Unendlich hohe Geschwindigkeiten sind natürlich durch die Relativitätstheorie “verboten”. In der klassischen Newtonschen Mechanik aber kann man Himmelskörper auf unendlich hohe Geschwindigkeiten bringen, und zwar in endlicher Zeit. Wie das geht?

Dass die Newtonsche Mechanik Unendlichkeiten beinhalten kann, ist eigentlich nicht so überraschend: Die gravitative Anziehungskraft F zwischen zwei Körpern mit Massen m1 und m2 im Abstand r ist ja gegeben durch
F = G m1 m2 / r2 (G: Gravitations-Konstante)
Wenn zwei Massenpunkte kollidieren (r=0), ist ihre Anziehung also unendlich groß.

Nach dem Newtonschen Axiom Kraft=Masse mal Beschleunigung wird damit auch die Beschleunigung unendlich und letztendlich auch die Geschwindigkeit.
Aber das ist natürlich irgendwie geschummelt, denn beim Kollidieren würde ja schließlich sowieso irgendetwas anderes passieren.

Vor etwa 100 Jahren fragte sich Paul Painleve, ob man Unendlichkeiten in der Newtonschen Mechanik auch ohne Kollisionen zwischen zwei Körpern erhalten könnte. Er konnte beweisen, dass so etwas bei drei Körpern nicht auftreten könnte. Für mehr als drei Körper vermutete er, dass so etwas möglich sei, konnte es aber nicht beweisen oder widerlegen.

In der Folgezeit gab es viele Teilergebnisse hierzu, aber der endgültige Beweis gelang Zhihong Jeff Xia in seiner Doktorarbeit im Jahr 1988. Die Idee dahinter war die, die wir oben schon gesehen haben: Bringt man eine sehr kleine Masse sehr dicht an eine große Masse heran, so wird die Anziehungskraft der großen Masse entsprechend groß sein (weil das 1/r2 oben in der Gleichung riesig wird, wenn r sehr klein ist.). Das Problem ist aber natürlich, dass die beiden Massen dann aufgrund ihrer Anziehung kollidieren würden, und gesucht ist ja eine Situation ohne Kollision.

Xia fand einen genialen Trick: Er ließ zwei Massen auf einer engen und stark elliptischen Umlaufbahn umeinanderkreisen, so dass sie sich periodisch annähern und wieder voneinander entfernen. Eine kleine Masse kommt jetzt von unten angeflogen. Sie bewegt sich genau zwischen dem Mittelpunkt der großen Massen hindurch, während diese gerade dabei sind, sich anzunähern. In dem Moment, wo die beiden großen Massen sich am nächsten sind, ist die kleine dritte Masse gerade zwischen ihnen durchgeflitzt und liegt jetzt ganz dicht über den beiden.

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Hier kommt die Masse von unten und bewegt sich zwischen den beiden großen Massen hindurch. Aus [1]

Sie wird jetzt extrem stark angezogen (auf den gemeinsamen Schwerpunkt der beiden Massen hin, der genau in der Mitte liegt) und saust deshalb wieder auf die beiden großen Massen zu. Diese aber entfernen sich ja voneinander, so dass die kleine Masse zwischen ihnen hindurchflitzen kann. Sie wird jetzt nicht so stark gebremst, wie sie vorher beschleunigt wurde, weil die beiden anderen Massen sich ja schon ein Stück entfernt haben und ihre Anziehungskraft jetzt schwächer ist.

Jetzt haben wir also eine kleine Masse, die sich extrem schnell bewegt. Um sie weiter zu beschleunigen, wiederholen wir das Spiel mit einem zweiten Massenpaar: Genau auf der Bewegungslinie der kleinen Masse, die jetzt nach unten unterwegs ist, haben wir ein weiteres sich umkreisendes Paar von großen Massen. Zwischen denen saust die kleine Masse wieder hindurch und genau in dem Moment, wo sie zwischen ihnen hindurchgeflitzt ist, erreichen jetzt diese beiden Massen ihre dichteste Annäherung und beschleunigen die kleine Masse wieder zurück zum ersten Massenpaar.

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Die vollständige Konfiguration mit 5 Massen. Aus [1]

Bei geeigneter Wahl der Anfangsbedingung kann man es erreichen, dass die kleine Masse zwischen den beiden Massenpaaren hin- und hergeschossen wird wie bei einem Tennismatch. Ihre Geschwindigkeit steigt dabei jedes Mal weiter an. Weil der Impuls dafür irgendwoher kommen muss (Impulserhaltung!), treibt die kleine Masse die beiden Massenpaare immer weiter auseinander, jedes Mal, wenn diese die kleine Masse nach unten (bzw. oben) beschleunigen, werden sie selbst nach oben (bzw. unten) beschleunigt.

Xia konnte zeigen, dass dabei tatsächlich der Abstand zwischen den Massenpaaren innerhalb endlicher Zeit auf einen unendlichen Wert steigen kann, die beiden Massenpaare entfernen sich also unendlich schnell voneinander. Wenn ich es richtig verstehe funktioniert das deshalb, weil die Geschwindigkeit der kleinen Masse so viel schneller steigt als der Abstand der Massenpaare, dass die kleine Masse in endlicher Zeit unendlich oft hin- und herflitzen kann. Der Beweis selbst ist, gelinde gesagt, sehr kompliziert. (Das ist die vornehme Umschreibung für “Ich hab ihn nicht verstanden.” Falls jemand ihn halbwegs verständlich erklären kann, ist er oder sie herzlich zu einem Gasteintrag eingeladen…)

Allerdings muss man die Anfangsbedingungen exakt einstellen, damit das Ganze klappt. Wenn ich alles richtig verstanden habe, dann ist die Menge aller geeigneten Anfangsbedingungen eine Cantor-Menge im Raum aller möglichen Anfangsbedingungen. (Das ist auch der Grund, warum der Beweis schwierig ist – Xia gab sich nicht damit zufrieden, eine passende Anfangsbedingung zu finden, sondern er suchte gleich alle…) Obwohl so eine Cantor-Menge unendlich viele Punkte hat, ist die Wahrscheinlichkeit, ein Element der Menge zufällig zu treffen, beliebig klein; Ludmilla muss sich also keine Sorgen machen, dass sie einen unendlich schnellen Exoplaneten verfolgen muss (muss sie natürlich sowieso nicht, wegen der Relativitätstheorie…).

Die praktische Relevanz der Konstruktion ist also gleich Null, aber sie zeigt wieder einmal, dass auch in der klassischen Physik extrem un-intuitive Dinge passieren können…

Nahezu zeitgleich (zu seinem Pech aber etwas später) fand übrigens auch Joseph Gerver eine Konstruktion für unendlich hohe Geschwindigkeiten in der Newtonschen Mechanik. Dazu ordnete er n Massenpaare auf einem Polygon an und ließ n kleine Massen immer zwischen ihnen hindurchsausen, so dass die Bahnen der Paare umeinander immer enger wurden und gleichzeitig das Polygon immer größer, ähnlich wie bei einem fly-by-Manöver:

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Gervers Lösung mit 3n Massen auf einem Polygon. Aus [2]
Gegenüber Xia’s Lösung hat diese den zusätzlichen Charme, dass sie sich in einer Ebene abspielt.


Quellen:
[1] “Off to Infinity in Finite Time”
Donald G. Saari and Zhihong (Jeff) Xia
Notices of the AMS, Vol 42, Nr. 5

[2] “Painleve’s Conjecture”
Florin Diacu
DMS_606-IR, April 1992

Kommentare (45)

  1. #1 Karl Ranseier
    18. August 2010

    Für Mathematiker scheinen diese Fragen vielleicht eine interessante Spielerei sein, für Physiker sind sie unerheblich, da bei “unendlich” hohen Geschwindigkeiten die Newtonschen Formeln aufgrund der Relativitätstheorie – wie im Beitrag erwähnt – versagen. Und damit sind auch die Ergebnisse ohne jeden Belang zur Realität (das ist das Ding, woran sich Physiker immer messen lassen müssen). Trash in – Trash out.

  2. #2 pogobi
    18. August 2010

    Es ist aber interessant für die vielen Trolle, die meinen, dass es keine Relativitätstheorie gibt 😉

  3. #3 MartinB
    18. August 2010

    @Karl Ranseier
    “Und damit sind auch die Ergebnisse ohne jeden Belang zur Realität (das ist das Ding, woran sich Physiker immer messen lassen müssen)”
    Stimmt – außer vielleicht, um ein besseres “Gefühl” zu bekommen, was alles in unseren Gleichungen steckt.

    @pogobi
    Nicht wirklich – da die Lösungen ne Cantormenge bilden, ist es in der Praxis unmöglich, Anfangsbedingungen korrekt einzustellen.

  4. #4 Volki
    18. August 2010

    Hallo martin,

    Du zitierst hier nur einen Übersichtsartikel, das Original sollte wohl das hier sein.

    Xia, Zhihong,
    The existence of noncollision singularities in Newtonian systems.
    Ann. of Math. (2) 135 (1992), no. 3, 411–468.

    Übrigens ich habe versucht herauszufinden ob das mit 4 Körpern auch funktioniert. Das berste was ich finden konnte war eine Arbeit von

    Gerver, Joseph, Noncollision singularities: do four bodies suffice? Experiment. Math. 12 (2003), no. 2, 187–198.

    In dieser Arbeit wird eine mögliche Beweisstrategie erarbeitet die aber noch kein Beweis ist. Grever schreibt ” There are, of
    course, many gaps that must be filled in before this model
    becomes a proof of the existence of such singularities.”
    Über MathSciNet habe ich aber kein Nachfolgepaper gefunden, also scheint das Problem mit 4 Körpern noch ungelöst zu sein. (MathSciNet = Eine riesige Datenbank, in der (fast) alle Papers, die im Themenbereich Mathematik erscheinen, kurz besprochen werden).

    lg
    Volki

  5. #5 Volki
    18. August 2010

    @Karl Rainer: Xia Zhihong ist auch Mathematiker kein Physiker. Und mathematisch gesehen ist die Frage durchaus spannend.

  6. #6 Florian Freistetter
    18. August 2010

    Interessant. Aber ist die Konfiguration von Xia nicht einfach das elliptische Sitnikov-Problem?

  7. #7 MartinB
    18. August 2010

    @Volki,
    Ja, ich zitiere die beiden Artikel, die ich halbwegs verstehen konnte – ein paar Originalartikel habe ich angeguckt, aber hatte Probleme, die im Detail zu verstehen.
    Für 4 Körper habe ich in den Sachen, die ich gelesen habe, nichts gefunden.

  8. #8 Niels
    18. August 2010

    @Karl Ranseier
    Na ja, so uninteressant ist das für Physiker auch nicht. Immerhin ist das doch ein völlig unbekannter recht eindeutiger Hinweis, dass mit mit der klassischen Mechanik etwas nicht stimmen kann, auf den man auch schon deutlich vor 1988 hätte stoßen können.

    Außerdem wird mit diesem Beispiel gezeigt, dass sogar aus so einfachen Axiomen wie den Newtonschen völlig überraschende und unanschauliche Dinge folgen können.
    Man braucht keine Quantenmachanik um verwirrende und mit der alltäglichen Erfahrung nicht zusammenpassende Folgerungen zu bekommen.

  9. #9 MartinB
    18. August 2010

    @Florian
    Bei Sitnikov gibt’s aber doch keine unendlichen Geschwindigkeiten – sollte mit 3 Körpern unmöglich sein.

  10. #10 Johannes
    18. August 2010

    Welche Rolle spielt bei der Konstruktion die Anziehung zwischen den beiden Massepaaren? sind diese zu nah beieinander, so müssten sie sich doch aufeinander zubewegen, oder fällt dies unter die geeigneten Anfangsbedingungen?
    greatz Johannes

  11. #11 MartinB
    18. August 2010

    @Johannes
    Die Massenpaare sollten weit genug voneinander weg sein, dass ihre gegenseitige anziehung klein genug ist, um nicht ins Gewicht zu fallen.

  12. #12 schlappohr
    18. August 2010

    Es gehört schon eine Menge Idealismus dazu, eine Doktorarbeit über etwas zu schreiben, von dem man weiß, dass es ohnehin nicht geht. Trotzdem ein interessantes Gedankenexperiment.

    Spinnen wir einmal weiter: Wo befindet sich ein Körper, der sich mit einer unendlichen Geschwindigkeit durch ein Universum bewegt? Wenn er wirklich unendlich schnell ist, dann hält er sich an einem beliebigen Punkt (egal ob auf seiner Bahn oder außerhalb) für eine Dauer von exakt t=0 auf, also ist er eigentlich nicht mehr vorhanden.
    Was aber, wenn das Universum gekrümmt ist und sich seine Bahn wiederholt? Befindet er sich dann an jedem Punkt seiner Bahn gleichzeitig?

  13. #13 Johannes
    18. August 2010

    @martinB: danke, habe ich auch schon so erwartet. ist denn bekannt was passiert wenn die Paare zu nah beieinander liegen?
    Gibt es soetwas wie einen Gleichgewichtszustand, wo die Anziehung der Paare das Auseinandertreiben neutralisiert? In diesem Fall wäre doch die Impulserhaltung verletzt. oder überehe ich dort etwas?
    greatz Johannes

  14. #14 rmw
    18. August 2010

    “Sie wird jetzt extrem stark angezogen (auf den gemeinsamen Schwerpunkt der beiden Massen hin, der genau in der Mitte liegt) und saust deshalb wieder auf die beiden großen Massen zu.”

    Also vielleicht verstehe ich es falsch. Aber wenn die kleine Masse wenig über dem Schwerpunkt der beiden anderen ist, wird sie von den beiden anderen Massen zu deren jeweiligen Schwerpunkt hingezogen. Die im Bild horizontale Komponente beider Anziehungskräfte hebt sich auf (einen weichen Körper würde es allenfalls in Stücke reisen). Die vertikale Komponente der Wirkung beider Massen addiert sich zwar ist aber geringfügig.

    Soferne ich es recht verstehe unterliegt diese Überlegung einem recht grundsätzlichen Überlegungsfehler was die Wirkung der Gravitation betrifft.

  15. #15 perk
    18. August 2010

    Die vertikale Komponente der Wirkung beider Massen addiert sich zwar ist aber geringfügig.

    je nach masseverhältnissen.. und hier gehts um den fall beide massen groß und schwingende masse klein.. und da ist die komponente nicht geringfügig

    Soferne ich es recht verstehe unterliegt diese Überlegung einem recht grundsätzlichen Überlegungsfehler was die Wirkung der Gravitation betrifft.

    welchem denn?

  16. #16 MartinB
    18. August 2010

    @rmw
    “Die vertikale Komponente der Wirkung beider Massen addiert sich zwar ist aber geringfügig.”
    Ja, hab ich auch drüber nachgegrübelt – so wie ich es verstehe, liegen die beiden großen Massen selbst auch sehr dicht zusammen – wenn man sich z.B. ein gleichseitiges Dreieck vorstellt, dann sollte es ja gehen. Einen so elementaren Fehler hat Xia definitiv nichtgemacht, die Formeln für’s Gravitationspotential sahen jedenfalls korrekt aus.

    @Johannes
    “ist denn bekannt was passiert wenn die Paare zu nah beieinander liegen?”
    Davon stand nichts in den Artikeln – ich denke, dann ziehen sich die beiden Massenpaare gegenseitig an und spielen komplexes 5-Körper-Billard, aber ohne unendlichkeitseffekte…

    @Schlappohr
    “Es gehört schon eine Menge Idealismus dazu, eine Doktorarbeit über etwas zu schreiben, von dem man weiß, dass es ohnehin nicht geht.”
    Mathematiker halt – obwohl, andere interessieren sich für Tiere, die vor Millionen Jahren gelebt haben, oder für Sterne, die irre weit weg sind, oder für Briefe, die Leute geschrieben haben, die 2000 Jahre tot sind – was immer dich glücklich macht…

  17. #17 Geoman
    18. August 2010

    Schön, dass Martin Bäker zu seinen physikalisch-mathematischen Leisten zurückgekehrt ist, denn damit einem ein exotisch-peripheres Thema wirklich glücklich macht, muss man viel davon verstehen.

  18. #18 beebeeo
    18. August 2010

    Wird denn hier nirgens gegen Energieerhaltung verstossen?

  19. #19 schnablo
    19. August 2010

    @beebeeo
    Vermutlich verringert sich der Abstand der Einzelmassen in den beiden Massenpaaren und wenn es sich um Massepunkte handelt, koennen sie sich beliebig nahekommen und so beliebig viel Energie abgeben..

  20. #20 rosa
    19. August 2010

    @rmw
    Völlig richtig. Zwischen den beiden Massen herrscht im Schwerpunkt genau 0 Gravitation. Das ist ein feldfreier Punkt bzw. heben sich die Kräfte auf. Auch das Pingpongspiel ist nur Unsinn.

  21. #21 MartinB
    19. August 2010

    @schnablo
    Genauso ist es.

    @rosa
    Der kleine Massenpunkt ist ja nicht genau zwischen den beiden großen Massen, hab ich doch oben geschrieben. Zur Veranschaulichung ein gleichseitiges Dreieck vorstellen. Falls meine Erklärungen nicht ausreichen, entweder nachfragen oder die Quellen ansehen.
    Wenn das alles nur Unsinn ist: Einfach Begründung aufschreiben und berühmt werden.

  22. #22 Jörg Friedrich
    19. August 2010

    Ich finde, dass solche Berechnungen auch physikalisch nicht uninteressant sind – und letztlich können sie sogar von technischem Interesse sein. denn auch wenn keine unendlich großen Geschwindigkeiten erreicht werden, zeigt das doch, dass man sich Gravitationsgetriebene Beschleuniger-Konstruktionen denken kann, die in endlicher Zeit zu sehr hohen Geschwindigkeiten führen.

  23. #23 Jörg Friedrich
    19. August 2010

    Ich finde, dass solche Berechnungen auch physikalisch nicht uninteressant sind – und letztlich können sie sogar von technischem Interesse sein. denn auch wenn keine unendlich großen Geschwindigkeiten erreicht werden, zeigt das doch, dass man sich Gravitationsgetriebene Beschleuniger-Konstruktionen denken kann, die in endlicher Zeit zu sehr hohen Geschwindigkeiten führen.

  24. #24 Jörg Friedrich
    19. August 2010

    Ich finde, dass solche Berechnungen auch physikalisch nicht uninteressant sind – und letztlich können sie sogar von technischem Interesse sein. denn auch wenn keine unendlich großen Geschwindigkeiten erreicht werden, zeigt das doch, dass man sich Gravitationsgetriebene Beschleuniger-Konstruktionen denken kann, die in endlicher Zeit zu sehr hohen Geschwindigkeiten führen.

  25. #25 rosa
    19. August 2010

    @MartinB
    Du hast geschrieben:
    “Eine kleine Masse kommt jetzt von unten angeflogen. Sie bewegt sich *genau* zwischen dem Mittelpunkt der großen Massen hindurch, während diese gerade dabei sind, sich anzunähern…..
    Sie wird jetzt extrem stark angezogen (auf den gemeinsamen Schwerpunkt der beiden Massen hin, der genau in der Mitte liegt) und saust deshalb wieder auf die beiden großen Massen zu.”

    Das ist eben eindeutig falsch. Selbst wenn man sich eine einzige große Kugelmasse vorstellt, welche von einer anderen kleinen Masse genau durchs Zentrum durchflogen werden kann, herrscht genau im Zentrum Null Schwerkraft. Die kleine Masse würde wieder mit derselben Geschwindigkeit aus der Kugeloberfläche austreten, wie sie vorher eingetreten ist.

    Letztlich kann auf diese Weise sowieso kein Körper auf mehr als die jeweilige Fluchtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Es wird also nur hin- und hergependelt und dies mit maximal Fluchtgeschwindigkeit auf jedem Gravitationspotential.

    Innerhalb “meiner” Kugel, welche durchaus als Modell für “deine” beiden Massen gedacht werden kann, fällt die Schwerkraft von der Oberfläche bis zum Zentrum linear auf Null ab, wenn die Dichte homogen ist. Wenn die Dichteverteilung nicht homogen ist, fällt die Schwerkraft eben nicht linear ab, aber immer noch auf Null im Zentrum.

  26. #26 MartinB
    19. August 2010

    @rosa
    Du hast die Konstruktion etwas falsch verstanden – vielleicht habe ich es missverständlich ausgedrückt.
    Die Kugel saust zwischen den großen hindurch während diese sich noch annähern.
    Wenn die großen Kugeln ihre kleinste Annäherung erreicht haben, dann ist die kleine Kugel deshalb oberhalb der beiden großen Kugeln und wird nach unten beschleunigt. (Deshalb das gleichseitige Dreieck.)
    Sie durchquert dann den Punkt zwischen den beiden großen, während diese sich jetzt wieder voneinander entfernen. Zu diesem zeitpunkt (wenn sie genau auf der Bahnebene der großen Massen ist) ist die Kraft Null, das stimmt natürlich.
    Wenn sie unterhalb der ebene der großen Kugeln ist, dann haben diese sich schon ein Stück weit zu den Seiten entfernt, deshalb ist die Kraft jetzt kleiner geworden.

    Ist die Idee jetzt klarer?

  27. #27 rosa
    19. August 2010

    Man kann sich die Massenverteilung auch als dünne Kugelschale vorstellen, welche von dem kleinen Körper durchflogen wird. Von außen kommend wird bis zur Oberfläche beschleunigt und im Inneren der Kugelschale herrscht feldfreier Raum! Dort ist also überall die Gravitationswirkung Null.

    Selbst wenn die Kugelschale pulsieren könnte, also ihren Radius beliebig ändern könnte, kann auf den kleinen Körper keine zusätzliche Bewegungsenergie übertragen werden!

    Wenn der kleine Körper irgendwo außerhalb in einem Abstand R mit Anfangsgeschwindigkeit Null startet und auf die Kugelschale beschleunigt wird, wird er auf der anderen Seite ebenfalls bei Abstand R wieder umkehren. Ganz egal, wie die Kugelschale ihre Größe dabei ändert.

    Diese Kugelschale hat eine Außenwirkung so, als wäre die gesamte Masse im Zentrum vereinigt. In einem Abstand X außerhalb der Kugelschale hat daher der Testkörper immer eine Geschwindigkeit V, welche unabhängig von der Größe der Kugelschale ist, egal, ob Kugelschalenmasse auf einen Punkt konzentriert ist oder genau einen Eigenradius X aufweist.

  28. #28 rosa
    19. August 2010

    Man kann es auch noch einfacher sagen:

    Auf der Erde könnten wir nicht feststellen, ob die Sonne gerade eben ein schwarzes Loch ist oder sich gerade auf einen Durchmesser von 280 Mio km aufgebläht hat. Die Außenwirkung der Sonne ist unabhängig von ihrer Größe. Natürlich habe ich hierbei Gezeitenkräfte vernachlässigt und ideale radialsymmetrische Dichteverteilung angenommen.

    Dies geht auch aus dem Newtonschen Gravitationsgesetz hervor, wo die Größe der Geometrie der Masse eben keine Rolle spielt. Die Masse muß nur auf eine Punktförmige Masse zurückführbar sein, was eben bei radialsymmetrischer Dichteverteilung immer der Fall ist. Egal, wie die Dichte auf einem Radius nun wirklich ist. Die radiale Dichtefunktion darf also beliebig sein. Die Außenwirkung bleibt davon vollkommen unbeeinflußt.

    Aus diesen Gründen funktioniert das erste Modell eben nicht.

  29. #29 MartinB
    19. August 2010

    “Dort ist also überall die Gravitationswirkung Null. ”
    Der Massenpunkt ist aber nicht im Innern der Schale, wenn er beschleunigt wird. Und du ignorierst, dass die beiden Massenpunkte sich bewegen. Wir haben hier keine Kugelschale.

  30. #30 rosa
    19. August 2010

    @ MartinB

    Ich ignoriere gar nichts. Ich sagte bereits, daß die Kugelschale ihren Durchmesser beim Hindurchflug *beliebig* ändern darf! Sie kann mit einer beliebigen Amplitude und Frequenz pulsieren. Dennoch wird keine Energie auf die kleine Masse übertragen!

    Nicht anders ist bei den beiden separaten Massen!

    Unabhäng davon ist auch das 5-Massenmodell falsch. Hier wird nämlich wirklich ignoriert, daß die beiden Massepärchen sich gegenseitig anziehen werden und ebenfalls hin und herschwingen werden. Niemals könnten die dabei letztlich mit unendlicher Geschwindigkeit auseinanderfliegen, so wie das behauptet wird.

    Diese ganze Doktorarbeit ist ein einziger Witz, wenn sie tatsächlich dem entspricht, wie Du das dargestellt hast!

  31. #31 MartinB
    19. August 2010

    @rosa
    Zwei umeinander rotierende Massenpunkte sind keine Kugelschale.
    Auch bei Fly-by-Manövern klaut man einem binären System Energie und das klappt auch.

    “Hier wird nämlich wirklich ignoriert, daß die beiden Massepärchen sich gegenseitig anziehen werden und ebenfalls hin und herschwingen werden.”

    Nein, der Effekt muss nur kleiner sein als die Auswärtsbeschleunigung durch die kleine Masse.

    Ich schlage vor, Du liest die angegebenen Referenzen und machst dir selbst ein Bild – vielleicht habe ich ja wirklich etwas falsch oder missverständlich dargestellt.

  32. #32 perk
    19. August 2010

    Man kann sich die Massenverteilung auch als dünne Kugelschale vorstellen, welche von dem kleinen Körper durchflogen wird.

    womit man alle symmetrien des modells aufgibt und durch vollständig andere ersetzt.. ja klingt einleuchtend.. nur hat diese vorstellung nix mehr mit dem modell zu tun und lässt keine aussagen über das modell zu außer: es ist anders als das worüber ich hier grad rede..

  33. #33 rosa
    19. August 2010

    @MartinB

    Ein Fly-by- Manöver ist etwas ganz anderes. Hierbei wird die Geschwindigkeit der großen Masse ausgenutzt, welche dem kleinen Körper zusätzlich aufgeprägt werden kann.

    Bei der Annäherung wird bei dem 3-Massensystem die kinetische Energie des kleinen Körpers sich entsprechend G*m*(1/R1-1/R2) verändern. Und genau dasselbe passiert wieder bei der Entfernung. Natürlich muß das für beide große Massen gerechnet werden.

    Unabhängig vom “Rechnen” kann das Problem sowieso nicht “mathematisch” angegangen werden, weil ein 3-Körperproblem nicht mehr mathematisch behandelt werden kann und ein 5-Körperproblem noch weniger.

    Das kann nur in einer Simulation erfolgen. Wenn ich nicht wüßte, was bei dem dargestellten Problem herauskommt, würde ich das sogar simulieren. Das würde nur ein paar Minuten dauern.

    “Nein, der Effekt muss nur kleiner sein als die Auswärtsbeschleunigung durch die kleine Masse.”

    LOL.

    Entweder ist die “kleine Masse” eine Nullmasse, ein Gedanke. Dann hat sie keinen Einfluß auf die beiden etwas größeren Massenpärchen (1 Atom) und die großen Massen verhalten sich genauso wie ich es gesagt habe. Nur darf dann ihre Eigengravitation auch so klein sein, daß praktisch ein Nulleffekt vorhanden sein kann. Wenn dagegen eine etwas größere als kleine Nullmasse vorliegt, wird das große System beeinflußt und dann ist eben auch auch deren wechselseitige Anziehung groß, weil man dann auch “Sonnen” benötigt, um nun die kleine Masse in atomarer Größe zu beschleunigen.

    Die vier Sonnen schwingen dann genauso wie ich es gesagt habe. Wenn sich die beiden Pärchenebenen dann durchkreuzen, wird es recht lustig werden. Dann bricht das große Chaos aus, wenn die 73. Stelle hinter dem Komma falsch ist oder eine der Massen um eine Atommasse “größer” ist 🙂

    Der wesentliche Punkt ist eben, daß im Schwerpunkt der beiden großen Massen die Feldstärke einfach Null ist und daher die Verhältnisse vollkommen anders sind, wie wenn im Schwerpunkt eine *ausdehnungslose* Punktmasse in “Sonnengröße” vereint wäre.

    Das ist also der gravierende Fehler:
    “Sie wird jetzt extrem stark angezogen (auf den gemeinsamen Schwerpunkt der beiden Massen hin, der genau in der Mitte liegt) ”

    Ganz ehrlich: Diese Diss. scheint mir ein Aprilscherz zu sein. Guck mal auf das Datum.

  34. #34 MartinB
    19. August 2010

    @rosa
    “Unabhängig vom “Rechnen” kann das Problem sowieso nicht “mathematisch” angegangen werden, weil ein 3-Körperproblem nicht mehr mathematisch behandelt werden kann und ein 5-Körperproblem noch weniger”
    Nur weil man das Problem nicht für beliebige Anfangsbedingungen analytisch lösen kann, heißt das nicht, dass man es nicht mathematisch angehen kann.

    Natürlich beeinflusst die kleine Masse die großen, das ist doch der Witz, die großen Massen werden doch auseinandergetrieben. ich dachte, du bezogst dich auf die beiden doppelmassen – die müssen halt weit genug auseinander sein.

    Wenn es dich wirklich interessiert und meine Erklärungen dir nicht genügen, dann lies doch bitte die zitierten papers.

    Klar, die Doktroarbeit und alle zitierten papers sind alle nur ein Aprilscherz…

  35. #35 schnablo
    19. August 2010

    Wenn sich die beiden Pärchenebenen dann durchkreuzen, wird es recht lustig werden. Dann bricht das große Chaos aus, wenn die 73. Stelle hinter dem Komma falsch ist oder eine der Massen um eine Atommasse “größer” ist 🙂

    Ach nee, hast Du festgestellt, dass die Anfangsbedingungen eine Rolle spielen? Haette man sich aber spaetestens bei “Cantor-Menge” denken koennen. Und bitte, rechne doch einfach nach, dass die Beschleunigung der kleinen Masse zum Schwerpunkt des Zwei-Massen-Systems vom Abstand der beiden grossen Massen abhaengt. Das ist doch Schulstoff. Im Schwerpunkt selbst ist die Kraft natuerlich Null, das ist trivial.

  36. #36 volki
    19. August 2010

    @rosa: Lösungen des 3-Körperproblems sind nicht mehr darstellbar mit elementaren Funktionen aber dennoch lösbar, z.B. mittels Potenzreihenansätzen u.ä.. Außerdem braucht man für dieses Resultat auch nicht die genaue (quantitative) Lösung zu berechnen es reicht zu zeigen, dass die Lösung singulär ist, sprich in endlicher Zeit gewisse Komponenten sich nach unendlich verabschieden.

    Man kann die meisten Systeme von Differentialgleichungen nicht quantitativ lösen (heißt eine exakte Lösung finden), jedoch kann man die Lösungen meistens qualitativ beschreiben. Das heißt, man kann das Lösungsverhalten abschätzen und evt. die Existenz von Singularitäten beweisen.

  37. #37 rosa
    19. August 2010

    Was regt ihr euch denn auf? Habe es einmal simuliert und in der Tat “zeigt” sich etwas. Es werden tatsächlich hohe Geschwindigkeiten erreicht, wenn die Anfangsbedingungen passend sind 🙂

  38. #38 Kohannes
    19. August 2010

    “…ist die Menge aller geeigneten Anfangsbedingungen eine Cantor-Menge im Raum aller möglichen Anfangsbedingungen. ”
    heißt das, wenn ich eine gültige anfangsbedingung infinitesimal ändere erhalte ich einen ungültigen anfangszustand, da meine gültigen anfangsbedingungen total unzusammenhängend sind?
    Ist es überhaupt möglich (abgesehen von quanteneffekten, welche ja hier bewusst nicht betrachtet werden) den ort eines teilchens genau genug zu definieren, solange dies ein volumen > 0 hat?
    graetz Johannes

  39. #39 MartinB
    20. August 2010

    @Kohannes
    Ja, genau das heißt es.
    Und nein, mit endlich großen Massen wird das soweit ich es verstehe nicht gehen, nur mit Massenpunkten.

  40. #40 rosa
    21. August 2010

    Ein Beispiel mit “endlicher” Ausdehnung. 2 Massen mit je 1e17 kg mit größtem Abstand von 2000 m und Perihelabstand von 10,9m. Diese Massen müßten bereits eine Dichte von ca. 1.93e11 g/cm³ haben, damit sie sich im Perihel gerade nicht berühren.
    Durch diese beiden Massen lasse ich aus ca. 100 km Entfernung (auf 2 mm Abstand optimiert) aus der Ruhe heraus 1 kg Masse durch das Zentrum fliegen. Wenn “nix” stimmt, pendelt die 1 kg Masse nur hin und her, wenn also die Startentfernung von 100 km auf den “Rest” nicht genau optimiert ist. Bei genauer Entfernung (2mm genau) erreiche ich dagegen tatsächlich, daß die 1 kg Masse mit 1090,66 m/s aus dem System hinausgeschossen wird.

    Wenn die Anfangsentfernung der 1 kg Masse nur 0,4m geringer ist, wird sie tatsachlich gespiegelt und fliegt über den Ausgangspunkt hinaus wieder zurück, mit einer Entweichgeschwindigkeit von 794 m/s.

    Tennisspielen geht also tatsächlich.

  41. #41 MartinB
    21. August 2010

    @rosa
    Coole Simulation – mit was für nem Programm machst Du sowas?

  42. #42 rosa
    21. August 2010

    So ein Programm kann sich jeder selbst programmieren, da braucht man nichts Fertiges. Man nimmt einfach die Differentialgleichungen und läßt die z.B. mit einem Runge Kutta Integrationsverfahren höherer Ordnung (z.B. 8) lösen. Am besten baut man sich noch eine Schrittweitensteuerung ein, sodaß der Fehler vorgebbar “gering” bleibt. Damit kann man dann auch andere astronomische Probleme duirchrechnen, etwa das Verhalten von Sternhaufen usw.
    Allerdings ist das in dieser einfachen Form natürlich auf Punktmassen beschränkt. Wenn man sich die DGLs entsprechend für Nichtpunktmassen zusammenbastelt, etwa indem man noch ein Trägheitsmoment vorsieht, sieht man auch, wie z.B. Merkur periheliert oder ein Sternhaufen plötzlich stabilisiert wird wenn Gezeitenkräfte wirken dürfen, der ansonsten mit der Zeit sich auflöst.

  43. #43 MartinB
    22. August 2010

    @rosa
    Ach so. Ich dachte, Du hättest was Fertiges, möglichst mit grafischer Ausgabe zur Veranschaulichung – so’n Planetentennis würde ja ganz schick aussehen.

  44. #44 rosa
    22. August 2010

    Klar habe ich eine “graphische Ausgabe”, wie man das anscheinend heutzutage bezeichnet.
    Theoretisch könnte ich auch ein Filmchen drehen und bei YT reinstellen. Nur ist der Gewinn für den Einzelnen dann doch recht gering. Weitaus interessanter ist daher die eigenständige Simulation mit dem damit verbundenen Lerneffekt. Du hast ja an mir als Beispiel gesehen, wie man nach einer eigenständigen Simulation vom Glauben abfallen kann 🙂

  45. #45 MartinB
    22. August 2010

    Auf der anderen Seite hat natürlich nicht jeder die Ahnung, mal eben schnell nen Runge-Kutta 8. Ordnung in den Rechner zu hacken.
    Wenn Du Lust hast, könnte ich ja ein oder zwei Bildchen in den Post oben einbauen als nachtrag (oder sie verlinken, wenn Du sie irgendwohin stellst), ich könnt mir schon vorstellen, dass das leute spannend finden.