Das was wir hier für das Kastenpotential gesehen haben, lässt sich auch verallgemeinern. Im letzten Teil hatte ich behauptet, dass für die stationären Zustände (also die mit einem bestimmten Wert der Energie E) die Wellenfunktion so aussieht (leider fehlte dort ein Minus-Zeichen, habe ich inzwischen eingebaut):
Ψ(x,t) = ψ(x) exp(-i E t / ħ)
Setzt man das oben in die zeitabhängige Schrödingergleichung ein, dann sieht man, dass wieder die zeitunabhängige Schrödingergleichung herauskommt. (Falls jemand mit dem Ableiten nicht so firm ist, macht nichts, wir brauchen das später nicht wieder.) Beim Ableiten nach der Zeit auf der rechten Seite passiert mit dem ψ(x) gar nichts (weil da die Zeit nicht drin steckt), die Ableitung der e-Funktion ist aber die E-Funktion selbst, lediglich der Faktor kommt als Vorfaktor herunter:
i ħ d exp(-i E t / ħ)/dt = i ħ (-i E/ ħ) exp(-i E t / ħ)
Die beiden i ħ kürzen sich weg, aus (-i i) wird 1. Was übrig bleibt, ist also
(-ħ2/2m) Δψ(x) exp(-i E t / ħ) + V(x) ψ(x) exp(-i E t / ħ) = E ψ(x) exp(-i E t / ħ)
Schnell noch durch exp(-i E t / ħ) geteilt und wir haben unsere zeitunabhängige SGL wieder. Damit haben wir also gezeigt, dass tatsächlich die letztes Mal hingeschriebenen Funktionen eine Lösung der zeitabhängigen SGL sind.
Letztes Mal hatten wir auch gesehen, dass man zwei Lösungen der SGL überlagern kann: Wenn Ψ(x,t) eine Lösung ist und Φ(x,t) auch, dann ist auch ihre Summe eine Lösung. Das hatten wir ausgenutzt, um zuerst die hübschen wirr rotierenden Wellenfunktionen im Kastenpotential zusammenzusetzen und dann, um ein Wellenpaket zu bauen. Mathematisch sieht man diese Überlagerungsmöglichkeit an der Schrödingergleichung ziemlich direkt: Die Summe der Ableitung (und auch der Krümmung) zweier Funktionen ist gleich der Ableitung der Summe, dasselbe gilt auch für die Multiplikation mit V(x). (Das ist das Assoziativgesetz – nicht zu verwechseln mit dem Kommunikativgesetz.)
Vom mathematischen Standpunkt aus gesehen, haben wir damit eigentlich alles über die Schrödingergleichung gesagt, was es zu sagen gibt. Die Physik hinter der SGL haben wir aber noch nicht ausgereizt. Zu den spannendsten Fragen gehört zum einen die berühmte Unschärferelation, zum anderen der Tunneleffekt. Um die beiden kümmern wir uns als nächstes.
Gesamte Serie zur Schrödingergleichung:
Teil I: die Gleichung
Teil II: Warum die Energie quantisiert ist
Teil III: Jetzt wird’s komplex
Teil IV: Alles im Kasten
Teil V: Alles zu seiner Zeit
Teil VI: Alles unscharf?
Teil VII: Mit dem Kopf durch die Wand
Das Ende der Schrödingergleichung
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