Heutzutage laufen ja ständig animierte Dinosaurier durch irgendwelche Fernsehdokumentationen – mal besser, mal furchtbarer. Aber wieviel daran ist Wissenschaft und wieviel bloße Computeranimation? Woher soll man überhaupt wissen, wie ein Lebewesen gelaufen ist, das vor 65 Millionen Jahren ausstarb?
Die Biomechanik von Dinosauriern ist nicht nur ein extrem spannendes Forschungsgebiet – sie ist für mich auch persönlich wichtig, denn ich habe selbst einen kleinen Beitrag dazu geleistet. Wie man als theoretischer Physiker, der in der Materialwissenschaft an einem Maschinenbauinstitut forscht, dazu kommt, an einem paper über Dinos mitzuschreiben? Über diesen persönlichen Aspekt der Geschichte werde ich auch etwas erzählen, aber erst mal schauen wir uns an, auf welchem Stand die Forschung war, bevor das unglaublich geniale, bahnbrechende, vielbeachtete, nobelpreisverdächtige (jaja, ich übertreib’s mal wieder) paper “Constraint-based exclusion of limb poses for reconstructing theropod dinosaur locomotion” geschrieben werden konnte.
Die ersten Ideen
Schauen wir erstmal weit zurück, so ziemlich auf die Anfänge der Dinosaurierforschung. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Dinosaurier zumindest von einigen Forschern als sehr dynamische und agile Tiere angesehen. Dieses berühmte Bild (von Wikipedia) von Charles R. Knight demonstriert das besser als tausend Worte:
Allerdings verschob sich das Bild der Dinosaurier immer mehr in Richtung auf weniger agile, eher langsame Tiere. Und entsprechend malte auch Knight seine Dinosaurier in späteren Jahren wesentlich behäbiger, so wie diesen Tyrannosaurus:
Der Schwanz schleift hier fast auf dem Boden und der T. rex schreitet zwar majestätisch, aber auch sehr langsam einher. Der Paläontologe Lambe schätzte seine Höchstgeschwindigkeit entsprechend niedrig ein – leider konnte ich den irgendwo mal gelesenen Wert nicht wiederfinden, aber er lag so bei etwa 10 Stundenkilometern – da hätte sogar ich davonlaufen können, wenn ich mir Mühe gebe. (Die meisten Diskussionen des Laufens konzentrieren sich auf die erreichbare Höchstgeschwindigkeit. Dass man das Problem auch anders angehen kann, sehen wir später noch.)
Das Bild der Dinosaurier änderte sich in den sechziger und siebziger Jahren – unter anderem ausgelöst durch die Entdeckung des berühmten Deinonychus, dem man seine Sprinterfähigkeiten sofort ansah:
Ich will jetzt nicht die ganze Geschichte der “Dinosaurier-Renaissance” erzählen – wichtig für die Geschwindigkeitsdebatte ist vor allem, dass man sich die Skelette etwas genauer und unter biomechanischen Gesichtspunkten ansah.
Und dabei stellte man fest, dass die Proportionen vieler Raubsaurier (oder “Theropoden”) auffällig denen heutiger schnell-laufender Tiere glichen. Bei Schnelläufern sind die äußeren Teile der Extremitäten (Fuß- und Unterschenkel) typischerweise deutlich länger als die dichter am Körper gelegenen (also der Oberschenkel bzw. der Oberarm). Dieses schöne Skelettphoto eines Straußes illustriert das:
Der Oberschenkel eines Strauß’ ist sehr kurz. Ähnliches könnt ihr auch bei Pferden oder Antilopen beobachten.
Der Grund ist einfach: Beim Laufen bewegen sich die Extremitäten ungefähr auf Kreislinien. Wenn z.B. die Unterschenkel lang sind, dann sorgen kleinere Bewegungen am Knie für große Auslenkungen am Fuß. Bewegungen des Oberschenkels, die wiederum das Knie bewegen, wirken verstärkend auf den Unterschenkel.
Als man also die Proportionen von Dinosaurierbeinen anschaute, stellte man fest, dass Unterschenkel und Mittelfußknochen im Verhältnis zum Oberschenkel lang waren, wenn auch nicht ganz so lang wie beim Strauß1
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Daraus schloss man, dass Dinosaurier sehr hohe Geschwindigkeiten zurücklegen konnten.
1Beim Vergleich mit einem Strauß kommt noch hinzu, dass der wegen des fehlenden Schwanzes einen relativ weit vorn liegenden Schwerpunkt hat und deshalb den Oberschenkel meist relativ horizontal hält – das ist bei Raubsauriern anders. Man spricht auch vom Übergang von der “hüftgetriebenen” zur “kniegetriebenen” Fortbewegung.
Wie hoch genau? Dazu muss man die Größe der Dinos berücksichtigen – jeder, der schon einmal mit einem kleinen Kind spazieren gegangen ist, weiß, dass man mit kurzen Beinen schon laufen muss, wenn jemand mit langen Beinen noch gemütlich gehen kann (das gucken wir gleich noch näher an).
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