Vögel fliegen ja häufig in Schwärmen herum. In einigen Fällen weiß man, dass sie dadurch Energie sparen. Aber ist das immer so? Ist Fliegen im Schwarm immer energetisch vorteilhaft? Aktuelle Forschungsergebnisse geben eine Antwort.
Viele Vögel wie Gänse, Enten oder (im Bild hier) Kraniche fliegen in einer typischen V-Formation, wenn sie große Strecken zurücklegen müssen.
Von Andreas Trepte – Eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, Link
Die V-Formation ist energetisch günstig, denn ein Vogel erzeugt beim Fliegen einen Wirbel, wenn er die Luft nach unten verdrängt. Nachfolgende Vögel können die entstehende Wirbelschleppe ausnutzen und so Energie sparen. Dadurch kann sich ihre Reichweite um bis zu 70% erhöhen. Es ist also nicht überraschend, dass große Zugvögel immer bemüht sind, in dieser Formation zu fliegen. (Wer eine detailliertere Erklärung sucht, findet sie hier.)
Viele Vögel fliegen aber in dichten und eher ungeordneten Schwärmen wie diesem hier:
By Alastair Rae – [1], CC BY-SA 2.0, Link
Ist auch das energetisch günstig? Gelingt es den Vögeln, auch in einem solchen Gewimmel die Wirbelschleppen der anderen auszunutzen und Energie zu sparen?
Das herauszubekommen ist natürlich deutlich schwieriger: Die einfache V-Formation ist ja sehr geordnet und im Prinzip statisch; deshalb ist sie auch vergleichsweise leicht zu analysieren. Im Schwarm aber muss man zunächst einmal herausfinden, was die einzelnen Vögeln tun, wie genau sie fliegen und wann sie sich anderen Vögeln wie weit annähern. Das ist schon technisch eine Herausforderung – und durch das chaotische Gewusel braucht man natürlich auch eine entsprechende Datenmenge, um statistisch saubere Aussagen machen zu können.
Trotzdem ist dieses Kunststück jetzt gelungen, und zwar Forschern des Royal Veterinary College in England (da wo auch einer meiner Dino-Kollaborateure arbeitet). Sie haben eine Gruppe von Tauben mit GPS-Empfängern und Beschleunigungssensoren ausgestattet und sie dann über mehrere Stunden beim Fliegen im Schwarm beobachtet. (Tauben fliegen ja aus irgendeinem Grund gern einfach im Schwarm herum – der Schwarm der früher jeden Morgen etwa eine Stunde ums Nachbarhaus flog, trug deshalb auch den Namen “Saus-ums-Haus-Vögel”.)
Insgesamt analysierten sie dabei 400 Taubenkilometer mit über 200000 Flügelschlägen. (Woran man sieht, dass ohne Computer auch in der Biologie vieles nicht erforscht werden könnte – so viele Studis kann man ja gar nicht als Hilfskräfte beschäftigen.)
Die detaillierte Analyse der Daten ist ziemlich kompliziert (und stellenweise über meinem aerodynamischen Niveau). Es zeigt sich, dass Tauben in einem engen Schwarm – wenig überraschend – schärfere Kurven und Manöver fliegen. Dabei schlagen sie nicht – wie man erwarten könnte – stärker mit den Flügeln (also mit größerer Amplitude), sondern schlagen im Gegenteil die Flügel weniger stark, aber dafür häufiger:
Die Ergebnisse sind hier gegen den “Flock factor” (Schwarmfaktor) aufgetragen, der misst, ein wie großer Teil des “Sichtfeldes” durch andere Tauben verdeckt wird wie an der Schemazeichnung unten zu sehen. Man erkennt, dass sich die Schlagfrequenz (flap frequency) erhöht, wenn die Vögel dichter fliegen, die Amplitude (also die Stärke des Schlages) verringert sich dagegen.
Da die Schlagfrequenz mit der Leistung korreliert, schließen die Forscher, dass Tauben zum Fliegen im Schwarm also mehr Energie benötigen. Einen Effekt wie beim V-Formationsflug können sie einigermaßen sicher ausschließen – die Wirbelschleppe ist dafür nicht stark genug.
Warum die Vögel lieber die Frequenz erhöhen, statt stärker mit den Flügeln zu schlagen, ist nicht eindeutig klar – man vermutet aber, dass sie so eine höhere Manövrierfähigkeit und eine bessere Flugstabilität erreichen. Energetisch gesehen ist das Fliegen im ungeordneten Schwarm aber anscheinend ungünstig – es muss also einen anderen Grund dafür geben.
Usherwood, J., Stavrou, M., Lowe, J., Roskilly, K., & Wilson, A. (2011). Flying in a flock comes at a cost in pigeons Nature, 474 (7352), 494-497 DOI: 10.1038/nature10164
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