Anders als der Velociraptor dürfte Balaur also kein Schnellläufer gewesen sein. (Zur Biomechanik des Laufens schreibe ich ein anderes Mal etwas mehr.) Stattdessen scheint er auf große Kräfte optimiert (im Sinne der Evolution) gewesen zu sein: Kräftige, kurze Beine, verwachsene Knochen, ein breiter Stand in der Hüfte und vier statt drei Zehen auf dem Boden lassen mehr an einen Kickboxer oder Karateka denken als an einen leichtfüßigen Sprinter. Leider hat man keinen Schädel gefunden – man kann natürlich spekulieren, dass dieser auch kräftiger gebaut sein könnte, aber da muss man weitere Funde abwarten.
Schauen wir auf die Hände, so sind auch diese ungewöhnlich. Velociraptor hat große Hände mit drei langen schlanken Fingern. Die Hände konnten seitwärts an den Körper gelegt werden (aus dieser Bewegung hat sich das Flügelfalten der Vögel entwickelt). Die Handflächen waren nach innen gerichtet – Velociraptor und seine Verwandten konnten weder einen Basketball dribbeln noch jonglieren – greifen konnten sie nur mit beiden Händen.
Die Arme von Balaur sind – wie auch die Beine – kürzer als die von Velociraptor. Was er an den Beinen an Zehen zuviel hat, das fehlt an den Händen: Anders als seine Verwandten, hatte er nur zwei gut entwickelte Finger (I und II), während der “Mittelfinger” (III) winzig war und eng am II. Finger anlag. (Die Finger IV und V fehlen bei vielen Raubsauriern völlig.) Insgesamt ist die Hand auch deutlich kleiner – das im Originalartikel verwendete Wort “atrophied” scheint mir aber etwas übertrieben, den die Hand sieht relativ kräftig aus, und zumindest auf der “dinosaur mailing list” wurde spekuliert, dass die Hände mit ihren Krallen als Waffen verwendet wurden. Dafür spricht auch, dass auch die Handwurzelknochen verwachsen sind, wie man es sonst nur in Vögeln findet. Dies könnte zusätzlich für Stabilität gesorgt haben.
Obwohl ich hier zahlreiche Unterschiede (und noch längst nicht alle, sondern nur die, die mir am wichtigsten erschienen) zwischen Balaur und Velociraptor aufgezählt habe, zeigt eine Analyse der Verwandschaftsverhältnisse (mit den Mitteln der Kladistik), dass er tatsächlich mit dem Velociraptor näher verwandt war als mit allen anderen bekannten Raubsauriern. Da Velociraptoren in Asien lebten, ist dies ein Indiz dafür, dass es einen gewissen Austausch zwischen dem europäischen Inselreich und Asien gab. Dafür sprechen auch andere Funde, beispielsweise von Horndinosauriern.
Insgesamt war Balaur also ein ungewöhnlicher und kräftiger (wenn auch vergleichsweise kleiner) Jäger – bisher hat man in Rumänien und Umgebung keine größeren Raubsaurier gefunden, so dass er vielleicht der Top-Jäger in seinem Ökosystem war.
Csiki, Z., Vremir, M., Brusatte, S., & Norell, M. (2010). From the Cover: An aberrant island-dwelling theropod dinosaur from the Late Cretaceous of Romania Proceedings of the National Academy of Sciences, 107 (35), 15357-15361 DOI: 10.1073/pnas.1006970107
Die Bilder von Balaur sind aus diesem Paper entnommen.
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