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Sternengeschichten Folge 516: Das Sternbild Zentaur

In der heutigen Folge der Sternengeschichten schauen wir auf das Sternbild des Zentauren. In echt können wir das allerdings von Mitteleuropa aus nur sehr bedingt tun. Hier sehen wir am Himmel nur einen kleinen Teil der Sterne dieses Sternbilds auch nur für kurze Zeit im Frühjahr, tief am Horizont. Will man es vollständig sehen, dann muss man über den 25 Breitengrad hinaus nach Süden reisen. Ins südliche Algerien oder Ägypten; nach Varanasi in Indien, nach Taiwan, Kuba oder Mexiko-City. Trotzdem lohnt es sich, mit diesem Sternbild zu beschäftigen. Denn was dort alles zu finden ist, würde vermutlich für ein ganzes Dutzend Folgen reichen.

Aber fangen wir mal in der Vergangenheit an. Der Zentaur – oder Centaurus auf Latein – gehört zu den klassischen Sternbildern der Antike. Also den Sternbildern, die schon in der griechischen Antike beschrieben worden sind. Und da könnte man jetzt stutzig werden. Ich habe doch gerade eben erklärt, dass man das Sternbild nur vom Süden aus sehen kann; Griechenland liegt deutlich nördlicher als der 25. Breitengrad. Wieso konnten die damals vom Sternbild Zentaur wissen? Nun, abgesehen davon, dass die Menschen damals natürlich auch schon in der Lage waren, nach Süden zu reisen und das durchaus auch getan haben, war das nicht mal nötig. Der Anblick des Himmels ändert sich im Laufe der Zeit, weil die Erdachse nicht immer in die gleiche Richtung zeigt. Momentan zeigt das nördliche Ende der Rotationsachse der Erde mehr oder weniger direkt auf den Polarstern. Aber die Erdachse kreiselt (das liegt unter anderem an der Anziehungskraft des Mondes); wäre sie ein Bleistift und der Himmel ein Blatt Papier, dann würde sie dort einen kleinen Kreis zeichnen und gut 26.000 Jahre dafür brauchen. Vor gut 2000 Jahren hat sie nicht zum Polarstern gezeigt, sondern auf ein Stück Himmel, das weiter südlich lag; dort wo heute die Grenze zwischen den Sternbildern kleiner Bär und Drache ist. Dadurch hat sich auch ganz allgemein der Blickwinkel verschoben und man konnte die Sterne des Zentauren vom ganzen Mittelmeerraum aus gut sehen.

Und wenn man sich ansieht, was das für Sterne sind, ist es kein Wunder, dass sie den Menschen aufgefallen sind. Der hellste Stern des Sternbilds ist gleichzeitig auch der dritthellste Stern am ganzen Nachthimmel. Direkt daneben findet man den elfhellsten Stern des Nachthimmels und es finden sich dort noch jede Menge weitere überdurchschnittlich helle Sterne. Aber bevor wir zur Astronomie kommen, schauen wir noch einmal kurz auf die Mythologie.
Ein Zentaur ist ein Mischwesen aus Pferd und Mensch; ein menschlicher Oberkörper mit Armen wächst aus einem Pferderumpf mit vier Beinen. Diese Wesen waren in der Mythologie der Griechen eher wild; gefährlich und gewaltätig. Mit Ausnahme von Cheiron, der war schlau, nett und der Erzieher von quasi allem, was in den griechischen Mythen Rang und Namen hat. Cheiron hat Achilles ausgebildet, Odysseus, Jason; hat Asklepios zum Arzt ausgebildet – nur mit Herkules hatte er Pech. Aus Versehen wird er von einem vergifteten Pfeil getroffen, den Herkules abgeschossen hat. Cheiron war zwar unsterblich, aber das Gift hat ihm solche Schmerzen verursacht, dass er sein ewiges Leben aufgegeben hat. Und wie es so oft passiert in der griechischen Mythologie, wird Cheiron danach von Zeus als Sternbild an den Himmel versetzt. Und jetzt leuchtet er dort vor sich hin und wir schauen, was es da aus astronomischer Sicht zu sehen gibt.

Zuallerst natürlich einmal Alpha Centauri. Wie der Name schon andeutet, ist das der hellste Stern des Zentauren und der vorhin erwähnte dritthellste Stern des Himmels. Tatsächlich handelt es sich nicht nur um einen Stern sondern um ein Dreifachsternsystem. Da sind zuerst einmal Alpha Centauri A und Alpha Centauri B. Beide haben ungefähr so viel Masse wie die Sonne; A ein bisschen mehr und B ein bisschen weniger. B ist aber deutlich kleiner und leuchtet auch viel schwächer als die Sonne. Sie sind beide mit 6,5 Milliarden Jahren ein bisschen älter als unser Stern und der mittlere Abstand zwischen A und B variiert zwischen 11 und 36 Astronomischen Einheiten; also ungefähr so viel wie der Abstand zwischen Sonne und Saturn und der Sonne und Pluto. Alpha Centauri A und B umrunden sich alle 80 Jahre und dass es sich um zwei Sterne handelt, kann man nur mit einem Teleskop erkennen. Und dann ist da noch Proxima Centauri. Diesem Stern habe ich eine komplette Folge gewidmet (nämlich Folge 114). Bei ihm handelt es sich um einen roten Zwergstern, der ohne Teleskop überhaupt nicht sichtbar ist – und sich in deutlichem Abstand zu Alpha Centauri A und B befindet. Er ist 13.000 Astronomische Einheiten entfernt oder 0,2 Lichtjahre. Das ist enorm weit weg und lange Zeit war unklar, ob Proxima Centauri überhaupt wirklich zu Alpha Centauri gehört oder nur zufällig gerade in der Gegend ist. Erst seit 2016 weiß man sicher, dass sich Proxima Centauri tatsächlich um Alpha Centauri A und B herum bewegt; dass die drei Sterne also alle durch ihre Gravitationskraft aneinander gebunden sind. Was wir schon deutlich länger wissen: Proxima Centauri ist der unserer Sonne nächstgelegene Stern. Bis dorthin sind es nur 4,25 Lichtjahre. Es ist also auch kein Wunder, dass Alpha Centauri A und B an unserem Nachthimmel so hell sind. Es sind zwar keine riesengroße Sterne – aber weil sie ja auch nicht viel weiter weg sind als Proxima, sehen wir sie eben enorm hell.

Ob es bei Alpha Centauri A und B Planeten gibt, wissen wir noch nicht. Es wäre zwar cool, wenn wir bei zwei sonnenähnlichen Sternen die uns noch dazu so nahe sind, auch Planeten finden könnten. Weil die beiden sich so nahe sind, ist es zwar nicht unmöglich, aber doch ein bisschen schwierig, dass sich dort überhaupt Planeten bilden können. Sicher keine große Gasplaneten wie Jupiter oder Saturn; kleinere Planeten wie Mars oder Erde sollten aber dort entstehen können. Aber die sind halt schwer zu finden. Wo es definitiv Planeten gibt, ist Proxima Centauri. Dort sind mindestens zwei, vielleicht auch mehr Planeten. Einer davon hat ungefähr die Masse der Erde; ob es dort aber auch Bedingungen wie auf der Erde gibt, wissen wir nicht. Proxima Centauri ist ja auch kein sonnenähnlicher Stern sondern ein roter Zwerg der viel kühler und dunkler ist.

Alpha Centauri A und B, gesehen durch die Ringe des Saturn von der Raumsonde Cassini (Bild: NASA/JPL/Space Science Institute)

Aber lassen wir die “Promi-Sterne” des Sternbilds mal beiseite und schauen auf Beta Centauri. Der, wie schon gesagt, immerhin noch der elfthellste Stern des Nachthimmels ist und ebenfalls ein Dreifachsternsystem. Zwei davon sind sich extrem nahe; der Abstand zwischen ihnen entspricht ungefähr dem Abstand zwischen Sonne und Mars; vielleicht auch ein bisschen mehr, das lässt sich schwer messen. Die beiden Sterne sind noch dazu extrem groß und heiß; sie leuchten ein paar tausend Mal heller als die Sonne. Um die beiden herum kreist ein dritter Stern, auch heißer und heller als die Sonne, aber nicht ganz so groß wie das Paar in der Mitte. Wäre dieses Sternensystem uns so nahe wie das von Alpha Centauri, dann wäre Beta Centauri ein enorm helles Objekt am Nachthimmel – es ist aber 530 Lichtjahre von uns entfernt und erscheint damit dunkler. 130 Lichtjahre entfernt ist Gamma Centauri, diesmal nur ein Doopelsternsystem und ich höre jetzt auf, die Sterne dort aufzulisten, denn es gibt dort noch viel mehr zu sehen.

Zum Beispiel Omega Centauri. Das ist kein Stern, sondern ein Kugelsternhaufen. Also eine kugelförmige Ansammlung von Sternen, für die in diesem Fall die Bezeichnung “Haufen” fast schon untertrieben ist. Omega Centauri besteht aus gut 10 Millionen Sternen und es gibt in der ganzen Milchstraße keinen Kugelsternhaufen der mehr Masse hat als Omega Centauri. Er ist gut 17.000 Lichtjahre entfernt und im seinem Zentrum befindet sich eventuell sogar ein schwarzes Loch, dass die 40.000fache Masse der Sonne hat. Das klingt alles so, als wäre Omega Centauri kein Sternhaufen, sondern fast schon eine eigene Galaxie. Und tatsächlich vermutet man, dass es sich dabei um den Kernbereich einer ehemaligen Galaxie handelt, die irgendwann in der Vergangenheit mit der Milchstraße kollidiert ist und auseinander gerissen wurde.

Ohne jede Zweifel eine eigene Galaxie ist Centaurus A. Den Kugelsternhaufen Omega Centauri kann man unter guten Bedingungen gerade noch mit freiem Auge sehen; bei Centaurus A braucht man schon andere optische Hilfsmittel. Das Ding ist immerhin mehr als 10 Millionen Lichtjahre weit weg. Es handelt sich um eine Galaxie, die sich hinter der Milchstraße nicht verstecken muss. Ganz im Gegenteil: Dort gibt es mehr Sterne als bei uns und im Zentrum von Centaurus A sitzt ein gewaltiges schwarzes Loch mit der 55 millionenfachen Masse der Sonne. Noch dazu ein aktives schwarzes Loch, also eines, das von einer großen Scheibe aus Gas und Staub umgeben ist. Ständig fällt Material in das Loch und die Gravitationskräfte heizen das Material dort stark auf. Dabei entstehen große Mengen an Röntgen- und Radiostrahlung; tatsächlich ist die Galaxie das dritthellste Objekt am Himmel, wenn man nach der Helligkeit im Licht bei Radiowellenlängen geht. Schaut man sich die Galaxie im Radio- und Röntgenlicht an, dann sieht man auch sofort, dass hier besondere Dinge passieren; aus ihrem Zentrum fließen gewaltige Gasströme, mehrere Lichtjahre lang. Das ist genau das Material aus der Umgebung des schwarzen Lochs, das dort enorm beschleunigt und ausgestoßen wird. In Centaurus A beträgt die Sternentstehungsrate teilweise das zehnfache des Werts in der Milchstraße und man vermutet, dass die Galaxie vor ein paar Dutzend Millionen Jahren mit einer anderen Galaxie kollidiert sein muss. Dadurch ist dort alles ein wenig durchgewirbelt worden und hat die ganze Aktivität dort ausgelöst, die heute noch andauert.

PDS 70 mit Scheibe und Planet (Bild: ESO/A. Müller et al., CC-BY 4.0)

Wenn wir auf die noch größeren Objekte schauen, dann werden wir im Sternbild Zentaur auch fündig: Dort befindet sich der Centaurus Cluster, eine Gruppe von hunderten von Galaxien, circa 170 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Und wenn wir wieder einen Blick zurück auf die im Vergleich fast schon normalen Maßstäbe von Planeten werfen, dann können wir im Zentauren auch den 370 Lichtjahre entfernten jungen Stern PDS 70 beobachten. Mit nur gut 5 Millionen Jahren ist er quasi noch ein stellares Kleinkind; was dort aber richtig spannend ist, sind die Planeten die dort gerade entstehen. Tatsächlich ist es 2006 gelungen, die Scheibe aus Gas und Staub um den Stern herum zu beobachten, die man bei solchen jungen Sternen so gut wie immer findet und die genau die Scheibe ist, aus der Planeten entstehen können. Und ein paar Jahre später konnte man dann in dieser Scheibe große Klumpen finden. Oder, astronomisch korrekt ausgedrückt: Planeten, die wirklich gerade erst entstanden sind beziehungsweise noch in Entstehung begriffen sind. Zwei Stück mindestens, Gasriesen wie Jupiter, hat man dort schon gesehen.

Die Geburt von Planeten, der letzte Rest von ehemaligen Galaxien, gewaltige schwarze Löcher, der uns nächstgelegene Stern am Himmel: Das Sternbild Zentaur ist quasi ein Best-of der gesamten astronomischen Forschung! Wenn es sonst nichts anders am Himmel gäbe, als das, wäre das vermutlich immer noch genug um die Astronomie jahrzehntelang zu beschäftigen. Vermutlich viel länger. Aber zum Glück gibt es ja noch viel mehr da draußen. Das Sternbild Zentaur ist zwar enorm faszinierend. Aber das heißt nicht, dass der Rest des Universums nicht auch noch was zu bieten hat.

Kommentare (2)

  1. #1 Herr Jeorling
    Berlin
    22. Oktober 2022

    Danke! Einfach mal wieder Top!

  2. #2 Herr Jeorling
    Berlin
    22. Oktober 2022

    Zum Glück gibt es ja Stellarium und World Wide Telescope! Dann kann man sich das auch anschauen ohne die Weltregion verlassen zu müssen.