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Sternengeschichten Folge 495: Lebendige Planeten – Die Gaia-Hypothese

Gibt es lebendige Planeten? Bevor irgendwelche Missverständnisse aufkommen bin ich gleich mal der Spielverderber und sage: Nein. Wir wissen, dass Lebewesen sehr, sehr klein werden können. Wenn sie ganz winzig werden, dann verschwimmt aber die Grenze zwischen Leben und Nicht-Leben. Viren sind ein gutes Beispiel dafür. In gewisser Sicht sind diese Mikroorganismen lebendig; in anderer Hinsicht aber nicht. Die Biologie stimmt momentan noch überein, dass man Viren nicht mehr zum Leben zählt, ist sich aber auch nicht wirklich einig, wie man “Leben” überhaupt exakt definieren soll. Wir wollen aber heute ja eigentlich was über riesiges Leben wissen. Kann es ein Lebewesen geben, das so groß wie ein ganzer Planet ist? In der Science-Fiction gibt es so etwas immer wieder. Aber das ist eben Science Fiction. Was ist mit der Science? Keine Ahnung – wie gesagt, wir wissen nicht, wie wir “Leben” exakt definieren sollen. Aber vermutlich kann man ziemlich sicher davon ausgehen, dass es KEINE planetengroßen Lebewesen gibt.

Aber vielleicht kann es sich lohnen, einen Planeten in seiner Gesamtheit wie ein Lebewesen zu betrachten. Das jedenfalls hat sich der Chemiker, Mediziner und Physiker James Lovelock gedacht. 1965 war er gerade dabei für die NASA nach Methoden zu suchen, wie man Leben auf dem Mars nachweisen könnte. Die Grundidee war damals – wie heute – nach Auffälligkeiten in der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre zu suchen. Die damals schon vorhandenen Daten zeigten, dass die Atmosphäre des Mars in einem chemischen Gleichgewicht war. Das heißt, sehr vereinfacht gesagt, man schmeißt jede Menge Gase beziehungsweise chemische Stoffe in ein abgeschlossenes System und lässt sie miteinandern reagieren. Und dann passiert was oder nicht. Wenn nichts passiert, kann das daran liegen, dass halt nichts passiert, weil die Chemikalien nicht miteinander reagieren. Das ist es aber nicht, was hier gemeint ist. Sondern dass bestimmte Reaktionen ablaufen und gleichzeitig auch bestimmte Gegenreaktionen und zwar in beide Richtungen gleich schnell. Während eine chemische Reaktion einen bestimmten Stoff verbraucht wird er von einer anderen Reaktion im gleichen Maße produziert. Von außen betrachtet scheint sich nichts zu ändern; das System ist im Gleichgewicht – im Detail passiert aber jede Menge.

Algen spielen Thermostat (Bild: ESA)

Beim Mars sah das damals so aus; die Gase in seiner Atmosphäre waren in so einem Gleichgewicht. Auf der Erde aber nicht. Hier war Leben und dieses Leben hat in das chemische Gleichgewicht eingegriffen. Ausgehend von diesen Gedanken hat Lovelock in den 1970er Jahren, gemeinsam mit der Biologin Lynn Margulis, seine “Gaia-Hypothese” formuliert. Ursprünglich nannte er sie “Erd-Feedback-Hypothese” und vermutlich wäre es besser gewesen, er hätte diesen Namen behalten. Aber dazu später mehr. Kurz gesagt geht es bei der Gaia-Hypothese um folgendes: Schaut man sich die Erde an und betrachtet dabei nicht nur die ganze nicht-lebendige Materie aus der sie besteht sondern auch alles was lebendig ist, dann kann man sie als eine Art von “Superorganismus” interpretieren. Durch diverse Feedback-Mechanismus beeinflussen sich Lebewesen und ihre Umwelt so, dass die Bedingungen für das Leben optimal bleiben.

Mit einem Beispiel wird es vielleicht klarer: Seit das Leben auf der Erde vor mehr als 3 Milliarden Jahren entstanden ist, ist die Leuchtkraft der Sonne um circa 25 bis 30 Prozent gestiegen. Für einen Stern ist sowas normal, das liegt an den Kernfusionsvorgängen in seinem Inneren. Aber wenn die Sonne immer mehr Energie abstrahlt, dann müsste eigentlich auch die Erde immer wärmer werden. Ist sie aber nicht. Ok, die Temperaturen haben sich natürlich im Laufe der Zeit verändert; es gab Eiszeiten und es gab Phasen in der Vergangenheit wo es sehr viel wärmer war als heute. Aber prinzipiell ist die Temperatur innerhalb gewisser Grenzen konstant geblieben und nicht analog zur Leuchtkraft der Sonne angestiegen. Eine Möglichkeit das zu erklären ist die sogenannte “CLAW-Hypothese”. Die nichts mit dem englischen Wort für “Klaue” zu tun hat; das CLAW steht für die Namen der Leute die sie entwickelt haben: Robert Charlson, James Lovelock, Meinrat Andrae und Stephen Warren. Und funktionieren tut das ganze so: Algen im Meer produzieren unter anderem eine bestimmte Schwefelverbindung. Durch Bakterien und durch diverse chemische Prozesse im Meerwasser wird diese Verbindung verändert und ein Teil dampft langsam in die Atmosphäre ab. Dort sorgen diese Aerosole dafür, dass die Sonneneinstrahlung vermindert wird. Also: Mehr Sonnenenergie heißt mehr Algen heißt mehr Aerosole in der Atmosphäre wodurch die Sonneneinstrahlung sinkt, die Algen weniger werden, weniger Aerosole freigesetzt werden und die Sonneneinstrahlung wieder stärker wird. So hat man quasi einen Thermostaten, der die Temperatur der Erde regelt und er funktioniert nur, weil es Lebewesen – Algen und Bakterien – gibt. Das Leben sorgt also dafür, dass es weiterhin lebensfreundliche Bedingungen gibt und die Erde nicht zu heiß wird (ok, das, was wir Menschen gerade mit der Erde anstellen ist eine ganz andere Sache, aber auch dazu später mehr).

Und wenn das in diesem Bereich funktioniert, warum dann auch nicht anderswo. Zum Beispiel beim Salzgehalt der Ozeane. Auch der ist ist im wesentlichen konstant, bei etwas über 3 Prozent. Aber es werden ja eigentlich durch die Flüsse ständig Mineralien in die Meere gespült die den Salzgehalt erhöhen. Im Laufe der Jahrmillionen sollten unsere Meere eigentlich komplett versalzen und lebensfeindlich geworden sein. Sind sie aber nicht. Weil sich zum Beispiel seichte Lagunen bilden können, wo sich Meerwasser sammelt, verdunstet und Salzablagerungen zurück bleiben. Das entsalzene Wasser geht in die Atmosphäre und kommt als frischer Regen wieder zurück und ohne Salz ins Meer. Und wie entstehen Lagunen? Durch Riffe und die werden von diversen Lebewesen gebaut. Auch Algen können dafür sorgen, dass der Salzgehalt der Meere sinkt.

Beim Sauerstoff in der Atmosphäre ist es ähnlich. Das ist ein extrem reaktives Gas; immerhin können wir es verbrennen und sogar explodieren lassen. Sich selbst überlassen reagiert es sehr schnell mit allem – aber trotzdem ist der Sauerstoffgehalt der Erdatmosphäre vergleichsweise konstant – weil Lebewesen ständig neuen Sauerstoff produzieren. Auch bei der Menge an CO2 sorgt das Leben für eine Regulierung. Jede Menge Mikroorganismen haben Skelette aus Kalk, wozu sie Kohlenstoff benötigen, den sie sich u.a. aus den Meeren und der Atmosphäre holen. Und wenn sie dann sterben, lagert sich der Kohlenstoff in den Gesteinsschichten ein und kommt nicht mehr zurück in die Atmosphäre. Andere Organismen – Flechten zum Beispiel – sorgen dafür, dass Gestein verwittert und Kohlenstoff freisetzt. Sieht man wieder mal von uns Menschen ab, dann sorgt das Leben also auch hier für ein Gleichgewicht.

Die Erdgöttin hält sich raus (Bild: gemeinfrei)

Ist die Erde also wirklich ein sich selbst regulierender Superorganismus der dafür sorgt, dass es dem Leben gut geht? Na ja. So einfach ist die Sache leider nicht. Es gibt jede Menge Kritik an der Gaia-Hypothese. Zum Beispiel, dass sie ein zielgerichtetes Konzept der Evolution voraussetzt, dass es so nicht gibt. Evolution ist Zufall und sie richtet sich nicht daran aus, was für das große Ganze am besten ist. Sie funktioniert auf der Ebene individueller Gene; was für den Rest des Planeten gut ist oder nicht interessiert die Evolution nicht. Man kann auch darüber diskutieren, ob die Regulation wirklich so super funktioniert wie es scheint. Die Erde war früher ein paar mal komplett gefroren; wie ich in den Folgen über den “Schneeball Erde” ja schon erzählt habe. Und auch ansonsten passen nicht alle geologischen und paläontologischen Details so super.
Es hat Lovelock auch nicht geholfen, dass er seine Hypothese nach der griechischen Erdgöttin Gaia benannt hat; vor allem nicht in den doch eher esoterik-dominierten 1970er Jahren. Auch wenn er das überhaupt nicht beabsichtigt hatte, haben viele in der Wissenschaft das für eine Art von komischer Naturreligion gehalten und außerhalb der Wissenschaft haben entsprechende Leute dieses Missverständnis dankend aufgegriffen um tatsächlich irgendwelche esoterisch-religiösen Konzepte über “Mutter Erde” mit Lovelocks Wissenschaft zu belegen.

Mittlerweile gibt es sogar das Gegenstück der Gaia-Hypothese; nämlich die “Medea-Hypothese”, die der Paläontologe Peter Ward 2009 vorgestellt hat. Die besagt, dass Leben enorm schlecht für einen Planeten sein kann. Als zum Beispiel die ersten Mikroorganismen auf den Trick mit der Sauerstoffproduktion kamen, war das eine gewaltige Katastrophe. Eben weil Sauerstoff so ein reaktives Gas ist, war es für so gut wie alle Lebewesen extrem giftig. Zuvor waren sie wunderbar ohne Sauerstoff ausgekommen; jetzt war die Welt auf einmal voll mit Gift. Es gab das größte Massensterben der Geschichte und nur die paar, die mit Sauerstoff klar kommen konnten haben überlebt und deswegen leben wir halt jetzt in einer Sauerstoffatmosphäre. Es gibt ähnliche Ereignisse in der Erdgeschichte und man kann durchaus auch die menschlichen Aktivitäten die zur Klimakrise geführt haben in diese Reihe stellen.

Es ist unbestritten dass es auf der Erde Feedbackmechanismen gibt, wie zum Beispiel die CLAW-Hypothese. Aber daraus auf die Existenz eines “Superorganismus” zu schließen, der dafür sorgt, dass es dem Leben gut geht, ist ein wenig zuviel. Die Gaia-Hypothese wird weiterhin in der Biologie diskutiert; eben weil vieles daran interessant und relevant ist. Aber die Erde ist nur insofern ein lebendiger Planet als sie ein Planet ist, auf dem Leben existiert. Und wenn wir die ganzen Feedback-Mechanismen besser verstehen; wenn wir wissen, wie Leben mit seinem Planeten wechselwirkt, dann steigt auch unsere Chance, irgendwo im All eine “zweite Erde” identifizieren zu können.

Kommentare (10)

  1. #1 korke
    20. Mai 2022

    Du hast Glück, bzw. ich hab Glück, das trotz der Überschrift gelesen zu haben. Denn bei “Gaia” krieg ich direkt Esoterik-Ausschlag und Meidungstendenzen.

    Ich denke diese Hypothese kann in seiner Grundaussage leicht wiederlegt angesehen werden – das Beispiel mit dem Sauerstoff wäre mir dazu auch direkt als Erstes eingefallen.

    Es ist aber ein schönes Beispiel dafür, wie komplexe, nichtlineare Systeme funktionieren können: Da passiert bis zu einem Punkt X überhaupt nichts großes, weil Prozesse sich gegenseitig bedingen, dämpfen oder überlappen und dann passiert nur ein klitzekleines bisschen mehr *tada* hat man plötzlich völlig andere Effekte. Der Verweis auf den Mensch und die Treibhausgase liefert da tatsächlich genug Beispiele: Sei es das Schmelzen von Eisflächen, das Tauen von Permafrost oder das Zunehmen/ Verschwinden bestimmter Mikroorganismen im Meer.
    Hoffentlich bauen wir nicht so lange an diesem Chemielabor herum, bis dabei was rauskommt was für uns als Art direkt existenzbedrohend ist – im Gegensatz zu Cyanobakterien sind wir ja gewisser Vorhersagen fähig, der evolutionäre Selektionsprozess der vorauschauendes Handeln über die eigene Nasenspitze hinaus belohnt könnte sonst etwas zu spät für uns kommen und Ameisen mit einem IQ von 150 müssen in 100 Mio. Jahren übernehmen.

  2. #2 Joachim
    22. Mai 2022

    Zum Esoterik-Vorwurf an die Gaya Hypothese:
    Man muss kein zielgerichtetes Konzept der Evolution voraussetzen, um die Gaya-Hypothese zu verstehen. In den 1980’ern Jahren hat jemand einmal eine Menge elektronischer Bauteile, Lämpchen, Batterien, Wiederstande, Transistoren und kleinere IC’s (555?) in ein Glas geworfen. Je nachdem, wie man das Glas schüttelte, fingen die Lämpchen an zu blinken. Komplexe Systeme neigen zur „Selbstorganisation“. In komplexen Systemen gibt es feedback und damit unter berechenbaren Umständen „seltsame Attraktoren“.

    Für solche Systeme braucht es also nur Energie und „Entitäten“ mit physikalischen Eigenschaften und eine Verbindung wie etwa Rückkoppelung dazwischen.

    Ferner kann man Leben auch rekursiv verstehen. Algen und einige Symbiosen sind da Beispiele. Wälder und ihre Pilzgeflechte funktionieren so. Man könnte so einen Wald als ein Lebewesen betrachten.

    Menschen bilden Gemeinschaften, nutzen Ressourcen. Wenn Ressourcen wie bestimmte Chemikalien/Enzyme lebensnotwendig werden, sind sie dann nicht Teil dieses Lebens? Unabdingbar sind sie in jedem Fall. Das lässt sich sicher unterschiedlich werten. Doch im Endeffekt hängt Alles hängt mit Allem zusammen. Das ist wenigstens eine wichtige Aussage der Gaya-Hypothese.

  3. #3 Lercherl
    22. Mai 2022

    James Lovelock ist ein gutes Beispiel, wie man Leben definieren kann. Er ist 102 Jahre alt und geht jeden Tag am Strand spazieren.

  4. #4 seb
    23. Mai 2022

    Danke für den schönen, gut zu lesenden und absolut anti esoterischen Artikel.
    Und für die vielen weiteren, die mir Chaotisch-Guten Laien dein wundervolles Fach näher bringen.
    und ebenso Danke für die vielen Anti-Bullshit/Eso Artikel

    Danke und weiter so 🙂

  5. #5 seb
    23. Mai 2022

    der Typi da über mir hat diverse Rechtschreibfehler reingehauen -.-´´ so ein Vogel tssss…
    Selbst falls es ihm noch auffällt bleibt das ganze wohl dennoch stehen.
    Was für ein Narr

    🙂

  6. #6 Joachim
    23. Mai 2022

    @seb #5
    wenn du schon andere als Narren bezeichnest, dann kannst du das sicher objektiv begründen. Ich bitte höflichst darum. Ansonsten wäre es wirklich sinnvoll, bashing zu unterlassen. Das bringt niemanden weiter und ist keiner Diskussion förderlich.

  7. #7 Adam Gutwein
    23. Mai 2022

    Ein belebter Planet ist eigentlich immer ein Planet, der von den auf ihm lebenden Lebewesen zersört wird. Pflanzen und Mikroorganismen zersetzen das Gestein eines Planten, wie Schimmel einen Apfel “verfaulen” lässt. Das leben auf der Erde schützen zu wollen, ist daher das Gleiche, wie den Schimmel auf einem Apfel schützen und erhalten zu wollen. Irgendwann werden die Pflanzen, nicht die Tiere, eine kalte Erde total zerbröselt haben. Aus der Sicht des faulenden Apfels, der Erde, müssen die Pflanzen vielleicht bekämpft werden. Pflanzenfresser wären da doch eine gute Idee. Die Evolution schuf also die Pflanzenfresser. Aber wie überleben, wenn die Pflanzen alle beinahe weg sind. Da schuf die Evolution den Kannibalen, den Fleichfresser. Und fortan wurden auch Pflanzenfresser gefressen. Schade. Gerade hatte sich die Erde gefreut diese Pest von Pflanzen und Mikrorganismen loszuwerden. Jetzt juckts wieder überall. Da kam nochmal die Evolution zur Hilfe und schuf den ultimativen Pflazenfresser, ja Allesfresser, den Menschen. Der kann sich so schnell vermehren, dass er bald alles kahlgefressen, die Erde damit geheilt hat. Doch wieder ein Fehler im Programm. Das neue Lebewesen denkt und fühlt, hat sich auf perverse Weise in das verliebt was er eigentlich essen soll. Nun versucht der Mensch gleichzeitig zu zerstören und zu erhalten, in Abhängigkeit davon, was er gerade lieber mag. Heute die Schweine, morgen das Schweinfutter. Alles ist Denkbar. Auch dass der ultimative Allesfresser übermorgen sich selber frisst. Besser ein Kind zu essen, die Ona, als die unschuldige Miezekatze. Denn ein Mensch der denkt, ist zu allem fähig.

  8. #8 seb
    24. Mai 2022

    @Joachim
    Der Narr war ich selbst, ich dachte das wäre an dem Nutzernamen nachvollziehbar.
    Also hab ich mich nur selbst scherzhaft gebasht
    🙂
    Verzeih bitte falls das missverständlich war

  9. #9 Joachim
    24. Mai 2022

    @seb #8
    Nun, da muss ich mich wohl entschuldigen. Ich hatte das tatsächlich komplett missverstanden.

    Zum Thema: Mir scheint, ich habe eine etwas andere Meinung, als du. Klar ist, dass esoterisch-religiösen Konzepte wenig mit Wissenschaft zu tun haben, sieht man einmal von den Interessen der Anthropologen ab.

    Auf der anderen Seite haben Naturvölker da ein komplett anderes Verständnis der Welt. Aborigines etwa oder Indigene im Amazonas wehren sich gegen die Zerstörung ihrer Umwelt. Sie begründen das mit ihrer ganzheitlichen Sicht der Welt. Der letzte Kommentar bzw. die Präsentation eines Aborigines, die ich gesehen habe, erzählte zwar von ihren Mythen, doch mir kam das sehr klug vor – wenn man es “korrekt” übersetzt. Ich denke, wir haben heute sehr viel von diesem Einklang mit der Natur verloren – trotz unserer erheblichen wissenschaftlichen Fortschritte.

    Daraus folgt meiner Meinung nach die heute korrekte “Medea-Hypothese” wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Ich würde nicht so weit gehen, dass ich behauten würde “Leben sei schlecht für die Erde”. Doch Leben verändert die Natur erheblich (wie Florian Freistetter das auch beschrieben hatte). Und der Mensch ist “Meister” darin. Wir zerstören die Erde, berauben uns unserer eigenen Lebensgrundlagen.
    (…)
    Aus meiner Sicht ist die Frage, was wir wollen und was wir meinen mit der Erde anstellen zu können. Die Antwort auf diese Frage könnte wissenschaftlich gegeben werden.

    Beispiel: “Klimaveränderung mit der Beeinflussung des Wetters bekämpfen”. Wenn so was schief geht – und das tut es immer wieder, dann hätten wir vielleicht doch besser ein wenig auf die Aborigines gehört.

    Um doch noch on topic zu bleiben ein letzter Punkt: Wie würde ein Alien die Erde aus der Ferne betrachten? Sauerstoff in der Atmosphäre und Chlorophyll? Er würde sagen die Erde lebt oder genauer, dass es wohl Leben auf der Erde gibt. Er muss mangels Details Leben und Erde assoziieren. Das ist es letztlich, was ich mit der rekursiven Definition von Leben meine (…)

    Was Wissenschaftler durchaus auf dem Schirm haben, wenn sie etwa Exoplaneten untersuchen oder sich zur Klimakatastrophe äußern. Ein wenig Gaia ist nicht so dumm und richtig gemacht durchaus wissenschaftlich …

  10. #10 Captain E.
    24. Mai 2022

    Vorsicht mit der Behauptung, dass “Naturvölker im Einklang mit der Natur leben”. Haben etwa die Polynesier, die quasi immer noch jungsteinzeitlich gelebt haben, als sie ihre Boote bauten, im Einklang mit der Natur gelebt? Hawai’i und Neuseeland deuten auf das Gegenteil hin. Haben die Nomadenstämme, die vor zig tausend Jahren von Asien nach Amerika gezogen sind, im Einklang mit der Natur gelebt? Ungefähr zu der Zeit, in der sie Amerika besiedelt haben, sind viele große Tierarten ausgestorben, wie etwa Riesenbären, Riesenfaultiere oder selbst Pferde. Reine Zufall oder unbedachte Umweltzerstörung? Am Mississippi lebten beim ersten europäischen Erkundungsvorstoß Menschen in festen Siedlungen mit heiligen Stätten, Maisfeldern und Häusern, gar nicht so verschieden von den Völkern Mittel- und Südamerikas. Niemand hätte die als “Naturvolk” eingestuft. Die Zivilisation ist infolge des Kontakts zusammengebrochen und der sich ausbreitende Wald hat möglicherweise zur “Kleinen Eiszeit” beigetragen. Die Überlebenden mussten sich dann auf ein (halb-) nomadisches Leben einstellen – immerhin zunehmend mit Pferden. Der (Wieder-) Einzug der Pferde auf den Great Plains hat aber auch den Druck auf die Bisons erhöht. Zwar stimmt es, dass die vorrückende “Zivilisation” professionelle Jäger wie etwa William Cody beschäftigt hat, die Bisons zu dezimieren, aber berittene Jäger können halt auch mit Pfeil und Bogen mehr Beute erlegen als zu Fuß. Die “500 Nations” waren sich ja untereinander zum Teil auch spinnefeind. Bevor die Bisonherde zum verhassten Nachbarn wechselt, tötet man doch lieber ein paar Tiere mehr.

    Mit anderen Worten: Was aussieht, als lebte ein Volk im Einklang mit der Natur, ist oftmals Resultat eines Anpassungsprozesses. Und ja, so etwas kann uns auch noch passieren.