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Sternengeschichten Folge 486: Das Sternbild Schlange

Am Himmel gibt es erstaunlich viele Schlangen. Es gibt das Sternbild der Wasserschlange, das der kleinen Wasserschlange und eine simple Schlange gibt es auch noch. Vielleicht liegt das daran, dass man die Sterne am Himmel relativ einfach zu einer Schlange verbinden kann. Oder weil wir Menschen Schlangen immer schon gefährlich und faszinierend gefunden und sie deswegen auch mit unseren Mythen am Himmel verewigt haben. So oder so – heute geht es in den Sternengeschichten um das Sternbild Schlange.

Dass Sternbilder keinen wissenschaftlichen Wert haben, habe ich in den Sternengeschichten ja schon oft erklärt. Aber der Himmel ist ja nicht nur für die Wissenschaft da. Und deswegen haben wir Menschen immer schon unsere Mythen und Ängste, unsere Helden und Götter, unsere Wünsche und Hoffnungen an den Himmel projiziert und die leuchtenden Punkte dort zu Bildern angeordnet, die all unsere Geschichten erzählen. Jedes Volk hat im Laufe der Zeit seine eigenen Geschichten und Sternbilder erzählt; Anfang der 1920er Jahre hat die Internationale Astronomische Union aber 88 “offizielle” Sternbilder festgelegt und sich dabei im Wesentlichen am Himmel der griechisch-römischen Antike und den Ergänzungen der europäischen Entdecker der frühen Neuzeit orientiert. Der Himmel wurde also in 88 Bereiche unterteilt und jeder dieser Bereiche ist ein Sternbild. Bis auf die Schlange – sie ist das einzige Sternbild des Himmels, das aus zwei voneinander getrennten Bereichen besteht.

Aber fangen wir mal mit den Äußerlichkeiten an. Das Sternbild Schlange gehört zu den größeren des Himmels; nur 22 andere Sternbilder sind noch größer. Von Mitteleuropa aus kann man es am besten im Sommer beobachten, obwohl es dort eigentlich nicht viele helle Sterne gibt, die man beobachten könnte – aber dazu später mehr. Südlich der Schlange findet man die Sternbild Waage und Schütze, im Westen die Jungfrau und den Bärenhüter. Im Osten sind das Sternbild und der Adler. Aber ich habe vorhin erwähnt, dass die Schlange aus zwei getrennten Bereichen am Himmel besteht. Die heißen “Serpens Caput” und “Serpens Cauda”, also Kopf und Schwanz der Schlange, wobei sich der Kopf im Westen befindet und der Schwanz im Osten. Und was ist zwischen Kopf und Schwanz? Der Körper natürlich, der aber nicht zum Sternbild Schlange gehört sondern Teil des Sternbilds Ophiuchus ist, auf deutsch der “Schlangenträger”.

Äskulap (Bild: Marie-Lan Nguyen, gemeinfrei)

Das klingt ein wenig verwirrend, also schauen wir mal kurz auf die Mythologie die dem ganzen zugrunde liegt. Schlange und Schlangenträger stammen aus der antiken, griechisch-römischen Mythenwelt. Die Menschen damals haben sich dort also einen Mann vorgestellt, der eine große Schlange in Händen trägt. Für die Griechen war dieser Mann Asklepios (bei den Römern “Äskulap” genannt), der Gott der Heilkunst. Aber wozu braucht ein Arzt eine Schlange? Vermutlich um ihr das Gift zu entnehmen, das in geringer Dosierung auch als Heilmittel eingesetzt werden kann. Das zumindest wäre eine in der Realität verhaftete Erklärung, der eigentliche Mythos geht so: Asklepios war der Sohn des Gottes Apollo. Seine Mutter war eine Prinzessin oder Königin, da ist sich die Mythologie nicht ganz einig. Auf jeden Fall war Asklepios ein Halbgott und wurden vom Kentauren Chiron – eines dieser Wesen die halb Mensch und halb Pferd sind – in allen Dingen unterrichtet. Vor allem aber in der Heilkunst, die Asklepios so gut beherrschte, dass er sogar Tote zum Leben erwecken konnte. Das merkte er, als Hippolytos, der Sohn von König Theseus bei einem Unfall starb. Die Göttin Artemis, die ein bisschen auf Hippolytos stand, hat Asklepios gebeten, ihn wieder zum Leben zu erwecken, was der auch tat. Beziehungsweise nicht tat, weil er ja noch nicht wusste, wie das geht. Aber als er da so stand und auf den toten Hippolytos schaute, kam ne Schlange vorbei. Das nervte Asklepios offensichtlich und er erschlug sie mit seinem Stab. Woraufhin eine zweite Schlange angeschlängelt gekommen ist, mit einem komischen Zauberkraut im Maul mit dem sie die erste Schlange wieder zum Leben erweckt hat. “Schau an!”, dürfte sich Asklepios gedacht haben, und hat das Kraut fix selbst genutzt, um Hippolytos wiederzubeleben.

Das hat aber die anderen Götter geärgert, weil die Toten zum Leben erwecken war ihr Job, da durfte sich so ein Mensch nicht einfach einmischen, selbst wenn er ein Halbgott ist. Zeus wollte Asklepios also umbringen, Artemis und Apollo konnten ihn aber zumindest so weit beruhigen, dass er von seinen Mordplänen absah und Asklepios stattdessen nur an den Himmel versetzt hat, wo er ab jetzt als Sternbild unsterblich war, mitsamt der Schlange. Den Stab des Asklepios mit der Schlange die sich darum windet kann man übrigens heute immer noch überall sehen. Der sogenannte “Äskulapstab” ist zum Symbol der Heilkunst geworden das man heute überall in Apotheken und Krankenhäusern finden kann.

Aber wie gesagt: Das ist nur eine Geschichte, von vielen Geschichten die die Menschen sich ausgedacht haben. Die Babylonier haben in dieser Gegend des Himmels den Kriegsgott Zababa gesehen, ohne Schlange, aber dafür mit Pfeil und Bogen. Und gleich daneben hatten die Babylonier übrigens das Sternbild “Leichnam” platziert; wahrscheinlich ein Opfer des Kriegsgottes. Eigentlich passend, dass die Griechen dann noch nen Arzt dazu geschickt haben…

Wir lassen die Mythologie aber jetzt mal beiseite und schauen auf die Sterne, die sich in der Schlange befinden. Jede Menge natürlich, und viele davon kann man auch mit freiem Auge sehen. Dazu muss der Himmel aber richtig dunkel sein und selbst dann sind die Sterne der Schlange eher unscheinbar. Nur einer davon ist halbwegs hell und das ist Alpha Serpentis beziehungsweise “Unukalhai”. Das kommt aus dem arabischen und heißt so viel wie “Hals der Schlange”; der lateinische Name dieses Sterns ist “Cor Serpentis” und bedeutet “Herz der Schlange”. Aber egal ob Hals oder Herz – so wahnsinnig viel gibt es darüber nicht zu erzählen. Alpha Serpentis ist knapp 74 Lichtjahre von der Sonne entfernt und ein Riesenstern mit der 70fachen Leuchtkraft der Sonne. Er ist aber auch knapp Tausend Grad kühler und befindet sich schon am Ende seines Lebens.

Wesentlich spannender wird es, wenn wir ein wenig weiter hinaus schauen und auf die Objekte der Schlange, die keine Sterne sind. Da ist zum Beispiel “Hoags Objekt”. Entdeckt hat es der amerikanische Astronom Arthur Hoag im Jahr 1950. Es handelt sich um eine Galaxie die ungefähr 500 Millionen Lichtjahre weit entfernt ist. Weit entfernte Galaxien gibt es natürlich haufenweise im Universum. Aber ein Blick auf Hoags Objekt zeigt, dass es sich um etwas besonders handelt. Es ist eine sogenannte “Ringgalaxie”: Man sieht einen nahezu perfekten Ring aus hellen, blauen Sternen, der einen Durchmesser von etwa 100.000 Lichtjahren hat. Und im Zentrum dieses Rings ist ein kugelförmiger Kern mit einem Durchmesser von etwa 17.000 Lichtjahren der aus gelb leuchtenden Sternen besteht. Und dazwischen ist nichts. Zumindest nichts, das sich so einfach beobachten lässt aus der Entfernung; der eine oder andere Sternhaufen wird da schon noch sein.

Wie Hoags Objekt entstanden ist, wissen wir noch nicht. Normalerweise entstehen Ringgalaxien wenn eine kleine Galaxie mit einer größeren kollidiert. Wenn das auf die richtige Weise passiert, dann ist der Effekt ähnlich wie wenn man mit einer Pistole schießt. Die Details sind natürlich ein wenig komplizierter, aber durch die Wechselwirkung einer kleinen und dichten Galaxie und einer größeren, weniger dichten kann die Sternentstehung in einem ringförmigen Bereich um das Zentrum angeregt werden. Die jungen Sterne leuchten hell und blau, so wie bei Hoags Objekt. Nur dass da trotz intensiver Suche keine zweite Galaxie zu finden ist und keine Spuren irgendeiner Kollision. Tja. Irgendwann werden wir sicher noch rauskriegen, wie Hoags Objekt entstanden ist. Und bis dahin können wir die seltsame Galaxie anschauen und einfach nur schön finden.

Und wer an schöne Dinge im Weltraum denkt, sieht vor dem inneren Auge vermutlich ein Bild, das dem Adlernebel recht ähnlich sieht. Das Sternbild Adler grenzt zwar tatsächlich an die Schlange, der Adlernebel befindet sich aber trotzdem nicht dort. Sondern eben in der Schlange. Oder genauer gesagt: Ungefähr 7000 Lichtjahre weit weg und seinen Namen hat er, weil er einem Adler ähnlich sehen soll. Der Adlernebel ist ein sogenannter Emissionsnebel, eine große Wolke aus vor allem Wasserstoff in der Sterne entstehen. Diese jungen Sterne bringen mit ihrer heißen Strahlung das restliche Gas des Nebels in wunderbaren Farben zum Leuchten. Entdeckt hat den Adlernebel der Schweizer Astronom Jean-Philippe de Chéseaux im Jahr 1745. So richtig berühmt ist er – also der Nebel – aber 1995 geworden, als das Hubble-Weltraumteleskop die Region beobachtet hat. DIESE Bilder habt ihr vermutlich alle schon mal gesehen. Eines davon hat sogar einen eigenen Namen bekommen: “Die Säulen der Schöpfung”. Vor einem Hintergrund aus blau-grün leuchtendem Gas, das durchsetzt mit hellen rötlichen Sternen ist, ragen schwarz-bräunliche Wolken empor, die aussehen wie massive Säulen. Die “Säulen” sind vier Lichtjahre groß, dort entstehen neue Sterne die mit ihrer Strahlung die Säulenwolken langsam auflösen und so die komplexen und faszinierenden Strukturen geschaffen haben die man dort sehen kann.

Der Adlernebel und die Säulen der Schöpfung haben noch viel mehr zu bieten, aber das schauen wir uns in einer anderen Folge mal genauer an. Und sagen bis dahin der himmlischen Schlange auf Wiedersehen.