Dieser Artikel ist Teil einer Serie über naturwissenschaftliche Experimente. Entsprechende Artikel werden hier im Blog bis Ende Juli erscheinen. Alle Artikel der Serie könnt ihr hier finden.
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Im Jahr 1930 hat der Physiker Wolfgang Pauli die Existenz eines bis dahin unbekannten Elementarteilchens vorhergesagt: Das Neutrino. Er hatte gute Gründe das zu tun. Bei bestimmten nuklearen Reaktionen schien es so, als wäre die Energieerhaltung verletzt. Was eher ungut ist. Aber was, so Pauli, wenn da an diesen Reaktionen einfach noch ein weiteres Teilchen beteiligt ist das alle einfach übersehen haben? Wenn das ein Teilchen ist, dass sich enorm schwer nachweisen lässt, dann saust das einfach unbemerkt davon, nimmt ein bisschen Energie mit und es sieht so aus als wäre nach der Reaktion nicht genau so viel Energie vorhanden wie zuvor. Pauli war ein wenig unglücklich über seine Vorhersage, weil ihm so ein “Geisterteilchen” schwer bis unmöglich nachweisbar schien und eine Vorhersage die nicht überprüft werden kann ist eher unpraktisch in der Physik.

Aber wenn man etwas wirklich wissen will, dann findet man auch einen Weg es herauszukriegen. Und in den 1950er Jahren haben die beiden Physiker Clyde Cowan und Frederick Reines intensiv überlegt, wie man denn solche Neutrinos nachweisen kann. Wenn es sie wirklich gibt, dann treten sie so gut wie nie mit normaler Materie in Wechselwirkung. Sie sausen einfach durch alles durch nur ganz, ganz selten gibt es doch eine Reaktion die man vielleicht nachweisen kann. Dazu braucht man aber einen Prozesse, der jede Menge Neutrinos erzeugt, in unmittelbarer Nähe des Messinstruments. Und was nimmt man da in den 1950er Jahren? Klar: Atombomben!

Wenn eine Atombombe explodiert dann passiert ziemlich viel. Aber es werden unter anderem auch jede Menge Neutrinos freigesetzt (sofern sie denn existieren, was man damals ja noch nicht wusste). Nur ist es schwer ein Messgerät in unmittelbarer Nähe einer Atombombe aufzustellen. Beziehungsweise ist das natürlich nicht schwer. Problematisch ist es, wenn man etwas messen will was bei der Explosion stattfindet und das Messgerät nach der Explosion noch in einem Stück sein soll. Aber Cowan und Reines waren kreativ. Ihre Idee: Warum nicht einfach das Messgerät direkt unter die Bombe stellen? Oder genauer gesagt: Nicht unmittelbar direkt, sondern in einen Schacht der in den Boden unter der Bombe gegraben wird. Die Bombe explodiert und im gleichen Moment lässt man das Messgerät in den Schacht fallen. Im Schacht ist es von der Explosion abgeschirmt, aber das war noch nicht alles. Im Schacht sollte ein Vakuum herrschen und weil das Messgerät im freien Fall ist, wird es auch nicht von irgendwelchen Schockwellen gestört. Nach ein paar Sekunden ist der Fall vorbei, aber das würde reichen um die bei der Explosion frei werdenden Neutrinos zu messen. Das Messgerät landet auf einem Haufen aus weichem Zeug und wenn sich die ärgsten Folgen der Explosion verflüchtigt haben kann man schnell rein, das Gerät schnappen, wieder raus und die Daten auswerten.

Klingt nach nem irren Plan. Ist auch ein irrer Plan. Aber genau das war der Plan. Wenn ihr mir das nicht glaubt, könnt ihr euch das von Clyde Cowan selbst erzählen lassen, in diesem Video, das war zwar ein wenig alt und technisch ist. Aber immerhin ist Cowan ja auch schon 1974 gestorben und die Videos von damals sehen eben nicht so aus wie die von heute. Und ab Minute 37 könnt ihr euch die Geschichte mit der Atombombenmessung anhören:

Frederick Reines hat bis 1998 gelebt und 1995 noch den Nobelpreis für Physik erhalten. Denn ihr Nachweis des Neutrinos war erfolgreich! Nicht mit dem irren Experiment. Das wurde von den zuständigen Behörden zwar tatsächlich genehmigt. Aber man hat sich dann doch entschieden, eine etwas weniger dramatische Neutrinoquelle zu verwenden: Den Kernreaktor des Atomkraftwerks Savannah River. Da kommen zwar weniger Neutrinos raus als bei ner Atombombe. Aber dafür kann man auch wesentlich länger messen und nicht nur ein paar Sekunden lang. 1956 waren die Messungen erfolgreich und das Ergebnis eindeutig: Neutrinos existieren!

Im Inneren des Vakuumtanks von “Katrin” – einem Experiment das die Masse von Neutrinos bestimmen soll (Bild: KIT, Michael Zacher)

Heute nennt man das Experiment “Cowan-Reines-Neutrinoexperiment”. Damals lief es unter dem Namen “Projekt Poltergeist” (wegen der gespenstischen Teilchen). So oder so: Es war ein beeindruckendes Experiment! Und die Neutrinos sind auch heute noch gut für coole Experimente. Es würde mich sehr wundern, wenn es in den nächsten Jahren nicht noch ein paar nobelpreiswürdige Experimente zu Neutrinos geben würde…

Kommentare (9)

  1. #1 Dalvente
    Tölz
    7. Juli 2020

    Na ja – ob das jetzt so spannend war? Vergraben wir eine Leuchtstoffröhre und schaun ob sich die wurzeln nach dem Licht richten…. viel spannender – wie Katze vor Mauseloch.

  2. #2 Florian Freistetter
    7. Juli 2020

    @Dalvente: Ich finds schon spannend, ein neues Elementarteilchen zu entdecken. Aber natürlich kannst du das auch langweilig finden. Dann ist die Lektüre eines Blogs über Naturwissenschaft aber wohl eher nicht das richtige für dich (P.S. Es ist übrigens üblich sich für einen Kommentatorennamen zu entscheiden und nicht ständig zu wechseln).

  3. #3 Dampier
    7. Juli 2020

    Klingt nach nem irren Plan.

    Unglaublich. Da hatte ich noch nie von gehört. Hat mich mal so richtig zum Staunen gebracht. Danke dafür.

  4. #4 Captain E.
    8. Juli 2020

    @Dalvente:

    Na ja – ob das jetzt so spannend war? Vergraben wir eine Leuchtstoffröhre und schaun ob sich die wurzeln nach dem Licht richten…. viel spannender – wie Katze vor Mauseloch.

    Was soll das bringen? Wurzeln richten sich doch nach der Gravitation, nicht nach dem Licht.

  5. #5 Fluffy
    8. Juli 2020

    Das klingt interessant. Wo haben die Wurzeln ihren Gravitationssensor? Noch weiter gesponnen, könnte man fragen: Kann man das Prinzip, technisch verfeinert, als Gravitationswellendetektor nutzen?

  6. #6 Karl-Heinz
    8. Juli 2020

    @Fluffy

    Das klingt interessant. Wo haben die Wurzeln ihren Gravitationssensor? Noch weiter gesponnen, könnte man fragen: Kann man das Prinzip, technisch verfeinert, als Gravitationswellendetektor nutzen?

    Nein!
    Dafür sind die Pflanzen einfach zu langsam und zuwenig empfindlich.

  7. #7 Fluffy
    9. Juli 2020

    Karl-Heinz,
    Technik! Man muss das in moderne Technik transferieren! Quasi Cyberpflanze.
    Btw. Wie schnell schwingt denn so eine Graviwelle?

  8. #8 Karl-Heinz
    9. Juli 2020

    @Fluffy

    Ja genau Cyberpflanze. Habe es jetzt verstanden. 😉

    Gravitationswellen können zwischen 10E-18 und 10E04 Hertz liegen.

  9. #9 Mitleser
    DD
    5. August 2020

    In Pflanzen stellen Amyloplasten in Statocyten, die in der Wurzelhaube, bei Koleoptilen im Mesophyll und bei Sprossen in den Streckungszonen der wachsenden Internodien lokalisiert sind, Statolithen dar. Diese helfen der Pflanze bei der Wahrnehmung der Gravitation, um Wuchsrichtungen an die Schwerkraft anzupassen (Gravitropismus). Wurzeln wachsen dabei meist zum Erdmittelpunkt hin, Sprosse in die entgegengesetzte Richtung. (Wikipedia)