Diese quer liegende Zahlenachse nennt man dann entsprechend die imaginäre Achse.
Die Wurzel aus -1 nennen wir einfach i wie “imaginär”. Wenn man sich multiplizieren mit 2 vorstellt als das Dehnen einer Strecke auf die zweifache Länge, und multiplizieren mit -1 als das Drehen einer Strecke um 180°, dann ist multiplizieren mit i eine Drehung um 90°.
Statt eines Zahlenstrahls haben wir nun zwei, einen rellen und einen imaginären. Multiplizieren mit i (oder einem Vielfachen von i) bringt uns von einem zum anderen. Auf dem imaginären Zahlenstrahl gibt es Zahlen wie i, -3i und natürlich auch die Null:
Leider gibt es aber ja nicht nur die Multiplikation, sondern auch die Addition. Damit wir konsistent Mathe betreiben können, müssen wir unsere Zahlen ja auch addieren können. Aber was ist 2+i ?
Auch hier hilft die Geometrie: 2+1 heißt ja, dass man an das Ende einer Strecke mit Länge 2 noch eine Strecke mit Länge 1 dranhängt. Da i “quer” zur rellen Achse liegt, müssen wir bei 2+i also entsprechend zwei Einheiten nach rechts und eine nach oben marschieren.
Damit bekommen wir jetzt statt einer Zahlengeraden eine Zahlenebene. Jede Zahl der Ebene können wir schreiben als a+bi, dabei ist a der Realteil und b der Imaginärteil.
Mit den üblichen Regeln für Addition und Multiplikation können wir jetzt auch kompliziertere Sachen ausrechnen, z.B.
(Dabei muss man beachten, dass i mal i gleich -1 ist, aber deswegen haben wir den ganzen Zinnober ja überhaupt angefangen.)
Häufig braucht man zu einer Zahl z=a+bi ihr “Spiegelbild” an der rellen Achse z*=a-bi. Diese Zahl heißt das “komplex-konjugierte”. Durch Ausmultiplizieren wie oben kann man ausprobieren, dass z mal z* immer eine reelle Zahl ist, das wird später sehr wichtig werden.
Die Steigung einer Funktion
Im ersten Teil hatte ich ja schon die Krümmung (eigentlich war’s die zweite Ableitung) einer Funktion erklärt. Für die zeitabhängige Schrödingergleichung brauchen wir noch die Änderung einer Funktion, auch Steigung oder Ableitung genannt. Dieses Bild (wie üblich bei Wikipedia geklaut, allerdings leicht abgewandelt) zeigt das Prinzip:
Veränderte Version eines Bildes von Johannes Schneider – Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, Link
Die dicke rote Linie ist die Funktion, die uns interessiert, sie heißt hier f. Ihre Steigung am Ort x bekommen wir, wenn wir ein Stück Δx nach rechts gehen und die Funktionswerte an beiden Punkten vergleichen, also f(x+Δx) – f(x). Das Ergebnis hängt so natürlich von Δx ab – je größer ich das mache, desto größer wird je typischerweise der Unterschied der beiden Funktionswerte. Deshalb teile ich am Ende noch durch Δx:
Steigung von f(x) = (f(x+Δx) – f(x))/Δx
Die Gleichung wird umso genauer, je kleiner man das Δx macht, wie man ja auch auf dem Bild sieht.
(Echte knallharte Mathematikerinnen machen deshalb einen “Grenzübergang”, was nichts mit internationaler Politik zu tun hat, sondern heißt, dass sie das Δx kontrolliert zu Null zusammenschrumpfen lassen, wobei sie es geschickt vermeiden, sich Ärger durch das Teilen durch Null einzuhandeln. Da ich aber meist numerische Mathematik betreibe, begnüge ich mich einfach damit, das Δx “klein genug” zu machen – wem das zu groß ist, kann ja bei der Mathe-Fakultät nachfragen, wie man das richtig macht.)
Die Steigung einer Funktion bezeichnet man auch kurz mit df(x)/dx – bei der Schrödingergleichung werden wir meistens die zeitliche Änderung betrachten, also dΨ(x,t)/dt, aber wie es aussieht, wird das erst im nächsten Teil passieren, vorher müssen wir nämlich noch die oben versprochene schönste mathematische Gleichung überhaupt finden.
Dazu brauchen wir dann das dritte Teil des heutigen Mathe-Puzzles:
Die e-Funktion
Die Exponentialfunktion oder kurz e-Funktion hat eine ganz besondere Eigenschaft: Sie ist an jedem Ort gleich ihrer Steigung. Es gilt also
exp(x) = d exp(x)/dx
für alle x. Damit die Funktion eindeutig wird, legen wir noch fest, dass ihr Funktionswert (und damit ihre Steigung) bei Null gleich eins ist: exp(0)=1.
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