Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 314: Die Eiswelt von Eris
In der letzten Folge der Sternengeschichten habe ich von der Entdeckung des großen Asteroiden Eris erzählt. Die alleine war schon spannend und kontrovers genug. Aber es geht hier ja nicht nur um einen Lichtpunkt am Himmel und die Frage, wie man ihn klassifizieren und benennen soll. Sondern um eine komplette Welt, weit draußen am Rand des Sonnensystems. Und wenn wir auch noch nicht sehr viel darüber wissen, wissen wir doch genug um zu wissen, dass es sich lohnt sie zu erforschen.
Eris befindet sich im Kuipergürtel, also in dem großen Asteroidengürtel hinter der Bahn des Neptun. Für eine Runde um die Sonne braucht Eris 556,5 Jahre. Obwohl “Runde” eigentlich falsch ist, denn die Umlaufbahn von Eris weicht stark von einer Kreisbahn ab. Wenn der Asteroid auf seiner Bahn der Sonne am nächsten kommt, befindet er sich 37 Astronomische Einheiten von ihr entfernt. Also 37 mal weiter von der Sonne weg als die Erde. Zum Vergleich: Neptun, der sonnenfernste Planet befindet sich knapp 30 Astronomische Einheiten weit weg. Am sonnenfernsten Punkt seiner Bahn ist Eris aber erstaunliche 97 Astronomische Einheiten weit weg. Damit befindet er sich sogar schon außerhalb der Region, die wir normaleweise als Kuipergürtel bezeichnen. Das ist so weit, dass das Licht der Sonne mehr als 13 Stunden braucht, um Eris zu erreichen!
Die Bahn von Eris ist aber nicht nur sehr langgestreckt, sie ist auch stark geneigt. Die Planeten des Sonnensystems umkreisen die Sonne ja alle mehr oder weniger in der gleichen Ebene. Die Bahn von Eris ist aber um 44 Grad gegenüber dieser Ebene geneigt. Wie Eris auf so eine Bahn gekommen ist, ist noch unklar. Eventuell hat Neptun mit seinen gravitativen Störungen für diese Abweichung gesorgt. Diese Abweichung von den üblichen Bahnen hat auch dafür gesorgt, dass man Eris erst so spät entdeckt hat. Denn eigentlich hätte man so ein großes Objekt schon viel früher finden können – aber man hat vorrangig dort gesucht, wo man Asteroiden üblicherweise vermutet.
Wie groß genau Eris ist, war aber auch länger unklar. Dass es sich um einen sehr großen Himmelskörper handelt, war von Anfang an klar. Zum Zeitpunkt seiner Entdeckung konnte man aus der Helligkeit von Eris ableiten, dass der Asteroid auf jeden Fall ungefähr so groß wie Pluto sein muss, also einen Durchmesser von ungefähr 2300 Kilometer haben muss. Weitere Beobachtungen deuteten auf ein Objekt hin, das sogar noch ein Stück größer ist als Pluto: Ungefähr 3000 Kilometer. Mit dem Hubble-Weltraumteleskop konnte man die Größe dann auf 2300 bis 2500 Kilometer eingrenzen.
Dann aber stießen die Astronomen auf einen sehr glücklichen und wichtigen Umstand. Ein kleiner, schwach leuchtender Stern im Sternbild Walfisch, dessen einziger Name die Katalogbezeichnung NOMAD1 0856–0015072 ist würde am 6. November 2010 für ein paar Sekunden verlöschen. Denn genau in diesem Moment würde Eris von der Erde aus gesehen an diesem Stern vorüber ziehen und ihn bedecken. So etwas kommt nicht oft vor; ganz besonders nicht bei Eris. Der ferne Asteroid bewegt sich sehr langsam und er hält sich momentan in einem Bereich am Himmel auf, in dem die Sterne nicht sehr dicht stehen. Aber am 6. November 2010 würde es passen. Dann streicht – wie bei einer Sonnenfinsternis – der Schatten des fernen Asteroids über unseren Planeten. Der Bereich den der Schatten überdeckt ist natürlich winzig, aber drei Sternwarten in Chile gelang es, das Verlöschen des Sterns zu beobachten.
Warum ist das wichtig? Weil man sehr genau weiß, wie schnell sich Eris am Himmel bewegt. Und wenn man das weiß und ganz genau misst, wie lange der Stern dunkel ist, kann man daraus berechnen, wie groß der Himmelskörper sein muss, der ihn verdeckt. So kam man auf einen sehr genauen Wert des Durchmesser von Eris: 2326 Kilometer plus/minus 12 Kilometer. Bei Pluto sind es 2374 Kilometer. Der frühere Planet war also tatsächlich ein kleines Stück größer als der Asteroid, der dafür gesorgt hat, das Pluto seinen Planetenstatus verloren hat. Dafür liegt Eris bei der Masse vorne. Plutos Masse beträgt nur 77 Prozent der Masse von Eris. Er ist zwar größer, aber weniger dicht und deswegen leichter.
Über den genauen Aufbau von Eris wissen wir leider noch nicht viel. Man geht davon aus, dass er ungefähr zu 70 Prozent aus Gestein besteht; der Rest ist gefrorenes Wasser, plus ein paar andere gefrorene Gase. Und natürlich ist es dort kalt! Auf der Oberfläche von Eris hat es -243 Grad Celsius! Dafür ist der große Abstand zur Sonne verantwortlich. Aber auch die Tatsache, dass Eris weit von der Sonne entfernt entstanden ist. Planeten wie die Erde enthalten in ihrem Inneren ja viele radioaktive Materialien die durch ihren Zerfall laufend Wärme erzeugen. Fern der Sonne gab es zur Zeit der Entstehung der Himmelskörper aber wenig dieser schweren chemischen Elementen. Eris kriegt also nicht nur von außen wenig Wärme ab, sondern hat auch keine nennenswerte interne Heizung.
Die Temperatur erkennt man auch an der Farbe. Von Pluto wissen wir, dass er eher rötlich aussieht. Das liegt an den sogenannten “Tholinen” – also komplexe organische Moleküle aus Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff. Sie bilden sich mit Stickstoff und Methan, wenn die ganze Mischung der UV Strahlung der Sonne und dem Sonnenwind ausgesetzt sind. Die Tholine sorgen dafür, dass Pluto rötlich erscheint und sie würden es auch bei Eris tun. Denn auch dort können sie entstehen. Dort ist es aber SO kalt, dass auch Methan gefrieren kann. Dieses gefrorene Methan legt sich über die Tholine und gibt dem Himmelskörper ein sehr helles, weißes Erscheinungsbild.
Eine Atmosphäre im eigentlichen Sinne findet man bei Eris eher nicht. Dafür ist es einerseits zu kalt. Die meisten Gase gefrieren bei solchen Temperaturen. Aber prinzipiell würde die Masse von Eris ausreichen, um eine dünne Atmosphäre festhalten zu können. Wir wissen, dass das bei Pluto der Fall ist – wie ich ja schon in Folge 166 ausführlich erklärt habe. Auch Eris könnte also – so wie Pluto – eine Atmosphäre aus Stickstoff, Methan oder Kohlenmonoxid haben. Auch wenn das meiste Zeug fest gefroren ist, kann der auftreffende Sonnenwind, die kosmische Strahlung oder die UV-Strahlung der Sonne immer wieder ein paar Atome abtragen und als Gas freisetzen. Und wenn Eris auf seiner Bahn den sonnennächsten Punkt erreicht, könnte es kurzfristig warm genug für eine Atmosphäre werden. Wobei “warm” hier eigentlich auch übertrieben ist. Von -243 Grad steigt die Temperatur auf -217 Grad – auch nicht unbedingt das, was wir als Sommerwetter bezeichnen würde. Aber es könnte reichen, dass ein paar der gefrorenen Gase wieder gasförmig werden. Die natürlich wieder gefrieren, wenn Eris sich von der Sonne entfernt.
Interessant ist hier wieder das Methan. Methan ist sehr leicht flüchtig. Im Laufe der Zeit sollte Eris sein Methan eigentlich verloren haben. Dass es heute immer noch da ist, muss entweder daran liegen, dass Eris IMMER ausreichend kalt war so dass nie genug davon gasförmig wurde. Das aber ist ein wenig seltsam, denn so weit entfernt von der Sonne würde man die Entstehung eines so großen Himmelskörpers eigentlich nicht erwarten. Eigentlich sollte Eris ein wenig näher an der Sonne entstanden sein und erst durch die chaotischen Prozesse im frühen Sonnensystem seine ferne Umlaufbahn erreicht haben. Es könnte aber auch sein, dass Eris interne Methanquellen hat, aus denen immer wieder neues Methan in die Atmosphäre kommt. So etwas hat man bei vergleichbaren Himmelskörpern aber noch nicht beobachtet.
Was auf Eris also genau passiert, wissen wir nicht. Noch weniger wissen wir über Eris’ Mond Dysnomia. Das Ding ist da, braucht 15 Tage und 18 Stunden für eine Runde um Eris, ist 37.430 Kilometer von Eris entfernt und 100 bis 250 Kilometer groß. Aber das war es auch schon wieder… Es scheint wahrscheinlich, dass Eris – so wie die junge Erde – mit einem größeren Objekt kollidiert ist und dabei ist Dysnomia entstanden so wie damals unser eigener Mond. Aber ob das wirklich so war können wir erst herasusfinden, wenn wir Eris und Dysnomia genauer untersuchen.
Das wird allerdings noch ein wenig dauern. Aus der Ferne können wir selbst mit den besten Teleskopen keine Details von Eris und Dysnomia sehen. Und ein Besuch mit einer Raumsonde würde dauern… Eris ist momentan in dem Bereich seiner 556 Jahre dauernden Umlaufbahn, die der Sonne am fernsten ist. Erst in den 2030er Jahren würde sich eine halbwegs passende Gelegenheit für den Start einer Raumsonde ergeben und die würde mit aktueller Technik fast 25 Jahre lang unterwegs sein. Wenn wir Eris im Detail sehen wollen, müssen wir also entweder irgendeinen technologischen Durchbruch bei der Beobachtungstechnik oder der Raumfahrt schaffen. Oder wir müssen – mindestens – noch bis in die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts warten.
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