Wie bekommt man eigentlich Forschungsgelder? Wer bestimmt, welche Forschung wie finanziert wird? Die Forschungslandschaft ist natürlich ziemlich kompliziert, aber ich will versuchen, hier beispielhaft an der Forschungsförderung der DFG zu erläutern, was ihr tun müsst, um an Forschungsgelder zu kommen.
Anlass für diesen Post ist ein Kommentar neulich bei Astrodicticum Simplex. Dort schrieb ein Kommentator, der der Meinung war, Wissenschaft gehöre stark gebremst:
konkrete Ziele der Forschung müssen definiert werden.
Die Menschen haben ein Recht zu wissen, was mit ihrem Geld geschieht.
Bei Nichterreichen in angemessener Zeit muss es möglich sein, dass Projekt abzustellen.
Genau! Es geht ja auch nicht an, dass ihr als Forscher einfach einen Haufen Staatsknete in einem freundlich verschnürten Säckchen bekommt mit der Aufschrift “Zur freien Verfügung”. Denn so ist es ja anscheinend, oder?
“Leider” nein. Wenn ihr irgendwo Professorin seid und ein eigenes Institut leitet, dann habt ihr natürlich einen gewissen Etat – je nach Fachgebiet und Finanzausstattung ein paar Wissenschaftlerstellen, die von der jeweiligen Uni finanziert werden. Die Leute, die auf diesen Stellen sitzen, müssen über ihre Forschungstätigkeit zunächst tatsächlich keine weitere Rechenschaft ablegen – allerdings können auch die nicht einfach Däumchen drehen, denn euer Institut wird nach seinem Output bewertet, dazu zählen neben Dingen wie Lehre auch geschriebene wissenschaftliche Veröffentlichungen und “eingeworbene Drittmittel”, also Forschungsgelder, die eben nicht von der Uni kommen. Wenn’s da hapert, dann gibt es weniger Haushaltsmittel – am Ende habt ihr zwar Leute, aber kein Geld, um denen nen Computer auf den Schreibtisch zu stellen (oder auch nur den Schreibtisch zu finanzieren).
Aber nehmen wir an, ihr seid einfach ein irgendwo angestellter Wissenschaftler (so wie ich) und hättet auch gern mal einen Doktoranden, der euch beim Forschen unterstützt. Dann müsst ihr euch auf die Suche nach einem Geldgeber machen.
Bei mir ist das typischerweise die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG. Bei der kann man Forschungsanträge stellen.
So ein Antrag ist ein Dokument von theoretisch 20 Seiten – praktisch werden die Dinger meist länger. Diese Anträge sind immer gleich aufgebaut, und wenn man sich das anguckt, dann bekommt man eine ganz gute Idee, was man tun muss, um an Forschungsgelder zu kommen. Bei anderen Förderinstitutionen sind die Spielregeln ähnlich.
Also stellt euch vor, ihr wollt einen Forschungsantrag schreiben. Schauen wir doch mal, wie das geht.
Alles fängt ganz harmlos an: Mit allgemeinen Angaben – wer ist Antragsteller, was ist das Fachgebiet etc.. Das einzige was hier nicht so ganz einfach ist, ist der Titel – auf der eine Seite soll er natürlich prägnant sein, auf der anderen aber auch alles wichtige drinstecken. Da können am Ende ganz unterschiedliche Dinge herauskommen – ich hatte schon alles zwischen drei Worten und knapp drei Zeilen…
Dann kommt das große Kapitel 2. Dort müsst ihr zunächst mal den Stand der Technik darlegen, also all das, was zu dem, was ihr erforschen wollt, schon bekannt ist. Damit zeigt ihr zum einen, dass ihr wisst, wovon ihr redet (und wenn ihr da die wichtige Arbeit von Smith&Jones nicht zitiert, die in dem Fachgebiet jeder immer zitiert, dann ist das schon mal ein Minuspunkt). Um sicherzugehen, macht ihr also eine ausgiebige Literaturrecherche – meist ist die auch tatsächlich nützlich, weil man immer noch etwas findet, was man nicht wusste, und es wäre ja auch ziemlich ärgerlich, wenn ihr ein paar Jahre auf einem Gebiet forscht, um dann festzustellen, dass jemand anders dasselbe auch schon mal gemacht hat.
Der zweite Teil von Kapitel 2 enthält die eigenen Vorarbeiten. Forschungsgelder für ein Gebiet zu bekommen, auf dem ihr noch gar nicht gearbeitet habt, ist nicht so einfach. Wenn ihr euch also auf einem neuen Fachgebiet umtun wollt, dann ist es eventuell nützlich, erstmal ein bisschen vorzuforschen, bevor ihr den Antrag schreibt. Bei mir als Simulanten heißt das meist, dass ich zumindest ein paar Simulationen zum Thema oder ein einfaches Modell vorbereite, das schon mal demonstriert, dass ich weiß, was ich tue.
Wenn auch das nicht geht, dann müsst ihr hier zumindest deutlich machen, warum ihr die nötige Fachkenntnis besitzt, um das Projekt erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Wenn ihr also wie ich viel am Computer simuliert, und jetzt im Antrag ein Verfahren anwenden wollt, das ihr noch nie benutzt habt, dann solltet ihr hier zumindest deutlich machen, dass ihr so viele Simulationsmethoden kennt, dass diese eine euch auch nicht schreckt. Trotzdem ist es immer besser, wenn man wirkliche Vorarbeiten vorzeigen kann, möglichst solche, die auch veröffentlicht sind. (Allerdings hat die DFG gerade neue Regeln eingeführt, die die Zahl der eigenen Veröffentlichungen, die man in einem Antrag zitieren darf, begrenzt. Damit will man dem Zerhacken von Forschungsarbeiten in möglichst kleine Einzelveröffentlichungen (die berühmte “least publishable unit”) ein bisschen entgegentreten und auch verhindern, dass arme Gutachterinnen mit Sekundärliteratur erschlagen werden. Hintergründe findet man hier.)
Und dann kommt das Herzstück des Antrages: Kapitel 3 – Ziele und Arbeitsprogramm. Hier solltet ihr zunächst mal genau sagen, was ihr am Ende herausbekommen wollt und warum das wichtig ist – je konkreter und klarer die Ziele sind, desto besser. Einfach so ins Blaue hineinforschen reicht da nicht. Ihr solltet klar sagen können: Ich möchte gern dieses und jenes erforschen, und zwar indem ich folgende Methoden benutze. Typischerweise braucht man so ein oder zwei Seiten, um genau klarzumachen, was man will. Ich gebe mir dabei immer Mühe, hier einen Satz zu haben, der sinngemäß lautet “Das Projektziel ist erreicht, wenn…” Dann kann jede Gutachterin sehen, dass ich weiß, was ich will.
Beispielsweise habe ich mal einen Antrag geschrieben, in dem es darum ging, eine neue Legierung mit besserer Bearbeitbarkeit zu entwickeln. Da stand im Erstantrag dann “Das Projektziel ist in vollem Umfang erreicht, wenn es gelingt, die bessere Bearbeitbarkeit der neuen Legierung im Labormaßstab nachzuweisen.” Erfreulicherweise hat das übrigens am Ende auch geklappt, wobei wir allerdings auch eine Menge Glück hatten, aber das ist eine andere Geschichte, die ich ein andermal erzähle.
Im Anschluss daran folgt im Antrag das Arbeitsprogramm: Ihr gliedert all die zu erledigenden Arbeiten in übersichtliche Pakete, wie zum Beispiel “Aufbau eines Messstandes für XY” oder “Programmierung des Simulationsmodells mit der Z-Methode”. Bei jedem Arbeitspaket erklärt ihr möglichst konkret, was zu tun ist und wie ihr es machen wollt. Auch hier gilt: Je genauere Vorstellungen man hat, desto besser. Die Arbeitspakete sollten schön aufeinander aufbauen und es sollte für die Gutachterin nachvollziehbar sein, warum diese Methode wie zum gewünschten Ergebnis führt. Ihr braucht also schon eine ziemlich gute Idee, was ihr tun wollt.
Natürlich wisst ihr nicht schon vorher, was am Ende rauskommt (sonst wär’s ja auch keine Forschung). Wenn es von den Ergebnissen abhängt, wie das Projekt weiterläuft (Ihr müsst z.B. erforschen, ob Effekt X eine Rolle spielt), dann müsst ihr das entsprechend im Antrag erläutern (Falls X relevant ist, tun wir dies und das, ansonsten jenes und welches).
Ziele und Arbeitsprogramm sind sicher das wichtigste an einem Forschungsantrag. Wenn ihr hier schlampt (und zum Beispiel nicht erklärt, wie ihr ein kniffliges Experiment aufbauen oder ein kompliziertes Modell verifizieren wollt), dann sieht es mit der Genehmigung eher düster aus.
Ach ja, falls ihr Versuche an Menschen, Tieren oder sonstwie ethisch problematische Sachen machen wollt, müsst ihr das hier auch genau darlegen – damit kenne ich mich aber nicht aus, weil Ethikkommissionen nichts gegen noch so brutale Verhackstückung von Werkstoffen einzuwenden haben.
Das 4. Kapitel enthält schließlich die finanzielle Seite: Hier muss aufgeführt werden, welche Gelder ihr für das Projekt benötigt. Na klar braucht ihr jemanden, der die Arbeit macht, dazu muss man nur ein paar Zeilen schreiben. Wenn ihr aber vielleicht noch einen Extra-Techniker finanzieren wollt, dann müsst ihr entsprechend begründen, was der tun soll und warum das die eingestellte Wissenschaftlerin nicht alleine wuppen kann. Auch studentische Hilfskräfte sind immer nützlich – falls man mal langwierige Parameterstudien und endlos viele Auswertungen machen lassen will.
Und neben dem Personal braucht ihr vielleicht auch noch anderes Geld. Vielleicht muss ein Versuchsstand aufgebaut werden, oder ihr braucht Material. Hier gilt: Je teurer, desto besser begründet muss es sein. Außerdem will und soll man natürlich auch mal auf eine Konferenz fahren – Reisemittel müssen also auch drin sein. (Aber macht euch keine Hoffnung auf Luxusreisen – abgerechnet wird nach dem Bundesreisekostengesetz; mit der 5-Sterne Suite wird’s also nichts und selbst, wenn ihr nur mit der Taxe zum Bahnhof gefahren seid, dann müsst ihr begründen, warum ihr nicht den Bus nehmen konntet.) Fairerweise solltet ihr am Ende natürlich auch euren Doktoranden mal nett verreisen lassen (und Spaß machen Konferenzreisen meistens schon).
Und zum Abschluss kommen noch ein paar weitere einfache Angaben, beispielsweise über die bereits vorhandene Ausstattung, damit man bei der DFG sieht, dass ihr (wie man neudeutsch sagt) auch apparativ gut aufgestellt seid. (Entsprechend könnt ihr einen Antrag nur stellen, wenn ihr zu einer Uni oder einem Forschungsinstitut gehört.) Und schließlich folgt noch eine Erklärung, dass man die wissenschaftlichen Spielregeln einhalten wird und dass man nicht den gleichen Antrag schon dreimal anderweitig finanziert bekommen hat. Am Ende tackert ihr noch ein paar Anlagen dran – Lebenslauf, eventuell eine wichtige Veröffentlichung, falls ihr ein teures Gerät kaufen wollt Angebote diverser Firmen.
Jetzt den Antrag noch selbst lesen, von anderen gegenlesen lassen, nochmal lesen, ne Nacht drüber schlafen, und dann ab an die DFG – meist in doppelter Ausfertigung und mit einer CD, auf der alle Dokumente drauf sind.
Ihr seht, es ist eine Menge Arbeit, aber wenn ihr einen Forschungsknecht Doktoranden wollt, dann müsst ihr da durch. Je nachdem, wie tief ihr im Fachgebiet drinsteckt, dauert das Antragsschreiben einige Wochen (wenn ihr sonst wirklich nicht viel zu tun habt) oder auch länger – wenn ihr ein Projekt mit mehreren Partnern koordinieren wollt, dann kann es auch noch länger dauern – wenn ich mich recht entsinne, lag mein persönlicher Rekord mal bei weit über einem Jahr von der Idee bis zur Einreichung.
Und was passiert dann?
Die DFG schickt den Antrag an typischerweise zwei Fachgutachterinnen. Dass sind Leute aus eurem Arbeitsgebiet, die genügend Ahnung haben, damit sie sehen können, ob das, was ihr macht, auch Hand und Fuß hat (und ob ihr auch das Paper von Smith&Jones zitiert habt, ihr erinnert euch), oder ob das alles so vage und schwammig ist, dass man eher Zweifel bekommt, dass ihr wisst, was ihr tut. Die Gutachterinnen schätzen auch die Erfolgsaussichten ein – ist das, was ihr erreichen wollt, realistisch? Ist euer Arbeitsprogramm in sich stimmig oder fehlt was? Geht das in der Zeit und mit den beantragten Mitteln? Wollt ihr womöglich viel mehr Geld, als man bräuchte?
Sie schreiben dann ein Gutachten, in dem sie euer Vorhaben nach diesen Überlegungen bewerten. Diese Gutachten werden dann in einem sogenannten Fachkollegium analysiert – das ist ein Gremium für das jeweilige Fachgebiet, in dem eine Handvoll Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sitzen. Diese werden übrigens nicht per Dekret vom Bundespräsidenten ernannt, sondern demokratisch von den Antragstellern der DFG gewählt. Je nach Antragsverfahren geben die Fachkollegiumsmitglieder mündliche oder schriftliche Stellungnahmen ab, die dann zur endgültigen Entscheidung über den Antrag führen.
Wenn ihr also Glück habt, dann trudelt euch so 6-7 Monate, nachdem ihr den Antrag gestellt habt, ein freundlicher Brief der DFG ins Postfach, in dem ihr erfahrt, dass Euer Antrag genehmigt wurde. (Die Chancen im sogenannten Normalverfahren, das ich hier beschreibe, liegen im Moment wohl so bei grob 50% laut DFG Jahresbericht 2009.) Meist bekommt ihr ein paar der beantragten Mittel gekürzt, aber das absolut Notwendige ist eigentlich immer drin. Und? Seid ihr jetzt aller Sorgen ledig, euer Projekt ist stressfrei finanziert und ihr könnt auch auf die faule Bärenhaut legen?
Nope.
Forschungsgelder bewilligt die DFG nur für zwei Jahre am Stück. Wenn euer Projekt länger dauert (und das tun sie eigentlich immer, schon allein, weil die Zeit ja auch möglichst für einen Doktoranden reichen soll), dann müsst ihr spätestens ein halbes Jahr, bevor euch die Knete ausgeht, einen Fortsetzungsantrag stellen. Der sieht fast so aus wie der erste Antrag, lediglich Kapitel 2 (mit dem Stand der Technik und den Vorarbeiten) fällt weg. Stattdessen müsst ihr einen Zwischenbericht schreiben. Da müsst ihr genau erläutern, was ihr getan habt, wo ihr vielleicht vom Arbeitsprogramm abgewichen seid, warum alles wieder mal viel länger gedauert hat als erwartet etc. Möglichst sollten an dem Bericht auch ein paar wissenschaftliche Veröffentlichungen dranhängen, die eure Arbeit auch belegen.
Ach ja, falls die Gutachterinnen etwas an eurem Antrag kritisiert haben, bekommt ihr von den entsprechenden Stellen eine Kopie zusammen mit der Bewilligung (da steht dann z.B. “Es sollte unbedingt das AB-Phänomen berücksichtigt werden, weil…”). Darauf solltet ihr im Zwischenbericht unbedingt eingehen – falls ihr das AB-Phänomen nicht berücksichtigt habt (weil das eurer Ansicht nach auch gar nicht sein muss), dann solltet ihr das gut begründen können.
Bericht und Fortsetzungsantrag durchlaufen dasselbe Begutachtungsverfahren. Wenn ihr also nichts getan habt (und der Doktorand auch nicht), dann muss der sich nach zwei Jahren nach einer neuen Stelle umsehen. Wenn ihr schon einigermaßen fleißig wart, die Gutachterinnen aber trotzdem nicht völlig begeistert sind, dann wird euch das Projekt vielleicht auch gekürzt – wenn ihr nochmal 24 Monate beantragt habt, bekommt ihr vielleicht nur 18.
Und auch wenn alles klappt, seit ihr immer noch nicht aus dem Schneider. Denn nach Ablauf des Projektes erwartet die DFG einen Abschlussbericht. Dort wird – knapp und prägnant – nochmal aufgeführt, was ihr wie getan habt und in wie weit ihr eure ursprünglichen Ziele erreicht habt. Und hier kommt die böse Überraschung: Wenn ihr in der letzten Projektphase nicht genügend fleißig wart, dann kann die DFG noch Nachforderungen stellen: “Sie haben dies und das nicht erforscht, bitte tun sie das noch, bevor wir das Projekt für beendet erklären können.” Das kann ziemlich ärgerlich sein, besonders, wenn der Doktorand längst fertig und anderswo tätig ist. Ist mir zum Glück bisher nicht passiert (ich kenne aber solche Fälle…).
Machen wir zum Schluss nochmal den Test. Das hier waren die Anforderungen, die der Kommentator drüben bei Florian stellte:
konkrete Ziele der Forschung müssen definiert werden.
Check. Ohne Ziele und Arbeitsprogramm kein Geld
Die Menschen haben ein Recht zu wissen, was mit ihrem Geld geschieht.
Check. Die DFG drängt auf die Veröffentlichung der Ergebnisse. Jeder kann übrigens bei der DFG nach geförderten Projekten suchen.
Bei Nichterreichen in angemessener Zeit muss es möglich sein, dass Projekt abzustellen.
Check. Zwischenberichte müssen abgegeben werden, dabei wird auch auf Veröffentlichungen in Fachzeitschriften geachtet. Und am Ende muss ein Abschlussbericht geschrieben und ggf. nachgebessert werden.
Ihr seht also, ganz so simpel, wie manche sich das vorstellen, ist das Forscherdasein nicht. Trotzdem ist es natürlich der coolste Beruf der Welt, aber das ist ja klar, oder?
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