Vor zwei Tagen waren die Science Busters nicht in Wildon und wir haben dort auch nicht unsere aktuelle Show “Global Warming Party” aufgeführt. Was eigentlich der Plan gewesen wäre, wenn der Ausbruch der COVID-19-Pandemie das öffentliche Leben nicht so massiv ausgebremst hätte. Und auch noch in Zukunft weiter ausbremsen wird. Weswegen wir heute auch nicht die große Wien-Premiere unserer Show spielen werden. Was sehr schade ist, weil der Wiener Stadtsaal zwei Tage hintereinander ausverkauft gewesen wäre. Aber es hilft ja nichts und über Wissenschaft kann man trotzdem noch reden. Vorgestern habe ich erzählt, was für Wissenschaft man an unserem Nicht-Auftrittsort Wildon in der Steiermark finden kann. Und heute geht es um Wien.

Allerdings nicht geografisch. Wien ist eine alte Stadt, eine große Stadt und eine Stadt mit einer der ältesten Universitäten der Welt. Entsprechend viel Forschung hat dort stattgefunden und entsprechend schwer ist es, eine einzelne Geschichte auszusuchen. Weswegen ich es gar nicht erst probiert habe sondern mich auf Wilhelm Wien konzentriert habe. Der wurde 1864 in Ostpreußen geboren, studierte Physik in Göttingen und Berlin und arbeitet an den Universiten von Aachen, Gießen, Würzburg und München. Vielleicht war er auch irgendwann mal in der Stadt die seinen Namen trägt und der ich heute und morgen nicht auftrete. Was aber für die Geschichte keine Rolle spielt; die Forschung von Herrn Wien aber durchaus.

In unserer aktuellen Show erzählen wir ja vom Klimawandel; wir machen Experimente mit leicht entzündlichen Astronomen, kosmischen Alkohol, atmosphärischen Fäßern und anderen Requisiten. Und in einem der vielen Experimente demonstriere ich wie Treibhausgase die Erde erwärmen können. Will man verstehen warum das passiert und wie so ein bisschen CO2 oder Methan die Erde aufheizen können, dann kommt man an der Forschung von Wien nicht vorbei. Insbesondere an dem physikalischen Zusammenhang der seinen Namen trägt und “Wiensches Verschiebungsgesetz” heißt.

Das was sich verschiebt sind Wellenlängen und zwar die eines schwarzen Körpers. Klingt kryptisch und hat definitiv nichts mit schwarzen Löcher zu tun. Sondern mit einer etwas eigenwilligen Namensgebung in der Physik: Mit “schwarzer Körper” ist ein idealisiertes Objekt gemeint dass, vereinfacht gesagt, keinerlei elektromagnetische Strahlung reflektiert und bei dem die Strahlung die es selbst aussendet nur von der Temperatur abhängt (aber nicht zB von der Form oder dem Material aus dem es besteht). In der Realität gibt es so einen schwarzen Körper nicht, aber viele Prozesse kann man damit näherungsweise recht gut beschreiben. Sterne zum Beispiel lassen sich recht gut als schwarze Körper modellieren. Und mit dem Wienschen Verschiebungsgesetz kann man viel über sie rausfinden.

Der schwarze Körper hat die Physik lange Zeit vor große Rätsel gestellt. Es ging vor allem um die Frage, wie man die Verteilung der Strahlungsintensität korrekt beschreiben kann. Wenn ein schwarzer Körper eine bestimmte Temperatur hat: Wie viel Energie gibt er dann bei unterschiedlichen Wellenlängen ab? Alle physikalischen Versuche das zu beschreiben lieferten absurde Ergebnisse (zum Beispiel dass der schwarze Körper bei bestimmten Wellenlängen unendlich viel Energie abgeben müsse). Lösen konnte die Frage erst der deutsche Physiker Max Planck im Jahr 1900 und die Lösung war die Geburtsstunde der Quantenmechanik, was aber wieder eine ganz andere Geschichte ist. Ein paar Jahre zuvor aber entwickelte Wilhelm Wien das nach ihm benannte Verschiebungsgesetz. Es sagt einem zwar nicht die detailierte Verteilung der Energie über die einzelnen Wellenlänge. Aber man kann damit berechnen, bei welcher Wellenlänge die intensivste Strahlung abgegeben wird. Eine übliche Formulierung des Gesetzes sieht so aus:

Man muss nur die Temperatur T des Körpers in Kelvin in die Formel einsetzen und bekommt dann die Wellenlänge der intensivsten Strahlung in Mikrometern (μm) raus. Oder umgekehrt. Das kann man zum Beispiel mit der Sonne ausprobieren: Man schaut nach, bei welcher Wellenlänge von dort die intensivste Strahlung kommt was bei ungefähr 500 Nanometer (bzw 0,5 Mikrometern) der Fall ist, also im grünen Bereich des Lichts (dass die Sonne trotzdem nicht grün erscheint hab ich hier erklärt). Setzt man das in die Formel ein, kommt man auf eine Temperatur von 5796 Kelvin. So heiß ist die Oberfläche der Sonne, die ja das Licht aussendet.

Und auch für den Klimawandel ist das Wiensche Gesetz sehr relevant: Das Licht das uns von dort erreicht ist ja – wie gerade ausgerechnet – Licht dessen Wellenlänge vor allem im sichtbaren Bereich des Lichtspektrums liegt. Viel grünes Licht, ein bisschen weniger blaues und rotes und gelbes Licht. Und noch viel weniger für unsere Augen nicht sichtbares Infrarot- oder Ultraviolettlicht. Das Licht strahlt durch die Atmosphäre durch (nicht alles, ein Teil wird auch reflektiert oder absorbiert) und erwärmt die Erde. Die Oberflächentemperatur unseres Planeten ist nun – zum Glück für uns! – deutlich geringer als 5796 Kelvin. Die aufgewärmte Erde gibt aber natürlich auch Strahlung ab, sie tut das aber hauptsächlich bei anderen Wellenlängen, wie man wieder mit dem Wienschen Gesetz berechnen kann. Die Durchschnittstemperatur der Erde beträgt circa 14 Grad Celsius was 287 Kelvin entspricht und laut Wiens Gesetz strahlt die Erde damit am intensivsten bei Wellenlängen von etwa 10 Mikrometern. Was nicht mehr im für unsere Augen sichtbaren Bereich sondern bei infraroten Wellenlängen liegt.

Treibhaus. Gibts auch in Wien (Bild: gemeinfrei)

Genau hier setzt der Treibhauseffekt ein: Moleküle wie CO2 oder Methan haben kein Problem mit sichtbarem Licht das vergleichsweise kurze Wellenlängen hat. Das tangiert sie nicht; sehr wohl aber Licht mit längerer Wellenlänge wie das Infrarotelicht. Dieses Licht lassen die Treibhausgase nicht passieren, wie ich hier ausführlich erklärt habe. Das Sonnenlicht kann also zwar von außen hinein in die Atmosphäre, die Wärme die es auf der Erde verursacht kommt aber nicht mehr hinaus. Und weil wir immer mehr Treibhausgase in die Atmosphäre stecken, wird es auch immer wärmer.

Wilhelm Wien erhielt 1911 den Physik-Nobelpreis für seine Erforschung der Wärmestrahlung und starb 1928 in München ohne sich zu Lebzeiten Sorgen um die Klimakatastrophe machen zu müssen. Das bleibt uns überlassen. Und trotz aller berechtigter Sorge um die COVID-19-Pandemie sollten wir nicht vergessen, dass der Klimawandel auf uns wartet und nicht verschwunden sein wird, wenn wir die fiesen Coronaviren endlich in den Griff bekommen haben. Deswegen werden wir uns auch weiter mit dem Thema beschäftigen; auf jeden Fall nächste Woche wenn die Science Busters nicht in Passau auftreten werden!

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Die abgesagteste Tour des Wissenschaftskabaretts

Kommentare (4)

  1. #1 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    20. März 2020

    Zeit für einen Baustellenbesuch: Was macht die Hüfte?

  2. #2 Lercherl
    20. März 2020

    Mit “schwarzer Körper” ist ein idealisiertes Objekt gemeint dass [sic!], vereinfacht gesagt, keinerlei elektromagnetische Strahlung absorbiert 

    Sollte wohl “reflektiert” heißen – sonst wäre es ja ein weißer Körper.

  3. #3 Lercherl
    20. März 2020

    Und ein weitere Bezug zu Wien: in Wien waren Josef Stefan und Ludwig Boltzmann zu Hause, die eine weitere wichtige Eigenschaft der Schwarzkörperstrahlung entdeckten: die gesamte Strahlungsleistung ist der vierten Potenz der Temperatur proportional.

    Nicht in Wien zu Hause war James Jeans, dessen Strahlungsgesetz katastrophal falsch war, es sagte die im Artikel kurz angesprochene “Ultraviolett-Katastrophe” voraus, dass im Ultravioletten die Strahlungsleistung über alle Grenzen steigt.

  4. #4 jere
    20. März 2020

    wir machen Experimente mit leicht entzündlichen Astronomen

    Das klingt aber gar nicht gesund 😀