erlangen. Was kann uns helfen?
Der Tuschkasten kann helfen…
Chamäleons haben zwar eine Pigmentschicht, sie ist allerdings nicht direkt für den Farbwechsel des Chamäleons verantwortlich. Sie besitzen unter der Epidermis, der obersten Hautschicht, eine Schicht von gelben Chromatophoren. Diese gelben Chromatophoren sind eine Komponente für die Farbe und den Farbwechsel des Chamäleons. Diese Pigmentzellen sind natürlich in der Lage die gelben Pigmente auszuschütten und wieder aufzunehmen. Durch Ausschütten und Wiederaufnahme der Pigmente wird die Intensität der gelben Komponentenfarbe beeinflusst.
Neben der Pigmentfarbe gibt es bei den Tieren eine andere Möglichkeit, weshalb Tiere eine Farbe besitzen. Die Farbe ist von der Oberflächenstruktur abhängig. Diese Strukturfarbe findet man vor allem bei Schmetterlingen, Vögeln und bei Libellen. Die Farben entstehen dort durch die Reflexion von Licht an kleinen Vertiefungen, Mikrolamellen und Schuppen. Das reflektierte Licht verstärkt oder löscht sich je nach Farbe aus.
Da durch die gelben Pigmente eine gelbe Farbe entsteht und ein Chamäleon im “relaxten” Zustand einen grünen Farbeindruck vermittelt, kann nur eine Farbe in Frage kommen. Welche Farbe erzeugt mit Gelb die Farbe Grün?
Ganz klar: Blau! Denn Blau und Gelb ergeben zusammen Grün. Das hat jeder schon in der Schule mit seinem Tuschkasten ausprobiert.
Wie entsteht nun das Blau in den Hautschichten des Chamäleons? Blaue Pigmente sind in den darunter liegenden Hautschichten nicht zu finden; unter dem Mikroskop #nichtgesehen.
Grundlage für diese Erklärung ist ein Verständnis von Licht. Farbe und farbliche Eindrücke haben immer was mit Licht zu tun. Licht ist eine elektromagnetische Strahlung. Das sichtbare Licht erstreckt sich nur in einem ganz kleinen Bereich des Spektrums.
Im Verlauf von rechts nach links wird die Wellenlänge des Lichts (eine Eigenschaft) immer länger. Das violette Licht hat die kürzeste Wellenlänge im sichtbaren Bereich, das rote Licht hat die längste Wellenlänge. Daran schließt sich dann der infrarote Bereich an, den die Menschen als Wärme wahrnehmen können. Zurück zu den Chamäleons…
Unter dieser gelben Pigmentschicht besitzt das Chamäleon eine weitere Schicht: die Iridophoren. Die Iridophoren bestehen aus Nano-Guaninkristallen. Im Normalzustand haben die Nanokristalle eine quadratische oder sechseckige Anordnung mit einem regelmäßigen Abstand.
Wir wissen, dass es sich um Strukturfarbe handeln wird, da blaue Pigmente (siehe oben) nicht die Erklärung sind. Zweifellos schließt die Strukturfarbe damit auch durch Kristalle erzeugt Farbe ein. Ausgangsfrage ist, wie die blaue Komponente für die grüne Farberscheinung enstehen kann. Diese Frage haben wir mit der Erkenntnis über die Nanokristalle fast schon beantwortet: Distanz zwischen den Kristallen. Habt ihr das #nichtgesehen?
Aufgrund des bestimmten Abstands zwischen den Kristallen, wird nur eine bestimmte Wellenlänge von den Iridophoren reflektiert. Genauer: Nur das blaue Licht wird bei diesem Kristallabstand reflektiert. Blau und Gelb macht Grün.
Nun können wir also erklären, wieso das Chamäleon eine grüne Farbe hat. Jedoch können wir noch nicht verstehen, weshalb das Chamäleon auch eine andere Farbe als Grün annehmen kann. Wenn wir diese Frage klären wollen, müssen wir ein Chamäleon während seiner Phase der Aufregung genauer betrachten. Lasst uns dann mal ein Chamäleon in Aufruhr versetzen…
Der Farbwechsel des Chamäleons
Neben der eindrucksvollen Farben die diese beiden Chamäleons annehmen, wenn sie sich aufregen, kann man noch etwas anderes feststellen. Das “andere” kann man allerdings nicht mit dem bloßen Auge sehen. Holen wir uns dann mal eine deeeuuutlich vergrößerte Version dieses Bildes heran:
Was man nun feststellen kann, wird euch wohl noch nicht umhauen… Was sieht man? Man sieht weiße Punkte auf einem grauen Untergrund. Wenn man sich aber nochmal das in Gedanken ruft, was wir untersuchen wollten, stellen wir nun fest, dass die weißen Punkte die Nanokrtistalle aus Guanin sind. Jetzt haut die Abbildung uns aber vom Hocker!!! Ihr fragt: “Wieso???”
Ich: Auffällig ist doch eines: Die Nanokristalle aus Guanin sind auf dem linken Bild dichter aneinander als rechts. Im aufgeregtem Zustand haben die Iridophoren also einen deutlich größeren Abstand als vorher. Folglich ist festzuhalten, dass die Iridophoren den Abstand bzw. die Distanz zueinander verändern, sodass diese einen anderen Wellenlängenbereich reflektieren als zuvor.
Wenn man zum Beispiel, die Nanokristalle ein Stück weit komprimiert, das heißt, die Distanz zwischen den Nanokristallen verringert, so wird mehr blaues Licht reflektiert und die Iridophoren des Chamäleons werden blau erscheinen. Im Gegensatz würde sich die Haut etwas rötlicher färben, wenn man die einzelnen Nanokristalle weiter distanziert. Dann wird der rötlichere Wellenlängenbereich reflektiert werden. In der Wissenschaft wird dies der Kristalleffekt genannt.
Folgende Abbildung soll das deutlicher machen:
Abschließend stellen wir also fest: Je dichter die Kristalle aneinander liegen, desto bläulicher ist das Licht, das reflektiert wird. Je größer die Distanz zwischen den Kristallen ist, desto rötlicher wird die zweite Komponente der Erscheinungsfarbe des Chamäleons.
Zusammenfassend: Die gelbe Pigmentfarbe und die blaue, reflektierte Strukturfarbe ergeben im Normalzustand eine grüne Erscheinung. Verändert sich nun der Abstand der Kristalle, entstehen immer neue Farben, die aus Gelb und der reflektierten Farbe entsehen.
Betrachten wir zu aller Letzt noch mal ein Chamäleon:
Was sehen wir auf diesem Bild? #nichtgesehen passt hier wohl nicht mehr. Wir sehen ein atemberaubendes Farbspiel bei einem Chamäleon, das wir auch nun erklären können… Da kann man nur noch eins sagen: So schön kann die Natur(wissenschaft) sein!
Vielen Dank für’s Lesen!
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