In der Nähe von Stuttgart wurden in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts viele Knochen aus der Triaszeit, der ersten Periode des Erdmittelalters gefunden. Darunter auch ein seltsamer Zahn von immerhin 10 Zentimetern Länge, ein paar Schädelfragmente und weitere Knochen. Georg Friedrich Jäger gab dem zugehörigen Tier den Namen Mastodonsaurus (zum Namen gleich noch mehr.) und ordnete ihn den Sauriern zu. (Unter “Saurier” verstand man damals so ziemlich alles, was urtümlich war und irgendwie reptilienartig aussah.) Kurze Zeit später wurden weitere Knochen gefunden und man erkannte, dass es sich um ein großes urzeitliches Amphibium handelte.
Um 1840 fand man in England ähnliche Schädelknochen zusammen mit einem Hüftknochen und einem Wirbel. Und damit begann die Geschichte des Mastodonsaurus kompliziert zu werden.
Der Paläontologe Richard Owen (bekannt als Erfinder des Wortes “Dinosaurier”) nahm an, dass Schädel, Knochen und Wirbel zusammengehörten. Allerdings war der Hüftknochen im Vergleich zum Schädel sehr groß – der Schädel entsprach in seiner Länge etwa dem eines Krokodils von zwei Metern Länge, die Hüftknochen allerdings hätten zu einem Krokodil mit etwa sieben bis acht Metern Länge gepasst. Owen erklärte dies dadurch, dass das Tier eine Art gigantischer Frosch gewesen sei, der also entsprechend große und muskulöse Hinterbeine gehabt hatte. Ein Bild dieses “Monsterfrosches” dürfte jeder schon mal gesehen haben, der sich für Dinosaurier interessiert, denn das folgende Bild fehlt in nahezu keinem Dinobuch:
Vorne links im Bild sieht man den Monsterfrosch mit seinen großen Beinen.
Ein schönes Foto des aufgestellten Modells habe ich im Blog von “Jurassic Albatros” gefunden:
Man erkennt die froschartigen Hinterbeine sehr schön.
Um die Sache noch komplizierter zu machen, änderte Owen nebenbei noch den Namen von Mastodonsaurus. Jäger hatte diesen Namen gewählt, weil er übersetzt “Zitzenzahnsaurier” bedeutet – ein passender Name für den zu benennenden Zahn, der eine seltsam geformte Spitze hatte:
(Bild aus Moser, Schoch 2007, Referenz s.u.)
Zwei solche großen Zähne saßen im Unterkiefer – der Oberkiefer hatte entsprechende Öffnungen, durch die die Zähne hindurchpassten.
Owen fand den Namen Mastodonsaurus jedenfalls doof – er erinnerte zu sehr an den Riesenelefanten Mastodon. (Obwohl das angesichts der Größe des “Monsterfrosches” ja auch nicht unpassend war.) Deshalb schlug er einen neuen Namen vor “Labyrinthodon”: Labyrinthzahn. (Damals war man mit dem Umbennenen von unpassenden Namen für Urzeitviecher wesentlich freizügiger als heute, wo man sich an die strengen Nomenklaturregeln des ICZN hält. So wurde der Urwal Basilosaurus zuerst für ein Reptil gehalten – deswegen auch der Name “Königsechse” – und dann erstmal in “Zeuglodon” umbenannt, als man erkannte, dass es kein Reptil war; heute heißt er aber wieder Basilosaurus. )
Der Name Labyrinthzähner war allerdings auch ganz gut gewählt – man hatte nämlich ein paar Jahre vorher gemerkt, dass die Zähne des Mastodonsaurus (und seiner Verwandten) im Querschnitt ein sehr kompliziertes Muster aus Zahnschmelz und Zahnbein hatten:
Gemeinfrei, Link
Über den Sinn dieser Anordnung kann ich nur spekulieren – Literatur habe ich dazu nicht gefunden (falls jemand ein Paper weiß, wäre ich sehr interessiert). Ich vermute aber, dass diese Anordnung mechanisch günstig ist, um die Biegefestigkeit und -steifigkeit zu erhöhen, ähnlich wie in einem Verbundwerkstoff. Der hochfeste, aber spröde Zahnschmelz sorgt für die Steifigkeit, das weniger feste, aber nachgiebigere Zahnbein (Dentin) sorgt für die Verformbarkeit und stoppt Risse. (So ist es auch in unseren Zähnen – der Zahnschmelz außen ist oft mikrorissig, aber die Risse werden an der Grenzfläche zum Zahnbein gestoppt; da gibt es eine spezielle Mikrostruktur, aber wenn ich das jetzt noch diskutiere, dann komme ich nie zum Krokomander, irgendwie erzähle ich lauter Nebengeschichten…)
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erkannte man schließlich, dass Owen einem Irrtum aufgesessen war und dass die Knochen zu einem anderen Tier gehören mussten. (Es dauerte allerdings noch bis 1997, bis diese Knochen systematisch untersucht werden, s. das Paper von Benton und Gower.) Thomas Henry Huxley, der als “Darwins Bulldogge” Owen nicht besonders mochte (weil Owen die Darwinsche Evolutionstheorie ablehnte), sagte “Ich würde Geologen… davor warnen anzunehmen, dass es irgendeine Evidenz dafür gibt, dass Labyrinthodontier froschartige Tiere waren”. (Übersetzt aus dem Paper Benton/Gower.)
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