Wenn Brücken plötzlich vom Wind zerstört werden, wenn Opernsänger Gläser zerspringen lassen, dann hat man es mit der gefürchteten “Resonanzkatastrophe” zu tun. Die Resonanzkatastrophe kann scheinbar ohne jeden Anlass Dinge zerstören, die eigentlich ziemlich stabil aussehen. Wie kommt es dazu? Kann man mit Resonanzkatastrophen alles zerstören?
Das vermutlich eindrucksvollste Beispiel einer Resonanzkatastrophe ist die Zerstörung der Tacoma-Brücke:
Schon ein bisschen gespenstisch, oder? (Materialwissenschaftlich muss man übrigens sagen: Hut ab – die Brücke macht ziemlich heftige Verformungen mit, bevor sie endgültig versagt.) Aber wie kommt es nun zu so etwas?
Nachtrag: Obwohl es in zahlreichen Büchern steht (und daher habe ich es auch), ist die Zerstörung der Brücke anscheinend kein klassischer Fall von Resonanz, sondern eher eine sogenannte selbsterregte Schwingung. Die Schwingung der Brücke ist analog zum Flattern einer Fahne im Wind. Danke an koi für diesen Hinweis. Wer mehr wissen will, findet eine ausführliche Analyse hier.
Resonanzen haben etwas mit Schwingungen zu tun – nein, nicht mit den ganzheitlichen “alles-Schwingt-und-wir sind-alle-Energie”-Schwingungen aus der Esoterik-Ecke (wenn euch jemand mit “Alles schwingt” kommt, dann am besten vielleicht vorsichtig das Thema wechseln…), sondern mit Schwingungen im physikalischen Sinn.
Als Beispiel für eine solche Schwingung nehmen wir den Klassiker aus der Physik-Kiste: Die Feder. (Na gut, es gibt zwei Klassiker, der andere ist ein Pendel.) Am besten schnappt ihr euch also eine Feder (lasst euren Wellensittich in Ruhe – ich meine so ein spiraliges Dings (die fachliche Präzision meines Ausdrucks hier auf dem Blog ist mal wieder überwältigend (und zu viele Klammern setze ich auch (kommt wahrscheinlich davon, dass ich früher LISP (bekanntlich die Abkürzung für Long and Incredibly Slow Programs) programmiert habe)))).
Falls ihr gerade keine zur Hand habt, macht das gar nichts, ich habe nämlich eine virtuelle Feder für euch. Die findet ihr auf der Seite von Walter Fendt, der eine Menge toller Physik-Applets (und noch anderes) programmiert hat (Am besten den Link in einem neuen Fenster öffnen, dann könnt ihr dort experimentieren und hier lesen – euer Rechner muss allerdings Java 1.4.2 draufhaben, sonst klappt’s nicht, dann müsst ihr euch mit den Bildchen hier begnügen):
Hier haben wir also eine Feder, die oben befestigt ist und an der unten eine Masse dranhängt. Drückt einfach auf Start und ihr seht, wie das Pendel auf- und ab-schwingt. Die Grafik neben der Feder zeigt verschiedene physikalische Größen über der Zeit aufgetragen; mit den Umschaltern könnt ihr von “Elongation” (Dehnung) auf andere Größen umschalten.
Wie Ihr seht, läuft hier alles schön periodisch ab – die Feder schwingt immer wieder hin und her. Wenn ihr die Zeit messt, die zwischen zwei maximalen Auslenkungen der Feder (der Fachbegriff für diese Auslenkung lautet “Amplitude”) vergeht, so seht ihr, dass diese Zeit immer dieselbe ist. Der Kehrwert dieser Zeit ist die Frequenz1 der Schwingung, manchmal sagt man auch “charakteristische Frequenz” (weil man eine Feder auch zwingen kann, anders zu schwingen, das sehen wir gleich). Wenn es also 2 Sekunden dauert, bis die Auslenkung wieder maximal ist, dann ist die Frequenz 1/2 Hertz (Hertz=1/s ist die Einheit für Frequenzen). Oft spricht man statt von charakteristischer Frequenz auch von der “Eigenfrequenz” – übrigens auch im Englischen, wo “eigen frequency” sehr gebräuchlich ist.
1Bei der Frequenz gibt es zwei mögliche Definitionen: Die Frequenz als Kehrwert der Zeit zwischen zwei Schwingungsmaxima und die Kreisfrequenz (angular frequency) – das ist die Frequenz multipliziert mit 2π. (Theoretische Physiker setzen natürlich 2π=1 – nein, ich geb’s zu, das war ein schlechter verspäteter Aprilscherz.)
Schaut als nächstes auf die Kraft (den entsprechenden Knopf anklicken). Die gerade wirkende Kraft wird an der Masse als grüner Pfeil angezeigt. Wenn die Feder kurz ist, wirkt die Kraft nach unten (die Masse wird also weggedrückt), wenn die Feder lang ist wirkt sie nach oben (die Masse wird hochgezogen). Momentane Auslenkung und Kraft sind also immer entgegengesetzt – je weiter die Masse von der Mittelposition ausgelenkt wird, desto stärker ist die rückstellende Kraft. So eine Rückstellkraft ist für schwingende Systeme charakteristisch – ohne etwas, das versucht, ein ausgelenktes System wieder “zurückzustellen”, gibt es auch keine Schwingung.
Ihr könnt den Wert der Amplitude (also die maximale Auslenkung) ändern, wenn ihr auf “reset” klickt und dann im entsprechenden Feld eine andere Zahl eingebt. Dabei seht ihr, dass die Schwingung mehr oder weniger stark wird, ihre Frequenz ändert sich aber nicht. Für ein festes System aus Feder und Masse ist diese Frequenz von der Amplitude unabhängig. (Auch das gilt wieder nur näherungsweise, in diesem Fall, solange die Amplitude nicht zu groß wird.)
Wenn ihr die Feder eine Weile verfolgt, seht ihr, dass es sich um ein typisches Physiker-Modell handelt: Reale Federn benehmen sich anders. Oder habt ihr schon mal eine Feder gesehen, die immer weiterschwingt? Reale Federn unterliegen der Reibung, sie schwingen nicht unendlich lange, wenn man sie einmal langzieht (so wie die Feder hier im Modell), sondern die Schwingung wird immer schwächer; sie wird gedämpft, bis sie schließlich nicht mehr wahrnehmbar ist und dann verschwindet.
Das lässt sich in diesem Modell leider nicht einbauen, aber zum Glück gibt es ein zweites Modell auf der (wirklich tollen, sagte ich das schon?) Internetseite unter dem Namen “Resonance”. (Anglophile Leserinnen sehen, dass wir uns langsam dem Thema dieses Eintrags nähern.)
Dieses Modell nennt sich “forced oscillations” – zu deutsch “erzwungene Schwingung”. Klickt noch nicht auf Start – soweit sind wir noch nicht.
. Tragt erst einmal in das Feld mit der roten Schrift “Exciter: Angular Frequency” den Wert 0 ein und schaut euch dann an, wie sich die Auslenkung (“Elongation”) ändert.
Wenn eine Schwingung gedämpft wird (und das werden reale Schwingungen fast immer, weil die meisten Systeme irgendeine Form von Reibung haben), dann nimmt die Amplitude (also die maximale Auslenkung) immer weiter ab – typischerweise in etwa exponentiell, das sieht also so aus:
(Nebenbei können wir dabei gleich mit einem weiteren Vorurteil aufräumen: Exponentiell heißt nicht einfach “ganz doll irrsinnig unglaublich stark” – die Abnahme der Amplitude im Bild oben ist ja eher moderat – trotzdem ist sie exponentiell. Exponentiell heißt tatsächlich: Die Änderung ist immer proportional zum momentanen Wert. Auch die Zinsen auf eurem Sparbuch (oder euren festverzinslichen Wertpapieren (oder was immer ihr sonst mit eurem Geld macht (sagte sich schon, dass ich zu zu vielen Klammern neige?))) wachsen exponentiell – aber leider nicht so schnell, wie ihr das gern hättet.)
Zurück zur Feder: Die Feder schwingt immer noch mit einer bestimmten Frequenz, ihrer Eigenfrequenz, aber die Amplitude wird immer kleiner. (Anmerkung für die ganz genauen: Tatsächlich wird die Eigenfrequenz durch die Dämpfung geringfügig beeinflusst, der Effekt wird allerdings erst bei großen Dämpfungen wichtig.)
Ihr könnt mit dem Wert der Dämpfung (Attenuation) ein bisschen herumspielen – wenn ihr die Dämpfung sehr groß macht (größer als 2), dann verhält sich die Feder so, als wäre sie in Honig getaucht, bei Werten größer als etwa 5.3 schwingt sie gar nicht mehr, sondern geht einfach in ihre Ausgangslage zurück.
Wenn ihr ein Gefühl dafür bekommen habt, wie sich die Feder mit Dämpfung verhält (eigentlich genau so, wie man es aus dem Alltag kennt), dann seid ihr nun bereit für den nächsten Schritt: Wir regen die Feder von außen an.
Dazu setzt ihr die Dämpfung wieder auf ihren alten Wert von 0.2 und dann die Exciter angular frequency auf den Ursprungswert von 2 (an den ihr euch vermutlich nicht mehr erinnern könnt, komisch eigentlich…) und los geht’s.
Schaut erst einmal der Feder zu. Sie wird jetzt von dem roten Punkt oben angeregt, der schwingt immer hin und her (mit einer Frequenz, die mit dem Wert für die “exciter angular frequency” zusammenhängt). Die Grafik der Elongation zeigt, dass sich das System am Anfang ein bisschen seltsam benimmt:
Anscheinend muss es sich erstmal “einschwingen”. Nach einer Weile aber sieht alles ganz regelmäßig aus, die Feder und die Anregung sind schön im Takt und haben dieselbe Frequenz:
Welche Frequenz ist das? Es ist nicht die Eigenfrequenz der Feder (genauer sollte ich immer von der Eigenfrequenz des Feder-Masse-Systems sprechen, ich hoffe, ihr seht mir die Schlampigkeit nach, zumal reale Federn auch ohne angehängte Masse eine Eigenfrequenz haben, weil sie selbst eine Masse besitzen). Die Frequenz der Schwingung ist also nicht die Eigenfrequenz der Feder, sondern die Frequenz der Anregung. Auch das ist ganz typisch für schwingende Systeme: Werden sie von Außen zum Schwingen angeregt, dann gibt es einen Einschwingvorgang, bei dem sich sozusagen die Eigenfrequenz und die äußere Frequenz streiten, wem denn nun das System folgen soll, aber am Ende gewinnt immer die äußere Anregungsfrequenz.
Als nächstes machen wir den Wert der Anregungsfrequenz etwas größer und nehmen 3 als Wert:
Das schwingt schon ganz schön heftig hin und her, die Amplitude wird nach kurzer Zeit sehr groß. Wenn ihr die Bewegung von Anreger und Masse verfolgt, dann seht ihr, dass die beiden nicht mehr nahezu im Gleichtakt sind, sondern ihre jeweiligen Extrempositionen zu unterschiedlichen Zeiten haben. Wenn die Masse ganz oben ist, ist der Anreger schon mitten in seiner Bewegung und kann die Feder so kräftig anschubsen.
Das kennt ihr übrigens alle vom Schaukeln: Wenn man ein Kind auf der Schaukel anschubst, dann gibt man den meisten Schwung genau dann, wenn das Kind am höchsten Punkt angekommen ist, so schaukelt man am höchsten. (Und das können wir alle ganz intuitiv, ohne dass wir jemals bewusst über angeregte gedämpfte Massenschwinger nachgedacht hätten – ich könnte jetzt einen Satz dazu schreiben, dass wir offensichtlich im Kopf Differentialgleichungen lösen können, aber das Thema hatten wir schon.)
Wir erhöhen der Wert der Anregungsfrequenz noch weiter, auf 3.07:
Das schwingt schon ziemlich heftig. Wenn ihr auf das Diagramm der Auslenkung schaut, dann seht ihr, dass die Amplitude anfangs zunimmt, dann aber schließlich einen konstanten Wert erreicht. Die Anregung ist dabei jetzt noch besser “getaktet” – wie beim Anschubsen der Schaukel ist sie besonders stark, wenn die Feder ihre kürzeste und längste Auslenkung erreicht. Weil Anregung und Frequenz der Feder fast gleich sind, gibt es auch keinen “Einschwingvorgang” mehr.
Die Schwingung wird also sehr heftig (und wir nähern uns schon der Resnonanzkatastrophe), obwohl die Anregung ja sehr klein ist. Wenn ihr euch anguckt, wie die Amplitude am Anfang ansteigt, dann seht ihr, dass die Energie der Schwingung nicht einfach aus dem Nichts kommt, sondern wird durch die äußere Anregung aufgebracht. Das ist nur nicht sehr auffällig, weil die Anregung vergleichsweise klein ist. Es ist aber trotzdem entscheidend: Die Energie bei der Resonanz kommt vom Anreger – ohne Anregungsenergie gibt es auch keine starke Schwingung.
Und? Seid ihr nun bereit für die Resonanzkatastrophe? Erhöht die Anregungsfrequenz auf den Wert von 3.16, der genau gleich der Eigenfrequenz des Schwingers ist. Nach kurzer Zeit sieht das Bild so aus:
und ihr bekommt eine Warnmeldung, dass die Simulation nicht mehr realistisch ist (seht ihr auch daran, dass die Feder zwischenzeitig auf Länge Null schrumpft). Das ist jetzt die echte Resonanzkatastrophe.
Also: Zur Resonanzkatastrophe kommt es, wenn ein schwingfähiges System von außen genau mit seiner Eigenfrequenz angeregt wird. Die Energie dafür kommt vollständig aus der Anregung – ihr könnt also nicht mit ganz wenig Energie eine gigantische Schwingung anregen, auch wenn ihr noch so laut “RESONANZ!!!EinsElf!!” ruft.
Trotzdem sieht es bei der Resonanz aber ja so aus, als würde man aus wenig Anregung viel Schwingung bekommen, beispielsweise oben beim Video der Tacoma-Brücke – und in gewisser Weise ist das auch richtig. Die Energie für die Resonanz muss zwar von Außen aufgebracht werden, aber wenn die äußere Anregung klein ist, dann ist die Leistung (also die Energie, die pro Zeit aufgebracht wird) ebenfalls klein und es entsteht der Eindruck, als würde die Schwingung quasi “aus dem Nichts” entstehen – tatsächlich verteilt sich die aufgebrachte äußere Energie einfach nur über einen längeren Zeitraum, so dass die Energie pro Zeit klein sein kann.
Wenn ihr beispielsweise einen dünnen und leichten Faden mit einem Gewicht dran in die Hand nehmt, den Ellbogen aufstützt und den Faden einfach herunterhängen lasst, dann würdet ihr vermutlich erwarten, dass der Faden nach kurzer Zeit zur Ruhe kommt. Tut er aber nicht, er schwingt typischerweise ein wenig hin und her. Mit ein bisschen Konzentration könnt ihr – ohne dass ihr bewusst eure Hand bewegt – das Gewicht zum Kreisen bringen. Die Anregung sind kleine Veränderungen in der Handhaltung und Muskelspannung, die wir nicht bemerken, so dass es scheint, als würde das Pendel “von selbst” zu schwingen anfangen. Die esoterischen Anwendungen dieses Prinzips sind sicherlich bekannt (ansonsten empfehle ich ein bisschen googeln nach Worten wie “Schwingung”, “Auspendeln” etc.).
Ein anderes bekanntes Beispiel einer Resonanzkatastrophe ist die Opernsängerin, die mit ihrem Gesang Weingläser oder gar Fensterscheiben zum Zerspringen bringt. Die Mythbusters gezeigt, dass das tatsächlich funktioniert:
Allerdings braucht man ein dünnes Weinglas und ziemlich viel Übung. Im Physik-Experiment mit Lautsprecher geht es “etwas” einfacher, wie dieses Video an der UCLA zeigt.
Damit das Glas zerspringt, muss man die Resonanzfrequenz des Glases ziemlich genau treffen. Kann man also jedes System zur Resonanzkatastrophe bringen, wenn man nur seine Resonanzfrequenz trifft? Dazu zurück zu unserem (bzw. Walter Fendts) Resonanz-Applet. Lasst die Anregungsfrequenz bei 3.16, aber erhöht die Dämpfung auf 0.3 statt 0.2:
Wie ihr seht, wird die Resonanzkatastrophe knapp vermieden.
Wenn ihr die Dämpfung noch weiter erhöht, dann wird die Resonanz immer schwächer. Auch das könnt ihr im Applet ausprobieren – klickt dazu auf den Knopf “Amplitude diagram” und variiert die Dämpfung:
In dem Diagramm ist jetzt auf der horizontalen Achse die Anregungsfrequenz aufgetragen, auf der vertikalen Achse die maximale Auslenkung. Wenn ihr die Dämpfung ändert, dann seht ihr, dass das Maximum immer niedriger wird.
Damit es zur Resonanzkatastrophe kommen kann, muss man also nicht nur die Resonanzfrequenz möglichst genau treffen – das schwingende System muss auch einigermaßen “frei” schwingen können und darf nicht zu stark gedämpft sein. Deswegen eignet sich ein dünnes Weinglas mit einem langen Stiel besser als echter Senfkristall mit dicken Glaswänden und einer großen Auflagefläche am Boden, und deswegen sind lange, schmale Brücken auch gefährdeter als kurze breite. (Natürlich ist auch die Resonanzfrequenz jeweils eine andere.)
Auch euer Kind macht nicht gleich einen Überschlag auf der Schaukel; zum einen, weil die Dämpfung das verhindert, aber da kommt noch etwas zusätzliches ins Spiel: wenn die Amplitude sehr groß wird, dann ist eine Schaukel nicht mehr “linear” – Die rückstellende Kraft und die Auslenkung sind nicht mehr proportional zueinander. Bei einer Feder ist das ähnlich: Wenn sie sich zu stark zusammenzieht, dann treffen die Spiralen aufeinander und das war’s, wenn sie sich zu stark dehnt, dann fängt das Material an, sich plastisch zu verformen. Für die Resonanzkatastrophe muss das Verhalten des Systems also auch bei großen Auslenkungen unverändert bleiben, sonst wird die Katastrophe auch verhindert.
Ich hoffe, ich habe euch überzeugt, dass an der Resonanzkatastrophe nichts “geheimnisvolles” ist. Eine Sache mag euch aber immer noch merkwürdig vorkommen: Bisher hatten wir Resonanz immer dadurch erreicht, dass die Anregung genau die Eigenfrequenz getroffen hat. Beim Weinglas mag das ja noch angehen – aber bei einer Brücke? Soll der Wind über Stunden genau im passenden Rhythmus gepustet haben? Wie wahrscheinlich ist das denn?
Nachtrag 2 Wie oben erläutert, lag bei der Tacoma-Brücke eben keine erzwungene Schwingung vor, die mit einer bestimmten Frequenz angeregt werden musste.
Ein schwingendes System muss aber nicht ganz exakt mit seiner Eigenfrequenz angeregt werden, oder jedenfalls nicht nur. Die Lösung steckt in einem wundervollen bisschen Mathematik (das ich euch nicht vorrechne, das wäre einen eigenen Text wert), der Fourier-Transformation (oder Fourier-Reihe): Ein chaotisch fluktuierendes Signal kann man sich aus lauter verschiedenen Frequenzen zusammengesetzt vorstellen. Wenn also der Wind in heftigen Böen weht, die immer wieder anschwellen und abklingen, dann entspricht dies einem Haufen verschiedener Frequenzen. (Das ist so ähnlich wie bei den Obertönen von Musikinstrumenten.) Es ist natürlich trotzdem schon ein bisschen “Glück” (oder im Fall der Tacoma-Brücke Pech) notwendig, damit die Eigenfrequenz hinreichend gut getroffen wird – außerdem muss die Dämpfung klein genug sein, damit die Schwingung bei einer kurzen Flaute oder einem Zeitraum, in dem die entsprechende Frequenz nicht passt, nicht abklingt. Deswegen krachen Brücken ja auch nicht ständig und reihenweise im Wind zusammen – die werden hinreichend gut gedämpft (ähnlich wie bei Erdbebendämpfern), so dass so etwas nicht noch einmal vorkommt.
Bisher habe ich euch Schwingung und Resonanz nur am Beispiel der Feder erklärt. Resonanzen gibt es aber auch in anderen Bereichen der Physik, beispielsweise im Elektromagnetismus. Auch eine elektromagnetische Welle kann man als Schwingung auffassen – hier sind es das magnetische und das elektrische Feld, die sich immer gegenseitig anregen und jeweils füreinander als “Gegenkräfte” wirken (Wenn das elektrische Feld maximal ist, dann wird es vom Magnetfeld wieder umgedreht und umgekehrt.) Anregen kann man elektromagnetische Wellen, indem man Ladungen in der entsprechenden Frequenz bewegt – und umgekehrt kann eine elektromagnetische Welle auch Ladungen zum Schwingen bringen – so funktioniert eine Antenne. Wenn ihr den Frequenzknopf am Radio dreht, dann ändert ihr die Eigenfrequenz der Antenne, bis sie in Resonanz mit der Frequenz kommt, auf der euer Lieblingsradiosender sendet – und schon hört ihr die beste Mischung von gestern und heute oder was auch immer…
Elektromagnetische Wellen können auch einzelne Moleküle zum Schwingen anregen – das Prinzip nutzt ihr immer aus, wenn’s mal wieder zeitlich knapp wird und es nur für den schnellen Fertigmampf aus der Mikrowelle reicht. Die Mikrowellenstrahlen regen Wassermoleküle zum Schwingen an, die dann die Schwingungsenergie als Wärmeenergie speichern. Auch das ist eine Form von Resonanz – andere Moleküle mit anderen Frequenzen lassen sich nicht so gut anregen, deswegen bleibt der Teller vergleichsweise kühl. (Er erwärmt sich aber auch ein wenig, zum einen durch Wärmeleitung, zu anderen, weil er auch ein bisschen Wasser bzw. OH-Gruppen enthält.) Aber auch hier ist es wieder so, dass die Energie, die nachher als Wärme im Essen steckt, von der Mikrowelle eingestrahlt werden muss – die Resonanz macht es den Molekülen leicht, die Energie aufzunehmen, aber die Energie muss trotzdem von Außen aufgebracht werden.
Schwingungen und Resonanzen sind also ziemlich spannende Physik – magisch sind sie aber nicht und können auch keine Wunder bewirken.
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