Bienenköniginnen leben bis zu zwanzig Mal so lange wie Arbeiterinnen, sie sind wesentlich größer und legen täglich bis zu 2000 Eier. Genetisch aber gibt es keinen Unterschied zwischen Königin und Arbeitern, und das Schicksal einer Larve entscheidet sich allein nach dem Motto “Du bist, was du isst”. Denn Larven, aus denen später Königinnen schlüpfen, werden mit einer ganz besonderen Nahrung gefüttert, dem Gelee Royale. Bei der Erforschung der Frage, wie Gelee Royale dies bewirkt, hat es nun einen Durchbruch gegeben.
Hier zwei Bienenlarven, die in Gelee Royale schwimmen:
By Waugsberg – Own work, CC BY-SA 3.0, Link
Gelle Royale hat (laut Wikipedia) folgende Zusammensetzung:
10-23 % Zucker, 9-18 % Proteine und Aminosäuren, 4-8 % Fette sowie diverse bekannte Moleküle wie Pantothensäure, , Niacin etc., und natürlich (zu etwa 60-70%) Wasser.
Lange Zeit nahm man an, dass Gelee Royal vor allem dadurch wirkt, dass es einen hohen Zuckeranteil hat und – sozusagen wie bei “Super Size me” – für das starke Wachstum der Larve sorgt. Doch nun hat der japanische Forscher Masaki Kamakura herausgefunden, dass mehr dahinter steckt, und seine Ergebnisse im Journal Nature veröffentlicht.
Aus dem Artikel wird es nicht ganz deutlich, aber vermutlich begann die Erkenntnis mit einem Zufall:
I found that larva reared with royal jelly stored at 40° for 7 days… showed … decreased body weight at eclosion and decreased ovary size
Ich fand heraus, dass Larven, die mit Gelee Royal gefüttert wurden, das für 7 Tage bei 40° gelagert wurde, ein geringeres Körpergewicht beim Schlupf zeigten und kleinere Eierstöcke (heißen die bei Bienen auch so?) hatten.
Für mich klingt es jedenfalls nicht so, als hätte Kamakura sein Gelee Royale mit Absicht bei hohen Temperaturen gelagert, um zu sehen, ob es dann noch wirkt – aber vielleicht irre ich mich da auch.
Doch auch wenn Wissenschaft vielleicht mit einem glücklichen Zufall beginnt, so bedarf es doch echter Arbeit und Inspiration, um daraus Erkenntnis zu gewinnen. Kamakura jedenfalls kam auf die Idee, genau zu untersuchen, wie lange es dauerte, bis das Gelee Royale seine Wirkung beim Lagern verlor. Er lagerte Proben für 7, 14, 21 und 30 Tage und verabreichte sie danach jeweils an Larven, deren Entwicklung er genau beobachtete. Es zeigte sich, dass die Wirkung mit der Zeit abnahm und nach 30 Tagen vollständig verloren war.
Und damit konnte die Jagd beginnen – welche Substanzen im Gelee Royale werden nach welcher Zeit zersetzt, verschwinden oder denaturieren? Vitamine, Kohlenhydrate und Fettsäuren jedenfalls waren auch nach 30 Tagen noch unverändert vorhanden – das war schon mal ein Schlag gegen die “Junk-food”-Idee. Lediglich Pantothensäure zersetzte sich, aber ein Versuch damit zeigte, dass sie nicht in der Lage war, aus Larven Königinnen zu machen (was man auch schon vorher probiert hatte).
Also versuchte Kamakura es als nächstes mit den enthaltenen Proteinen. Und Bingo – er fand gleich drei Kandidaten, die nach ihrem Molekulargewicht unterschied: eins mit einem Gewicht von 450 kDA (Kilodalton – Dalton ist eine andere Bezeichnung für die atomare Masseneinheit), eins mit 170 kDA und ein alter Bekannter von Kamakura, ein Protein mit einer Masse von 57kDA, dem er schon vor zehn Jahren den Namen “Royalactin” gegeben hatte. Von diesen dreien zerfiel das 170kDA-Protein bei näherem Hinsehen deutlich zu schnell, das 450kDA-Protein ein bisschen zu langsam und das Royalactin genau mit der richtigen Rate.
War also Royalactin der Auslöser für die Verwandlung zur Königin? Kamakura untersuchte die Wirkung von Royalactin und die des 450kDA-Proteins auf Bienenlarven. Und siehe da, das 450kDA-Protein hatte keinerlei Auswirkungen, während Royalactin die schlüpfenden Bienen deutlich größer werden ließ (zum Vergleich wurde auch noch Casein als energiereiches “junk food” verfüttert):
Damit war geklärt, dass Royalactin tatsächlich ein entscheidender Faktor für das Schicksal eines Bienenlebens ist.
Eine seltsame Verwandlung
Doch wie wirkt Royalactin? Um das herauszufinden, waren Experimente mit Bienen zu schwierig – das Lieblingstier der Biologen ist ja die Fruchtfliege. Bienen und Fruchtfliegen trennen etwa 300 Millionen Jahre Evolution (etwa so viel, wie uns von den Fröschen trennen), aber trotzdem hoffte Kamakura, dass er etwas herausfinden würde, wenn er Gelee Royale an Fruchtfliegen verfütterte.
Erste Versuche waren eher niederschmetternd: Füttert man Fruchtfliegen nur mit Gelee Royale, überleben sie nicht. Auch hier zeigt sich die Hartnäckigkeit von Kamakura – er forschte solange weiter, bis er herausfand, mit welcher Mischung von Gelee Royale und anderem Futter er Fruchtfliegenlarven ernähren konnte. Und dann erlebte er eine schockierende Überraschung: Die neue Futtermischung verwandelte Fruchtfliegen ebenfalls in Königinnen:
Auch die Fruchtfliegen wurden deutlich größer, lebten länger und legten mehr Eier, wenn sie so gefüttert wurden – und dass, obwohl Fruchtfliegen natürlich keine staatenbildenden Insekten sind und es in der Natur niemals Fruchtfliegenköniginnen gibt.
Es ist natürlich eine spannende Frage, wie genau Royalactin nun im Insektenkörper wirkt. Dank der “Fruchtfliegenköniginnen” ließ sich dies nun aber wesentlich leichter untersuchen. Leider wird die Arbeit hier sehr biochemisch und für mich damit schwer verständlich. Kamakura fand heraus, dass Gelee Royale auf den sogenannten epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (kurz Egfr) wirkt. Dank Wikipedia habe ich gelernt, dass dies ein Rezeptor ist, der auf Zelloberflächen sitzt und im Tierreich weit verbreitet ist – auch Menschen haben ihn. Wird er aktiviert, kann er verschiedene Reaktionen in der Zelle auslösen und anscheinend die Proteinsynthese auslösen oder ankurbeln – die Details habe ich nicht nachvollziehen können, falls jemand von euch biochemischen Durchblick hat, bin ich für erhellende Kommentare dankbar. Kamakura hat jedenfalls detailliert untersucht, wie Gelee Royale genau in Fruchtfliegen wirkt und beispielsweise deren Hormonhaushalt beeinflusst.
Falls jetzt jemand übrigens auf die Idee kommt, dass man vielleicht auch als Mensch mal Gelee Royale futtern sollte (vielleicht wirkt es bei uns ja auch ganz toll) – die Idee ist alles andere als neu. Laut Nature macht die entsprechende Industrie allein in den USA 600 Millionen Dollar Umsatz. Vermutlich bekommen sie jetzt durch diese Untersuchung noch Auftrieb – sie können ja jetzt argumentieren, dass Menschen “passende” Zellrezeptoren besitzen, die auf Royalactin reagieren. (Ob das wirklich stimmt und menschliche und insektische (insektoide??) Egfr so weit vergleichbar sind, weiß ich nicht.)
Aber bevor ihr alle loslauft und Gelee Royale in euch reinschaufelt, lest lieber erst Mal die Kurzgeschichte “Gelee Royale” von Roald Dahl, in der ein Bienenzüchter auf dieselbe Idee kommt, mit gruseligen Folgen…
Kamakura, M. (2011). Royalactin induces queen differentiation in honeybees Nature, 473 (7348), 478-483 DOI: 10.1038/nature10093
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Anscheinend läuft’s jetzt wieder mit den Kommentaren.
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