Vorgestern hatte ich ein seltsames Erlebnis beim Radfahren: Mein Fahrrad ist inzwischen drei Jahre alt und ich dachte gerade, dass ich ganz schön viel Glück hatte, dass ich bisher noch nie einen Platten hatte. Keine zwei Minuten später merkte ich, wie das Hinterrad anfing, über den Boden zu schrubbern. Tatsächlich – eine kurze Kontrolle ergab, dass der Reifendruck ein bisschen niedrig war. Kurz darauf war der Reifen platt.
Habe ich (vielleicht dank meiner Beschäftigung mit Spiritualität) übersinnliche Fähigkeiten entwickelt und kann jetzt die Zukunft vorhersagen?
Oder war eine übernatürliche Kraft am Werk, um meinen Fahrrad-Hochmut in die Schranken zu weisen?
Nun ja, als eher naturwissenschaftlich denkender Mensch liegen natürlich andere Erklärungen nahe. Es könnte sich beispielsweise um einen Zufall handeln – wahrscheinlich denke ich öfters mal an einen Platten, und wenn nicht ich, dann halt jemand anders, und all die vielen Male, wo hinterher keine Panne passiert, vergesse ich einfach wieder. Rein statistisch müsste so etwas ja öfters mal passieren.
Moment mal, das ist doch ein Fermi-Problem! Wenn wir mal willkürlich annehmen, dass man beim Radfahren einmal in fünf Stunden an einen Platten denkt (das würde für mich heißen, etwa einmal die Woche, wenn ich jeden Tag zur Arbeit radle), und wenn der Abstand zwischen dran denken und dem tatsächlichen Platten maximal 2 Minuten betragen soll, dann ist die Wahrscheinlichkeit für eine solche Koinzidenz 1:150.
Wieviele platte Reifen hatte ich schon in meinem Leben? Früher ziemlich viele (da gab’s die unkaputtbaren Mäntel noch nicht) – insgesamt aber bestimmt 30, vermutlich eher mehr. Die Wahrscheinlichkeit, dass mir das so einmal im Leben passiert, beträgt also 1:5.
Damit könnte man sich zufrieden geben – aber beim Nachdenken stellte ich fest, dass mir vor ein paar Jahren schon einmal mehr oder weniger dasselbe passiert war. Das reduziert die Wahrscheinlichkeit natürlich, wenn auch immer noch nicht dramatisch. Vielleicht ist die Abschätzung ja falsch und ich denke ständig an platte Reifen und vergesse das gleich wieder (das scheint mir aber dann doch unwahrscheinlich, denn meistens kann ich mich ganz gut erinnern, was ich so gedacht habe).
Vermutlich gibt es aber noch eine andere Erklärung: Es war ja kein Nagel, der meinen Schlauch schlagartig ins Jenseits beförderte, sondern ein eher kleines Loch (Ich hab’s beim Reparieren nicht finden können, aber zum Glück einen Ersatzschlauch dabeigehabt). Der Reifen verlor also wahrscheinlich seine Luft langsam. Und von daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass ich unbewusst bereits das veränderte Fahrverhalten bemerkt habe, bevor ich es bewusst registrierte, und dass so der Gedanke an den Platten aufkam.
Fazit:
Übersinnliche Fähigkeiten – leider immer noch Fehlanzeige.
Kritisches Denken – anscheinend noch ganz in Ordnung.
Kommentare (55)