Ein Dino-Spuren-Symposium ist eine tolle Sache, keine Frage. Über den äußeren Rahmen, die Exkursionen, die absolut perfekte Organisation und das sonstige Drumherum habe ich ja schon geschrieben. Jetzt werfen wir mal einen Blick ins Vortragsprogramm und ich erzähle euch, was mir besonders gefallen hat. (Vorträge, auf die ich nicht eingehe, waren nicht unbedingt schlecht oder langweilig, sondern liefern mir einfach kein gutes Material.)
Vorher habe ich aber noch was schönes für euch: Peter Falkingham (thanks, Peter) hat mir nämlich dankenswerterweise auf mein Betteln hin ein paar Bilder geschickt – nun könnt ihr also doch eine Ahnung bekommen, wie der Hühnerhof bei Nacht aussah. Hier Bilder direkt von oben:
Und dieses Bild zeigt euch, dass man die eindrucksvollen Spuren nicht mehr ganz so deutlich sieht, wenn man direkt davor steht:
Nun aber zu den Vorträgen.
Wie gesagt, den Donnerstag und den Freitag Vormittag musste ich schwänzen, weil ich Vorlesung halten musste – deshalb habe ich die Vorträge über den “Hühnerhof” verpasst, was natürlich schade ist. Von besonderem Interesse sind dabei zweizehige Fußspuren, die von eher kleinen Raubsauriern stammen – aber von welchen?
Zweizehige Raubsaurier kennt man vor allem in der Gruppe der Deinonychosaurier, zu denen auch der berühmte (und in Jurassic Park “etwas” zu groß geratene) Velociraptor gehört. Hier ein schönes Bild von Deinonychus (von Wikipedia):
Von Dinoguy2, bearbeitet durch Conty, CC BY-SA 2.5, Link
Wie ihr sehr, ist der Deinonychus nicht wirklich zweizehig, sondern hat an einer seiner Zehen die berühmte namensgebende Sichelklaue (Deinonychus=Schreckensklaue). Damit die nicht ständig abgeschubbert und stumpf wird, wird sie nach oben geklappt getragen, so dass der Deinonychus (und seine Verwandten) auf zwei Beinen Zehen läuft. Hier noch ein schönes Bild dazu:
By Created by: Ballista. Uploaded by: Dudo. – Own work, CC BY-SA 3.0, Link
Die Klaue sitzt dabei an Zeh Nummer 2; Nummer 3 und 4 sind die, die den Boden berühren. (Über einen ungewöhnlichen Dromaeosaurier mit gleich zwei Sichelklauen habe ich vor einiger Zeit schon mal geschrieben.)
Die Deinonychosaurier teilt man wiederum in zwei Gruppen ein – die Dromaeosaurier (zu denen gehört auch der Deinonychus) und die Troodontiden. Die sind nicht ganz so berühmt, haben aber auch ein paar spektakuläre Fossilien geliefert – beispielsweise Mei long, den “schlafenden Drachen” aus China, der versteinert wurde, während er seinen Kopf unter den Arm gesteckt hatte, so wie es heutige Vögel tun. Mit ziemlicher Sicherheit hatten alle diese Saurier auch tatsächlich Federn, denn sie zählen zu den engsten Verwandten der Vögel. (Einige Forscher glauben sogar, dass sie Nachfahren von Vögeln wie Archaeopteryx sind und ihre Flugfähigkeit verloren haben.)
Weil diese Dinos so vogelähnlich sind, sind sie natürlich auch besonders interessant. Und deswegen möchte man auch gern wissen, ob die Spuren im Hühnerhof nun zu einem Dromaeosaurier oder einem Troodontiden gehören.
Wie gesagt, gehört habe ich den zugehörigen Vortrag nicht, aber zum Glück habe ich zumindest das “Book of Abstracts”, das zu jeder guten Tagung dazugehört und in dem zu jedem Vortrag eine kurze Inhaltsangabe steht. Das Team um Annette Richter hat die Spuren im Hühnerhof vermessen und mit anderen Spuren und mit den Fußskeletten der in Frage kommenden Dinos verglichen. Die vierte Zehe ist in Troodontiden kürzer als in Dromaeosauriern – in den zweizehigen Oberkirchener Fährten ist der Abdruck der Zehe IV besonders kurz – das spricht also für einen Troodontiden. Auch andere Merkmale der Fährten deuten eher auf diese Dinogruppe hin – vermutlich handelt es sich hier also um die ersten relativ eindeutig identifizierten Fährten von Troodontiden.
Kleiner Einwurf: Was soll das alles? Vielleicht denkt ihr ja jetzt, dass Dinoforscher (und solche die Dinoforschung spannend finden so wie ich) einen Sprung in der Schüssel haben: Wen interessiert es denn auch nur im Mindesten, welche Dinosorte nun ganz genau vor 140 Millionen Jahren durch Hannover und Umgebung gerannt ist? Ist das zu irgendetwas gut?
Zunächst mal: Diese Spuren sind Bestandteil eines größeren Bildes. Zu wissen, ob damals Troodontiden oder Dromaeosaurier in einem Gebiet gelebt haben, hilft dabei, die Ökologie der damaligen Zeit zu verstehen und liefert Aufschlüsse über die Biogeographie, also die Frage, welche Tiere wann wo gelebt haben. Wenn wir die Saurierzeit wirklich verstehen wollen, dann brauchen wir diese Informationen. Und niemand kann vorher wissen, ob nicht gerade Fährte X oder Knochen Y genau das fehlende Teil liefert, um eine offene Frage zu klären.
Und dann gilt: Forschung muss nicht immer zu etwas gut sein – darüber hat Florian ja schon öfter geschrieben. Wir leisten uns in jeder größeren Stadt Theater oder Opernhäuser – wozu sind die “gut”? Werfen die einen “Nutzen” ab, oder sind sie nicht einfach ein Bestandteil unserer Kultur? So ist es auch mit der Forschung – ohne Forschung würden uns die faszinierendsten Fakten über die Welt entgehen.
Aber schließlich zeigt gerade das Dino-Track-Symposium mit seiner hohen Öffentlichkeitswirksamkeit, dass die Erforschung von Dinosauriern die Menschen fasziniert – und vermutlich gibt es nur wenige Themen, mit denen man gerade Kindern zeigen kann, wie spannend Wissenschaft ist, die mit Dinos mithalten können.
So, nachdem wir das nun hoffentlich ausgeräumt haben, zurück zu den Vorträgen – und jetzt beschränke ich mich auf die, die ich auch tatsächlich gehört habe, und auch da belasse ich es bei den für mich interessantesten. Es gab relativ viele Übersichtsvorträge, in denen Gesteinsformationen und die in ihnen erhaltenen Spuren vorgestellt wurden – die gaben zwar ein interessantes Bild, sind aber zum nacherzählen weniger geeignet.
Was macht man nun eigentlich mit Dinospuren? Wie wertet man sie aus? Einen schönen Einblick in diese Fragestellung gab der Vortrag von Lisa Buckley aus Kanada. Dazu werfen wir erst einmal einen Blick auf einen Fußabdruck – in diesem Fall von Grallator (der Abdruck stammt also von einem kleineren Raubsaurier):
Bild aus TRIASSIC-JURASSIC STRATIGRAPHIC DISTRIBUTION OF THE THEROPOD FOOTPRINT ICHNOGENUS EUBRONTES, S. Lucas et al, 2006
So hübsch sehen echte Spuren natürlich nicht aus – und die Knochen sieht man in ihnen auch nicht, aber es hilft hoffentlich zu verstehen, was man hier eigentlich analysieren will. Dazu muss man sich erst einmal eins klarmachen: Nicht alle Fußspuren ein und desselben Tieres sind gleich. Mal ist das Substrat etwas feuchter, mal etwas trockener, mal ist das Tier ein bisschen gerutscht oder etwas tiefer eingesackt, mal hat es fester aufgetreten usw. Um verlässliche Aussagen zu bekommen, macht man deshalb eine statistische Analyse und verlässt sich nicht auf den Augenschein, denn das Gehirn mag einem Muster vorgaukeln, wo keine sind. Man sucht also nach Variablen, die man an den Fußspuren ablesen und statistisch auftragen kann.
Ein paar mögliche Variablen zeigt dieses Bild:
In blau seht ihr die Fußbreite, in grün die Fußlänge. Rot habe ich die einzelnen Zehen markiert. Ihr seht, dass Zeh II und Zeh IV den Mittelzeh nicht genau im gleichen Winkel treffen, der Winkel bei Zeh II ist etwas größer.
Bei den Spuren, die Lisa Buckley untersuchte, war es dieser Winkelunterschied, der besonders auffällig war, Zeh Nummer II war extrem stark abgespreizt. (Leider habe ich kein Bild – sagte ich schon, dass ich meine Kamera vergessen hatte?) Mit Hilfe der statistischen Analyse konnte Buckley zeigen, dass der Unterschied signifikant so viel größer war als bei bisher bekannten Spuren, dass die Errichtung einer neuen Ichnospecies (also einer “Spurenart” in der seltsamen Ichnologinnen-Parallelwelt vom letzten Mal) gerechtfertigt war – sogar eine neue Ichnofamilie scheint angezeigt.
Außerdem verglich sie die Spuren mit den Spuren und Füßen heutiger Vögel. Im Keilschwanz-Regenpfeifer (killdeer, Charadrius vociferus) fand sie eine Art, die eine ähnlich starke Abspreizung von Zeh II hatte. Ein Vergleich mit anderen Vögeln zeigt, welche Knochen im Fußskelett anders orientiert sind – falls man also in der Gegend in Kanada, wo die seltsamen Spuren gefunden wurden, eines Tages Fußknochen findet, dann wird diese Analyse helfen herauszufinden, ob sie zu den Spuren passen.
Der Vortrag war übrigens nicht nur deshalb spannend, weil er für mich eine echte Einführung in die wissenschaftliche Arbeit mit Fußspuren war, sondern auch, weil Lisa Buckley eine ausgezeichnete Vortragende war. Überhaupt waren sehr viele der Vortragenden lebendige und gute Redner – vielleicht, weil Dino-Leute öfters vor Laienpublikum reden müssen als Materialwissenschaftler, die ich sonst zu hören bekomme.
Der Vortrag von Christian Meyer aus der Schweiz fiel auch in diese Kategorie – schon der Titel versprach Unterhaltung: “The Hitchhikers guide to the late jurassic and early cretaceous dinosaur tracks from the Swiss and French jura mountains”. (Und tatsächlich kam in der Fragestunde hinterher die Frage “So does this mean that the answer is 42?” – Physiker sind nicht die einzigen Nerds…) Obwohl die Schweiz ja nicht gerade als Dinosaurier-El-Dorado bekannt ist, gibt es dort jede Menge Dinospuren. Wenn ich alles richtig verstanden habe (der Vortrag war in Sachen Geologie etwas zu anspruchsvoll für mich), dann ging es hier insbesondere darum, die Fährten aus unterschiedlichen Perioden mit den jeweiligen Anordnungen von Land und Meer in Einklang zu bringen – in weiten Teilen des Erdmittelalters war Mitteleuropa ja ein flaches Meer mit vielen Inseln oder kleineren Festlandsgebieten. Die Spuren ließen sich mit Zeiten in Verbindung bringen, bei denen der etwas niedrigere Wasserspiegel es den Dinos erlaubte, von A nach B zu ziehen (wobei man sich natürlich fragen sollte, was an B eigentlich so toll ist – aber jetzt schweife ich ab (tue ich das nicht eigentlich immer? (schon wieder zu viele Klammern…))) Da sich hier sozusagen Tore zwischen den unterschiedlichen Landmassen öffneten und schlossen, bekommt diese Idee vom Autor auch den Namen “Stargate”-Hypothese (in gnadenloser Vermischung verschiedener SF-Geschichten).
Auf den Vortrag danach hatte ich mich schon besonders gefreut – er wurde nämlich von Steve Gatesy gehalten, mit dem ich seit 5 Jahren zum Teil lebhaften mail-Kontakt hatte und sogar ein paper veröffentlichen konnte (aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden). Steve hat sich keine Dinospuren angeguckt, sondern selbst welche erzeugt. Dazu nahm er ein Fußmodell eines Truthahn und steckte es (von einer kleinen Maschine angetrieben, damit die Bewegung genau reproduzierbar war) in tiefen Matsch. Ja, auch das ist Wissenschaft, wenn man mit Matsch spielt. Jedenfalls, wenn man den Matsch vorher mit Kügelchen versieht, die einen guten Röntgenkontrast haben und deren Bewegung dann mit einem CT-Scanner ausmisst. Auf diese Weise konnte Steve dreidimensionale Bewegungslinien innerhalb des Sandes vermessen und so genau ausrechnen, wie sich der Sand verformt. Das ist insbesondere wichtig für Leute, die die Entstehung von Fußspuren simulieren wollen (und wenn alles nach Plan verläuft, gehöre ich auch bald zu diesem erlesenen Kreis…) – die haben dann nämlich Daten zum Abgleichen der Simulation.
Cory Kumagai schließlich hat lebende Krokodile vermessen – dabei hat er sich vor allem dafür interessiert, wie sich die Fußgröße verändert, wenn das Krokodil wächst. Wer jetzt sagt: “Sie wird größer” bekommt einen Gummipunkt – Cory wollte es schon etwas genauer wissen. Man unterscheidet beim Wachstum zwischen isometrischem und allometrischem Wachstum: Beim isometrischen wächst der betrachtete Körperteil im gleichen Maß wie der Rest des Körpers, beim allometrischen wächst er entweder schneller (positive Allometrie) oder langsamer (negative Allometrie). Hunde beispielsweise haben als Welpen ja große Pfoten und wachsen “in ihre Pfoten hinein” – das wäre dann negative Allometrie. Krokodilfüße haben ebenfalls eine negative Allometrie, allerdings nur sehr schwach ausgeprägt.
Warum es diese Allometrie gibt, wurde in der Fragestunde intensiv (und sogar ein bisschen aggressiv) diskutiert. Ansonsten ging es in der Diskussion zu den Vorträgen meist sehr ruhig zu – von Konferenzen in Physik und Materialwissenschaft bin ich da einen deutlich härteren Ton gewohnt. Vielleicht liegt es daran, dass hier wirklich jeder jeden kannte (außer mir natürlich, ich war ja der Außenseiter). In diesem Zusammenhang war auch lustig, dass der “Chair” (also die Diskussionsleiterin) in den jeweiligen “Sessions” (=”Abschnitt mit mehreren Vorträgen”) immer auch selbst einen Vortrag hielt. Das habe ich sonst noch nie erlebt, denn so ein “chair” soll ja eigentlich überziehende Vortragende bremsen und die Diskussion in geordnete Bahnen lenken, falls sich zwei Leute verbal die Köpfe einschlagen.
Der Samstag stand wieder ganz im Zeichen der zweizehigen Fußspuren. Wie gesagt, die ersten Vorträge musste ich schwänzen, da ich mich nicht mit nur wenigen Stunden Schlaf ins Auto setzen wollte. Immerhin kam ich genau rechtzeitig zum Vortrag von Martin Lockley, der einen (extrem unterhaltsamen) Überblick über zweizehige Spuren und Fährten gab. Die kennt man noch gar nicht so lange (vielleicht auch, weil zweizehige Abdrücke schlechter zu erkennen sind als dreizehige die ja wegen ihrer Symmetrie eher ins Auge springen). 1995 entdeckte man in China relativ kleine Spuren, die man als Velociraptorichnus (“Spur vom Velociraptor”) bezeichnete, vor einigen Jahren dann deutlich größere mit einer Länge von knapp 30 Zentimeter, Dromaeosauripus (“Dromaeosaurierfuß”) genannt.
Zweizehige Spuren sollten ja, wie oben erläutert, von Deinonychus und seinen Verwandten stammen. Es gibt aber auch Ausnahmen – man kennt nämlich einige solche Spuren bereits aus der Trias-Zeit, ganz am Anfang des Dinosaurierzeitalters als an hochspezialisierte Räuber wie Deinonychus noch nicht zu denken war. Ob diese Spuren überhaupt von Raubsauriern oder vielleicht eher von anderen Dinosauriern, den Prosauropoden (von denen ich hier etwas erzählt habe) stammen, ist zur Zeit unklar. Ähnliches gilt für zweizehige Spuren aus dem Jura, die auch aus einer Zeit vor den Deinonychosauriern stammen.
Echte Deinonychosaurierspuren sind vermutlich dadurch zu erkennen, dass an der Stelle, wo die zweite Zehe sitzt, ein kleiner Knubbel zu sehen ist – denn die zweite Zehe ist ja vorhanden und nicht etwa verkümmert wie beim Strauß, sie trägt nur die berühmte Kralle (oben im Fußmodell ist der kleine Knubbel hinten zu erkennen). Im nächsten Vortrag (bei dem ich mich leider nicht mehr erinnere, wer der drei Autoren Corwin, van der Lübbe und Xu ihn gehalten hat) ging es genau um diese Fragen. Die Autoren verglichen die Füße von heutigen Vögeln mit verschiedenen Spuren, um mehr über die Fährtenmacher herauszufinden und versuchten, den Ichnologinnen ein paar Leitlinien an die Hand zu geben, wie man solche Spuren klassifizieren kann.
Der dritte der Vorträge über zweizehige Spuren stammte aus Braunschweig. Prof. Joger vom Braunschweiger Naturkundemuseum und sein Team haben vor einigen Jahren mehrere Expeditionen nach Niger gemacht und dort nicht nur verschiedene Dinosaurier entdeckt (unter anderem Jobaria und Spinophorosaurus), sondern auch zweizehige Dinospuren. Hier ein Überblick über die Fährte (zum Vergrößern klicken):
Insgesamt sind es fünf Fährten, wobei A und B sowie C und D jeweils parallel verlaufen und sozusagen “hin” und “zurück” führen – die beiden Dinos sind also vermutlich nebeneinander gegangen. Eine fünfte Spur kreuzt die beiden anderen.
Die Abdrücke sind dabei ziemlich tief – der Boden dürfte also ziemlich schlammig gewesen sein und die Saurier sind tief eingesunken:
Die Bilder stammen aus “Didactyl Tracks of Paravian Theropods (Maniraptora) from the ?Middle Jurassic of Africa“, einer Veröffentlichung, die im Februar erschien. In der Arbeit wurde noch angenommen, dass die Spuren tatsächlich von einem Verwandten des Deinonychus stammen (dem “paravian theropod – “vogelnahen Raubsaurier” – des Titels). Das wäre eine Sensation gewesen, denn aus dieser Zeit – dem mittleren Jura – kennt man noch keine solchen Saurier (obwohl es sie vermutlich gegeben haben muss, da die ersten Vögel ja am Ende des Jura auftauchten). Im Vortrag war das Braunschweiger Team allerdings etwas vorsichtiger – Alexander Mudroch konzentrierte sich auf die Beschreibung der Spuren und war etwas weniger spekulativ.
Den Rest des Samstages haben wir dann – wie schon erzählt – im Dinopark und beim Dinner verbracht. Am Sonntag schließlich folgten die letzten Vorträge. Brent Breithaupt aus den USA hielt gleich zwei hintereinander – seine Mitarbeiterin war leider kurzfristig verhindert, ihren Vortrag selbst zu halten. In beiden Vorträgen ging es um ein technisches, aber sehr wichtiges Thema: Digitale Spurenanalyse. Dinosaurierspuren liegen ja im offenen Gelände und nur in den seltensten Fällen macht man sich – wie in Münchehagen – die Mühe, einen Schutz für sie zu bauen; bei vielen Fährten wäre das wegen der Größe auch gar nicht möglich. Die Spuren sind deshalb Wind und Wetter ausgesetzt und verwittern schließlich.
Meist nimmt man deshalb Abdrücke von den Spuren – beispielsweise mit Gips oder Holzleim. Das ist aber aufwändig und auch gar nicht so einfach: Nicht alle Steine sind gleich und deswegen ist ein Abgussmaterial, das für eine Fährte funktioniert, für eine andere ungeeignet.
Eine Alternative ist die digitale Vermessung. Bis vor ein paar Jahren waren Laser-Scan-Verfahren hier das Mittel der Wahl, aber ein Laserscanner ist natürlich auch ziemlich teuer und nicht immer spaßig herumzutragen, wenn die Dinospur mal wieder in 30 Meter Höhe an einer schrägen Felswand liegt. Die in den letzten Jahren immer weiter gestiegene Computerpower macht es hetzutage möglich, die dreidimensionale Struktur einer Fußspur direkt aus Fotos zu rekonstruieren. Dazu schießt man eine Handvoll Fotos aus unterschiedlichen Blickwinkeln, füttert sie in den Rechner und der erledigt den Rest. In den Vorträgen wurde die Geschichte dieser Technik erläutert (noch vor etwas mehr als 10 Jahren dauerte eine solche Prozedur mehr als 3 Wochen auf einer Workstation – heute geht das in weniger als einer halben Stunde.) Und dann appellierte Breithaupt an alle Ichnologinnen, keine Spuren unfotografiert zu lassen – es geht schnell, kostet fast nichts, und wer weiß, wann man die Bilder mal gebrauchen kann.
Anschließend trug Hartmut Haubold vor. (Haubold, Lockley, Farlow, Breithaupt, Gatesy… – sagte ich schon, wie genial es war, so viele berühmte Paläontologen live zu erleben?) Sein Vortrag hatte eher Grundsatzcharakter – es ging um die Frage, was die “ichnotaxa”, also die Fußspuren-Arten, -Gattungen und -Familien aus der seltsamen Ichnologie-Parallelwelt, eigentlich sind. Haubold machte mit vielen Beispielen deutlich, dass ähnliche Fußspuren nicht unbedingt von ähnlichen Lebewesen stammen müssen (das haben wir ja oben schon bei den zweizehigen Fußspuren gesehen) und dass umgekehrt sehr verschieden aussehende Spuren von ein und demselben Lebewesen stammen können. Woher er das weiß? Viele Spuren entsprechen nicht direkt dem Abdruck, den das Tier auf der Oberfläche machte, sondern stammen von etwas tiefer liegenden Schichten. Stellt euch zum Beispiel zwei Lagen aus Sand vor, die unterschiedliche Korngrößen oder unterschiedlichen Wassergehalt haben. Der direkte Abdruck liegt ganz oben, aber auch auf den Schichten darunter sind die Spuren zu erkennen. Haubold hat Bilder von Platten gezeigt, die der oberen Schicht entsprechen. Auf der Oberseite erkennt man entsprechend die Spuren, auf der Unterseite erkennt man, wie sich die Spur (sozusagen als Negativ) in die tieferen Schichten abgedrückt hat. Und diese Spuren sahen vollkommen anders aus – wären sie nicht auf derselben Platte, würde man annehmen, sie stammten von völlig anderen Tieren. Deshalb, so Haubold, sind Ichnotaxa nicht einfach Bezeichnungen für Lebewesen, sondern Bezeichnungen für eine Kombination aus Lebewesen, Gestein und Umweltbedingungen.
In der letzten Session gab es dann noch zwei Vorträge von der iberischen Halbinsel, wo es auch ziemlich viele Dinofährten gibt – einige davon direkt am Meer, so dass sie ständig von Wellen überspült werden, was das Untersuchen nicht einfacher macht. Die Vorträge gaben einen Überblick über diese Spuren – solche Überblicksvorträge gab es einige; ich habe sie hier nicht ausführlich geschildert, weil sie für mich Nicht-Experten alle irgendwie ähnlich waren. Für die echten Ichnologinnen ist es aber natürlich wichtig, einen Überblick zu haben, wo auf der Welt es welche Ichnotaxa in welchen Formationen gibt, damit sie wissen, womit sie ihre Funde vergleichen sollen.
Das war ein “kleiner” Überblick über die Vorträge. Habt ihr das Gefühl, dass etwas fehlt? Richtig. Man sagt ja immer, das besondere an Spuren ist, dass sie direkt Aufschluss über das Verhalten der Tiere geben, aber dieser Aspekt kam relativ kurz. Das ist auch kein Wunder. Stellt euch zum Beispiel vor, ihr findet zwei Spuren die etwa parallel zueinander laufen. Habt ihr damit schon gezeigt, dass die Spurenmacher soziale Tiere waren und in Paaren umherzogen? Nein, die Spuren können ja auch nacheinander entstanden sein und nur deswegen parallel liegen, weil die Tiere beispielsweise an einem Seeufer entlang gingen.
Es gab ein paar kurze Hinweise auf Verhalten – einer der Vortragenden (hab vergessen, wer) zeigte 6 wirklich schön in konstantem Abstand verlaufende Spuren (ich glaube von Eubrontes, also einem Raubsaurier), die wirklich darauf hindeuteten, dass die Tiere nebeneinander liefen (die Spuren kreuzten sich zum Beispiel nicht). Auch die Spuren aus Niger, die ich oben gezeigt habe, deuten relativ klar auf ein Paar von Tieren hin. Ansonsten gab es zum Verhalten gelegentlich kurze Bemerkungen, aber oft der eher humorigen Art, weil hier eben immer viel Spekulation im Spiel ist. Anderes Beispiel: Spuren von kleinen Raubsauriern, die plötzlich zur Seite abknicken, ganz in der Nähe eines Punktes, wo Spuren eines größeren Raubsauriers verlaufen. Könnte natürlich bedeuten, dass die Kleinen dem Großen ausweichen wollten – aber wie will man das wissenschaftlich nachweisen? Obwohl also das Verhalten der Tiere in den Spuren steckt, liefern sie wenig wissenschaftliche (überprüfbare) Substanz.
Aber so oder so – es waren faszinierende Tage in Obernkirchen.
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