SUSY ist keine Person, sondern eine physikalische Theorie (wenn man ehrlich ist, eher eine Hypothese), die viele in der Physik für sehr attraktiv halten. Neue Ergebnisse vom LHC lassen allerdings Zweifel daran aufkommen, dass SUSY unsere Welt korrekt beschreibt.
Dazu gab es heute einen Artikel in der aktuellen Ausgabe von nature, der auf drei Veröffentlichungen beruht, die vom LHC stammen, dem neuen Teilchenbeschleuniger am CERN. Der produziert zwar immer noch keine bösen schwarzen Löcher, mit denen finstere Physikerinnen laut “muhaha” kichernd die Welt zerstören wollen, aber dafür langsam Daten, mit denen man etwas anfangen kann.
Aber bevor ich zu den aktuellen Ergebnissen etwas schreibe, sollte ich wohl erstmal erklären, was sich eigentlich hinter SUSY verbirgt.
SUSY ist die Abkürzung für “Supersymmetrie”. Um das zu verstehen, müssen wir uns die Elementarteilchen angucken, also die Bausteine der Materie. (Auch wenn euch irgendwelche Esoteriker hier immer gern erzählen, dass wir ja aus Schwingungen oder reiner Energie oder Information bestehen…) Da gibt es zunächst mal das gute alte Elektron, das kennt vermutlich jeder. Das Elektron hat noch zwei schwere Geschwister, Myon und Tauon genannt, die sich genau wie Elektronen verhalten, nur dass sie eben schwerer sind. Zu diesen drei Teilchen gibt es noch Partner, die Neutrinos, das macht dann insgesamt 6 Teilchen, die man auch Leptonen nennt.
Im Alltag könnt ihr eigentlich alle außer dem Elektron vergessen – Myonen und Tauonen zerfallen ziemlich schnell in Neutrinos und Elektronen, und Neutrinos sind so einzelgängerisch, dass sie mit normaler Materie nichts zu tun haben wollen und mit ihr deshalb nahezu nicht wechselwirken.
Die anderen Materiebausteine sind die Quarks – auch davon gibt es 6 Stück mit den schönen Namen up, down, strange, charm, top, bottom. (Die letzten beiden heißen auch gelegentlich “truth” und “beauty”.) Quarks binden sich immer sehr eng aneinander und bilden schwerere Teilchen wie Protonen und Neutronen.
Quarks und Leptonen haben eins gemeinsam: Sie haben einen Spin. Den Spin kann man sich anschaulich nicht vorstellen – es ist physikalisch ein Drehimpuls, aber wenn ihr es schafft, eine anschauliche Vorstellung zu finden, wie sich ein quantenmechanisches Teilchen, das keine Ausdehnung hat und durch eine Wellenfunktion beschrieben werden muss, um seine eigene Achse drehen kann, dann habt ihr mehr Vorstellungsvermögen als ich.
Zum Glück spielt der Spin als solcher gar keine große Rolle hier – für die Supersymmetrie (nein, ich hab nicht vergessen, dass es darum geht) ist nur eins wirklich wichtig: Der Spin von Leptonen und Quarks hat den Wert ?/2 (? ist h-quer, das Plancksche Wirkungsquantum geteilt durch 2 π). Und für alle Teilchen, die einen Wert haben, bei dem das h-quer halbiert vorkommt, gilt das sogenannte Pauli-Prinzip. Das besagt, dass niemals zwei dieser Teilchen in exakt demselben Zustand vorliegen können. (Ohne das Pauli-Prinzip gäbe es übrigens keine Chemie, weil dann alle Elektronen immer im Grundzustand wären und Dinge wie Elektronenschalen keine Bedeutung hätten, aber das wäre wieder eine andere Geschichte.)
Alle Teilchen, die dem Pauli-Prinzip folgen, heißen Fermionen (nicht etwa Paulionen, obwohl das logischer wäre…).
Es gibt aber noch andere Teilchen, die Bosonen. Zu denen gehören zum Beispiel die Lichtteilchen, die Photonen. Bosonen haben einen Spin von Null ? oder 1? oder 2?, also immer ganzzahlige Werte. Sie gehorchen dem Pauli-Prinzip nicht, sondern neigen im Gegenteil dazu, möglichst denselben Zustand anzunehmen. (Das nutzt man technisch beim Laser aus, da sind lauter Photonen im selben Zustand und deswegen ist der Laserstrahl auch so eng gebündelt.)
Bosonen wirken meist als Vermittler von Kräften – Photonen vermitteln beispielweise die elektromagnetische Kraft, die sogenannten Eichbosonen vermitteln die schwache Kernkraft, die Gluonen die starke Kernkraft. (Theoretisch gibt es auch Gravitonen für die Schwerkraft, aber die sind bisher nicht nachgewiesen und ich verstehe sie auch nicht so gut, also kehre ich die mal schnell unter den Teppich…)
Die Welt der Elementarteilchen ist also hübsch zweigeteilt: Auf der einen Seite die Fermionen, die dem Pauli-Prinzip gehorchen und die Materiebausteine sind, auf der anderen Seite die Bosonen, die gern im selben Zustand sind und die als Kraftvermittler wirken.
Diese Zweiteilung ist sehr hübsch, aber auch irgendwie unausgewogen: Warum gibt es einige Teilchen nur als Bosonen, andere nur als Fermionen. Das ist doch…unsymmetrisch.
Und genau das ist die Idee der Supersymmetrie: Zu jedem der bekannten Teilchen soll es in der Supersymmetrie einen Partner geben. Zum Elektron gehört zum Beispiel das Selektron mit Spin Null, zum Up-Quark gehört das Sup-Quark, zum Gluon gehört das Gluino und so weiter. (Zum hypothetischen Graviton gehört dann das doppelt-hypothetische Gravitino).
Klingt erstmal ziemlich weit hergeholt, nicht wahr? Es fällt aber schon auf, dass man die meisten anderen Teilchen ineinander umwandeln kann – aus einem Elektron kann man (mit Hilfe eines der Eichbosonen) ein Neutrino machen, aus einem Up-Quark ein Down-Quark und so weiter. Diese ganzen Umwandlungen lassen sich mathematisch ganz ähnlich wie Symmetrien beschreiben, man spricht auch von “Eichsymmetrie”. Und mathematisch ist es dann nur ein kleiner (naja, ganz so klein ist der auch nicht) Schritt zu einer Operation, die ein Fermion in ein Boson umwandelt.
DIe Supersymmetrie wird aber nicht nur wegen ihres ästhetischen Wertes geschätzt, sie hat auch eine physikalisch sehr attraktive Eigenschaft: In der Elementarteilchentheorie gibt es ziemlich viele Größen, die rechnerisch unendlich werden und nur mit raffinierten “Tricks” auf endliche und messbare Werte zurückgebracht werden. (Trotzdem sind diese Theorien unglaublich gut, was ihre Vorhersagekraft angeht, so ganz falsch kann diese Trickserei also nicht sein.) In supersymmetrischen Theorien fallen viele dieser Unendlichkeiten weg, weil es für jeden solchen Prozess, der ein Teilchen involviert, immer auch einen gibt, bei dem ein Steilchen (also der supersymmetrische Partner des Teilchens) dasselbe tut, und diese Terme heben sich dann gerade auf. (Das ist in Wahrheit etwa 10 Semester aufwändiger, als es hier klingt…)
Viele Theorien, die das sogenannte “Standardmodell” der Elementarteilchenphysik erweitern sollen sind deshalb sogenannte Supersymmetrien. Ein Beispiel ist die sogenannte “große vereinheitlichte Theorie” (Grand unified theory, kurz GUT). Dort ist die Supersymmetrie wichtig, weil sich mit ihr alle Kräfte (einschließlich der Gravitation) als Spielarten einer einheitlichen “Urkraft” formulieren lassen – ohne Supersymmetrie klappt das nicht. Und auch die berühmte (und in letzter Zeit viel gescholtene) Stringtheorie ist supersymmetrisch (deswegen wird sie manchmal auch “Superstringtheorie” genannt).
Ihr seht, es gibt einige Gründe, die die Supersymmetrie zu einer attraktiven Idee machen. Allerdings gibt es da auch ein kleines Problem: Wenn das Selektron ein supersymmetrischer Partner des Elektrons sein soll, dann müsste es ihm – vom Spin abgesehen – absolut gleichen. Vor allem müsste es dieselbe Masse haben. Elektronen sind ziemlich leicht und können leicht (zusammen mit Positronen) erzeugt werden. Wo sind also die ganzen Selektronen (und Spositronen)? Sie müssen irgendwie eine höhere Masse haben als die Elektronen, und das gleiche gilt für all die anderen supersymmetrischen Partnerteilchen.
Natürlich gibt es Möglichkeiten, die Theorie so zu erweitern, dass sich die Massen der Teilchen und der Steilchen unterscheiden und die Steilchen schwer werden – wenn es die nicht gäbe, wäre SUSY längst tot. Aber beliebig schwer kann man die Teilchen eben auch nicht machen, ohne sich wieder anderen Ärger einzuhandeln. Und da kommen jetzt – endlich – die Experimente am CERN ins Spiel. Weder im ATLAS- noch im CMS-Detektor am CERN hat man bisher Hinweise auf supersymmetrische Teilchen finden können. Das treibt die Grenze für die Masse der SUSY-Teilchen weiter nach oben, und langsam wird es eng. Die Masse der squarks beispielsweise (also der Superpartner der Quarks) muss nach den ATLAS-Messungen mindestens 870GeV betragen, das ist fast fünfmal schwerer als das Top-Quark.
Es sieht also im Moment nicht so gut aus für die Supersymmetrie – sie ist durch die Experimente noch nicht widerlegt, aber schon ziemlich in die Enge getrieben. Und je höher die Steilchen-Massen werden, desto “unschöner” wird die Theorie – man muss immer mehr an den freien Parametern der Theorie drehen, damit sie noch im Einklang mit den Ergebnissen steht.
Wenn es die Supersymmetrie nicht gibt, dann bricht ein ganzer Haufen an physikalischen Ideen zusammen: Viele vereinheitlichte Theorien und auch die Superstringtheorie. Ich persönlich fände das spannend – viel spannender, als eine Bestätigung der Supersymmetrie (die ich noch nie gemocht habe, seit ich zum ersten Mal davon gehört habe, weil sie einfach so viele neue Teilchen postuliert). Und wenn auch das Higgs-Teilchen nicht gefunden wird, dann kommen die Physikerinnen wirklich ins Grübeln. Vielleicht entwickelt dann ja jemand eine ganz neue Theorie, eine, die unser Denken so umkrempelt, wie es vor 90 Jahren die Quantenmechanik gemacht hat. So oder so: Dank des LHC ist die Elementarteilchenphysik wieder spannend geworden.
Hier die Links auf die paper, falls jemand Details wissen will:
“Search for squarks and gluinos using final states with jets and missing transverse momentum with the ATLAS detector in sqrt(s) = 7 TeV proton-proton collisions“, The ATLAS Collaboration
“Search for supersymmetry using final states with one lepton, jets, and missing transverse momentum with the ATLAS detector in sqrt{s} = 7 TeV pp”, The ATLAS Collaboration
“Search for Supersymmetry in pp Collisions at 7 TeV in Events with Jets and Missing Transverse Energy”, CMS Collaboration
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