Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 324: David und Johann Fabricius
In die Ortschaft Resterhafe in Ostfriesland fährt man, wenn man seine Ruhe haben will. Dort in Norddeutschland, an der Küste der Nordsee wohnen kaum ein paar hundert Menschen. Und am 8. Januar 1587 war dort vermutlich noch viel weniger los als heute. An diesem Tag wurde dort Johann Fabricius geboren und er hat dafür gesorgt, dass der kleine Ort weit über seine Grenzen hinaus bekannt geworden ist.
Johann Fabricius war das älteste von acht Kindern und sein Vater David Fabricius war der evangelische Pastor von Resterhafe. Ein Pastor allerdings, der nicht nur die Bibel las, sondern auch großes Interesse an der echten Welt hatte. David Fabricius selbst wurde ein wenig weiter westlich geboren, am 9. März 1564 in Esens, das aber immer noch in Ostfriesland liegt. Sein Vater war Schmied, David aber studierte an der Universität Helmstedt in Niedersachsen Theologie, bevor er sein Amt in Resterhafe antrat. Schon während seiner Schulzeit zeigte er aber auch Interesse an Mathematik und Astronomie. Und dieses Interesse lebte er auch während seiner Arbeit als Pastor aus.
Es war eine spannende Zeit um sich mit Astronomie zu beschäftigen. Es war die Zeit von Tycho Brahe, Nikolaus Kopernikus, Johannes Kepler und Galileo Galilei. Es war eine Zeit des Umbruchs und in der Weltbilder gestürzt wurden. Die Arbeit von Kopernikus, Kepler und Galilei zeigte immer deutlicher, dass sich die Erde um die Sonne bewegt und nicht umgekehrt, wie man bis dahin dachte. Und David Fabricius war mitten drin in dieser Debatte. Er tauschte regelmäßig Briefe mit all diesen Forschern aus; besuchte Tycho Brahe (über dessen Leben ich in Folge 167 der Sternengeschichten mehr erzählt habe) und allein an Kepler schrieb er vierzig Briefe; genau zu der Zeit, als dieser sein monumentales Werk “Astronomia Nova” veröffentlichte und erklärte, wie sich die Planeten wirklich um die Sonne bewegten.
Solche fundamentalen Entdeckungen machte David Fabricius bei seinen Beobachtungen allerdings nicht. Er war allerdings der erste, der einen seltsamen Stern im Sternbild Walfisch erforschte. Im Jahr 1596 bemerkte Fabricius, dass dieser spezielle Stern seine Helligkeit veränderte und zwar nicht irgendwie, sondern mit einer Periode von 331 Tagen. Mal leuchtet er so schwach, das er mit freiem Auge gar nicht sichtbar ist – wenn er das Maximum der Helligkeit erreicht, kann man ihn dagegen auch ohne Teleskop deutlich sehen. Die Entdeckung war eher zufällig. Fabricius wollte eigentlich die Position des Merkur beobachten und vermessen. Dazu brauchte er einen Stern, dessen Position er als Referenz benutzen konnte. Dieser Stern, der anfangs nicht sehr auffällig erschien, begann aber immer schwächer zu leuchten, bis er ganz verschwand nur um dann wieder aufzutauchen und heller zu werden.
Heute wissen wir, dass dieser Stern ein roter Riesenstern ist, also ein Stern der schon am Ende seines Lebens angelangt ist und der deswegen auch nicht mehr stabil leuchtet. Er pulsiert, wird heller und dunkler und ändert auch seine Größe. Fabricius und seine Kollegen konnten sich das Verhalten aber damals nicht erklärten und der Stern bekam darum später den Namen “Mira”, die “Wundersame” – und ist heute Namensgeber für eine ganze Klasse von Sternen mit veränderlicher Helligkeit – die “Mira-Sterne”.
Neben der Astronomie interessierte sich David Fabricius aber auch sehr für die Meteorologie. Er sammelte Wetterbeobachtungen aus dem ganzen Land, veröffentlichte sie und versuchte auch Vorhersagen des Wetters zu machen. Er war damals der Meinung, die Sterne könnten einen Einfluss auf die Bewegung der Luft in der Atmosphäre haben – etwas, von dem wir heute wissen, das es nicht stimmt. Nur ein Stern beeinflusst das Wetter auf der Erde und das ist die Sonne.
Die Sonne war auch der Himmelskörper, dem sich sein Sohn Johann Fabricius ausführlich gewidmet hat. Johann hatte Glück, nicht an der großen Pest-Epidemie in Norddeutschland des Jahres 1598 zu sterben. Aber er überlebte den schwarzen Tod und begann seine Ausbildung an der Lateinschule in Braunschweig. Im Jahr 1605 begann er – so wie sein Vater – ein Studium an der Universität Helmstedt, wo er Medizin studierte. Kurz danach wechselte er nach Wittenberg, wo er unter anderem auch Mathematik und Astronomie studierte. Im Jahr 1609 schließlich ging er, zur Vertiefung seines Medizinstudiums nach Leiden in den Niederlanden.
Dort in Leiden kam er auch in Kontakt mit einem Gerät, dass die Wissenschaft in den nächsten Jahren und Jahrhunderten revolutionieren sollte: Dem Teleskop. Während Galileo Galilei 1609 in Pisa seine ersten und berühmten Himmelsbeobachtungen mit dem Teleskop durchführte, nahm Johann Fabricius ein Fernrohr mit nach Hause zu seinem Vater nach Ostfriesland. Dort beobachtete er die Sonne und zwar auf eine Art und Weise, wie es eigentlich kein Astronom machen sollte. Es ist schon gefährlich genug, die Sonne ohne Schutz mit freiem Auge anzusehen; noch viel gefährlicher ist es, sie durch ein ungeschütztes optisches Instrument zu beobachten. Ein Teleskop kann das Sonnenlicht so stark bündeln, dass man damit Feuer anzünden kann – sein Auge genau dort zu positionieren ist keine gute Idee.
Fabricius aber hatte keine Filter sondern führte seine Beobachtungen nur in der Morgen- und Abenddämmerung durch, wenn die Sonne tief am Horizont stand und noch nicht so stark leuchtete. Außerdem hat ihm vielleicht auch eine Besonderheit des damaligen Klimas geholfen, sein Augenlicht zu behalten. Damals herrschte in Nordeuropa die sogenannte “kleine Eiszeit” von der ich schon in Folge 108 der Sternengeschichten erzählt habe. Die Kälte, das schlechte Wetter und die dadurch verursachte diesige und nebelige Luft an der Nordseeküste hat das Licht der Sonne ebenfalls abgeschwächt, so dass man sie oft auch ohne Schutz beobachten konnte. Ganz geheuer durfte Fabricius die Sache aber doch nicht gewesen sein, denn später ging er dazu über, das Bild der Sonne über das Teleskop auf ein Blatt Papier zu projizieren, wo es ohne Gefahr zu beobachten war.
Jedenfalls sah Johann Fabricius bei seinen Sonnenbeobachtungen etwas Unerwartetes: Flecken! Das erste Mal sah er sie im Februar 1611. Am Rand der Sonne waren “Unebenheiten und Ungleichmäßigkeiten” zu sehen und dunkle Flecken. Zuerst war sich Johann nicht sicher, ob es nicht vielleicht einfach nur Wolken waren, die den Blick auf die Sonne störten oder andere Unregelmäßigkeiten in der Atmosphäre der Erde. Er tauschte die Teleskope aus, beobachtete die Sonne mehrmals zu unterschiedlichen Zeiten und rief auch seinen Vater zu Hilfe um eine zweite Meinung zu erhalten. Am Ende aber blieben die Flecken da wo sie waren und Vater und Sohn waren sich sicher: Es waren tatsächlich Flecken AUF der Sonne.
Das war eine Entdeckung, die dem bestehenden Wissen widersprach. Die Sonne war ein perfekter Himmelskörper, quasi eine Repräsentation des unbefleckten, reinen göttlichen Wesens. Schon der große Aristoteles hatte erklärt, dass die Sonne perfekt ist und die wissenschaftlichen und religiösen Autoritäten der folgenden Jahrhunderten schlossen sich seiner Meinung an.
Johann Fabricius aber konnte die Flecken deutlich im Teleskop sehen. Mehr noch: Er sah wie sich die Flecken über die Oberfläche der Sonne bewegten. Immer von Osten nach Westen und es sah so aus, als würden sie sich um das Zentrum der Sonne herum bewegen. Nach einem genauen Studium verschiedener Flecken kam Johann Fabricius zu dem Schluss, dass die Flecken tatsächlich Teil der Sonne waren und sich mit der Sonne selbst bewegten bzw. sah die Bewegung der Flecken überhaupt erst als Beleg dafür an, dass die Sonne sich um ihre Achse drehte.
Seine Beobachtungen schrieb er in einer Arbeit auf, die später im Jahr 1611 an der Universität Wittenberg veröffentlicht worden ist. Leider haben es nicht viele seiner Zeitgenossen gelesen und deswegen spielte Fabricius im Streit um die Entdeckung der Sonnenflecken lange Zeit keine große Rolle. Denn er war nicht der erste, der die dunklen Flecken auf unserem Stern gesehen hatte. Die Sonne war natürlich einer der ersten Himmelskörper, auf den die Forscher der damaligen Zeit die ersten Fernrohre richteten. Galileo Galilei in Pisa, Thomas Harriot in England und Christoph Scheiner in Süddeutschland sahen damals alle ebenfalls Flecken auf der Sonne. Es lässt sich nicht ganz exakt sagen, wer der erste war, der sie gesehen hat. Im Dezember 1610 hat Thomas Harriot in seinen privaten Aufzeichnungen davon geschrieben; Galilei hat vermutlich ebenfalls Ende 1610 die Sonnenflecken gesehen. Scheiner behauptete, sie schon im November 1610 gesehen zu haben und alle stritten sich, wer der erste gewesen war. Eines hatten aber alle drei nicht getan: Ihre Beobachtungen unmittelbar danach veröffentlicht. Was das anging war Johann Fabricius tatsächlich der erste und es ist schade, das die anderen großen Astronomen der damaligen Zeit davon nichts mitbekommen hatten.
Aber immerhin: Der große Johannes Kepler, mit dem Johanns Vater so viele Briefe schrieb, wusste den Beitrag von Johann Fabricius zu würdigen. Als Johann nämlich 1617 unerwartet auf einer Reise starb, schrieb er von einem „begabten und eifrigen jungen Mannes, der durch seine Schrift über die Sonnenflecken weiterlebt“ und nennt ihn 1618 in einer seiner Schriften sogar als den Entdecker der Sonnenflecken.
Nach heutigen Maßstäben wäre das sogar korrekt: Bei der Priorität einer Entdeckung kommt es darauf an, wer zuerst publiziert und hier war Johann Fabricius der erste. Viel wichtiger als die reine Entdeckung ist aber das Verständnis. Und da konnte keiner der damaligen Astronomen weiterhelfen. Was die Sonnenflecken tatsächlich darstellen, wissen wir erst seit dem 20. Jahrhundert. Nämlich kühlere Regionen der Sonnenoberfläche, verursacht durch Unregelmäßigkeiten in ihrem Magnetfeld.
Abgesehen von seiner Beobachtung der Sonne ist wenig über Johann Fabricius wissenschaftliche Arbeit bekannt. Auch in der Öffentlichkeit wird der Astronom aus Ostfriesland kaum gewürdigt. Auf dem Friedhof von Osteel, wohin sein Vater später versetzt wurde, findet man ein Denkmal für Vater und Sohn. Nach dem Vater hat man zusätzlich noch einen Krater auf dem Mond benannt, der Sohn ging hier leider leer aus…
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