In den letzten beiden Posts habe ich ja die zeitunabhängige Schrödingergleichung vorgeführt. Wir haben gesehen, warum die Energie nicht beliebige Werte annehmen kann, sondern (oft) quantisiert ist.
In der Realität ist das Verhalten von Teilchen natürlich oft zeitabhängig – Dinge ändern sich schließlich, sonst bräuchten wir die Zeit ja nicht. Wir müssen uns also mit der zeitabhängigen Schrödingergleichung beschäftigen. Da gibt es nur ein klitzekleines Problem…
Die zeitabhängige Schrödingergleichung (SGL) – und auch die Wellenfunktion ψ – enthält nämlich den unschuldig aussehenden Buchstaben i, die berüchtigte imaginäre Einheit. Bevor ich die Gleichung erklären kann, müssen wir uns deshalb mit imaginären und komplexen Zahlen befassen.
Imaginäre Zahlen?? Sowas wie einundelfzig und zwölfzehn??? (Dank an Bill Watterson…)
Naja, so ähnlich. Aber so schrecklich schlimm sind komplexe Zahlen gar nicht. Insbesondere nicht, weil ich gerade die Internetseite betterexplained gefunden habe, die voller anschaulicher Erklärungen für komplexe Zahlen, Logarithmen und alles mögliche andere ist – wer englische Seiten nicht scheut, sollte sich die Seite unbedingt ansehen!
Und zur Belohnung werden wir die vermutlich schönste Gleichung der Mathematik entdecken, das ist ja auch was, oder?
(Und ich bitte alle mitlesenden Mathematikerinnen* um Nachsicht, dass meine “Herleitungen” und “Argumente” hier keinen mathematischen Standards genügen – falls irgendwas nicht bloß schlampig, sondern echt falsch ist, bitte ich aber nicht um Nachsicht, sondern um Kritik.)
* Jaja, wie des öfteren, schließt die weibliche Form die männliche ein – wer das so schlimm findet, dass er (hier gehört ein “er” vermutlich hin…) nicht weiterlesen mag, hat leider Pech gehabt…
Die imaginäre Einheit
Ich hoffe mal, jeder erinnert sich noch düster, was die Wurzel einer Zahl x ist: Es ist die Zahl, die man mit sich selbst malnehmen muss, damit x herauskommt, also z.B. , damit ist dann .
Da Minus mal Minus gleich Plus ist, kann man logischerweise aus negativen Zahlen keine Wurzel ziehen – denn wenn man eine Zahl mit sich selbst multipliziert, hat man entweder Plus mal Plus oder Minus mal Minus, das Ergebnis ist also in jedem Fall positiv. (Also ist auch -4 eine Wurzel aus 16.)
Also gibt es keine Wurzel aus Minus Eins, jedenfalls nicht unter den handelsüblichen (reellen) Zahlen. So eine Zahl kann es nicht geben, deswegen heißen solche Zahlen auch imaginär.
Damit wir sie doch bekommen können, brauchen wir Hilfe aus einer ganz unerwarteten Ecke: Der Geometrie. Was bedeutet es geometrisch, wenn wir eine Zahl mit einer anderen multiplizieren? Nehmen wir 2 mal 3, dann heißt das, wir wollen eine Strecke auf dem Zahlenstrahl, die drei Einheiten lang ist, in der Länge verdoppeln. Man kann sich das auf einem Zahlenstrahl anschaulich machen (diese Erklärungen sind teilweise bei betterexplained abgekupfert):
Wir “strecken” also den Balken mit Länge 3 auf das Doppelte.
Und was ist mit negativen Zahlen? Da wir jede negative Zahl -x (mit x>0) schreiben können als -1 x, brauchen wir uns nur Gedanken um das Multiplizieren mit -1 zu machen.
-1 mal 3 heißt, dass wir das Negative der Zahl 3 bilden. Auf der Zahlengeraden heißt das, dass wir die Strecke “spiegeln” müssen:
Auch damit kann man sehen, dass man aus einer negativen Zahl keine Wurzel ziehen kann, denn beim zweimal Multiplizieren spiegelt man eben entweder gar nicht (plus mal plus) oder zweimal (minus mal minus).
Und jetzt kommt die geniale Eingebung: Statt das Multiplizieren mit Minus Eins als “Spiegeln” zu betrachten, betrachten wir es als Umklappen, als Drehung um 180°. Das Ergebnis ist ja dasselbe:
Minus Eins mal minus Eins heißt also, dass wir zweimal um 180° drehen, also sind wir wieder am Ausgangspunkt angekommen.
Um die Wurzel aus minus Eins zu ziehen, suchen wir jetzt eine Drehung, die zweimal angewendet 180° ergibt. Also dürfen wir nicht um 180° drehen, sondern nur um 90°! Damit verlassen wir unseren Zahlenstrahl natürlich – die Zahl, die wir suchen, ist eben keine gewöhnliche Zahl, sondern etwas anderes, sie liegt sozusagen quer zu den rellen Zahlen: (Anmerkung: Mathematikerinnen drehen immer gegen den Uhrzeigersinn.)
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