Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 328: Lichtermüdung
Wenn man in der Nacht lange genug zum Himmel blickt um die Sterne zu beobachten, dann kann man schon mal müde werden. Aber gilt das auch für das Licht der Sterne selbst? Natürlich nicht, zumindest dann nicht, wenn man das Wort “müde” wörtlich nimmt. Aber es gab eine wissenschaftliche Hypothese, die sich tatsächlich mit einem Phänomen beschäftigt, das sich “Lichtermüdung” nennt.
Ausgangspunkt dieser Geschichte ist die fundamentale Entdeckung die Edwin Hubble und seine Kollegen in den 1920er Jahren gemacht haben. Davon habe ich ja schon in einigen früheren Folgen ausführlich gesprochen. Die Astronomen beobachteten damals ferne Galaxien. Zumindest wissen wir heute, dass es ferne Galaxien sind; damals war das noch nicht klar und das war die erste große Entdeckung von Hubble und seinen Kollegen. Die kosmischen “Nebel” die man überall am Himmel sehen konnten waren sehr oft alles andere als Wolken, sondern riesige, unvorstellbar weit entfernte Ansammlungen von Sternen. Den Astronomen gelang es bei ihren Beobachtungen nicht nur die Entfernung dieser Galaxien zu bestimmen, sie konnten auch die Geschwindigkeit bestimmen, mit der sie sich bewegten. Und stellten dabei fest: Alle Galaxien entfernen sich voneinander und zwar um so schneller, je weiter sie voneinander entfernt sind.
Die Entdeckung dieser kosmischen Expansion war ein revolutionärer Moment in der Geschichte der Naturwissenschaft. Bis dahin ging man davon aus, dass das Universum im Wesentlichen statisch ist. Es hatte keinen Anfang, es hatte kein Ende, es war immer schon da und würde immer da sein und sich während seiner unendlich lange dauernden Existenz auch nicht sonderlich verändern. Hubbles Erkenntnisse zeigten genau das Gegenteil. Wenn sich alle Galaxien immer weiter voneinander entfernen, dann müssen sie früher näher beieinander gewesen sein. Und noch früher noch näher. Wenn man weit genug zurück blickt, dann muss es einen Punkt gegeben haben, an dem sich alle Materie im Universum am gleichen Ort befunden hat. Das war der “Anfang” des Universums; der Moment, den wir heute “Urknall” nennen.
Die Beobachtungsdaten von Edwin Hubble und seinen Kollegen wurden durch theoretische Überlegungen gestützt. Denn auch die 1915 veröffentliche allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein sagte die Existenz eines Universums vorher, das sich verändert. Der ewig unveränderliche Kosmos, den Einstein selbst lange Zeit für selbstverständlich hielt, widersprach der Relativitätstheorie. Seine eigenen Gleichungen zeigten das, was Einstein eigentlich ablehnte: Das Universum muss sich ausdehnen; und es muss einen Anfang gehabt haben.
Aber eine Beobachtung ist immer nur so gut wie die Methode mit der sie gemacht wird. Wie also haben Edwin Hubble und seine Kollegen gemessen, dass sich alle Galaxien voneinander entfernen? Dazu haben sie die sogenannte “Rotverschiebung” benutzt. Die Methode geht auf die Arbeit des österreichischen Physikers Christian Doppler und dem nach ihm benannten “Dopplereffekt” zurück. Im Alltag haben wir das alle schon beobachtet: Wenn ein Einsatzfahrzeug mit eingeschalteter Sirene an uns vorbei fährt, dann ändert sich die Höhe des Tons, je nachdem ob das Auto auf uns zu kommt oder sich von uns entfernt. Wir haben es hier mit einer Schallquelle zu tun, die sie sich in Bezug auf uns bewegt. Dadurch werden auch die von dieser sich bewegenden Schallquelle ausgesandten Schallwellen gestaucht, wenn sie auf uns zu kommt und gestreckt, wenn sie sich wieder entfernt.
Was mit Schallwellen funktioniert, funktioniert mit Lichtwellen genau so. Nur ist es hier nicht die Tonhöhe die sich verändert, sondern die Frequenz. Die Geschwindigkeit des Lichts bleibt dabei natürlich immer gleich. Die ändert sich nicht sondern beträgt – im Vakuum – immer exakt 299.792,458 Kilometer pro Sekunde. Die absolute Konstanz der Lichtgeschwindigkeit war ja eine weitere Folgerung aus Einsteins Relativitätstheorie. Egal wie schnell sich eine Lichtquelle in Bezug auf uns bewegt: Das Licht verlässt sie immer mit der exakt gleichen Geschwindigkeit. Was sich dagegen ändert ist der zeitliche Abstand, mit dem die Wellenberge und Wellentäler bei uns eintreffen. Eine Lichtwelle, die von einer Quelle ausgesandt wird, die sich von uns entfernt, wird ein wenig gestreckt; die Wellenfrequenz wird kleiner und ihre Farbe verschiebt sich in Richtung rot. Nähert sich dagegen die Lichtquelle, werden die Wellenberge und -täler zusammengestaucht, die Frequenz erhöht sich und die Farbe verschiebt sich in Richtung des blauen Bereichs. Diesen Effekt kann man messen und daraus dann sehr gut berechnen, wie schnell sich eine Lichtquelle in Bezug auf uns bewegt.
Kurzer Einschub: Man sollte nicht vergessen, dass es hier nicht die Galaxien sind, die sich DURCH den Raum bewegen und so die Rotverschiebung des Lichts verusachen. Der Raum selbst dehnt sich aus und zieht die Galaxien quasi mit. Im Endeffekt kommt es aber auf das gleiche hinaus: Alle Galaxien entfernen sich voneinander, weil das Universum beständig expandiert.
Heute haben wir eine überwältigende Anzahl an experimentellen Belegen und Beobachtungsdaten die uns zeigen, dass Einsteins Theorie und Hubbles Beobachtung korrekt sind. Das Universum expandiert tatsächlich und diese Expansion hat vor 13,8 Milliarden Jahren begonnen, als das gesamte Universum aus einem unvorstellbar dichten Punkt aus Materie entstand. Damals war die Idee eines expandierenden Universums mit einem Anfang in der Vergangenheit für viele Wissenschaftler aber nicht nur neu, sondern auch schockierend. Sie wollten sich nicht mit dem Befund abfinden, sondern überlegten, ob man die Sache nicht vielleicht auch anders sehen kann. Und genau hier betritt nun das “müde Licht” die Bühne.
Der immer streitlustige Astronom Fritz Zwicky hatte 1929 eine Idee, wie man die Beobachtung von Hubble und seinen Kollegen anders interpretieren könnte: Was, wenn das Licht einfach an Energie verliert, während es sich durch das All bewegt? Zum Beispiel durch eine Wechselwirkung mit der Materie, an der es unterwegs vorbei fliegt? Je weniger Energie es hätte, desto röter würde es erscheinen und es wäre umso mehr rotverschoben, von je weiter weg es kommt. Viele Kollegen, wie zum Beispiel der Physik-Nobelpreisträger Robert Andrews Millikan hielten das für eine sehr elegante Idee. Vor allem war es eine Idee mit der man das statistische Universum nicht aufgeben musste.
Zwicky warf seine Hypothese nicht einfach so in den Raum; er war kein Spinner sondern ein seriöser Wissenschaftler (der unter anderem die Existenz der dunklen Materie entdeckte) und er gab einige Kriterien an mit denen seine Hypothese überprüft werden kann. Wenn Licht um so stärker von anderer Materie beeinflusst wird, je länger es unterwegs ist, dann müssten die Bilder die wir von fernen Galaxien sehen, immer unschärfer werden. Genau so, wie ein Bild ja auch um so unschärfer wird, je weiter man durch die Atmosphäre der Erde blickt. Das Licht wird durch die Unregelmäßigkeiten in der Luft beeinflusst und je mehr Luft es durchqueren muss, desto unschärfer wird alles, bis man irgendwann gar nichts mehr sieht.
Auch die sogenannte Flächenhelligkeit der Galaxien dürfte sich nicht ändern. Die Helligkeit einer Galaxie fällt mit dem Quadrat der Entfernung ab: Je weiter weg sie ist, desto weniger von dem Licht das sie aussendet kommt bei uns an (der Rest fliegt ungesehen von uns in irgendwelche anderen Richtungen davon). Das gilt aber auch für die scheinbare Größe der Galaxie: Je weiter sie weg ist, desto kleiner erscheint sie uns und auch hier sinkt die Größe mit dem Quadrat der Entfernung. Insgesamt sollte die Menge an Licht pro Oberfläche also konstant bleiben. In einem expandierenden Universum dagegen würde sich nicht nur die Menge an Lichtteilchen die uns von einer Galaxien erreichen im Laufe der Zeit ändern da jedes Photon ein kleines bisschen weiter reisen muss; sie wären auch immer stärker rotverschoben. Die Galaxien würden uns auch größer erscheinen als sie eigentlich sind, da sich das Universum in der Zeit in der das Licht bis zu uns unterwegs war, ja weiter ausgedehnt hat. Das alles zusammen sollte dazu führen, dass die Helligkeit von Galaxien sehr stark mit ihrer Entfernung sinkt.
Im Laufe der Zeit wurden die Teleskope immer besser und man konnte immer mehr und immer weiter entfernte Galaxien beobachten. Die Bilder wurden allerdings nie unscharf, so wie Zwicky das behauptet hatte. Und auch die Helligkeit fiel in dem Maße ab, wie es in einem expandierenden Universum der Fall war. Auch weitere Beobachtungsdaten widersprachen der Hypothese der Lichtermüdung. Die Beobachtung von Supernovaexplosionen zum Beispiel. Es gibt bestimmte Arten von explodierenden Sternen, bei denen wir wissen, dass die Explosionen auf die immer gleiche Art und Weise ablaufen und die Helligkeit dieser Explosionen immer auf die gleiche Art und Weise sinkt. Zumindest wäre das so, wenn wir die Sache direkt vor Ort beobachten könnten. Wir wissen zum Beispiel, dass die Helligkeit so einer Supernova während 14 Tagen um einen ganz bestimmten Wert sinkt. Die Supernova-Explosionen finden aber in weit entfernten Galaxien statt, die sich von uns entfernen. Das heißt, auch das Licht der Explosion ist einer Rotverschiebung unterworfen und wird gestreckt. Die Expansion des Alls dehnt quasi den 14 Tage langen Lichtstrahl auf zum Beispiel drei Wochen. Würde sich das All nicht ausdehnen und einfach nur das Licht müde werden, dann würde wir Supernova-Ausbrüche beobachten, die immer alle gleich lang dauern – aber je weiter weg sie stattfinden, desto röter würde uns ihr Licht erscheinen. Wir messen aber etwas ganz anderes: je weiter weg sie stattfinden, desto länger scheinen sie zu dauern. Das ist eine direkte Widerlegung der Lichtermüdung und eine direkte Bestätigung der Expansion des Weltalls!
Auch die Beobachtung der kosmischen Hintergrundstrahlung und jede Menge andere Daten zeigen heute einwandfrei, dass das Licht nicht „müde“ wird sondern sich das Universum tatsächlich ausdehnt. Die Hypothese der Lichtermüdung war damals eine wissenschaftliche seriöse und originelle Hypothese, um Beobachtungdaten zu erklären. Sie hat sich aber eben nicht bestätigt. Sie ist mehr als deutlich widerlegt und taucht heute nur noch vereinzelt in den Pamphleten diverser Pseudowissenschaftler auf, die den Fortschritt der Astronomie schlicht und einfach ignorieren.
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