Und weil das eigentlich jedem Naturwissenschaftler intuitiv klar ist, gehen auch alle Kritiken der Art “Ihr seht immer alles ganz rational” ins Leere. Hier auf den Scienceblogs gab es ja auch schon öfters Kritik der Art “Wissenschaft kann Liebe nicht erklären”. Wahrscheinlich kann sie Liebe im wissenschaftlichen Sinne “erklären” – aber trotzdem wird jeder Wissenschaftler es vorziehen, verliebt zu sein, statt ein paper mit dem Titel “Neurochemical and -physical correlates of affectionate emotional states” zu lesen.
Auch die naturwissenschaftliche Beschreibung lässt also einen Platz für die Subjektivität. Wenn man sich mit dem menschlichen Bewusstsein beschäftigen will, dann kommt auch der Naturwissenschaftler letztlich nicht darum herum, subjektive Erfahrungsberichte zu studieren, denn die sind ja genau das Material, das er studieren will. (D. Dennett spricht in diesem Zusammenhang von “Heterophenomenology”.)
Nun gut, dass es subjektive Erfahrungen gibt und dass sie einen eigenen Charakter und Wert haben, ist tatsächlich eine ziemlich offensichtliche Erkenntnis. Aber wie komme ich von diesem Punkt zur “Spiritualität”?
Spiritualität, wie ich sie hier verstehe, ist die (introspektive) Beschäftigung mit dem Geist. Dabei kommt es zu einer Art Rückkopplungsschleife. Wir erleben “die Welt” dadurch, dass unsere Sinne unserem Gehirn Eindrücke vermitteln. Aber was passiert, wenn wir uns auf unsere eigenen Gedanken konzentrieren, wenn wir sozusagen die Sinne auf uns selbst richten? Dann stecken wir plötzlich in einer “seltsamen Schleife”: Die Gedanken versuchen sich selbst zu erkennen und zu beobachten. Und während sie das tun, formt diese Beobachtung die beobachtenden Gedanken, ein bisschen wie in diesem Bild von Escher. (Auch lieber nur noch ein Link, ihr wisst schon, das Copyright.)
Die Gedanken, die wir formen, bilden sich in unserem Kopf – den wir wiederum mit unseren eigenen Sinnen erkennen. Wenn wir den Geist auf sich selbst richten, verschwindet plötzlich die Grenze zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Beobachtendem und Beobachtetem, zwischen “Ich” und “Außenwelt”. Plötzlich wird klar, dass die beobachtete Welt “da draußen” eigentlich “hier drinnen” ist, und das umgekehrt die Welt “hier drinnen” nicht von der “da draußen” abgegrenzt ist. Um es mit den Worten von Hermann Hesse zu sagen: “Nichts ist Außen, nichts ist Innen, denn was Außen ist, ist Innen”.
Die subjektive Erfahrung beruht auf den Objekten, die die Wissenschaft beschreibt, aber diese Objekte werden nur durch die subjektive Erfahrung zugänglich. Und hier, genau an der Grenze zwischen Subjekt und Objekt, hier ist die Spiritualität angesiedelt, der Versuch, den Geist sich selbst erkennen zu lassen und dabei etwas über das Universum zu erfahren, oder genauer gesagt darüber, wie das Universum in unseren Gedanken entsteht, die ihrerseits durch das Universum geschaffen werden. Grafisch illustriert hier.
Hier an der Grenze zwischen Subjekt und Objekt versagen die Worte. Wer diese Grenze erfahren will, der muss nach Wegen suchen, sie möglichst klar zu erkennen. Und dieser Weg ist nicht die Naturwissenschaft – nicht, weil sie die dort zu machende Erfahrung nicht beschreiben kann (das wird sie eines Tages vielleicht können), sondern weil diese Beschreibung wiederum eine objektivierte wäre und deshalb nicht dasselbe ist, so wie das Bild der Pfeife nicht die Pfeife ist.
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