Nimmt man die Proportionen zum Beispiel eines Strauß’ und schätzt daraus die Geschwindigkeit eines T. rex grob ab, dann kommt man auf Werte von bis zu 90km/h – so geschätzt vom berühmten Paläontologen Robert Bakker, der die Dinosaurier-Renaissance entscheidend prägte und als einer der ersten die Theorie aufstellte, dass die Dinosaurier warmblütig (genauer gesagt endotherm) gewesen waren. Aber natürlich ist dieser Geschwindigkeitswert ein wenig fragwürdig – ein Vergleich eines Strauß’ mit einer Körpermasse von etwa 65kg und einem T. rex mit einer Masse von 4-6 Tonnen ist ja nicht so einfach. Dass bei großen Tieren andere Regeln gelten als bei kleinen, das habe ich ja schon mal erklärt, ich komme aber später nochmal ausführlich darauf zurück. Diese Schätzung ist also mit großen Ungenauigkeiten behaftet – zumal, wie oben angemerkt, der Strauß keinen Schwanz besitzt und seine Mechanik deshalb etwas anders funktionieren muss.
10 km/h oder 90km/h – das ist schon eine arge Diskrepanz. Ein bisschen weniger wildes Herumraten und ein bisschen mehr Wissenschaftlichkeit wäre wünschenswert. Aber welche Möglichkeiten hat man denn überhaupt, um die Laufgeschwindigkeit ausgestorbener Tiere zu bestimmen – wenn nicht einer eine Zeitmaschine erfindet, kann man ja nicht mal eben schnell nachmessen?
Fußspuren?
Ein guter Weg sind Fußspuren. Jeder weiß, dass man beim Laufen größere Schritte macht als beim Gehen – Usain Bolt braucht nur 41 Schritte für 100 Meter. Wenn man also Dinospuren findet, bei denen die einzelnen Abdrücke weit auseinanderliegen, dann – ja, dann weiß man noch nichts, man muss ja noch wissen, wie groß der Dino war. Zum Glück kann man das aus der Größe der Fußabdrücke abschätzen. Versteinerte Fußabdrücke von Dinosauriern sind ziemlich häufig (hier in meiner Gegend zum Beispiel in Münchenhagen und Obernkirchen zu finden). Leider rennen Tiere aber nicht ständig mit Höchstgeschwindigkeit herum, und schon gar nicht, wenn sie groß sind und der Boden feucht oder gar matschig, so dass sich Fußspuren erhalten können.
Fußspuren von kleinen rennenden Dinosauriern gibt es – und diese wurden bei Geschwindigkeiten von etwa 40km/h erzeugt (J. Farlow, “Estimates of dinosaurs speeds from a new trackway site in Texas”, 1981). Aber weder wissen wir, ob das nun deren Höchstgeschwindigkeit war, noch haben wir eine Idee, was ein großer Dino so draufhat. Bis also jemand eine kreidezeitliche 100-Meter-Strecke mit Abdrücken findet, können wir aus Fußspuren nicht zu viel ablesen.
Die Stärke der Knochen
Beim Laufen entstehen natürlich auch Kräfte – auf die Beinknochen wirken dabei vor allem Biegekräfte. Und wenn die Beine beim Laufen nicht brechen sollen, dann müssen diese Biegekräfte von den Knochen auch ausgehalten werden. Man kann also versuchen, die wirkenden Kräfte zu berechnen und daraus eine Obergrenze für die Laufgeschwindigkeit abzuschätzen. Das bringt allerdings zwei Probleme mit sich: Zum einen werden Knochen von Tieren im “Betrieb” nicht bis an ihre Grenzen belastet, damit sie bei einer Überlast nicht gleich brechen. Entsprechend liegt ein Sicherheitsfaktor zwischen der maximalen Biegespannung, die ein Knochen bei Höchstlast erfährt und der Bruchspannung. Bei einem springenden Hund haben Experimente gezeigt, dass der Sicherheitsfaktor etwa bei 2 liegt – die Spannungen sind also nur halb so groß, wie sie sein müssten, damit der Knochen bricht. Andere Tiere haben durchaus andere Sicherheitsfaktoren (das dahinterliegende Optimierungsproblem hat der “Gott” der Biomechanik McNeill Alexander in einem seiner Bücher (ich glaube “Optima for animals”) angeschaut). Da man also die Sicherheitsfaktoren nicht genau kennt, ist eine Geschwindigkeitsvorhersage problematisch.
Das zweite Problem mit der Knochenfestigkeit besteht darin, dass die wirkenden Kräfte auch von der Beinhaltung abhängen – Elefanten beispielsweise halten ihre Beine beim Laufen eher gerade und sorgen so für geringere Belastungen. Auch das habe ich in dem Artikel über Skalierung ausführlich erklärt.
Um also mit der Knochenfestigkeit argumentieren zu können, müsste man wissen, wie sich ein T. rex bewegt hat. Und da man das nicht genau weiß, ist es schwierig, genaue Zahlen abzuschätzen. Rechnungen dieser Art wurden beispielsweise auch für die großen Laufvögel des Tertiärs gemacht – dabei kam allerdings heraus, dass die Knochen zum Laufen viel zu massiv waren, die maximalen Laufgeschwindigeiten lagen über 100km/h, was angesichts der Körperproportionen der Tiere eher unplausibel erscheint.
Ein T. rex macht einen Bauchklatscher
Ein anderes Argument wurde Mitte der neunziger in die Debatte gebracht – ich sage aber gleich dazu, dass ich es absolut nicht überzeugend finde: James Farlow und seine Koautoren prüften, was passieren würde, wenn ein T. rex mit einer Geschwindigkeit von 70km/h stolpern und hinfallen würde. Ihr Fazit: er würde sich die Knochen brechen und den Sturz vermutlich nicht überleben. Ich (viele andere übrigens auch) halte das allerdings für ein schwaches Argument: Auch ein Strauß würde vermutlich nicht überleben, wenn er stolpert; bei Pferden ist auch bekannt, dass sie sich häufig die Beine verletzen. Natürlich wäre ein T. rex, der vielleicht einmal die Woche jagen muss, etwas gefährdeter als ein Strauß, der eher selten vor einem Fressfeind davonlaufen muss, aber daraus zu schließen, dass es unmöglich ist, scheint mir übertrieben, zumal der T. rex (wegen seiner großen Beinlänge) bei 70km/h her einem Strauß bei etwa 35km/h entspricht.
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