Was ist nun eigentlich das große Problem der Quantenmechanik? Warum können sich Physikerinnen und Philosophinnen darüber die Köpfe heiß reden? Wenn die Schrödingergleichung alles so schön beschreibt, warum redet man dann überhaupt über “Interpretationen” und Modelle?

Der Grund ist simpel: Nach unserem heutigen Kenntnisstand gibt es einen Moment, wo die Schrödingergleichung zusammenbricht: Die Messung.

Der Kollaps der Wellenfunktion

Am Ende des letzten Teils habe ich bereits angedeutet, wo das eigentliche Problem beim Verständnis der Quantenmechanik steckt. Hier nochmal das Szenario zur Erinnerung:

Wir schicken ein Elektron auf eine Barriere, an der seine Wellenfunktion aufgespalten wird. Die Wellenfunktion besteht hinterher aus zwei Teilen: Ein Wellenpaket läuft nach links, ein anderes nach rechts (hier ist wieder mal Ψ*Ψ aufgetragen):

i-f5e462b29a6c20be38179a9765d952f3-tunnelReflect.jpg

Wir stellen weit weg von der Barriere auf jeder Seite einen Detektor für Elektronen auf. (Wer sich keinen Elektronendetektor vorstellen kann: Jeder Röhrenfernseher hat eine Mattscheibe, die ein Elektronendetektor ist – es sind ja Elektronenstrahlen, die das Bild erzeugen.) Damit die Sache anschaulich und drastisch wird, packen wir einen der beiden Detektoren sehr weit weg, vielleicht zum Mond oder so.

Solange keiner der beiden Detektoren das Elektron gemessen hat, besteht seine Wellenfunktion laut Schrödingergleichung aus den beiden gleich großen und in entgegengesetzte Richtungen laufenden Teilen, man spricht oft von einer “Überlagerung” der beiden Teile. Wenn aber der Detektor hier das Elektron misst, dann kann es nicht mehr auf dem Mond gemessen werden. Sobald das Elektron hier im Detektor ist, muss sich die Wellenfunktion so verändern, dass der Teil, der gerade beim Mond unterwegs war, verschwindet. (Und entsprechend muss sich der Teil hier beim Detektor auch verändern, weil die Gesamtwahrscheinlichkeit, das Elektron irgendwo zu finden, ja immer gleich Eins sein muss.)

Die Wellenfunktion muss sich also verändern, und zwar sprunghaft. Laut Schrödingergleichung ist so etwas aber unmöglich. Das kann man leicht einsehen: Die Schrödingergleichung verknüpft die Änderung der Wellenfunktion an einem Ort mit der Krümmung an diesem Ort. Sie ist also eine lokale Gleichung – was weit weg am anderen Detektor passiert, kann die Wellenfunktion nicht sofort beeinflussen, sondern nur, indem sich die Wellenfunktion zwischen den beiden Detektoren passend verändert.

Bei der Messung des Elektrons passiert also etwas mit der Wellenfunktion, was die SGL nicht beschreiben kann. Man spricht auch vom “Kollaps” der Wellenfunktion, weil der eine Teil plötzlich zu Null wird. Einstein sprach von einer “spukhaften Fernwirkung”.

Das schöne Quantentunnelprogramm, das ich schon letztes Mal verwendet hatte, hat zum Glück einen Knopf, mit dem man eine Messung simulieren kann (“make quantum measurement”). Nehmen wir an, so sieht unsere Situation vor der Messung aus:

i-d755e8a1f59e11180d33ca5961cab1e1-tunnelmeasureBefore-thumb-550x543.jpg

Wenn unser Detektor rechts das Teilchen misst, dann sieht seine Wellenfunktion hinterher so aus:

i-46663a2237f9dfbacb34eb19a84025ef-tunnelmeasureAfter-thumb-550x543.jpg

Die “friedliche Koexistenz” von Quantenmechanik und Relativitätstheorie

Die Wellenfunktion hat sich also tatsächlich sprunghaft verändert. Wenn wir uns vorstellen, dass die beiden Wellenpaket-Anteile der Wellenfunktion sehr weit auseinander liegen, dann sehen wir, dass diese Veränderung sogar schneller als das Licht sein muss!

Alarm!! Einstein widerlegt!!! Wellenfunktionen verändern sich mit Überlichtgeschwindigkeit!!!!

Keine Panik, die Relativitätstheorie wird durch diesen Messprozess nicht wirklich berührt – die Veränderung der Wellenfunktion kann ja nicht verwendet werden, um Signale zu verschicken, denn dazu müsste ich ja am anderen Detektor wissen, dass jetzt hier ein Wellenpaket ankommt, das gleich kollabiert. Das weiß ich aber natürlich nicht, wenn es mir keiner sagt – denn die Wellenfunktion selbst kann ich ja nicht messen. (Wenn ich das tun würde, dann würde ich entweder das Elektron bei mir finden, aber dann würde die Wellenfunktion ja bei mir kollabiert sein, oder ich würde kein Messergebnis bekommen, dann würde die Wellenfunktion im anderen Detektor kollabieren.) Signale lassen sich also nicht mit Überlichtgeschwindigkeit transportieren – irgendwo stand mal der Satz von der “peaceful coexistence” von Quantenmechanik und Schrödingergleichung, der das sehr hübsch umschreibt.

Anmerkung: Im Zusammenhang mit dem Tunneleffekt gab es ja Medienberichte zum überlichtschnellen Senden von Tunnelsignalen. Darauf gehe ich hier erstmal nicht ein – gute Erklärungen der Problematik findet man hier und bei Wikipedia.

Der Kollaps der Wellenfunktion muss nicht unbedingt dazu führen, dass die Wellenfunktion sich auf einen engen Raumbereich konzentriert. Machen wir statt der Ortsmessung eine Impulsmessung, dann kennen wir hinterher den Impuls des Elektrons mit einer Genauigkeit Δp. Wie wir ja neulich gesehen haben, bedeutet das, dass wir den Ort des Elektrons nicht sehr genau kennen können:

i-599d97160ded90f6e4f6ab8cf96d27f8-fourier2.jpg

Machen wir erst eine Ortsmessung, dann “schnurrt” die Wellenfunktion auf einen engen Raumbereich zusammen, machen wir dann eine Impulsmessung, dann breitet sie sich wieder auf einen weiten Raumbereich aus.

Ein kleines Paradoxon (Wer will, kann diesen Abschnitt schadlos überspringen…)

“Halt, stopp! Dann kann ich ja doch ein unendlich schnelles Signal schicken, oder? Denn wenn ich jetzt (sagen wir bei t=0s) das Elektron hier bei x=0 messe, dann eine Impulsmessung mache, so dass sich die Wellenfunktion sehr weit ausbreitet, dann habe ich doch eine endliche Wahrscheinlichkeit, das Elektron bei t=1 sehr weit weg zu finden, wo es aber laut Relativitätstheorie nie hingekommen sein dürfte???”

Also, haben wir gerade die Relativitätstheorie ausgehebelt und unmögliche Sachen veranstaltet? Die Antwort lautet “Nein”. Für eine ebene Welle galt ja, dass sie eine genau definierte Energie und einen genau definierten Impuls hat. Eine Impulsmessung ist deshalb immer auch automatisch eine Energiemessung. Für die Messung der Energie gilt aber ebenfalls eine Unschärferelation:
ΔE Δt ≥ ħ/2
Dabei ist Δt die Ungenauigkeit der Zeit. Mit anderen Worten: Energiemessungen brauchen Zeit. Da unsere Impulsmessung gleichzeitig eine Energiemessung ist, braucht sie ebenfalls Zeit. Je genauer wir den Impuls messen, um so weiter ist das Wellenpaket ausgebreitet, aber dafür brauchen wir eben immer mehr Zeit, so dass alles mit rechten Dingen zugeht. (Die Idee zu diesem Einwand und die Auflösung kamen mir gerade beim Schreiben – vermutlich habe ich sie schon mal irgendwo gelesen, kann mich aber nicht erinnern. Falls jemand eine Quelle für die Diskussion dieser Frage hat, wäre ich sehr dankbar. Unten in der Fußnote (*) rechne ich vor, dass die Unschärferelation erfüllt bleibt und alles mit rechten Dingen zugeht.)

Ein kurzer Blick auf’s EPR-“Paradoxon”

Wir haben gesehen, dass für einen Messprozess die Schrödingergleichung nicht gilt und dass sich bei einer Messung die Wellenfunktion sprunghaft ändert. Man könnte hier einwenden, dass das Problem vielleicht daran liegt, dass die Wellenfunktion sich tatsächlich schon beim Auftreffen auf die Barriere “entscheidet”, in welche Richtung sie nun laufen will – da wir die Wellenfunktion selbst nicht messen können, wäre das doch möglich, oder? Das Bild oben mit der geteilten Wellenfunktion würde also nur unsere Unkenntnis widerspiegeln, was an der Barriere passiert ist, wäre aber nichts wirklich physikalisches.

Man könnte sich ja eine Analogie in der klassischen Physik vorstellen: Ich baue eine Barriere, die mit irgendeinem Mechanismus zufällig in 50% der Fälle einen Ball durchlässt, in den anderen 50% aber nicht. Wenn ich die Barriere von Außen nicht beobachte, dann habe ich am Ende auch jeweils eine 50%-Wahrscheinlichkeit, den Ball hier oder dort zu messen – da spricht aber auch keiner vom Kollaps des Ball-Ortes oder so.

Um zu zeigen, dass die Lösung so einfach nicht sein kann, verwendet man zwei Teilchen, deren Wellenfunktionen man in geschickter Weise verkoppelt (im Fachjargon “verschränkt” genannt). Man schickt das eine Teilchen nach links, das andere nach rechts und kann dann tatsächlich beweisen, dass eine Messung des einen Teilchens den Zustand des anderen beeinflusst. Dies ist inzwischen auch experimentell so nachgewiesen worden. (Man spricht hier vom EPR-Paradoxon, nach Einstein, Podolski und Rosen, die das entsprechende Paper geschireben haben. Jörg Friedrich hat im Juli dazu eine kleine Serie verfasst.)

Die Wellenfunktion muss sich also tatsächlich irgendwie “sprunghaft” verändern, an der “spukhaften Fernwirkung” scheint kein Weg vorbeizuführen.

Was ist eigentlich eine Messung?
Wir haben jetzt also zwei ganz unterschiedliche Prozesse, die die Wellenfunktion verändern. Zum einen ist das die Schrödingergleichung, eine ganz “normale” Differentialgleichung, wie es sie in der Physik dutzendweise gibt. Nach ihr verändert sich die Wellenfunktion stetig von einem Moment zum anderen, ohne Sprünge oder sonstigen Ärger. Alles läuft mathematisch brav ab.

Und dann gibt es da den “Messprozess” – wenn ich das Elektron im Detektor messe, dann wird die Wellenfunktion zum Kollaps gezwungen – man sagt auch, der Zustand wird “reduziert”. Der Physiker Penrose bezeichnet diesen Prozess deshalb auch als R-Prozess (und die Zeitentwicklung der SGL als U-Prozess, wobei das U für “unitär” steht, eine mathematische Eigenschaft der Zeitentwicklung in der SGL.)

“Nun gut,” könnte man sagen, “dann ist die Welt halt so. Wenn ich eine Messung mache, dann gibt es einen R-Prozess, ansonsten richtet sich die Wellenfunktion nach der SGL.” Solange ich das alles sauber mathematisch und physikalisch hinschreiben kann, wo ist das Problem?” (Um das, was jetzt kommt, bequemer hinschreiben zu können, bediene ich mich der schönen ket-Schreibweise: Alles, was man in diese Symbole einschließt | >, beschreibt eine Wellenfunktion.)

Das Problem ist, dass auch unser Detektor aus Elektronen und anderen Teilchen besteht, die sich natürlich auch nach der SGL verhalten. Wenn unser Elektron auf den Leuchtschirm trifft, sorgt es dort für die Aussendung eines Photons.

Wenn unsere Wellenfunktion aus zwei Paketen besteht, wie im Bild oben, dann haben wir zunächst (bevor wir die Detektoren erreichen) eine Wellenfunktion, die so aussieht:
Ψ = |Elektron-Paket fliegt nach links> + |Elektron-Paket fliegt nach rechts>
Trifft die Wellenfunktion auf die Detektoren, dann würden wir erwarten, dass wir das immer noch mit der SGL beschreiben können und hinterher einen neuen Zustand haben, der so aussieht:
|Elektron links absorbiert und Photon links ausgesandt> + |Elektron rechts absorbiert und Photon rechts ausgesandt>

Nehmen wir an, ich sitze beim einen Detektor und ihr beim anderen und wir haben vereinbart, dass wir uns gegenseitig sofort anrufen, wenn wir ein Photon im Detektor sehen. Dann würden wir entsprechend erwarten, dass wir schließlich einen Quantenzustand erreichen, der so aussieht:
|Ich rufe Euch an> + |Ihr ruft mich an>

In der Realität passiert das aber nie – wir beobachten immer entweder das eine oder das andere. Wie und wo aber entscheidet sich nun, wann genau eine Messung stattfindet? (Schrödinger hat das gleiche mit seiner hypothetischen Katze anschaulich gemacht: In unserem Fall würde die Katze getötet, wenn das Elektron links ankommt, aber nicht, wenn es rechts ankommt. Die Katze wäre dann in einem Zustand der Überlagerung aus |tot>+|lebendig>, was natürlich in der Realität so nie beobachtet wird.)

Das ist jetzt das echte Messproblem in der Quantenmechanik. Wann wird “entschieden”, ob die Wellenfunktion kollabiert und von der Überlagerung der beiden Zustände |Elektron rechts> und |Elektron links> nur einer übrig bleibt und was passiert dabei genau?

Die Interpretationen der Quantenmechanik
Auf diese Frage gibt es verschiedene Antworten, die alle mit den Beobachtungen in Einklang stehen, aber ganz unterschiedliche Interpretationen dessen anbieten, was denn nun “tatsächlich” passiert. Die Antworten im einzelnen zu diskutieren, würde eine neue Artikelserie erfordern, deshalb will ich nur kurz die wichtigsten Ideen anreißen – als kleine Einstiegshilfe (eine gute Diskussion findet man in Kapitel 29 von Penroses “Road to Reality”, das mathematisch deutlich weniger anspruchsvoll ist als der Rest des Buches):

Die Kopenhagener Deutung
Sie sagt im wesentlichen: Die Wellenfunktion ist nicht wirklich eine physikalische Größe – sie beschreibt nur, was wir über das System wissen. Eine Messung findet statt, wenn ein Objekt, das hinreichend gut durch die klassische Physik beschrieben werden kann, durch den Zustand der Wellenfunktion beeinflusst wird. Damit kann man Experimente korrekt vorhersagen, weitere Fragen stellen wir nicht, Ende der Diskussion.

Die Viele-Welten-Theorie

Nach dieser Theorie gibt es den Messprozess R nicht. Das ganze Universum befindet sich tatsächlich in einem der verrückten tot-und-lebendig-Überlagerungszustände. Da dies aber auch für unser Bewusstsein gilt, merken wir nichts davon – eine “Hälfte” unseres Bewusstseins ist im einen Zustand, die andere im anderen, und jede Hälfte merkt von der anderen nichts. (Diese Deutung ist sehr schön in David Deutschs Buch “Fabric of Reality” dargestellt, das leider in den späteren Kapiteln etwas “abdriftet”.)

Dekohärenz

Das ist eigentlich mehr ein Geschummel als eine echte Lösung: Nach der Dekohärenz sorgt die Wechselwirkung mit den unglaublich vielen anderen quantenmechanischen Objekten in der Umgebung innerhalb kürzester Zeit dafür, dass der Überlagerunszustand der Wellenfunktion nicht mehr wirklich wahrgenommen werden kann.

Bohms Pilotwellen
Das ist eine sehr hübsche Umdeutung der Quantenmechanik, bei der das Elektron tatsächlich als Punktteilchen existiert und auch immer an einem wohldefinierten Ort ist. Es wird durch die Wellenfunktion “geführt”, deshalb spricht man eben von Pilotwellen. Diese Theorie lässt sich mathematisch konsistent formulieren und sie hat auch keine Probleme mit Dingen wie dem EPR-Paradoxon; die Wellenfunktion selbst ändert sich allerdings nach wie vor sprunghaft und nichtlokal. die Theorie selbst ist aber nach wie vor nichtlokal, weil das Verhalten eines Teilchens von der Wellenfunktion überall abhängt. (Dank an Alexander für die Korrektur.)

Schließlich gibt es noch eine weitere Möglichkeit, die allerdings über die gegenwärtige Quantenmechanik hinausgeht:

Neue Physik

Vielelicht ist der Messprozess ein wohldefiniertes physikalisches Ereignis, das durch neue Physik beschrieben werden muss. Von Penrose gibt es beispielsweise die Idee, dass eine Messung dann stattfindet, wenn die Wellenfunktion mit einem Gravitationsfeld wechselwirkt. Damit schlägt er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Das Messproblem ist gelöst und ein Weg zur Quantisierung der Gravitationstheorie wird dadurch vielleicht auch noch eröffnet.

Die meisten Physikerinnen machen sich über diese Fragen eher wenig Gedanken. In Physikvorlesungen und Lehrbüchern wird wohl die Kopenhagener Deutung favorisiert, aber meiner Ansicht nach ist das lediglich ein historischer Zufall – hätte Bohr die Idee der Pilotwellen gehabt, würde vielleicht diese Theorie heute in den Lehrbüchern stehen.

Ich selbst finde diese Fragen sehr wichtig, habe aber keine eindeutige Meinung, welche Interpretation die Richtige ist. Die Kopenhagener Deutung ist sehr pragmatisch, aber die dahintersteckende “Frag-nicht!”-Haltung ist natürlich irgendwie unbefriedigend. Viele-Welten-Theorien mag ich aus Prinzip nicht (ich weiß, echt wissenschaftliche Begründung), Dekohärenz ist nicht wirklich eine Alternative, die Bohm-Idee ist nett, aber sieht auch irgendwie unnötig kompliziert aus, und für neue Physik gibt es bisher keine Hinweise (Penroses erste Ideen zum Kollaps durch Gravitation konnten inzwischen durch Messungen widerlegt werden – die Theorie lässt sich zwar modifizieren, aber so richtig zwingend sieht sie auch nicht aus.) Die Frage bleibt also unbeantwortet und spannend – deshalb kann man über sie auch so schön diskutieren…

Und damit bin ich am (vorläufigen?) Ende meiner kleinen Quantenmechanik-Serie angelangt. Wie üblich gilt: “Wenn es Ihnen gefallen hat, empfehlen Sie uns weiter, wenn nicht, behalten Sie’s für sich.”


(*) Hier also die versprochene Rechnung – wie gesagt, sie ist komplett auf meinen Mist gewachsen, so dass ich für ihre Korrektheit (ich bin wohl etwas schlampig mit der genauen Definition der Δs) nur bedingt garantiere:

Es ist E=p2/2m
Also ΔE = Δp2/2m
Mit p=mv ergibt sich
ΔE = Δp Δv/2
Es ist also
ħ/2 ≤ ΔE Δt= Δp Δv Δt /2
Die Ortsunschärfe ergibt sich aus Geschwindigkeit und Zeit
ħ/2 ≤ Δp Δx /2
Auch nach der Messung sind also Ort und Impuls nur innerhalb der erlaubten Unschärfe bekannt.


Gesamte Serie zur Schrödingergleichung:

Teil I: die Gleichung
Teil II: Warum die Energie quantisiert ist
Teil III: Jetzt wird’s komplex
Teil IV: Alles im Kasten
Teil V: Alles zu seiner Zeit
Teil VI: Alles unscharf?
Teil VII: Mit dem Kopf durch die Wand
Das Ende der Schrödingergleichung

Kommentare (119)

  1. #1 KommentarAbo
    14. November 2010

  2. #2 Ludmila
    14. November 2010

    Mir hat’s gefallen. Sehr schön.

    Ich glaub aber, dass im Studium die Kopenhager Interpretation nicht nur aus Zufall favorisiert wird. Es ist halt die Deutung, die am wenigsten Arbeit macht und verwirrt. Studenten müssen eben erst einmal die ganzen Gleichungen und Anwendungen lernen. Erst dann können sie eigentlich sich über die Deutung der QM Gedanken machen. Eigentlich also erst nach der Prüfung. Wenn es sie denn interessiert. Nicht jeder sieht das “Problem” solange die Gleichungen funktionieren.

  3. #3 MartinB
    14. November 2010

    Also dass die Kopenhagener Deutung am wenigsten verwirrt, kann ich zumindest aus meiner eigenen Erfahrung nicht bestätigen. Ich erinnere mich, wie ich mit meinem besten Kumpel im Landau-Lifschitz gelesen habe und sagte “Also man braucht am Ende die klassische Physik, um die Quantenmechanik zu definieren, obwohl die klassische Physik selbst nur ein Grenzfall der Qm ist? Das ist doch Schwachsinn!” Seine Antwort – trocken und unvergesslich – “Nein, das ist Quantenmechanik.”

    Aber auf der anderen Seite hast du recht, Kopenhagen ist sicher am pragmatischsten. (“Shut up and calculate!”)

  4. #4 Niels
    14. November 2010

    Sehr schöne Serie. Ist sie jetzt beendet?`

    Ich bin mir nicht sicher, aber beschreibst du oben statt der Die Viele-Welten-Theorie nicht die Many-minds-Theorie?
    Bei deiner Beschreibung fehlen nämlich gerade die Welten, oder?

  5. #5 Jörg Friedrich
    15. November 2010

    Schöner Schluss, und eine gute persönlich-subjektive Zusammenfassung der verschiedenen Interpretationen. Ich bin der Aufforderung gefolgt und habe die verschiedenen SB-Möglichkeiten zum Weiterempfehlen genutzt.

    P.S.: Danke auch für die Verlinkung meiner EPR-Geschichte.

    P.P.S.: Physikerinnen scheinen ja merkwürdige Menschen zu sein, reden sich die Köpfe über irgendwas heiß, worüber sie sich am Schluss eher wenig Gedanken machen. Was sagen denn ihre männlichen Kollegen dazu 😉 ?

  6. #6 Jörg Friedrich
    15. November 2010

    Schöner Schluss, und eine gute persönlich-subjektive Zusammenfassung der verschiedenen Interpretationen. Ich bin der Aufforderung gefolgt und habe die verschiedenen SB-Möglichkeiten zum Weiterempfehlen genutzt.

    P.S.: Danke auch für die Verlinkung meiner EPR-Geschichte.

    P.P.S.: Physikerinnen scheinen ja merkwürdige Menschen zu sein, reden sich die Köpfe über irgendwas heiß, worüber sie sich am Schluss eher wenig Gedanken machen. Was sagen denn ihre männlichen Kollegen dazu 😉 ?

  7. #7 Jörg
    15. November 2010

    Ich lese gerade Gell-Manns Buch, und der ist ziemlich autoritärer Vertreter der Everett-Theorie, die er aber lieber Viele-Geschichten-Theorie nennt. Leider erklärt er das irgendwo zwischen anschaulich und wissenschaftlich, und zwar genau so dass es absolut unverständlich ist. Aber der Schluss ist klar: Dass die Dekohärenz für die Spaltung der Geschichten sorgt und Schrödingers Katze daher ziemlicher Blödsinn sei. Wie gesagt, sehr autoritär…
    Aber was du beschreibst, scheint dann tatsächlich die Many Minds Interpretation zu sein, zumindest die verfeinerte Everett-Theorie ist die der Dekohärenz. Wobei ich mich frage, was die zu den neuen Experimenten beizutragen hat, die ja nun mikromechanische Teile in überlagerten Schwingungszuständen zeigt. Aber der Teil der Theorie geht bei Gell-Mann im Mumbo Jumbo von Grob- und Feinkörnigkeit unter, leider.

  8. #8 Jörg
    15. November 2010

    Ich lese gerade Gell-Manns Buch, und der ist ziemlich autoritärer Vertreter der Everett-Theorie, die er aber lieber Viele-Geschichten-Theorie nennt. Leider erklärt er das irgendwo zwischen anschaulich und wissenschaftlich, und zwar genau so dass es absolut unverständlich ist. Aber der Schluss ist klar: Dass die Dekohärenz für die Spaltung der Geschichten sorgt und Schrödingers Katze daher ziemlicher Blödsinn sei. Wie gesagt, sehr autoritär…
    Aber was du beschreibst, scheint dann tatsächlich die Many Minds Interpretation zu sein, zumindest die verfeinerte Everett-Theorie ist die der Dekohärenz. Wobei ich mich frage, was die zu den neuen Experimenten beizutragen hat, die ja nun mikromechanische Teile in überlagerten Schwingungszuständen zeigt. Aber der Teil der Theorie geht bei Gell-Mann im Mumbo Jumbo von Grob- und Feinkörnigkeit unter, leider.

  9. #9 Jörg Friedrich
    15. November 2010

    Die Many-Minds-Theorie unterscheidet sich von der Many-Worlds-Theorie durch die Beantwortung der Frage, wann der Kollaps (genauer gesagt die Aufspaltung der Welten oder eben der Minds [Mind hier mit Geist zu übersetzen schafft vielleicht mehr Verwirrung als Klärung]) “stattfindet”. Interessant ist eben, dass man empirisch gar nicht so einfach entscheiden kann, ob der Kollaps nicht etwas ist, was erst beim Bewusst-werden des Messergebnisses stattfindet.

    In der Viel-Welten-Variante befindet sich jeder Mensch mit seinem aktuellen Geisteszustand in jeder der aufgespaltenen Welten, in der es jeweils ein Messergebnis gibt. In der Many-Minds-Variante ist in der Welt nichts aufgespalten, aber der Geist spaltet sich bei jeder Bewusst-Werdung einer Messung auf. Die gefühlte Absurdität ist bei beiden Varianten ungefähr gleich.

    Im englischen Wikipedia-Artikel zu Wigners Freund findet man eine kleine Erläuterung und einen weiteren Link.

  10. #10 Jörg Friedrich
    15. November 2010

    Die Many-Minds-Theorie unterscheidet sich von der Many-Worlds-Theorie durch die Beantwortung der Frage, wann der Kollaps (genauer gesagt die Aufspaltung der Welten oder eben der Minds [Mind hier mit Geist zu übersetzen schafft vielleicht mehr Verwirrung als Klärung]) “stattfindet”. Interessant ist eben, dass man empirisch gar nicht so einfach entscheiden kann, ob der Kollaps nicht etwas ist, was erst beim Bewusst-werden des Messergebnisses stattfindet.

    In der Viel-Welten-Variante befindet sich jeder Mensch mit seinem aktuellen Geisteszustand in jeder der aufgespaltenen Welten, in der es jeweils ein Messergebnis gibt. In der Many-Minds-Variante ist in der Welt nichts aufgespalten, aber der Geist spaltet sich bei jeder Bewusst-Werdung einer Messung auf. Die gefühlte Absurdität ist bei beiden Varianten ungefähr gleich.

    Im englischen Wikipedia-Artikel zu Wigners Freund findet man eine kleine Erläuterung und einen weiteren Link.

  11. #11 Jörg
    15. November 2010

    Ja, und wie soll die Dekohärenz für die Spaltung sorgen? Das ist doch letztlich genauso unklar wie bei der Kopenhagener Deutung, oder? Ich dachte, das wäre gerade der Witz bei der Viele-Welten-Theorie, dass man genau das nicht braucht, weil man einfach leugnet, dass es einen R-Prozess überhaupt gibt.

    Das habe ich leider, selbst wenn er es geschrieben hat, bei Gell-Mann nicht verstanden. Es scheint ihm drum zu gehen, zu erklären warum Schrödingers Katze nicht gleichzeitig tot und lebendig ist…Gell-Mann ist deutlich zu intelligent um anschauliche Vergleiche zu verstehen glaube ich 😉
    Ich denke aber, dass er jegliche Bezüge zum menschlichen Bewusstsein (zurecht) als gewaltigen Quatsch abtun würde.

  12. #12 Jörg
    15. November 2010

    Ja, und wie soll die Dekohärenz für die Spaltung sorgen? Das ist doch letztlich genauso unklar wie bei der Kopenhagener Deutung, oder? Ich dachte, das wäre gerade der Witz bei der Viele-Welten-Theorie, dass man genau das nicht braucht, weil man einfach leugnet, dass es einen R-Prozess überhaupt gibt.

    Das habe ich leider, selbst wenn er es geschrieben hat, bei Gell-Mann nicht verstanden. Es scheint ihm drum zu gehen, zu erklären warum Schrödingers Katze nicht gleichzeitig tot und lebendig ist…Gell-Mann ist deutlich zu intelligent um anschauliche Vergleiche zu verstehen glaube ich 😉
    Ich denke aber, dass er jegliche Bezüge zum menschlichen Bewusstsein (zurecht) als gewaltigen Quatsch abtun würde.

  13. #13 Jörg
    15. November 2010

    *seufz* Es scheint echt ein Multiversum an MWIs zu geben…

    https://www.anthropic-principle.com/preprints/manyworlds.html

    Und die Gell-Mann/Hartle-Variante wird nicht einfacher…

    Gell-Mann and Hartle, in particular, have extended the role of
    decoherence in defining the Everett worlds, or “histories” in their
    nomenclature. They call their approach the “many-histories” approach,
    where each “coarse-grained or classical history” is associated with a
    unique time-ordered sequence of sets of irreversible events, including
    measurements, records, observations and the like. (See “What is a
    measurement?”) Fine-grained histories effectively relax the
    irreversible criterion. Mathematically the many-histories approach is
    isomorphic to Everett’s many-worlds.

    The worlds split or “decohere” from each other when irreversible events
    occur. (See “Why do worlds split?” and “When do worlds split?”.)
    Correspondingly many-histories defines a multiply-connected hierarchy
    of classical histories where each classical history is a “child” of any
    parent history which has only a subset of the child defining
    irreversible events and a parent of any history which has a superset of
    such events. Climbing up the tree from child to parent moves to
    progressively coarser grained consistent histories until eventually the
    top is reached where the history has *no* defining events (and thus
    consistent with everything!). This is Everett’s universal wavefunction.
    The bottom of the coarse-grained tree terminates with the maximally
    refined set of decohering histories. The classical histories each have
    a probability assigned to them and probabilities are additive in the
    sense that the sum of the probabilities associated a set classical
    histories is equal to the probability associated with the unique parent
    history defined by the set. (Below the maximally refined classical
    histories are the fine grained or quantum histories, where probabilities
    are no longer additive and different histories significantly interfere
    with each other. The bottom level consists of complete microstates,
    which fully specified states.)

    The decoherence approach is useful in considering the effect of the
    environment on a system. In many ways the environment, acting as a heat
    sink, can be regarded as performing a succession of measurement-like
    interactions upon any system, inducing associated system splits. All
    the environment basis is is a basis chosen so as to minimise the cross-
    basis interference terms. It makes any real-worlds calculation easy,
    since the cross terms are so small, but it does not *uniquely* select
    a basis, just eliminates a large number.

    Come again?

  14. #14 Jörg
    15. November 2010

    *seufz* Es scheint echt ein Multiversum an MWIs zu geben…

    https://www.anthropic-principle.com/preprints/manyworlds.html

    Und die Gell-Mann/Hartle-Variante wird nicht einfacher…

    Gell-Mann and Hartle, in particular, have extended the role of
    decoherence in defining the Everett worlds, or “histories” in their
    nomenclature. They call their approach the “many-histories” approach,
    where each “coarse-grained or classical history” is associated with a
    unique time-ordered sequence of sets of irreversible events, including
    measurements, records, observations and the like. (See “What is a
    measurement?”) Fine-grained histories effectively relax the
    irreversible criterion. Mathematically the many-histories approach is
    isomorphic to Everett’s many-worlds.

    The worlds split or “decohere” from each other when irreversible events
    occur. (See “Why do worlds split?” and “When do worlds split?”.)
    Correspondingly many-histories defines a multiply-connected hierarchy
    of classical histories where each classical history is a “child” of any
    parent history which has only a subset of the child defining
    irreversible events and a parent of any history which has a superset of
    such events. Climbing up the tree from child to parent moves to
    progressively coarser grained consistent histories until eventually the
    top is reached where the history has *no* defining events (and thus
    consistent with everything!). This is Everett’s universal wavefunction.
    The bottom of the coarse-grained tree terminates with the maximally
    refined set of decohering histories. The classical histories each have
    a probability assigned to them and probabilities are additive in the
    sense that the sum of the probabilities associated a set classical
    histories is equal to the probability associated with the unique parent
    history defined by the set. (Below the maximally refined classical
    histories are the fine grained or quantum histories, where probabilities
    are no longer additive and different histories significantly interfere
    with each other. The bottom level consists of complete microstates,
    which fully specified states.)

    The decoherence approach is useful in considering the effect of the
    environment on a system. In many ways the environment, acting as a heat
    sink, can be regarded as performing a succession of measurement-like
    interactions upon any system, inducing associated system splits. All
    the environment basis is is a basis chosen so as to minimise the cross-
    basis interference terms. It makes any real-worlds calculation easy,
    since the cross terms are so small, but it does not *uniquely* select
    a basis, just eliminates a large number.

    Come again?

  15. #15 Jörg Friedrich
    15. November 2010

    Schöner Schluss, und eine gute persönlich-subjektive Zusammenfassung der verschiedenen Interpretationen. Ich bin der Aufforderung gefolgt und habe die verschiedenen SB-Möglichkeiten zum Weiterempfehlen genutzt.

    P.S.: Danke auch für die Verlinkung meiner EPR-Geschichte.

    P.P.S.: Physikerinnen scheinen ja merkwürdige Menschen zu sein, reden sich die Köpfe über irgendwas heiß, worüber sie sich am Schluss eher wenig Gedanken machen. Was sagen denn ihre männlichen Kollegen dazu 😉 ?

  16. #16 MartinB
    15. November 2010

    @Niels
    Ich gebe ehrlich zu, dass ich den Unterschied zwischen beiden nicht ganz verstehe, auch der Wiki-Artikel macht mich nicht wirklich schlauer:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Many-minds_interpretation
    So oder so ist für mich entscheidend, dass die häufig zu lesende Formulierung “Das Universum spaltet sich in mehrere auf” so ja nicht ganz stimmt, denn das gesamte Universum hat ja hinterher immer noch eine überlagerte Wellenfunktion.

  17. #17 Jörg
    15. November 2010

    Ich lese gerade Gell-Manns Buch, und der ist ziemlich autoritärer Vertreter der Everett-Theorie, die er aber lieber Viele-Geschichten-Theorie nennt. Leider erklärt er das irgendwo zwischen anschaulich und wissenschaftlich, und zwar genau so dass es absolut unverständlich ist. Aber der Schluss ist klar: Dass die Dekohärenz für die Spaltung der Geschichten sorgt und Schrödingers Katze daher ziemlicher Blödsinn sei. Wie gesagt, sehr autoritär…
    Aber was du beschreibst, scheint dann tatsächlich die Many Minds Interpretation zu sein, zumindest die verfeinerte Everett-Theorie ist die der Dekohärenz. Wobei ich mich frage, was die zu den neuen Experimenten beizutragen hat, die ja nun mikromechanische Teile in überlagerten Schwingungszuständen zeigt. Aber der Teil der Theorie geht bei Gell-Mann im Mumbo Jumbo von Grob- und Feinkörnigkeit unter, leider.

  18. #18 MartinB
    15. November 2010

    @Jörg
    Ja, und wie soll die Dekohärenz für die Spaltung sorgen? Das ist doch letztlich genauso unklar wie bei der Kopenhagener Deutung, oder? Ich dachte, das wäre gerade der Witz bei der Viele-Welten-Theorie, dass man genau das nicht braucht, weil man einfach leugnet, dass es einen R-Prozess überhaupt gibt.

  19. #19 Jörg Friedrich
    15. November 2010

    Die Many-Minds-Theorie unterscheidet sich von der Many-Worlds-Theorie durch die Beantwortung der Frage, wann der Kollaps (genauer gesagt die Aufspaltung der Welten oder eben der Minds [Mind hier mit Geist zu übersetzen schafft vielleicht mehr Verwirrung als Klärung]) “stattfindet”. Interessant ist eben, dass man empirisch gar nicht so einfach entscheiden kann, ob der Kollaps nicht etwas ist, was erst beim Bewusst-werden des Messergebnisses stattfindet.

    In der Viel-Welten-Variante befindet sich jeder Mensch mit seinem aktuellen Geisteszustand in jeder der aufgespaltenen Welten, in der es jeweils ein Messergebnis gibt. In der Many-Minds-Variante ist in der Welt nichts aufgespalten, aber der Geist spaltet sich bei jeder Bewusst-Werdung einer Messung auf. Die gefühlte Absurdität ist bei beiden Varianten ungefähr gleich.

    Im englischen Wikipedia-Artikel zu Wigners Freund findet man eine kleine Erläuterung und einen weiteren Link.

  20. #20 MartinB
    15. November 2010

    @JF
    Danke für den Link – wenn ich es richtig verstehe ist der Unterschied, ab welchem Moment die Aufspaltung irreversibel ist, also eine Interferenz der beiden Äste nicht mehr möglich ist? Bei der Many-Minds-Theorie entscheidet das Bewusstsein, bei der Viele-Welten-Theorie eine Form von Dekohärenz?
    Einen echten “Kollaps” gibt es aber ja nicht, das Gesamt-Universum bleibt ja immer in einer Überlagerung.

  21. #21 Jörg
    15. November 2010

    Ja, und wie soll die Dekohärenz für die Spaltung sorgen? Das ist doch letztlich genauso unklar wie bei der Kopenhagener Deutung, oder? Ich dachte, das wäre gerade der Witz bei der Viele-Welten-Theorie, dass man genau das nicht braucht, weil man einfach leugnet, dass es einen R-Prozess überhaupt gibt.

    Das habe ich leider, selbst wenn er es geschrieben hat, bei Gell-Mann nicht verstanden. Es scheint ihm drum zu gehen, zu erklären warum Schrödingers Katze nicht gleichzeitig tot und lebendig ist…Gell-Mann ist deutlich zu intelligent um anschauliche Vergleiche zu verstehen glaube ich 😉
    Ich denke aber, dass er jegliche Bezüge zum menschlichen Bewusstsein (zurecht) als gewaltigen Quatsch abtun würde.

  22. #22 Jörg
    15. November 2010

    *seufz* Es scheint echt ein Multiversum an MWIs zu geben…

    https://www.anthropic-principle.com/preprints/manyworlds.html

    Und die Gell-Mann/Hartle-Variante wird nicht einfacher…

    Gell-Mann and Hartle, in particular, have extended the role of
    decoherence in defining the Everett worlds, or “histories” in their
    nomenclature. They call their approach the “many-histories” approach,
    where each “coarse-grained or classical history” is associated with a
    unique time-ordered sequence of sets of irreversible events, including
    measurements, records, observations and the like. (See “What is a
    measurement?”) Fine-grained histories effectively relax the
    irreversible criterion. Mathematically the many-histories approach is
    isomorphic to Everett’s many-worlds.

    The worlds split or “decohere” from each other when irreversible events
    occur. (See “Why do worlds split?” and “When do worlds split?”.)
    Correspondingly many-histories defines a multiply-connected hierarchy
    of classical histories where each classical history is a “child” of any
    parent history which has only a subset of the child defining
    irreversible events and a parent of any history which has a superset of
    such events. Climbing up the tree from child to parent moves to
    progressively coarser grained consistent histories until eventually the
    top is reached where the history has *no* defining events (and thus
    consistent with everything!). This is Everett’s universal wavefunction.
    The bottom of the coarse-grained tree terminates with the maximally
    refined set of decohering histories. The classical histories each have
    a probability assigned to them and probabilities are additive in the
    sense that the sum of the probabilities associated a set classical
    histories is equal to the probability associated with the unique parent
    history defined by the set. (Below the maximally refined classical
    histories are the fine grained or quantum histories, where probabilities
    are no longer additive and different histories significantly interfere
    with each other. The bottom level consists of complete microstates,
    which fully specified states.)

    The decoherence approach is useful in considering the effect of the
    environment on a system. In many ways the environment, acting as a heat
    sink, can be regarded as performing a succession of measurement-like
    interactions upon any system, inducing associated system splits. All
    the environment basis is is a basis chosen so as to minimise the cross-
    basis interference terms. It makes any real-worlds calculation easy,
    since the cross terms are so small, but it does not *uniquely* select
    a basis, just eliminates a large number.

    Come again?

  23. #23 Matthias Redies
    29. November 2010

    Hallo,
    ich habe diese Serie als erstes von scienceblogs.de gelesen und ich bin sicher ich werde ab jetzt hier regelmäßig lesen. Das ist mit Abstand beste Erklärung der Schrödingergleichung im Internet. Alle anderen setzen entweder viel zuviel Mathematik voraus oder verzichten völlig auf Mathematik, beides finde ich schwer zu verstehen. Hier ist das sehr gut gelöst.

    Zu größtem Dank verpflichtet

    Matthias Redies

  24. #24 Werner
    1. Dezember 2010

    Es gibt noch andere Möglichkeiten, die QM mit der ART in Übereinstimmung zu bringen und Penrose’s Vermutung zu unterstreichen, dass die Rolle der Graviation in der QM nur verstanden werden kann, wenn man tiefere Einblicke in den Messprozess erhält (Penrose – Road to Reality).

    Man muss halt die Perspektive grundlegend ändern. Das Problem besteht im Folgenden: Allgemein aktzeptiert ist, dass unser Universum sich quantenmechanisch durch eine Wellenfunktion beschreiben lassen sollte. Soweit ist das wohl als richtig anzunehmen. Dann folgt üblicherweise der zweite Teilsatz, der besagt, dass sie sich entsprechend der Schrödingergleichung entwickelt. Das mag naheliegend sein, ist aber durchaus nicht zwingend und wird meist nicht näher belegt. Ich halte sie für falsch. Weshalb soll sich das Universum, so wie wir es erleben, nicht in einem quantenmechanischen Kollaps, also einem Messprozess, befinden. Ich kenne keine Arbeit, wo diese legitime Alternative ernsthaft untersucht wird. Ich habe selbst ein mathematisches Modell entwickelt, dass genau diese Möglichkeit aufzeigt: Ein stochastischer Prozess, der nach außen exakt die statistischen Vorhersagen einer Spin-Messung erfüllt und während der Messung nach innen eine relativistische Dynamik aufweist. Wer mehr darüber wissen möchte: Modell und Simulation sind unter https://www.bzus.de/ erreichbar.
    Dieser Weg macht all die komplizierten Argumente, Dekohärenzmodelle, Multiwelten, u.ä. überflüssig. Wenn der in dieser Form weiter gangbar ist – und dagegen spricht aus meiner derzeitigen Sicht nichts, wenn auch meine mathematischen Fähigkeiten immer mehr an Grenzen stoßen – dann sollte man sich die weitere Suche nach dem Graviton und dunkler Materie sparen. Im Modell haben die beobachteten Abweichungen nämlich andere, statistische Ursachen.

  25. #25 MartinB
    1. Dezember 2010

    @Alle
    Wer dem Link von Werner folgt, tut das auf eigene Gefahr: Zumindest auf meinem Rechner versuchte sich ein applet zu starten, und selbst beim Abwürgen des Applets verbrauchte es nach wie vor CPU-Ressourcen (Werner, ist da vielleicht was faul mit deinem Java oder liegt’s an meinem Rechner?)
    Wie genau Werners Theorie aussieht, erfährt man auf der Seite leider ohnehin nicht, dazu müsste man sein Buch kaufen…

  26. #26 Stan
    27. Dezember 2010

    Erstmal Danke für die schnelle Beantwortung meiner Frage in Teil II der Serie.

    Dann noch eine weitere Frage, und zwar zu Schrödingers Katze. So richtig geht mir Erwin Schrödingers Problem nämlich nicht auf. Laut dem Wikipedia-Artikel ist die Katze dort in einer Kiste und wird abhängig davon, ob ein Zählrohr in ebendieser Kiste einen Zerfall einer ebenfalls dort befindlichen radioaktiven Substanz einen Zerfall registriert oder nicht, getötet. Daraus solle dann folgen, dass die Katze bis zur Öffnung der Kiste tot oder lebendig sei, da erst mit der Öffnung der Box die Messung erfolge. Tatsächlich erfolgt eine Messung doch aber schon durch das Geiger-Müller-Zählrohr, oder in deinem Beispiel, wenn das Elektron detektiert wird!?
    Andernorts im Web, habe ich in meinen Augen abenteuerlich anmutende Erklärung gefunden, welche von einem “bewussten Beobachter” spricht. Das klingt also, als wäre es von der Beobachtung durch einen Menschen abhängig, ob eine Wellenfunktion kollabiert oder nicht. Das können die Väter der Kopenhagener Deutung der QM doch unmöglich gemeint haben, oder (zumal eine solche Deutung ja nicht falsifizierbar wäre…)?

  27. #27 Stan
    27. Dezember 2010

    Oh je, bitte entschuldigt das Kauderwelsch.
    “danke” wird wohl klein geschrieben. Ferner sollte es heißen: “[…], ob ein Zählrohr in ebendieser Kiste einen Zerfall einer ebenfalls dort befindlichen radioaktiven Substanz registriert oder nicht.”
    Und im letzten Absatz meinte ich: “Andernorts im Web habe ich eine in meinen Augen abenteuerlich anmutende Erklärung gefunden[…]”.

    Wie peinlich :-/

  28. #28 MartinB
    27. Dezember 2010

    @Stan
    Das Problem ist die Aussage: “Tatsächlich erfolgt eine Messung doch aber schon durch das Geiger-Müller-Zählrohr”.
    Wenn wir die Qm ernst nehmen, dann müsste ja auch das GM-Rohr in einen Überlagerungszustand gehen aus “gemessen” und “nicht gemessen”, den es besteht aus lauter Atomen, die alle mit der SGL beschrieben werden müssen. Woher “weiß” das GM-Zählrohr, dass es eine Messung machen und nicht in einen Überlagerungszustand gehen muss?
    Die Erklärung mit dem Bewusstsein ist eine (ziemlich weit hergeholte), es gibt aber viele andere, dazu gibt’s auch nen Wiki-Artikel über Interpretationen der QM. Oder du besorgst dir “road to reality” von Penrose, der diskutiert das in Kap. 29 sehr gut (und verglichen mit dem Rest des Buches auch auf angenehmen Niveau…).
    Hoffe das hilft erstmal, bin gerade in Eile…

  29. #29 Niels
    27. Dezember 2010

    @Stan
    Die Erklärung mit einem bewussten Beobachter halte ich für eine Überinterpretation.
    Wenn du statt einer Katze einen Menschen nimmst, der in der Kiste sitzt und das Messgerät ablesen kann, ist das Problem doch noch genau das selbe.
    Da liegt wieder eine Superposition vor.
    Obwohl du jetzt einen bewussten Beobachter hast.

    Vielmehr geht es darum, ob die Kiste ein abgeschlossenes oder ein offenes System ist.
    Oder allgemeiner: Wann wird aus einem System in einem quantenmechanischen Überlagerungszustand ein klassischer Zustand?

    Heute benutzt man im wesentlichen die Erklärung mit Hilfe der Dekohärenz. Es gibt immer Wechselwirkungen der Kiste mit der Umgebung, dadurch kommt es zum Kollaps der Wellenfunktion. Auch ohne äußeren menschlichen oder tierischen oder sonst wie bewussten Beobachter.

    Das können die Väter der Kopenhagener Deutung der QM doch unmöglich gemeint haben
    Die Väter der Kopenhagener Deutung haben bewusst darauf verzichtet, den Begriff der Messung genau zu definieren.

    Wie Martin oben geschrieben hat, gibt es das Schröderinger-Katzen-Problem aber in sehr vielen Interpretationen der QM gar nicht.

  30. #30 Stan
    27. Dezember 2010

    Vielen Dank @ MartinB und Niels. Eure Kommentare waren sehr hilfreich! Ich denke zumindest, dass ich das Problem jetzt weitgehend erfasst habe. Zudem habe ich mir auch mal den Wiki-Artikel zu den Interpretationen der QM zu Gemüte geführt und “Road to Reality” in meiner Bibliothek vormerken lassen.

  31. #31 Werner
    11. April 2011

    leider habe ich erst jetzt den kurzen Kommentar gelesen von MartinB vom 1.12.2010. Das auf der Seite erwähnte Buch ist nur die populärwissenschaftliche Version. Wer ernsthaft Interesse daran hat, kann gerne von mir die PDF zum Buch bekommen – ohne zu kaufen. Das eigentliche Modell aber ist dort ohnehin frei verfügbar – in englisch mit viel Mathematik – aber unabsichtlich wohl etwas versteckt unter der Seite “DualReality” oben rechts hinter der kreisförmigen Grafik. Java startet übrigens hier, weil die Simulation des Modells auf der gleichen Seite angeboten wird. Bei mir läuft das immer sicher an, mag aber Abhängigkeiten zu bestimmten Java-Versionen oder Browsern haben. Ich arbeite idR unter Firefox mit Java SE.

    Die Internet-Adresse war als Spam-Adresse gespeichert, deswegen wurde es nicht freigeschaltet, sorry.

  32. #32 Tobias
    25. Januar 2013

    Ich habe noch eine Frage zu der Unschärferelation:

    ħ/2 ≤ ΔE Δt

    Ist das tatsächlich eine gültige Unschärferelation? Wenn ich das recht verstanden habe, kommt es bei Unschärferelationen darauf an, ob die zwei Operatoren der Messwerte im Bezug auf die Wellenfunktion kommutieren oder nicht. So weit ich weiß, gibt es aber doch gar keinen Operator für die Zeit, oder?

  33. #33 MartinB
    26. Januar 2013

    @Tobias
    Die Zeit-Energie-Unschärfe ist eine spezielle Art der Unschärfe, und zwar genau aus dem Grund, den du nennst: Die Zeit ist kein Operator. Anders als bei den andreen muss man hier genau klären, was das Delta-t eigentlich ist. Kann ich hier auf die Schnelle gerade nicht erklären – es steht ganz hervorragend erklärt im Buch von Morrison “Understanding quantum physics”.

  34. #34 Niels
    26. Januar 2013

    Die allgemeine Bedeutung von Delta-t ist leider nicht besonders anschaulich. Da wie erwähnt die Zeit in der QM nur ein Parameter ist und keine Observable, lässt sie sich nur indirekt mit Hilfe irgendeiner observablen Größe bestimmen.
    Delta-t ist dann allgemein die charakteristische Zeitspanne, die es braucht, bis sich diese Observable um eine Standardabweichung verändert.

    Da die Zeit-Energie-Unschärfe nicht wie die anderen Unschärfe-Relationen direkt aus der mathematischen Struktur der Quantenmechanik folgt, wird sie soweit ich weiß als weniger grundlegend betrachtet.

    Frage am Rande:
    Wie rettet man die Zeit-Energie-Unschärfe eigentlich bei stationären Zuständen, also Eigenzuständen des Hamilton-Operators? Trickst man da irgendwie mit Delta-t = unendlich herum?

  35. #35 MartinB
    26. Januar 2013

    @Niels
    Das ist doch kein Trck, oder? Energieeigenzustände sind stabil, also kann es kein delta-t bei irgendwelchen Obersvablen geben. Oder umgekehrt: Um nachzuweisen, dass ein Zustand ein Energieeigenzustand ist, muss ich ihn über uendlich lange Zeit beobachten, um zu sehen, ob er stabil ist.

  36. #36 Niels
    27. Januar 2013

    @MartinB
    Ich kenn mich mittlerweile leider echt nicht mehr so gut mit den Grundlagen der QM aus, dass muss ich irgendwann mal wiederholen.
    Mir geht es konkret darum, wie man in diesem Fall mit der Ungleichung umgeht. Man kann doch nicht sagen, dass Null mal unendlich größer ist als hquer-Halbe.
    Wie löst man das nochmal?

  37. #37 MartinB
    27. Januar 2013

    @Niels
    Das weiß ich auf Anhieb auch nicht – ich denke, man macht einen Grenzübergang. Gilt Ähnliches aber nicht auch für andere Unschärfe-Relationen (Ort-Impuls ist o.k., weil Impulseigenzustände nicht normierbar sind, aber was ist mit den Drehimpuls-relationen?)?

  38. #38 Niels
    28. Januar 2013

    @MartinB
    Ja, müsste bei anderen Relationen auch vorkommen.
    Schon klar, dass das irgendwie aus ner Grenzwertbetrachtung folgen muss, ich hab aber im Moment keine Ahnung, wie das funktioniert. Ärgert mich irgendwie, weil das bestimmt nicht besonders schwer ist.
    Ich dachte du wüsstest das wahrscheinlich aus dem Stegreif, weil du in den Grundlagen extrem fit bist.

    Das ist aber überhaupt nicht wichtig und war auch nicht als Kritik an der Energie-Zeit-Unschärfe gemeint, sondern tatsächlich als davon unabhängige Frage am Rande, die mir spontan eingefallen ist.

    Mach dir keine Gedanken, wenn mir das morgen noch wichtig genug ist, geh ich mal bei der UB vorbei und schau in ein paar QM-Grundkursbücher nach.

  39. #39 MartinB
    28. Januar 2013

    “Fit” bin ich eigentlich nur beim Verständnis – über den Formalkrams mache ich mir immer weniger Gedanken…

  40. #40 Gebhard Greiter
    15. Februar 2013

    Everetts Viele-Welten-Theorie kann nichts erklären, was man nicht auch erklären kann, wie beschrieben im Diskussionsbeitrag Die Welt besteht aus Vergangenheit, Gegenwart, und Varianten möglicher Zukunft.

    Genau deswegen glaube ich nicht mehr an sie.

  41. #41 MartinB
    15. Februar 2013

    Au weia. Zitat:
    “denn es gilt ja ganz offensichtlich:
    Die Welt besteht aus Vergangenheit, Gegenwart, und Varianten möglicher Zukunft.”
    Na klar, wenn man das, was man beweisen will, vorne reinsteckt, kommt es hinten raus.

  42. #42 Realistischer
    5. Mai 2013

    Warum der armen Katze unrealisierbare Überlagerungszustände unterstellen? Die kann doch nichts dafür!
    Ich bin für die minimale Interpretation, die in Wellenfunktion und Überlagerungszustand die Erwartung an das nächste Messergebnis sieht. Alles darüber hinaus bleibt mangels Messbarkeit der freien Spekulation überlassen.

  43. #43 MartinB
    5. Mai 2013

    @Realistischer
    Tja, und was sagt mir das dann über die Welt aus? Besteht die Welt tatsächlich nur aus “Erwartungen” oder gebe ich den Anspruch, dass die Objekte der Physik etwas mit denen der Realität zu tun haben, auf?
    Natürlich ist das letztlich Spekulation, aber schon eine mit einem ziemlich bedeutenden Hintergrund.

  44. #44 Realistischer
    5. Mai 2013

    @MartinB
    Die real existierenden Objekte der Quantenphysik sind die Messungen. Was zwischen den Messungen passiert, kann man weder sehen noch hören noch sonstwie empirisch erfassen.
    Mit welcher naturwissenschaftlichen Methode will man also bitte etwas nachprüfbares darüber aussagen können? Ich kenne keine. Was ich aber schon kenne ist das Rasiermesser eines gewissen Hern Ockham.

  45. #45 MartinB
    6. Mai 2013

    @Realistischer
    Das ist ja o.k., ist im wesentlichen die Kopenhagener Deutung. Man gibt eben nur den Anspruch auf, die Physik könne herausfinden, was die Objekte der Realität sind oder etwas über sie aussagen.
    Ockham’s razor ist ja eher eine Richtlinie als eine Regel, muss man ja nicht immer anwenden.

  46. #46 Realistischer
    6. Mai 2013

    @MartinB
    Irgendeinen Realitätsbezug sollte die Physik aber schon anstreben, sonst wird’s doch völlig sinnlos. Vllt. zur Abgrenzung, ich verstehe unter Objekten der Realität jene die im Gegensatz zu Objekten der Fantasie auch ausserhalb menschlicher Gedanken vorzufinden sind. Und dazu zählen zwar Messungen, aber untote Katzen wären mir neu.

  47. #47 MartinB
    6. Mai 2013

    @Realistischer
    Dann gibt es also Messungen, aber keine Objekte, die gemessen werden? Es existieren also nur Ereignisse, aber keine Dinge, mit denen sich diese Ereignisse ereignen?
    Ich finde das auch nicht unproblematisch.

  48. #48 Realistischer
    6. Mai 2013

    @MartinB
    Ich finde es aber sehr verwirrend und widersprüchlich wenn von Objekten mit unmöglich erscheinenden Eigenschaften gesprochen wird, und auf kritisches Nachfragen kommt heraus dass man über diese Objekte eigentlich eh nichts sagen kann – was aber offensichtlich niemanden davon abhält es trotzdem zu tun. Ernst nehmen kann ich sowas nicht.

  49. #49 MartinB
    6. Mai 2013

    @Realistischer
    Dann sprichst du also in physikalischen Argumentationen nicht von Elektronen oder Photonen, sondern immer nur von Messereignissen?
    Macht das die Erklärung von Vorgängen nicht ziemlich umständlich – statt “Ein Elektron fällt vom angeregten Zustand in den Grundzustand und sendet ein Photon aus”, sagst du dann genau was?

  50. #50 Realistischer
    6. Mai 2013

    @MartinB
    Es ist schon ein Unterschied ob es eine sachlich begründete, zuverlässige Theorie gibt, oder ob die Interpreationenen eher nach subjektivem Geschmack oder sozialen Mehrheitsverhältnissen heraus gewählt werden.
    Wenn die Sachlage so unklar ist, frage ich einfach nur nach der empirischen Überprüfbarkeit, alles weitere sollen sich die Proponenten selber ausdiskutieren. Solange es keine Empirie gibt, kann man leicht viel reden…

  51. #51 MartinB
    6. Mai 2013

    @Realistischer
    Das beantwortet meine Frage jetzt nicht wirklich. Oben hast du gesagt “Die real existierenden Objekte der Quantenphysik sind die Messungen. ”

    Wie beschreibst du einen Vorgang wie den Übergang eines Elektrons zwischen zwei Energieniveaus nur durch Messungen? Oder beschreibst du solche Vorgänge gar nicht, weil sie nicht direkt messbar sind – dann wird’s mit der Vorhersage von prozessen aber schwierig, oder (nur mit Messprozessen kann ich ja nicht mal die Schrödingergleichung verwenden – Wellenfunktionen sind ja nicht messbar)?

    Natürlich ist es richtig, dass man sich beliebig (und wenig fruchtbar) darüber streiten kann, was denn nun ein Elektron “ist” – aber ohne die Annahme, dass es in der natur mehr als nur Messergebnisse gibt, kommt man bei der Beschreibung der Welt nicht wirklich aus, oder?

  52. #52 Realistischer
    6. Mai 2013

    @MartinB
    Stimmt schon, man braucht etwas um die einzelnen Messungen in einen Bezug zueinander setzen zu können.
    Mein Problem z.B. damit dass sich Elektronen quasi duplizieren ist, dass sich das so garnicht mit den bekannten Theorien, und noch nicht mal’ mit den allgemeinen Grundannahmen der Physik, vereinbaren lässt. Das passt einfach nicht.
    Der Rückzug auf die Messergebnisse löst dieses Problem. Wenn man eine weiter reichende Theorie will, sollte man eine finden die nicht so widersprüchlich zu anderen ist. Es sei denn sie lässt sich vollständig aus den Messergebnissen ableiten, dann kann sie auch unabhängig bestehen.

  53. #53 MartinB
    6. Mai 2013

    Das mit dem duplizieren von Elektronen hab ich nicht verstanden – wer nimmt denn sowas an?
    “Der Rückzug auf die Messergebnisse löst dieses Problem.”
    Verstehe ich nach wie vor nicht. Es gibt meines Wissens keine Formulierung der QM, die ausschließlich auf Messergebnissen beruht – das kann auch eigentlich nicht gehen, weil man die Zeitentwicklung der Wellenfunktion ja gerade nicht durch Messungen beschreiben kann.
    Das grundlegende Problem ist ja , dass jede Interpretation der QM entweder nicht realistisch oder nicht-lokal ist. Wenn du dich auf messergebnisse zurückziehst (und wie bei Kopenhagen alles andere lediglich als Hilfsgrößen ohne Bezug zur realen Welt betrachtest), dann ist deine Interpretation halt nicht-realistisch.

  54. #54 Realistischer
    7. Mai 2013

    @MartinB
    Ich finde den Rückzug auf die Messergebnisse schon realistisch. Denn realistisch betrachtet kann man nicht mehr über die Umwelt wissen als man durch diverse Sensoren von dieser aufnimmt. Alles weitere ist interne Informationsverarbeitung und Interpretation, deren Ergebnis zufällig mit dem übereinstimmen könnte was “da draussen” vor sich geht, was man aber niemals wissen kann. Man kann nur die Messungen verfeinern und ggf. herausfinden dass die vorigen Interpretationen immer noch anwendbar sind, bzw. anzupassen sind.

    Was die duplizierten Elektronen betrifft: so ein Elektron hat doch eine Masse. Was passiert mit dieser, wenn das Elektron auf so eine Barriere trifft? Verdoppelt sie sich und das eine Doppel verfällt dann wieder? Halbiert sie sich und die eine Hälfte vereinigt sich dann wieder mit der anderen? Verschwindet sie um irgendwo wieder aufzutauchen? Was ist mit der Einwirkung der Gravitation? Gibt es die nicht wenn man sie nicht misst? Oder wirkt die so wie es der Wellenfunktion entspricht? Und wo sind die empirischen Belege dafür, denn mit den bekannten Theorien ist das nicht kompatibel, und eine neue, ohne Empirie, ja, eh, hat man halt keine und sagt dass man das auch ohne einfach glauben sollte… Amen.

  55. #55 MartinB
    7. Mai 2013

    @Realistischer
    “ch finde den Rückzug auf die Messergebnisse schon realistisch. ”
    Das ist aber nicht der Realismus-Begriff, der in Interpretationen der Qm verwendet wird. Realistisch heitß “Es gibt in der Welt Objekte, die den Entitäten der Theorie entsprechen.” In einer realistischen Interpretation der QM geht man also davon aus, dass es Dinge wie Elektronen oder Wellenfunktionen tatsächlich gibt.

    “Was passiert mit dieser, wenn das Elektron auf so eine Barriere trifft? Verdoppelt sie sich und das eine Doppel verfällt dann wieder”
    Natürlich nicht. Das Elektron hat eine Wahrcheinlichkeit, links oder rechts der Barriere zu sein, und die Summe über alle Aufenthaltswahrscheinlichkeiten ist gleich 1. Da verdoppelt sich keine Masse.

    “Und wo sind die empirischen Belege dafür”
    Wofür? Dafür dass es solche Zustände gibt? Die gibt’s massenweise (Stichwort Bellsche Ungleichung, Verschränkung, delayed choice, etc.) Oder für die Gravitationswirkung? Da es dazu keine funktionierende Theorie gibt, gibt es auch keine Belege (oder andersrum, da es keine guten Experimente gibt, die die Wirkung der Gravitation im Quantenmaßstab nachweisen können, haben wir bisher keine brauchbare Theorie).

    Mit Glauben und “Amen” hat das alles nichts zu tun (und ich finde diesen Nachsatz von dir ehrlich gesagt ziemlich unpassend).

  56. #56 Realistischer
    7. Mai 2013

    @MartinB
    Also wenn die Interpretation jene ist, dass die Wellenfunktion die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons darstellt, dann würde das bedeuten dass 1. das Elektron sich wirklich nur links ODER rechts befindet, und 2. dass die Wellenfunktion also das nächste Messergebnis vorhersagt, aber NICHT dass das Elektron sich in einem Überlagerungszustand aus links und rechts befindet (weil das Punkt 1 widersprechen würde).

    Mit anderen Worten: der Erwartungswert dafür, die Katze lebendig oder tot vorzufinden ist je 50 %, aber die Katze befindet sich NICHT in einem Überlagerungszustand aus lebendig und tot.

    Damit wäre ich vollständig einverstanden. Es passt auch zu dem, was Sie vorhin gepostet haben. Nur, leider, es passt nicht zum Katzenexperiment vom Schrödinger, und auch nicht zu dem was im Artikel da oben geschrieben steht.

    Tut mir leid, ich kann das immer noch nicht ernst nehmen, weil es in sich widersprüchlich ist. (Die Religion ist das auch ganz schamlos, der Vergleich bietet sich also schon irgendwie an.)

  57. #57 MartinB
    7. Mai 2013

    @realistischer
    “dann würde das bedeuten dass 1. das Elektron sich wirklich nur links ODER rechts befindet, und 2. dass die Wellenfunktion also das nächste Messergebnis vorhersagt, aber NICHT dass das Elektron sich in einem Überlagerungszustand aus links und rechts befindet (weil das Punkt 1 widersprechen würde).”
    Nein, das ist falsch. Das Elektron befindet sich entweder links oder rechts, wenn wir es messen, wenn wir es nicht messen, befindet es sich in einem Überlagerungszustand. Die Wellenfunktion kann auch gerade keine einzelnen Messergebnisse vorhersagen.

    “weil es in sich widersprüchlich ist. ”
    Tipp: Wenn man einen inneren Widerspruch in einem der Grundgebiete der Physik, das seit Jahrzehnten erforscht wird, entdeckt zu haben glaubt, möge man sich zunächst fragen, ob man nicht etwas falsch verstanden hat (und das ist nach dem oben geschriebenen ganz klar der Fall).

  58. #58 Realistischer
    7. Mai 2013

    @MartinB
    Also wenn das Elektron in einem Überlagerungszustand ist — welche Gravitation übt es dann aus? Ist die auch überlagert (sprich, ist die Masse entlang der Wellenfunktion verteilt), oder gibt es keine wenn man sie nicht misst? Und wie ist das mit den bekannten Theorien vereinbar?

    Diese Fragen sind nach wie vor offen. Sie haben sie auch nicht beantwortet. Wenn Sie sie nicht beantworten können, dann erlaube ich mir weiterhin, darauf hin zu weisen. Dass Sie mir Unverständnis vorwerfen, bitte, tun Sie das, ich halte es aber nur für eine Schutzbehauptung.

  59. #59 MartinB
    7. Mai 2013

    @Realistischer
    Das weiß man schlicht und einfach nicht genau – man kann davon ausgehen, dass es ähnlich ist wie mit der elektrischen anziehung: In guter Näherung kann man das Elektron über seine “verschmierte” Wellenfunktion mitteln, so dass das Feld dem einer Ladungsverteilung entspricht; wenn man es genau machen will, muss man auch das elektrische Feld quantenmechanisch behandeln, das führt dann zur Quantenfeldtheorie. Eine QFT für die Gravitation haben wir aber leider nicht.

    Darauf darf man natürlich hinweisen, das tue ich auch ständig hier im Blog.
    Das rückt aber weder die Physik irgendwie konzeptionell in die Nähe der Religion (im Gegenteil, Dinge, die wir nicht verstehen, finden wir besonders spannend), noch macht es die obigen Aussagen zur Wellenfunktion richtig. Es ist auch nicht in sich widersprüchlich, sondern einfach etwas, das wir nicht wissen.

  60. #60 Realistischer
    8. Mai 2013

    @MartinB
    Und was man nicht weiß, muss man glauben – oder eben nicht. Auf Basis der Ungläubigkeit kann man sagen dass das alles Erfindungen sind die von der Hoffnung leben eines Tages doch noch eine empirische Bestätigung zu finden. Das Himmelreich wird kommen. Und die Beziehungen zur Religion sind näher als Sie denken.
    Aber jetzt ist wohl genug diskutiert, weil, mit Glaubenskonflikten kommt man nie weiter.

  61. #61 MartinB
    8. Mai 2013

    @Realsitischer
    “Und was man nicht weiß, muss man glauben – oder eben nicht.”
    Verstehe ich nicht. Was genau muss ich glauben, wenn ich sage “Wir wissen nicht, wie die korrekte Theorie der Quantengravitation aussieht”? Wir wissen es einfach nicht Wir wissen im Moment auch nicht, ob es eine “korrekte” Interpretaton der QM gibt (momentan machen alle dieselben Vorhersagen, aber wer weiß, ob das immer so bleiben wird.)

    Ich halte es mit Commander Data
    “Captain, the most elementary and valuable statement in science, the beginning of wisdom, is, “I do not know””

    “Auf Basis der Ungläubigkeit kann man sagen dass das alles Erfindungen sind”
    Nun ja, wir haben ja schon ein paar Millionen oder Milliarden Experiemte, die wir mit unserer Theorien korrekt beschreiben und vorhersagen können (jedesmal, wenn ich den Computer hochfahre, bestätige ich die QM) – das ist mit religiösem Glauben dann doch nicht ganz vergleichbar (genau wie viele empirische Befunde gibt es für die Existenz Gottes?)

    Zum Thema Physik und Glauben empfehle ich ansonsten diesen text hier:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2010/12/10/physik-und-geist-dialog-uber-zwei-weltsysteme/

  62. #62 Tobias
    8. Mai 2013

    Wirklich gerade ein spannende Diskussion. Leider hatte ich nicht früher die Zeit, meine eigenen Gedanken dazu auszuführen, weshalb ich ein wenig mit den Argumenten hinterher hinke. Sorry.

    @MartinB: Zur Anmerkung “Wie beschreibst du einen Vorgang wie den Übergang eines Elektrons zwischen zwei Energieniveaus nur durch Messungen? Oder beschreibst du solche Vorgänge gar nicht, weil sie nicht direkt messbar sind” — Ist das dazugehörige Experiment nicht die spektroskopische Untersuchung, das Messerergbnis die Absorbtion (Emission) von elektromagnetischer Strahlung? Und gerade diese Experimente haben – zumindest in der und für die Chemie – ja dann auch unser Verständnis der QM vorangetrieben.

    Allerdings ist das Argument “Nun ja, wir haben ja schon ein paar Millionen oder Milliarden Experiemte, die wir mit unserer Theorien korrekt beschreiben und vorhersagen können” leider nicht zulässig, um die Korrektheit zu bestätigen, oder? Sagt Karl Popper nicht, das eine Theorie nur widerlegt, aber nie (endgültig) bestätigt werden kann? Gut, Gottesbeweise sind ein anderes Thema…

    @Realistischer: Vielleicht hilft Dir eine Analogie, um Dich ein wenig mit der Wellenfunktion zu versöhnen. Die klassische (Newtonsche) Mechanik erlaubt recht gut (relativistische Effekte außer Acht lassend), die Umlaufbahn eines Planeten um die Sonne. Es gibt exakt eine mögliche Umlaufbahn. Sie ist eindeutig definiert und (nummerisch) berechenbar. Sie erlaubt die korrekte Vorhersage über zukünftige Positionen des Planeten. Aber *existiert* die Umlaufbahn (oder ist sie *real*)?

    Ich verstehe auch nicht, warum Dich die Unvollständigkeit der QM so stört. Klar, sie erklärt noch nicht alles (vor allem noch nicht die Vereinheitlichung mit der Gravitation), aber eben doch viel mehr, als die klassische Mechanik. Soll ich jetzt also ein neue, bessere Theorie verwerfen, nur weil man bereits weiß, dass sie unvollständig ist? Und dafür greife ich auf die noch weniger vollständige bisherige Theorie zurück?

    Als letzter Tipp: Vielleicht versöhnt Dich die De-Broglie-Bohm-Theorie ein wenig mit der QM: Die grobe Idee (so wie ich das verstehe. Ich weiß auch nur, dass es diesen alternativen Ansatz gibt, habe mich aber nie eingehend damit beschäftigt.) ist die Annahme einer Führungsfunktion, die die Mechanik der Teilchen vorgibt, aber NICHT identisch mit den Teilchen ist. Der Teilchen-Welle-Dualismus wird damit aufgehoben, indem beides koexisitiert.

  63. #63 MartinB
    8. Mai 2013

    @Tobias
    Ja, das zugehörige Experiment ist die spektroskopische Messung, aber wie beschreibe ich damit sinnvoll z.B. das Emissionsspektrum einer Gaswolke im Orionn-nebel – nur mit dem, was ich hier in meinem Spektrometer tue?

    “leider nicht zulässig, um die Korrektheit zu bestätigen, oder? ”
    Es ist in meinen Augen zulässig, um zu zeigen, dass das nicht bloß “Erfindungen” sind, wie Realistischer behauptet, sondern Aussagen über die Welt, die eine hohe Vorhersagekraft haben. Wenn ich sehr viele sehr unterschiedlcihe Experimente korrekt vorhersagen kann, dann muss an meiner Theorie schon irgend etwas dran sein. Und natürlich kann eine Theorie nachträglich falsifiziert werden; so gute Theorien wie die QM (oder z.B. die klassische Physik) gehen dann aber als Grenzfall in der neuen Theorie auf.

    Was die de-Broglie-Bohm-Theorie angeht, die hat ihre eigenen Schwierigkeiten, weil sie einen letztlich objektiven Kollaps der Wellenfunktion annimmt, was nicht unproblematisch ist, weil das nur in einem ausgezeichneten Bezugssystem funktioniert – man hat da einen gewissen Konflikt mit der Relativitätstheorie. Der Versuch, eine echte Quantenfeldtheorie auf den Pilotwellen aufzubauen, ist meines Wissens auch nicht vollständig geglückt. Insofern hat diese Idee auch ihre Probleme.

  64. #64 Realistischer
    8. Mai 2013

    Wenn manches in einer Theorie Vorhersagekraft hat, anderes nicht, dann kann man das Unvollständigkeit nennen, und sich darüber freuen dass die Vorhersagen so gut sind.
    Man kann sich aber auch darüber ärgern dass da so unbestätigte, wenn nicht gar unbestätigbare Bestandteile mit drinn sind. Noch dazu wenn man sich selber herausfiltern muss was was sein könnte. Ein Chaos.

  65. #65 MartinB
    8. Mai 2013

    @Realistischer
    Nein, das ist kein Chaos, das ist Wisseschaft: Der Versuch, Dinge herauszufinden, die man noch nicht weiß.

  66. #66 Realistischer
    9. Mai 2013

    @MartinB
    Deshalb schreibt man dann auch über Dinge, die man noch nicht weiß. Freie Spekulation habe ich das anfangs genannt.

  67. #67 MartinB
    9. Mai 2013

    @Realistischer
    Und genau deswegen schreibe ich hier auch nur über Dinge, die man ziemlich sicher weiß – nämlich wie die QM ohne Gravitation funktioniert. Und über die Dinge, die man nicht weiß, nämlich welche Interpretation die “richtige” ist. Was nun eigentlich deine Kritik ist, ist mir nach wie vor nicht klar.
    Wie du dir den Rückzug nur auf Messergebnisse vorstellst und wie man in einer solchen Sprache/Denkweise sinnvolle Physik betreiben soll, blieb ja auch leider unbeantwortet.

  68. #68 Realistischer
    9. Mai 2013

    @MartinB
    Anscheinend unterscheiden sich unsere Sicherheits-Niveaus…

    Übrigens bin ich nicht für einen strikten Rückzug auf die Messergebnisse, ich finde aber dass diese den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellen, von dem aus man dann in verschiedene Richtungen spekulieren kann.

  69. #69 MartinB
    9. Mai 2013

    @Realistischer
    “Anscheinend unterscheiden sich unsere Sicherheits-Niveaus…”
    Physik ist nie sicher – ein Kern der Physik besteht darin, dass man Dinge, die man nur an einigen Systemen herausgefunden hat, verallgemeinert und in neue Bereiche überträgt.

    “Übrigens bin ich nicht für einen strikten Rückzug auf die Messergebnisse, ich finde aber dass diese den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellen, von dem aus man dann in verschiedene Richtungen spekulieren kann.”
    Wie gesagt, ich sehe nicht, wie man nur mit der Formulierung von Messergebnissen physikalische Vorgänge einleuchtend beschreiben kann. Dass die Messergebnisse am Ende alles sind, was wir haben, ist klar, aber wir brauchen auch Modelle, sonst kommen wir nicht weiter.

  70. #70 Niels
    9. Mai 2013

    @Realistischer @MartinB

    Ich bin für die minimale Interpretation, die in Wellenfunktion und Überlagerungszustand die Erwartung an das nächste Messergebnis sieht.
    […]
    Mit anderen Worten: der Erwartungswert dafür, die Katze lebendig oder tot vorzufinden ist je 50 %, aber die Katze befindet sich NICHT in einem Überlagerungszustand aus lebendig und tot.

    Das wäre dann die Ensemble-Interpretation/Statistische Interpretation, oder?
    https://en.wikipedia.org/wiki/Ensemble_Interpretation
    Die finde ich aber ehrlich gesagt ziemlich nutzlos, weil sie eben besonders wenig über die Realität aussagt. Da sehe ich keinen großen Fortschritt gegenüber “shut up and calculate”.

    @Realistischer

    Übrigens bin ich nicht für einen strikten Rückzug auf die Messergebnisse, ich finde aber dass diese den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellen, von dem aus man dann in verschiedene Richtungen spekulieren kann.

    Eigentlich ist doch vielmehr der mathematische Formalismus, der die Messergebnisse vorhersagt, der kleinste gemeinsame Nenner.
    Wenn man das als Ausgangspunkt für Spekulationen verwendet landet man dann natürlich gerade bei den verschiedenen Interpretationen der Quantenmechanik.

    Wenn manches in einer Theorie Vorhersagekraft hat, anderes nicht, dann kann man das Unvollständigkeit nennen, und sich darüber freuen dass die Vorhersagen so gut sind.
    Man kann sich aber auch darüber ärgern dass da so unbestätigte, wenn nicht gar unbestätigbare Bestandteile mit drinn sind.

    Wenn man aus der mathematischen Formulierung einer physikalischen Theorie Rückschlüsse auf die Wirklichkeit/Realität ableitet (also eine Interpretation aufstellt), führt das zwangsläufig zu Aussagen, die einer empirischen Überprüfung nicht mehr zugänglich sind.
    Damit ist nach deinem Sprachgebrauch prinzipiell jede physikalische Theorie “unvollständig”.
    Der grundlegende Unterschied bei der Quantenmechanik ist die Tatsache, dass Interpretationen nicht gleichzeitig lokal und realistisch sein können. Das verträgt sich überhaupt nicht mit unserer Alltagserfahrung. Ockham kann uns hier nicht aus der Klemme helfen, wir können einfach keine der möglichen Interpretationen ausschließen.
    Deswegen ist diese “Unvollständigkeit” in der QM besonders deutlich und auffällig.

    Anscheinend unterscheiden sich unsere Sicherheits-Niveaus…

    Ich halte es für wahrscheinlicher, dass sich eher eure Fachkenntnis-Niveaus unterschieden. 😉

  71. #71 Realistischer
    10. Mai 2013

    @Niels
    A propos Fachkenntnis: ich kenne den Unterschied zwischen Modell und Modellierungsgegenstand – und ich halte das Modell nicht für den Modellierungsgegenstand. Und Theorien nicht für die Realität. Realismus ist für mich Realitätsbezug, und nicht einfach die Behauptung von Realismus.
    Ich bin allerdings kein Physiker, das stimmt. Der Realismus-Begriff der Phyisker ist mir aber trotzdem – fachlich begründet – ziemlich suspekt.

  72. #72 MartinB
    10. Mai 2013

    @Realistischer
    Die interessante Frage ist doch: Ist es möglich, dass wir ein Modell der Realität haben, dass diese exzellent vorhersagt und dessen Entitäten trotzdem nichts mit denen der realen welt zu tun haben?
    Dazu habe ich ja auch früher schon viel geschrieben:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/08/15/ist-die-natur-mathematisch/
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2010/08/31/kann-die-physik-die-welt-erklaren/
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2010/08/20/was-ist-anschauung/

  73. #73 Realistischer
    10. Mai 2013

    @MartinB
    Möglicherweise noch beantwortbar wäre die Frage, was denn die Mathematik alles darstellen kann. (Nicht beantwortbare Fragen sind irgendwie, naja, frustrierend.)

    Leichter zu beantworten ist die Frage, ob jene Aspekte der Natur, die sich mathematisch darstellen lassen, für uns nützlich sind – die Antwort ist Ja. (Nicht alles ist nützlich, aber genug um die Wissenschaft zu finanzieren.)

    Nicht beantwortbar ist, ob man die Natur vollständig mathematisch darstellen kann (weil man nie wissen kann ob das vermeintlich vollständige Abbild auch wirklich vollständig ist). Vollständigkeit ist bestenfalls dahin gehend möglich dass eine Theorie in sich vollständig geschlossen ist.

    Wiederum einfach zu beantworten ist, ob die Natur mathematisch formulierten Gesetzen gehorcht: Nein. Vielmehr werden diese Gesetze so formuliert und so lange angepasst bis sie das darstellen und vorhersagen können was wir von der Natur wissen – das mit dem Gehorsam ist also genau umgekehrt. (Ein Demokrat würde sagen, die Naturgesetze gehen von der Natur aus.)

    Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass unsere Sinnesorgane auf der einen Seite, und unser Lebenszweck auf der anderen, die grundlegenden Faktoren sind was von der Welt wir wissen können und wollen. Menschliches Wissen kann nur anthropozentrisch sein – das sollte eine Tautologie sein.

  74. #74 MartinB
    10. Mai 2013

    @Realistischer
    “Wiederum einfach zu beantworten ist, ob die Natur mathematisch formulierten Gesetzen gehorcht: Nein. ”
    Woher weißt du das?

    “Vielmehr werden diese Gesetze so formuliert und so lange angepasst bis sie das darstellen und vorhersagen können was wir von der Natur wissen – das mit dem Gehorsam ist also genau umgekehrt. ”
    Und warum ist das möglich? Und wo bleibt jetzt Deine vorher zur Schau gestellte Skepsis – wie unterscheidest du experimentell eine Welt, in der die Natur mathematischen Gesetzen gehorcht, von einer, in der sie das nicht tut, in der man aber trotzdem alles mit mathematischen Gesetzen beschreiben kann?

    “Menschliches Wissen kann nur anthropozentrisch sein – das sollte eine Tautologie sein.”
    Halte ich für extrem fragwürdig. Wir blicken 13,8 Milliarden jahrezurückin die Vergangenheit, wir analysieren Elementarteilchen und Nanopartikel, wir studieren Tiere, die seit Millionen Jahren ausgestorben sind – all das geht extrem weit über jeden anthropozentrismus hinaus, es sei denn, du sagst, dass alles im Universum automatisch auch den Menschen betrifft.

  75. #75 Niels
    10. Mai 2013

    @Realistischer

    Der Realismus-Begriff der Phyisker ist mir aber trotzdem – fachlich begründet – ziemlich suspekt.

    Na ja, deswegen habe ich die Fachkenntnis erwähnt.
    Die Realismus-Definition der Physiker für die Quantenmechanik ist nämlich keineswegs fachlich suspekt, sondern sogar extrem gut durchdacht.
    Wenn man nur ein populärwissenschaftliches Verständnis der Quantenphysik besitzt und wenn man sich noch nie etwas gründlicher mit der Bellschen Ungleichung auseinandergesetzt hat, kann man aber leider nicht wirklich sinnvoll mitdiskutieren.

    Nach der Sache mit den “duplizierten Elektronen” muss man aber davon ausgehen, dass es bei dir sogar beim populärwissenschaftlichen Verständnis noch sehr stark hapert.

    ich kenne den Unterschied zwischen Modell und Modellierungsgegenstand – und ich halte das Modell nicht für den Modellierungsgegenstand. Und Theorien nicht für die Realität. Realismus ist für mich Realitätsbezug, und nicht einfach die Behauptung von Realismus.

    Wie passt das jetzt zu
    Irgendeinen Realitätsbezug sollte die Physik aber schon anstreben?
    Damit bist du schließlich eingestiegen.
    Warum genau hat für die die Quantenphysik keinen Realitätsbezug, andere physikalische Theorien aber schon?
    Du weißt offenbar auch ganz genau, dass es in der Realität keine Überlagerunszustände gibt. Woher?

    Tut mir leid, ich kann das immer noch nicht ernst nehmen, weil es in sich widersprüchlich ist.

    Nein, Überlagerungszustände sind nicht in sich widersprüchlich. Die Quantenphysik ist widerspruchsfrei.
    Nur weil du etwas nicht verstanden hast oder weil es deiner Alltagserfahrung widerspricht, ist es deswegen noch lange nicht in sich falsch oder widersprüchlich.

    Wiederum einfach zu beantworten ist, ob die Natur mathematisch formulierten Gesetzen gehorcht: Nein
    […]
    Vielmehr werden diese Gesetze so formuliert und so lange angepasst bis sie das darstellen und vorhersagen können was wir von der Natur wissen – das mit dem Gehorsam ist also genau umgekehrt.

    Gibts dafür auch Belege?
    Die Artikel von MartinB hast du nicht gelesen, oder?
    Woraus ziehst du eigentlich deine Rückschlüsse über das Wesen der Realität, wenn physikalische Theorien dafür deiner Ansicht nach ungeeignet sind?

    Menschliches Wissen kann nur anthropozentrisch sein – das sollte eine Tautologie sein.

    Anthropozentrisch bedeutet “den Menschen in den Mittelpunkt stellend”.
    Ist es nicht vielmehr so, dass die naturwissenschaftliche Theorien mit der Zeit immer weniger anthropozentrisch wurden? Inwiefern sind die heutigen Theorien denn überhaupt noch anthropozentrisch?

  76. #76 Niels
    10. Mai 2013

    @MartinB
    Oh, du warst wieder schneller und hast mal wieder das Wesentliche schon angesprochen.

  77. #77 MartinB
    11. Mai 2013

    @Niels
    great minds think alike 😉

  78. #78 Realistischer
    11. Mai 2013

    @MartinB
    Woher ich weiß dass die Natur nicht den mathematisch formulierten Gesetzen gehorcht? Ganz einfach: es gibt keinen Kommunikationsmechanismus welcher der Natur diese Gesetze übermitteln würde, von Durchsetzungsmechanismen ganz zu schweigen. In der umgekehrten Richtung – von Natur zu Naturwissenschaftlern und Mathematikern – gibt es das aber sehr wohl.

    Und was die Menschlichkeit des menschlichen Wissens betrifft: wollen Sie etwa abstreiten dass die menschlichen Vorstellungen vom Universum nicht menschlich sind? Na bravo, dann sind wir ja wieder bei den Verhältnissen der Religion und dem Glauben, Gott wäre nicht von Menschen erdacht worden.

    Dumb minds also think alike. Sogar wahrscheinlicher, weil die weniger Variationsmöglichkeiten haben…

  79. #79 MartinB
    11. Mai 2013

    @Realistischer
    “es gibt keinen Kommunikationsmechanismus welcher der Natur diese Gesetze übermitteln würde, von Durchsetzungsmechanismen ganz zu schweigen. ”
    Aha. Wie genau funktioniert’s denn dann – oder anders gefragt, warum funktioniert’s so gut?

    “wollen Sie etwa abstreiten dass die menschlichen Vorstellungen vom Universum nicht menschlich sind?”
    Ist da ein nicht zuviel? sonst verstehe ich den Satz im Zusammenhang mit dem letzten Kommentar nicht – ja, die Vorstelungen, die wir uns vom Unievrsum machen, sind meiner ansicht nach nicht mehr besonders anthropozentrisch – sie haben mit unserer Alltagserfahrung nichts zu tun.

    “Dumb minds also think alike. ”
    Das kommentiere ich jetzt nicht weiter.

  80. #80 Realistischer
    11. Mai 2013

    @MartinB
    Es sind menschengemachte Vorstellungen. Mit den Augen, dem Kopf, der Perspektive der Menschen die sie gemacht haben. Samt allen Möglichkeiten und Begrenzungen die das mit sich bringt. Auch die Mathematik ist von Menschen gemacht worden. Alltag hin oder her, ich hab’ nicht von Alltäglichkeit gesprochen (obwohl, für die entsprechenden Experten ist es dann doch wieder alltäglich, also egal), sondern von Menschlichkeit. Und wenn wer daher kommt und behauptet dass die Mathe nicht von Menschen gemacht wäre, und/oder dass die Mathe dem Universum vorschreiben würde wie es sich zu verhalten hätte… dann komme ich wieder zu dem, was Sie nicht weiter kommentieren wollten.

  81. #81 MartinB
    11. Mai 2013

    @Realistischer
    Ist mir zu einfach gedacht: Warum entdeckt man dann im Universum Dinge, die man sich vorher nicht hatte vorstellen können (Quantenmechanik, SRT)? Ist die Mathematik dem Universum nur übergestülpt und könnte auch ganz anders sein? Warum funktioniert sie dann?

  82. #82 Niels
    11. Mai 2013

    @Realistischer
    Ignorierst du mich jetzt eigentlich absichtlich? Wenn ja, wie komme ich zu dieser Ehre?

    Könntest du vielleicht diese Fragen beantworten?
    1) Woraus ziehst du eigentlich deine Rückschlüsse über das Wesen der Realität, wenn physikalische Theorien dafür deiner Ansicht nach ungeeignet sind?
    2) Warum genau hast du ein besonderes großes Problem mit der Quantenphysik?
    Damit bist du schließlich eingestiegen.
    Deiner momentane Argumentationslinie zufolge müssten aber doch alle physikalische Theorien für dich gleichermaßen ungeeignet sein, wenn es um Schlüsse auf die Realität geht.

  83. #83 Realistischer
    12. Mai 2013

    @MartinB
    Warum man neues entdeckt? Weil wir neugierig sind und danach suchen.
    Warum die Mathe so gut funktioniert? Weil wir etwas gefunden haben das so gut funktioniert, deshalb verwenden wir es ja. Daraus den Schluss zu ziehen dass man damit alles darstellen könnte was wir jemals im Universum vorfinden werden, den kann man schon so ziehen — ist aber pure Angeberei.
    A propos: was ist eigentlich mit Computersimulationen? Die sind nicht dasselbe wie Mathematik, zum einen weil sie eingeschränkt sind, dort gibt’s keine Unendlcihkeiten usw., auf der anderen Seite, ganz praktisch gesehen, kann man damit viele Teilchen und viele Schritte berechnen, was in der echten Mathematik mangels ausreichend Mathematiker bzw. auch Intelligenzleistung unmöglich wäre.
    Es gab da auch schon die Frage ob das Universum eine Computersimulation sei — ja ja, die Wahnsinnigen kommen immer wieder, zuerst ist alles ein alter Mann, dann alles Mathematik, dann alles Simulation…

    @Niels
    Die Mathematik ist eh nicht ungeeignet, für uns Menschen, zum derzeitigen Entwicklungsstand, unser Wissen über die Realität zu beschreiben. Ich bin mir aber im Klaren darüber dass das alles Teil einer Entwicklung ist, und nur wenn man sich ganz sicher wäre dass diese Entwicklung mit der Mathe abgeschlossen sei und nichts besseres mehr nachkäme (also wenn man ein konservativer Mensch ist), dann…
    Mit der Quantenphysik hab’ ich kein besonderes Problem, es ist nur einer von mehreren Bereichen in dem sich Leute finden die mit überzogenen Vorstellungen um sich werfen, und das können sie weil ihnen keiner widerspricht, keiner aus dem eigenen Fach, und alle anderen Fächer nehmen sie nicht ernst.

  84. #84 MartinB
    12. Mai 2013

    @Realistischer
    “Weil wir etwas gefunden haben das so gut funktioniert, deshalb verwenden wir es ja.”
    Damit weichst du genau der Frage aus, warum die Mathematik so gut funktioniert.

    “was in der echten Mathematik mangels ausreichend Mathematiker bzw. auch Intelligenzleistung unmöglich wäre.”
    Das hat mit Intelligenzleistung erst mal wenig zu tun.
    Ansonsten verstehe ich die Frage nicht. Ja, man kann mit Computern Dinge modellieren (wobei man sehr aufpassen muss, gerade wegen der endlichen Darstellung von Zahlen; jeder, der Computersimulationen macht, hat schon mal böse Überraschungen mit Rundungsfehlern erlebt). Es gibt ein mathematisches Modell der Wirklichkeit und wir bauen die Simulation so, dass sie ebenfalls durch das mathematische Modell (näherungsweise) beschrieben wird. Was sagt das für die Frage, ob und wie die Natur mathematisch ist? Verstehe ich nicht.

    “Daraus den Schluss zu ziehen dass man damit alles darstellen könnte was wir jemals im Universum vorfinden werden, den kann man schon so ziehen — ist aber pure Angeberei.”
    Nein, das machen wir immer so. Wir schließen daraus, dass bisher jeden Morgen die Sonne aufgegangen ist und daraus, dass die Naturgesetze bis heute gegolten haben, dass das auch morgen so sein wird. Weil wir ansonsten beliebiges annehmen könnten – klar, morgen kann die Sonne plötzlich grün sein, oder Dinge fallen nach oben oder zur Seite oder so.
    Bisher sind wir damit gut gefahren. Wenn’s irgendwann nicht mehr klappt, werden wir das merken.

    “alle anderen Fächer nehmen sie nicht ernst.”
    O.k., so langsam erreicht die Diskussion ein Niveau, wo ich weiß, wen ich nicht mehr ernst nehmen muss…

  85. #85 Niels
    12. Mai 2013

    @Realistischer

    Die Mathematik ist eh nicht ungeeignet, für uns Menschen, zum derzeitigen Entwicklungsstand, unser Wissen über die Realität zu beschreiben.

    1)Gibt es denn momentan etwas, das besser dazu geeignet ist als die Physik?
    2)Wenn nein, wo liegt dann das Problem? Was ist zu kritisieren?
    Allen Physikern ist völlig bewusst, dass die aktuellen Theorien nicht der Weisheit letzter Schluss sind, sondern nur Grenzfälle einer noch zu findenden erweiterten Theorie darstellen.
    Diese neuen Theorien führen vielleicht zu ganz anderen Schlüssen auf die Realität.
    Wir können aber natürlich immer nur mit dem arbeiten, was uns aktuell zur Verfügung steht.

    Ich bin mir aber im Klaren darüber dass das alles Teil einer Entwicklung ist, und nur wenn man sich ganz sicher wäre dass diese Entwicklung mit der Mathe abgeschlossen sei und nichts besseres mehr nachkäme (also wenn man ein konservativer Mensch ist), dann…

    Den Teil verstehe ich nicht.
    3) Dann was?
    4) Warum bist du dir darüber im Klaren, dass Mathematik nur ein zu überwindender Entwicklungsschritt ist?
    Woraus ziehst du den Schluss, dass man etwas anderes als die Mathematik braucht?
    Bisher gibt es doch keinen einzigen Fall, in dem die mathematische Beschreibung gescheitert ist?

  86. #86 Realistischer
    12. Mai 2013

    @MartinB
    Die Lösung der Differentialgleichung welche die Entwicklung des Universums beschreibt, so wie es in diversen Computersimulationen berechnet wird … warum gibt es die nicht? Und wenn es sie gäbe: wäre sie gleich zur Computerberechnung? Ich würde mal’ sagen nein, aber das kann man mangels verfügbarer Gleichungslösung nicht wissen, man kann also aus einer passablen Simulationsrechnung auch nicht schliessen dass die vermeintlich damit berechnete DGL irgendwie bestätigt worden wäre…

    Übrigens, die Sonne geht nicht in alle Ewigkeit nächsten Tag wieder auf, das ändert sich — würden Sie eh wissen, wenn Sie nachgedacht hätten statt einfach nur ein dummes Standardargument zu kopieren.

    @Niels
    Wenn Ihnen eh klar ist dass alles nur ein vorübergehender Entwicklungsstand ist… dann sollten Sie auch kein Problem haben wenn man Aussagen wie “das Universum ist mathematisch” übersetzt in “manche von uns sehen derzeit das Universum als mathematisch an, aber das kann sich im Laufe des Fortschritts ändern”.
    Und weil das so ist, kann man annehmen dass die Mathe auch nur ein Entwicklungsschritt ist. Versuchen Sie doch mal’ das Wetter durch Lösen einer DiffGleichung vorherzusagen – denn das wäre der korrekte mathematische Ansatz. Die üblichen Computerberechnungen sind ganz was anderes, die versuchen garnicht erst, so eine Gleichung zu lösen sondern die berechnen einfach einen Prozess, und die Berechnung ist dahingehend optimiert dass sie zu bestmöglichen Ergebnissen führt. Ob da noch irgendeine Gleichung dahinter steht oder nicht interessiert keinen mehr, für die Berechnung braucht man nur noch eine sehr kleine Teilmenge der Mathe, die Zahlen und Rechenoperationen darauf. Alles weitere erledigen Algorithmen und Datenstrukturen.

  87. #87 MartinB
    12. Mai 2013

    @Realistischer
    Was meinst du mit “warum gibt es die nicht?” Warum wir die Gleichung nicht aufstellen/lösen können? Warum man nicht das ganze Universum im Computer simulieren kann?

    “würden Sie eh wissen, wenn Sie nachgedacht hätten statt einfach nur ein dummes Standardargument zu kopieren.”
    Ah ja, der versuch, ein Argument über-wörtlich zu nehmen, um den dahinter stehenden Punkt nicht zugeben zu müssen. Altbekannte Taktik, leider leicht zu durchschauen.

    “Die üblichen Computerberechnungen sind ganz was anderes, die versuchen garnicht erst, so eine Gleichung zu lösen sondern die berechnen einfach einen Prozess,”
    Äh, dieser Prozess ist eine raum-zeitlich diskretisierte Differentialgleichung, oder etwa nicht?

    Ich glaube, die Diskussion bringt nichts mehr, es kommen immer nur gegenfragen, aber nie Antworten. Du weißt, wie die Welt funktioniert (nicht mathematisch), wir anderen Deppen wissen’s nicht, schön.

  88. #88 Niels
    12. Mai 2013

    @Realistischer
    Schade, jetzt habe ich meine Fragen extra so schön durchnummeriert, sie werden aber trotzdem noch ignoriert.

    Und weil das so ist, kann man annehmen dass die Mathe auch nur ein Entwicklungsschritt ist.

    Kann man annehmen, ist aber total unplausibel und extrem unwahrscheinlich.
    Argumente für diese Sichtweise stehen in den Artikeln, die in MartinB in Beitrag #72 verlinkt hat, wurden dir aber auch hier vorgestellt.
    Argumente für deine Sichtweise hast du bisher leider noch nicht geliefert. Trotzdem bist du dir sicher, richtig zu liegen. Muss sich auf deiner Seite wohl um Offenbarungswissen handeln, da bringen Diskussionen bekanntlich nichts.

    Übrigens: Wenn das gerade Zitierte die Kernaussage war, um die es dir ging, warum dann die vielen seltsamen Kommentare zur Quantenphysik? Passt für mich irgendwie nicht wirklich zusammen.

    Deine Aussagen über Computersimulation ergeben für mich irgendwie überhaupt keinen Sinn, tut mir leid. Kannst du das noch anders formulieren?
    Ich fürchte aber, du hast keinerlei Ahnung, was eine Computersimulation/Computerberechnung ist und wozu und warum man so etwas verwendet. Deswegen ist das von dir Geschriebene wahrscheinlich nicht nur ungeschickt formuliert sondern beruht schlicht auf völlig falschen Vorstellungen.

  89. #89 Realistischer
    12. Mai 2013

    @MartinB
    “Ah ja, der versuch, ein Argument über-wörtlich zu nehmen,”
    Also wenn das so ist können wir tatsächlich alles vergessen was gesagt wurde, war ja alles garnicht so gemeint.

  90. #90 MartinB
    13. Mai 2013

    @Realistischer
    Hast du das Argument echt nicht verstanden? Wir gehen in der Wissenschaft (und im Alltag) immer davon aus, dass Regeln, die wir bisher beobachtet haben, auch weiterhin gelten; es sei denn, es gibt einen plausiblen Grund dagegen. Das ist letztlich immer ungerechtfertigt; wir kennen die Zukunft nicht, also können wir nie wissen, dass das Gravitationsgesetz morgen auch noch gilt.

    “ar ja alles garnicht so gemeint.”
    Ja, den Eindruck habe ich auch, wenn ich das, was du jetzt schreibst mit deinen Einstiegsäußerungen zur QM vergleiche.

  91. #91 Realistischer
    20. Mai 2013

    @MartinB
    Dass die Darstellungen der Quantenphysik für Aussenstehende nicht nachvollziehbar sind (was gewöhnlich hübsch umschrieben wird mit “besonders” und “mit unserer alltäglichen Erfahrung nicht verständlich”) hab’ ich vorher schon gewusst, jetzt wieß ich dass zumindest Sie, aber vmtl. andere ebenso, auch keinen gesteigerten Wert darauf legen derartige Darstellungen zu bilden. Wer braucht schon diese “Überwörtlichkeit”? Gut, die Aussenstehenden würden profitieren, aber eigentlich kommt man mit diesem gewissen Nimbus der Zauberhaftigkeit an viel mehr Aufmerksamkeit heran, zumindest für eine Weile…

  92. #92 Franz
    5. Mai 2014

    Gabs nicht auch mal eine Erklärung, dass Teilchen in der Zeit zurücklaufen und quasi nachdem die Wellenfunktion kollabiert ist, dies an die Quelle meldet ? Oder war das Esoterik ?
    Ich hab das in einem Buch gelesen (Auf der Suche nach Schrödingers Katze. John Gribbin).

  93. #93 MartinB
    5. Mai 2014

    @Franz
    Nein, Esoterik ist das nicht – es ist die so genannte Feynman-Stückelberg-Interpretation der Antiteilchen. Sie hat sich aber als nicht besonders hilfreich erwiesen, sondern sorgt eigentlich nur für Verwirrung.

  94. #94 Sternchen
    10. Januar 2015

    Danke für die klasse Erklärung. Ich habe mit Physik studiumsmäßig nichts zu tun und konnte alles gut nachvollziehen 🙂 Komplizierte Sachverhalte einfach und anschaulich zu erklären ist eine Kunst. Danke 🙂

  95. #95 MartinB
    10. Januar 2015

    Danke für’s Lob, freut mich.

  96. #96 Noonscoomo
    Berlin
    25. Januar 2015

    Danke für die wirklich wunderbare Artikelserie, hatte sie vor einiger Zeit schon mal gelesen und jetzt wiederholt und habe das Gefühl, immer besser zu verstehen, dank deiner großartigen Gabe, scheinbar schwieriges so zu erklären, dass man (ich) keine “Angst” davor hat (habe).
    Insbesondere beschäftige ich mich gerade mit dem EPR Paradoxon, das ja hier auch zur Sprache kommt und es fügt sich nach dem zweiten lesen der Serie alles so langsam ineinander. Jüngst las ich zum Thema die übrigens sehr empfehlenswerte Doktorarbeit von Birgit Dopfer, eine damalige Studentin Zeilingers
    https://people.isy.liu.se/jalar/kurser/QF/assignments/Dopfer1998.pdf
    Dort wird wie von dir beschrieben eine Coincidence Logic benötigt um die “spukhafte Fernwirkung” bei verschränkten Teilchen zu sehen. Schade eigentlich 😉 Es sah für mich im ersten Moment so aus, als wäre bei dem Experiment evtl. doch eine echte ftl Kommunikation möglich.
    Übrigens, eine mögliche und ganz andere Interpretation der Quantenmechanik, sehr einfach zu verstehen, unglaublich elegant aber restlos unbefriedigend, wäre: Es gibt keinen Zufall, alles ist vollständig vorherbestimmt. Und dann noch die “Zero world Interpretation”, einer Variante der Quantum Information Theory, die z.B. Ben Garrett in diesem Video hier beschreibt das ich trotz seiner Unzulänglichkeiten sehenswert fand. (Der Titel sei ironisch gemeint, sagt er) https://m.youtube.com/watch?v=dEaecUuEqfc

  97. #97 MartinB
    25. Januar 2015

    @Noonscoomo
    “Es gibt keinen Zufall, alles ist vollständig vorherbestimmt”
    Denkbar – aber da es keine Experimente gibt, die das von “echtem” Zufall unterscheiden können, auch nicht wirklich hilfreich. Das würde ja nur funktionieren, wenn wir letztliche ine rückwärts-in-der-Zeit-kausalität akzeptieren, so dass die Teilchen beim Entstehen schon wissen, wie später mal der Detektor orientiert ist.

    “einer Variante der Quantum Information Theory”
    Ich gebe zu, dass ich das nie so richtig verstanden habe – gibt es dazu was anderes als ein Video (Wissenschaftsvideos mag ich nicht):

  98. #98 noonscoomo
    Berlin
    26. Januar 2015

    @MartinB
    “Ich gebe zu, dass ich das nie so richtig verstanden habe – gibt es dazu was anderes”

    Ich fand das hier (zumindest in Teilen) lesenswert :
    Quantum Computation and Quantum Information (Michael A. Nielsen & Isaac L. Chuang)
    https://www.johnboccio.com/research/quantum/notes/QC10th.pdf

    Und ich mochte das früher von dir schon mal irgendwo erwähnte “Unser Mathematisches Universum” von Max Tegmark als Einstieg.

    Der Typ aus dem Video (Ben Garret, eigentlich ein früher Google Software Entwickler) schrieb das hier:
    https://www.flownet.com/ron/QM.pdf
    Es stimmt wohl nicht alles was er schreibt, soweit ich das überblicke, denn er schreibt da öfters mal über “faster then light communication” als wäre sie real, aber seine Schlussfolgerungen fand ich schon bemerkenswert.
    Seine Kernthese, die er auch mathematisch ein wenig untermauert, ist wohl das hier
    “The quantum-information-theoretical description of a pair of measurements made on an EPR pair is exactly the same as a pair of measurements made on a single particle. “Spooky action at a distance” ought to be no more (and no less) mysterious than the “spooky action across time” which makes the universe consistent with itself from one moment to the next.” und weiter “We are not physical entities, but informational ones. … We are not made of atoms, we are made of qbits.”
    Ich komme selbst ziemlich doll aus der Computer Ecke, da liegt mir das natürlich irgendwie im Blut.

    Die Grundlegende These der Quantum Information Theory ist wohl, dass die Information ein noch fundamentaleres Konzept ist als Raum und Zeit. Kurz, alle Up Quarks sind gleich, alle Down Quarks auch, usf. und erst die Information macht daraus einen Butterkeks. So erklärt Zeilinger auch die Verschränkung als Zustand, in dem die Verschränkten Teilchen eine elementare Information gemeinsam tragen. Und da es weniger als ein QBit als Information in der Quantenwelt nicht gibt und Information noch fundamentaler ist als Raum und Zeit, müssen beide Teilchen bei der Messung die gleiche Information tragen. Aber so richtig was anderes als “shut up and calculate” ist das alles wohl auch nicht.

    Viel schöner fand ich das hier: Gemeinsam mit der Verschränkung entsteht (bzw. die Verschränkung selbst ist) ein Wurmloch. Und damit erklären sie gleich noch die Gravitation, die gibt es nämlich gar nicht als Kraft, die entsteht nämlich durch all die Wurmlöcher hier überall. Ist schon über ein Jahr alt, hab ich aber neulich erst gefunden. https://newsoffice.mit.edu/2013/you-cant-get-entangled-without-a-wormhole-1205
    Da haben sich die Stringtheoretiker mal was feines überlegt.

    “Das würde ja nur funktionieren, wenn wir letztlich eine rückwärts-in-der-Zeit-kausalität akzeptieren, so dass die Teilchen beim Entstehen schon wissen, wie später mal der Detektor orientiert ist”
    Völlig klar, aber zumindest theoretisch kein Problem. Wie ein Buch, in dem schon alles geschrieben steht, wo, also zu welcher Zeit, du das aufschlägst ist egal.
    Ich weiss, was du gleich sagen willst, dafür spricht wirklich gar nichts und da bin ich aber auch sehr Froh das wär’ nämlich echt langweilig 😉

  99. #99 MartinB
    26. Januar 2015

    @noonscoomo
    Danke für die Links, das schaue ich mir bei Gelegenheit mal an.

    “So erklärt Zeilinger auch die Verschränkung als Zustand, in dem die Verschränkten Teilchen eine elementare Information gemeinsam tragen. ”
    Ja, sicher, aber die kann eben durch Messung per Fernwirkung beeinflusst werden – ich sehe den gewinn nicht, für mich ist das auch eher eine Umformulierung als eine Lösung des Problems.

    “Kurz, alle Up Quarks sind gleich, alle Down Quarks auch, usf. und erst die Information macht daraus einen Butterkeks”
    naja, klar, es gibt nur ein Quantenfeld für alle Teilchensorten.

    Das mit den Wurmlöchern scheint mir aber etwas abstrus (oder ich verstehe es nicht) – selbst wenn zwei verschränkte Teilchen über ein Wurmloch verbunden sind, würde immer noch Zeit vergehen, um Informationen zu senden – und wie soll in diesem Modell die Information über den Zustand gesendet werden? Ja vermutlich nicht durch Teilchenaustausch?

  100. #100 Noonscoomo
    Berlin
    26. Januar 2015

    @MartinB
    ” für mich ist das auch eher eine Umformulierung als eine Lösung des Problems.”
    Naja, umformulieren hilft ja manchmal beim drüber nachdenken. wäre das nicht so, hätten verschiedene Interpretationen keine Legitimation. Für Informatikerinnen ist es eben hilfreich, die Informationstheorie auf die Quantenmechanik zu erweitern und überrascht zu sein, dass zwei perfekt korrelierte Teilchen jeweils eine Entropie von -1 haben und gemeinsam haben Sie eine Entropie von 0 und tragen derweil 2 Bit an Information, wenn man so nennen will.
    Der Gewinn besteht darin, dass solche Menschen dann und nur dann, wenn sie ihre Konzepte auf die Quantenmechanik anwenden können, anfangen sich damit zu beschäftigen und dann z.B. rausfinden, dass man zwar keine Daten übertragen kann, wohl aber bei Alice und Bob völlig zufällige aber identische Informationen erzeugen kann, was perfekt geeignet ist für verschlüsselte Kommunikation. Oder dass man zumindest theoretisch einen Computer bauen kann, der NP complete Probleme lösen kann. Das würde theoretischen Physikerinnen auf Basis der kopenhagener Deutung vermutlich nicht naheliegend als erstes einfallen.

    Und wenn ich das mit dem Wurmloch richtig verstehe, dann funktioniert das doch so, dass das Loch eine räumliche Verbindung zwischen den beiden Teilchen herstellt. D.h. dass sie in der Tat wechselwirken nach den ganz normalen quantenmechanischen Gesetzen. Das müsste sich aber überprüfen lassen, denn dann hängt das davon ab, wo genau das Wurmloch entstanden ist, es müsste also ein wenig anders wechselwirken als ohne Wurmloch in wirklicher räumlicher Nähe.

  101. #101 MartinB
    26. Januar 2015

    @noonscoomo
    Ja, das mit der Umformulierung ist schon o.k. – es klingt nur manchmal so, als würde dadurch das fundamentale Problem gelöst.

    ” D.h. dass sie in der Tat wechselwirken nach den ganz normalen quantenmechanischen Gesetzen. ”
    Wie denn genau? Sollen die Wellenfunktionen noch einen räumlichen Überlapp haben, durch das Wurmloch hindurch? Dann müsste der Effekt doch von der Stärke des Überlapps abhängen. Und auch eine einzelne WF kollabiert instantan (mit allen Problemen, die das mit sich bringt). Soll ich mir vorstellen, dass auch das linke und das rechte Ende einer WF miteinander durch ein (unendlich kurzes?) Wurmloch verbunden sind? Oder hat das Teilchen eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Wurmloch?
    Ich verstehe die Idee gar nicht, glaube ich…

  102. #102 noonscoomo
    26. Januar 2015

    @MartinB
    Ich bin nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe.
    Ein Wurmloch ist doch, wenn wir das jetzt mal vereinfachen eine räumliche Abkürzung. Stellen wir uns ein makroskopische Wurmloch vor in Form einer Tür und dieses Wurmloch verbindet einen jeweils ansonsten geschlossenen Raum A und B miteinander, dann werde, solange ich mich in Raum A oder B befinde feststellen, dass sich diese Räume “nebeneinander” befinden und ich kann sie durch nichts von Räumen unterscheiden, die sich wirklich nebeneinander befinden und mit einer Tür verbunden sind. Von aussen gesehen können die aber raumartig (und vermutlich auch zeitartig) beliebig weit voneinander entfernt liegen und sind eben nur durch das Wurmloch verbunden. D.h. die beiden Teilchen befinden sich aus ihrer Sicht in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander und können entsprechend wechselwirken. Es gibt kein “innerhalb” des Wurmloches, auch wenn SciFi das gerne mal so darstellt, das ist eben keine Röhre oder so. Die Wellenfunktion reicht also einfach in den anderen Raum, als wäre das Loch nicht da und sie befänden sich genau nebeneinander. Allerdings, und das meinte ich oben mit “das müsste sich überprüfen lassen”, müsste das wohl von der Grösse des Loches abhängen und es müsste seltsame Effekte geben bei zwei verschränkten Teilchen, die sich auch ansonsten in unmittelbarer Nähe zueinander befinden, denn dann müsste ein Teilchen mit sich selbst wechselwirken, nur eben von zwei Orten aus gleichzeitig, oder nicht. Kommt mir schräg vor, aber wenn an das mathematisch beschreiben kann, und das behaupten sie ja, warum nicht.

  103. #103 MartinB
    26. Januar 2015

    @qnoonscoomo
    “Es gibt kein “innerhalb” des Wurmloches”
    Ich dachte immer, dass man eine reale Strecke zurücklegen muss, um durch ein Wurmloch zu kommen.

    Aber auch wenn das nicht so ist – entweder die WF überlappen, dann hat jedes Teilchen eine Wahrscheinlichkeit, am Ort des anderen (was ja eigentlich nicht gegeben ist), oder die eiden können nicht “direkt” wechselwirken.

    Und wie sagt, letztlich gibt es den gleichen Effekt auch, wenn ich eine ausgedehnte WF habe, die kollabiert – da lässt es sich nur nicht direkt nachweisen. Sind alle Punkte, an denen die Wf ungleich Null ist, mit allen anderen durch Wurmlöcher verbunden?

  104. #104 noonscoomo
    26. Januar 2015

    @MartinB
    Hm, ich fürchte du hast recht, meine Aussage von oben ist falsch. Das Wurmloch würde den Raum in seiner Nähe stark verzerren (siehe Bild in Wikipedia) und damit hätte es dann wohl auch eine quasi Ausdehnung.
    Und wenn die WF überlappen, dann müsste es wohl gelegentlich passieren, dass bei dem einen Detektor zwei Teilchen gemessen werden und am anderen gar keines, denn in der Tat ist die Wahrscheinlichkeit dafür dann nicht null. Und ausserdem ist so ein Wurmloch nach Wheeler und Fuller eh nicht stabil, das müsste dann ja wohl auch für solche Wurmlöcher gelten, denn exotische Materie kommt hier wohl eher nicht mal schnell hinterm Gebüsch vor gehüpft. Da wird es langsam dünn für die Theorie. Irgendwie funktioniert die wohl, wenn ich das richtig deute, auch nur in einem holographischen Universum und die Löcher sind dann auch noch infinitesimal klein.

  105. #105 MartinB
    26. Januar 2015

    @noonscoomo
    ” Irgendwie funktioniert die wohl, wenn ich das richtig deute, auch nur in einem holographischen Universum und die Löcher sind dann auch noch infinitesimal klein.”
    Ja, da schießt die PR der Sringtheoretiker dann anscheinend mal wieder über die Realität hinaus…

  106. #106 MartinH
    Bern
    21. Juni 2015

    Phantastischer Artikel!
    Sie sollten Bücher schreiben! Verständlich mit freiwilligem Anspruch. Hervorragend! Habe mich noch nie so über die SGL angenehm unterhalten gefühlt.
    Vielen Dank!

  107. #107 MartinB
    21. Juni 2015

    Freut mich, vielen Dank.
    Und wer weiß, irgendwann gibt es vielleicht auch mal ein Buch.

  108. #108 Severin Wittwer
    4. Januar 2017

    Hallo zusammen ich hab gestern eine hitzige Diskussion mit einem Freund über genau dieses Thema.

    Meine Argumentation:

    Also es ist egal ob wir es messen können oder nicht die Katze ist Tod oder Lebendig oder von Aliens weggeportet worden ist weil sie das Experiment für Tierquälerei hielten. Wir können zwar in dem Moment nicht sagen was ist aber es ist garantiert nur eine der unendlichen Möglichkeiten und garantiert nicht alle gleichzeitig es spielt auch keine Rolle ob wir es messen oder nicht. Messungen sind nach meinem Wissen eine Verzerrung der Realität oder des wirklichen seins da wir nur ein Bruchstück messen können und nie das Ganze.

    Und wenn ihr jetzt mit den Laserstrahlen durch die Schlitze kommt habe ich eine Antwort für euch. Es ist der Beweis das wenn wir etwas messen, wir gar nicht in der Lage sind das ganze zu messen sondern nur ein Teil davon. Oder anderst gesagt wir versuchen automatisch in Schachteln zu denken was dazu führt das wir Messungen als komplett erachten obwohl grosse Teile davon fehlen.

    Ein anderes Beispiel ich hatte 2 Ratten. Jeden Morgen wenn ich aus dem Haus ging lag die eine immer mit dem Kopf aus dem Häuschen schlafend da. Das dachte ich auch an jenem Morgen. Sie war Tot als ich am Abend nach Hause kam in der gleichen Position liegend. Die Frage die ich mir stellte war Sie schon Tot als ich Heute Morgen aus dem Haus ging oder starb sie durch den Tag? Spielt keine Rolle weil um das was es geht ich habe eine Messung gemacht die keine wahr.

  109. #109 MartinB
    4. Januar 2017

    @Severin
    Ichhabe ehrlich gesagt keine Ahnung, was du damit sagen willst.

  110. #110 Alexander Ehmann
    12. April 2017

    Hallo Martin,

    koenntest du bitte noch mal kurz erlaeutern, was genau du meinst wenn du sagst, dass sich die WF nach dBB sprunghaft aendert? Soweit ich weiss gibt es in der dBBT gerade keinen Kollaps. Stattdessen zeichnet die Teilchenkonfiguration einen Zweig der WF als tatsaechlich realisiert aus. Meinst du also etwas anderes als einen Kollaps? Oder widersprichst du der meiner Kenntnis nach gaengigen Auffassung, dass dBBT ohne Kollaps auskommt?

    Liebe Gruesse,
    Alex

  111. #111 MartinB
    12. April 2017

    Ist schon sehr lange her, dass ich das geschrieben habe. Im text steht, dass sich die WF sprunghaft und nichtlokal ändert, was doch richtig, ist, oder? Das ist letztlich ja auch eine Art von Kollaps, deswegen braucht man ja auch so Dinge wie eine “preferred foliation”, wenn ich mich recht entsinne.

  112. #112 Alexander Ehmann
    18. April 2017

    Also so wie ich das sehe gibt es keine sprunghafte Änderung der WF in dBBT, was in der Tat einem Kollaps gleichkäme. Was es gibt, und womöglich der Grund für das Missverständnis ist, ist der sog. “effektive Kollaps” bzw. die “effektive WF”. Das bedeutet aber nicht, dass de facto irgendetwas tatsächlich kollabiert. Man ignoriert lediglich den Teil der WF, in dessen support sich das Bohmteilchen nicht befindet. Der verschwindet dadurch aber nicht, wie er es in Kollapstheorien tut.

  113. #113 MartinB
    18. April 2017

    @Alexander
    O.k., du hast recht, habe mich gerade auch nochmal bei Wiki schlaugelesen. Ich hatte wohl die Nichtlokalität und den Kollaps in einen Topf geworfen.
    Ich habe das oben etwas umformuliert, ich hoffe, das ist so o.k.

  114. #114 Jens Kluge
    Singapur
    7. November 2018

    In Bezug auf Kollapstheorien könnte man auch noch die GRW-Theorie erwähnen. Allerdings erklärt sie den Kollaps der Wellenfunktion selbst nicht sondern baut ihn einfach in das Modell ein. Die Kophenhagener Deutung nach dem Motto “halt’s Maul und rechne” gefällt mir jedenfalls nicht. Solche Konzepte wie die Wellenfunktion oder die Feynman-Idee dass das Teilchen sämtliche Pfade ausprobiert könnten doch einen Hinweis auf neue Physik geben anstatt bloße Rechenmethoden zu sein, um die Wahrscheinlichkeit auszurechnen. Außerdem ahnt man schon, dass z.B. die Quantenelektrodynamik irgendwie eine effektive Theorie sein sollte, weil man dort nur mit Hilfe von Renormierung zurechtkommt. Falls die neue Physik allerdings erst bei Abständen von der Größenordnung der Plancklänge zu Tage tritt könnte es schwer fallen, da in der Zukunft irgendwelche Abweichungen festzustellen.

  115. #115 MartinB
    7. November 2018

    @Jens
    Klar, es gibt sehr viele Interpretationen und Ideen, hier ging es ja erstmal nur um die Idee.
    “könnten doch einen Hinweis auf neue Physik geben”
    Möglich, aber bisher hat ja niemand was passendes gefunden, das nur in einer Interpretation funktioniert, aber nict n der anderen.

  116. #116 Jens Kluge
    Singapur
    19. November 2018

    Möglicherweise ist auch an der Bohm-Theorie etwas dran. In dem Fall gibt es gar keinen Kollaps der Wellenfunktion. Wir wissen ja nicht genau, ob dieser Kollaps der Wellenfunktion real ist, weil das keiner bisher direkt beobachten konnte. Falls an der Bohm-Theorie irgendwas dran ist, würde ich erwarten, dass das Bohmsche Führungsfeld nicht sofort da ist, sondern Zeit braucht, um sich aufzubauen. Also, vielleicht kommt man mit besser zeitaufgelösten Versuchen weiter. Zum Beispiel den Doppelspalt erst erzeugen, wenn das Teilchen schon abgesendet wurde. Oder den Doppelspalt sehr schnell Hin- und Herbewegen, zum Beispiel mit der Hälfte der Lichtgeschwindigkeit. Oder versuchen, den Vorgang der Messung selbst zeitlich aufzulösen. Dass da irgendetwas instantan passieren soll, nämlich die Messung, hört sich schon mal nach einer Näherung an. Ohne die richtigen Experimente mit der richtigen Genauigkeit kommt man am Ende doch nicht weiter.

  117. #117 MartinB
    19. November 2018

    @Jens Kluge
    ” Zum Beispiel den Doppelspalt erst erzeugen, wenn das Teilchen schon abgesendet wurde.”
    Gibt’s schon, nennt sich delayed choice quantum eraser. Man kann damit das Teilchen erst durch nen Doppelspalt schicken und erst hinterher entscheiden, ob man die Weginformation verwenden will oder nicht, je nachdem ist das Ergebnis unterschiedlich….

  118. #118 StefanBerg
    Bremen
    5. Juni 2019

    Kommt der Kollaps der Wellenfunktion in der Natur vor? Wenn ja, woher weiß man das, denn wie messe ich, wenn der Kollaps schon vorhanden ist?

  119. #119 MartinB
    5. Juni 2019

    @StefanBerg
    Gute Frage. Da wir letztlich nicht wissen, ob die Wellenfunktion “real” ist, ist das schwer zu beantworten. Die Effekte (einschließlich Verschränkung etc.) gibt es aber auf jeden Fall.
    Mehr dazu hier:
    https://scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2012/10/10/quantenmechanik-und-realitat/