Hier muss ich mich einfach mal ganz unwissenschaftlich freuen:
Beim Schreiben des Artikels über das Drehen von Eiern ist es mir wieder einmal bewusst geworden: Wir leben in einer fantastischen Zeit!
Das Wissen der Menschheit ist so leicht zugänglich wie nie zuvor. Stellt Euch vor, ich hätte einen Artikel wie diesen vor vielleicht 20 Jahren schreiben wollen, das war die Zeit, als ich gerade mit meiner Diplomarbeit anfing (1991).


Mit Hilfe der Uni-Bibliothek und einiger Anatomiebücher hätte ich vielleicht etwas über Eischnüre herausgefunden – ich hätte auch jemanden im Fachbereich Biologie anrufen können. Um aber mehr Details herauszufinden und Fachartikel zu lesen, hätte ich diese erstmal bestellen müssen. Das konnte – je nach Artikel – per Fernleihe Wochen oder sogar Monate dauern. (Ich erinnere mich, dass ich aus Neugierde den Feynman-Artikel über negative Wahrscheinlichkeiten bestellt hatte – der kam nach etwa 4 Monaten.)
Und vielleicht enthielt der Artikel gar nicht die gewünschte Information, sondern nur eine Referenz auf einen wieder anderen Artikel, den man dann wieder bestellen musste.
Eine Suche nach einer Spezialinformation konnte da sehr lange dauern.

Und wenn man noch weiter zurückdenkt – vielleicht an die Zeit vor 200 Jahren – dann mochte es damals vielleicht Jahre gedauert haben, bis man herausfand, in welchem Buch die gewünschte Information zu finden war (und dieses Buch musste man dann ja auch noch irgendwoher bekommen) oder welchem Experten man einen Brief schreiben musste.

Was ich aber eigentlich noch fantastischer finde, ist die Hilfsbereitschaft unter den Internet-Usern. Meine Frage nach der Ei-Rotation stellte ich auf zwei mailing-Listen. Innerhalb von einem Tag hatte ich Antworten von vier Leuten, die alle hilfreiche Informationen beizusteuern hatten, einer verwies mich direkt auf die Artikel von Deeming. Auf eine Nachfrage, ob jemand ein pdf der nicht frei zugänglichen Quellen hätte, kam dann eine mail von Charles Deeming selbst, der mir nicht nur seine Veröffentlichungen schickte, sondern auch noch meine Fragen beantwortete – genauso hilfsbereit wie vor ein paar Wochen Pat O’Connor, als ich über Pakasuchus schrieb. Die obskure Frage neulich nach Federn als Rüstung hätte ich ohne viele hilfreiche mailkontakte, die mich auf Leute verwiesen, die andere Leute kannten, die vielleicht etwas wissen könnten, nie beantworten können.

Auch hier auf den scienceblogs findet sich ja eigentlich immer jemand, der auf eine Frage eine Antwort hat und sie bereitwillig mitteilt. Und so ist es ja auch auf vielen anderen Foren, bei Wikipedia, oder bei all den Leuten, die sich die Mühe machen, Rezensionen bei Internetversandhändlern usw. zu schreiben oder auch open-source-codes zu entwickeln. In unserer so oft als egoistisch bezeichneten Gesellschaft finde ich das ziemlich verblüffend.

Dass man fast das ganze Wissen der Menschheit nur ein paar Mausklicks und e-mails entfernt findet, überrascht mich immer wieder. (Vermutlich zeigt das nur, dass ich mehr oder weniger ein Mummelgreis bin…)

Dass aber so viele Menschen bereit sind, ohne jede Gegenleistung Zeit zu investieren, um anderen zu helfen und ihre Fragen zu beantworten, das lässt mich hoffen.

Kommentare (18)

  1. #1 Ludmila
    15. Oktober 2010

    @martinB: Amen, Bruder!

  2. #2 maxfoxim
    15. Oktober 2010

    deswegen glaube ich auch das Internet ist eines der größten Erfindungen für die Wissenschaft die es je gegeben hat. Wofür man früher Monate oder Jahre gebraucht hätte, geht heute mit Google Books in Minuten 🙂
    Ich bin 23 und könnte mir gar nicht vorstellen, wie es ohne ginge 😉

  3. #3 Sören
    15. Oktober 2010

    Deine Erfahrungen, Martin, kann ich ziemlich genau so bestätigen. Und es freut mich ebenfalls, dass ich – obwohl ich “nur” Student bin – von so vielen Leuten Unterstützung beim Bloggen bekomme. Allerdings mit dem kleinen Unterschied, dass ich keine Mailing-Listen nutze (ich weiß gar nicht, was das ist), sondern alles über Facebook manage. Das ist wirklich faszinierend, wenn man da so alles findet. Menschen rund um den Globus helfen einem dort mit Infos, weil sie es schlicht können. So habe ich mir schon ein ordentliches Nashorn-Netzwerk aufgebaut. Zuletzt habe ich dort einen Tschechen gefunden, der mir Infos zu den nördlichen Breitmaulnashörnern gab und seine Mail beendete mit den Worten: Spread the word! Sollte ich fragen haben, einfach melden.
    Wirklich klasse!

  4. #4 Sören
    15. Oktober 2010

    Deine Erfahrungen, Martin, kann ich ziemlich genau so bestätigen. Und es freut mich ebenfalls, dass ich – obwohl ich “nur” Student bin – von so vielen Leuten Unterstützung beim Bloggen bekomme. Allerdings mit dem kleinen Unterschied, dass ich keine Mailing-Listen nutze (ich weiß gar nicht, was das ist), sondern alles über Facebook manage. Das ist wirklich faszinierend, wenn man da so alles findet. Menschen rund um den Globus helfen einem dort mit Infos, weil sie es schlicht können. So habe ich mir schon ein ordentliches Nashorn-Netzwerk aufgebaut. Zuletzt habe ich dort einen Tschechen gefunden, der mir Infos zu den nördlichen Breitmaulnashörnern gab und seine Mail beendete mit den Worten: Spread the word! Sollte ich fragen haben, einfach melden.
    Wirklich klasse!

  5. #5 Jürgen Bolt
    15. Oktober 2010

    Martin. so ist es! ‘Fernleihe’,das war auch mein Mantra, wenn ‘Schwere Ausnahmefehler’ gemeldet wurden. Verglichen mit der Fernleihe war blue screen immer noch eine Wohltat. Ich meine, das Internet hat das Feuer und das Rad auf Platz zwei und drei der Rangliste der größten menschlichen Erfindungen verdrängt.

  6. #6 Jürgen Bolt
    15. Oktober 2010

    Martin. so ist es! ‘Fernleihe’,das war auch mein Mantra, wenn ‘Schwere Ausnahmefehler’ gemeldet wurden. Verglichen mit der Fernleihe war blue screen immer noch eine Wohltat. Ich meine, das Internet hat das Feuer und das Rad auf Platz zwei und drei der Rangliste der größten menschlichen Erfindungen verdrängt.

  7. #7 Nele
    15. Oktober 2010

    @maxfoxim

    Ich bin ungefähr 20 Jahre älter und habe den Übergang von Reinpapier zu Internet in meinem Studium mitgemacht. Angefangen habe ich mit einem großen alten Karteikartenkatalog in der Unibibliothek für Titel vor 1986 und einem Microfiche-Katalog (das sind die Mikrofilme aus den James Bond-Filmen 😉 ) für die Zeit danach. Dann habe ich Anfang der 90er miterlebt, wie sukzessive der Katalog auf ein Bibliothekssystem umgestellt, wie allmählich Internet-Accounts an uns Studis verteilt wurden (zunächst nur auf Anfrage mit professoralem Empfehlungsschreiben); ich weiß noch was Gopher ist und habe mit Pine Mails geschrieben und durchs Usenet gesurft und mit FTP nach interessanten Daten gesucht.

    Lange Zeit war das Internet in erster Linie Spielerei. Jetzt ist es plötzlich RICHTIG nützlich, auch für die Arbeit unverzichtbar.

    Cool. Die Erfahrungen möchte ich nicht missen.

  8. #8 MartinB
    15. Oktober 2010

    @Nele
    Ja, so erinnere ich das auch, nur an einer Stelle muss ich protestieren:
    “habe mit Pine Mails geschrieben”
    Das mache ich heute noch so – Klicki-Bunti-Programme überlasse ich anderen…

  9. #9 Nele
    15. Oktober 2010

    @MartinB

    Na, bist du sicher, dass du dann nicht eher “Alpine” oder “re-alpine” verwendest? 😉

  10. #10 MartinB
    15. Oktober 2010

    @Nele
    Stimmt, seit nem halben Jahr heißt das Al-pine (da hab ich nen neuen Rechner bekommen) – ist aber immer noch das gute alte Konsole-Feeling.

  11. #11 Sören
    15. Oktober 2010

    Deine Erfahrungen, Martin, kann ich ziemlich genau so bestätigen. Und es freut mich ebenfalls, dass ich – obwohl ich “nur” Student bin – von so vielen Leuten Unterstützung beim Bloggen bekomme. Allerdings mit dem kleinen Unterschied, dass ich keine Mailing-Listen nutze (ich weiß gar nicht, was das ist), sondern alles über Facebook manage. Das ist wirklich faszinierend, wenn man da so alles findet. Menschen rund um den Globus helfen einem dort mit Infos, weil sie es schlicht können. So habe ich mir schon ein ordentliches Nashorn-Netzwerk aufgebaut. Zuletzt habe ich dort einen Tschechen gefunden, der mir Infos zu den nördlichen Breitmaulnashörnern gab und seine Mail beendete mit den Worten: Spread the word! Sollte ich fragen haben, einfach melden.
    Wirklich klasse!

  12. #12 Jürgen Bolt
    15. Oktober 2010

    Martin. so ist es! ‘Fernleihe’,das war auch mein Mantra, wenn ‘Schwere Ausnahmefehler’ gemeldet wurden. Verglichen mit der Fernleihe war blue screen immer noch eine Wohltat. Ich meine, das Internet hat das Feuer und das Rad auf Platz zwei und drei der Rangliste der größten menschlichen Erfindungen verdrängt.

  13. #13 rolak
    15. Oktober 2010

    Kann es sein, daß hier Internet und www ein wenig verwechselt werden? 😉

    Ansonsten schließe ich mich dem Stoßseufzer des Artikels an.

  14. #14 PeteH
    15. Oktober 2010

    Genau meine Erfahrung auch in ganz anderen Bereichen.
    Man spricht dann auch oft vom “Respekt” als Cyper-Währung.
    So gesehen eine Verschiebung vom materiellen ins immaterielle.
    Und ja es macht Hoffnung (, auch wenn es wohl egoistische Nutznießer gibt.
    Ein paar faule Trauben machen den Wein aber erst richtig gut.)

  15. #15 noestenyfarkas
    16. Oktober 2010

    Mir macht vor allem Hoffnung das die Menschen immer mehr sich für Sachen interessieren weil sie so leicht zugänglich ist – wer jetzt sich nebenher mit biologie beschäfigen will kann das einfach machen ohne ständig andere sachen dafür vernachlässigen zu müssen, weil es wenig zeit kostet die gewünschte information zu bekommen, man muss den text praktisch nur lesen, ohne dafür zu bezahlen oder lange zu warten. das finde ich immens wichtig, auch was z.b. politik angeht, ist es leichter nachzuvollziehen wie kernspaltungskraftwerke überhaupt funktionieren und warum es noch keine fusionsreaktoren gibt.
    gruß

  16. #16 Dr. Webbaer
    16. Oktober 2010

    Wir leben in einer fantastischen Zeit!

    IdT. Kann das Zufall sein?

    Und dann noch der Undank allerorts und die sinnlose allgemeine Depression, die sich u.a. auch im Aussterben des doitschen Voks ausdrückt. Unglaublich. Höhö.

    MFG
    Wb

  17. #17 WolfgangK
    5. Juni 2011

    @MartinB
    Auch wenn der Beitrag hier schon älter ist – ich kann Deine Begeisterung nachempfinden. Da ich schon immer die Welt mit grundsätzlicher Neugierde betrachtet habe, lebte ich zwangsläufig in der Prä-Internet-Phase mit einem steten Wissensmangel. Zwar hatte ich in meinem Bekanntenkreis einen älteren und fachschriftstellerisch aktiven Menschen, den ich hier und da zum Nachlesen in seine eigene zusammengesammelte Bibliothek schicken durfte, aber den konnte ich ja auch nicht jeden Tag quälen. Und für eine einzige Frage hat man auch nicht immer gleich ein Fachbuch gekauft. Deshalb teile ich Deine Begeisterung – das World-Wide-Web mit dem unkomplizierten Zugriff auf Wissen sowie die Menschen, die es mit diesem Wissen anfüllen, sind mein ganz persönlicher Segen.

  18. #18 Andreas
    19. Juli 2011

    Wissen ist Macht, heißt es. Und wenn alle alles Wissen jederzeit und überall zur Verfügung haben, haben auch alle alle Macht. Das klingt marxistisch, und im Grunde ist es das auch. Hoffen wir, dass uns die Moral nicht flöten geht, wenn wir Glauben durch Wissen ersetzen – denn dann wirds fantastisch gefährlich. Aber da mach ich mir keine Sorgen – ist ja egal, ob man den Humanismus säkular oder religiös begründet. Hauptsache er ist da, ne? 🙂