Manche Bücher machen einfach nur Spaß. Dazu zählt sicherlich “Pride and Prejudice” – vermutlich einer der meistgelesenen und -gelobten englischen Romane. Man muss ja nicht immer Wissenschaft lesen – manchmal darf es auch eine Liebesgeschichte sein, besonders dann, wenn sie so exzellent geschrieben ist wie diese.
Im ländlichen England des beginnenden 19. Jahrhunderts lebt die Familie Bennett. Sie hat ein Problem: Alle fünf Kinder sind Töchter, und auf Grund des seltsamen englischen Erbrechts wird der Besitz der Familie deswegen nach dem Tod des Vaters an einen Cousin der Familie fallen, während Frau und Töchter ohne jeden Besitz darstehen.
Einziger Ausweg in der damaligen Zeit: Die Töchter müssen unter die Haube, und zwar möglichst gewinnbringend. Ein glücklicher Zufall sorgt dafür, dass der reiche, gutaussehende und überaus sympathische Mr. Bingley (5000 Pfund pro Jahr – immer die wichtigste Information in dieser Lage) ein Haus ganz in der Nähe der Bennetts pachtet. Und nicht nur das – bereits bei den ersten Begegnungen wirft er ein Auge (oder gleich beide) auf Jane – die älteste, schönste und freundlichste der Töchter. Alle Zeichen deuten also auf ein schnelles Happy-End – zum Glück für den Leser kommt es aber nicht dazu, denn nun beginnen die Verwicklungen erst.
Zentrale Figuren dieser Verwicklungen sind zum einen die zweitälteste Schwester Elizabeth (aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird), zum anderen ein eher unsympathischer Freund von Mr. Bingley, ein Mr. Darcy (10000 Pfund/Jahr). Darcy ist arrogant, unfreundlich und bringt mit jedem seiner Worte zum Ausdruck, wie sehr ihn die simple ländliche Gesellschaft anödet.
Die zahlreichen Wendungen der Geschichte hier zu erzählen würde euch den ganzen Spaß verderben – deswegen lasse ich es lieber. Wie es sich für einen Roman dieser Zeit gehört, gibt es diverse Heiratsanträge (nicht alle glücklich), diverse Verliebtheiten (ebenfalls nicht alle glücklich), dramatische Wendungen (eine – oh mein GOTT!!! – uneheliche Beziehung) und vieles mehr. Man kann die Handlung allerdings auch – wie es der Klappentext der englischen Penguin-Ausgabe tat – in einem Satz zusammenfassen: Es passiert nicht viel, außer dass eine junge Frau ihre Meinung und ein junger Mann seine Manieren ändert.
Klingt alles in allem nach einer Liebesschmonzette aus der untersten Schublade? Mitnichten. Es sind die Charaktere und ihre Schilderung, die das Buch aus der Masse der Liebesgeschichten herausheben und in eine Klasse für sich stellen – die überdrehte (und nicht gerade intelligente) Mrs. Bennett, der zynische Mr. Bennett, die fünf Bennett-Schwestern (eine hübsch, eine klug, eine fromm, eine kokett und eine, die gern genauso kokett wäre), die herrische Lady Catherine de Bourgh, der schleimige (und etwas dämliche) Priester Mr. Collins, der schneidige und sympathische Mr. Wickham und der etwas rätselhafte, überheblich wirkende Mr. Darcy. Sie alle werden von der Autorin mit spitzer Feder (und häufig ironischem Beiklang) geschildert.
Und Dialoge! Dialoge voller Witz und Schlagfertigkeit, mit subtilen Untertönen, bei denen immer viel mehr mitschwingt, als man an der Oberfläche sieht.
Ein derart berühmtes Buch wurde natürlich auch mehrfach verfilmt, zuletzt vor ein paar Jahren mit Keira Knightley in der Hauptrolle – in meinen Augen eine grandiose Fehlbesetzung, auch wenn der Film ansonsten gar nicht schlecht war. Und natürlich waren Kulisse und Ausstattung exzellent – die Szenen in Mr. Darcy’s Landsitz Pemberley wurden in Chatsworth House gedreht, einem wirklich imposanten Landschloss, das ich letztes Jahr bei einem Konferenzausflug in England besichtigen konnte (habe ich schon mal erwähnt, dass man es manchmal als Wissenschaftler ziemlich gut hat?). Und falls ihr beim Gucken dieser Verfilmung glaubt, der Saal mit den ganzen Statuen sei dann doch etwas überzogen – nein, so sieht es dort tatsächlich aus.
Aber eine zweistündige Kinofassung ist eigentlich ohnehin zu kurz, um dem Buch gerecht zu werden. Wenn ihr die Geschichte als Film sehen wollt, besorgt euch lieber die fünfstündige BBC-Fassung mit Colin Firth und Jennifer Ehle. Die lief 1995, als ich gerade für 3 Monate in Edinburgh war. Als die erste Folge lief, saßen wir zu zweit vor dem Fernseher der Campus-Wohnung, jede Woche kamen ein paar mehr Leute hinzu und bei der letzten Folge hingen alle Mitbewohner gebannt vor dem Fernseher. Diese Verfilmung ist einer der wenigen Fälle, in denen ein Film dem Buch wirklich gerecht wird.
Egal ob als Film oder Buch – wenn ihr gute und intelligente Unterhaltung mit ein bisschen (zugegeben, ein bisschen mehr) Romantik sucht, könnt ihr mit Pride and Prejudice nicht viel falsch machen.1 Das Buch findet ihr übrigens (zumindest auf Englisch) auch zum Lesen direkt im Netz.
1Oder vielleicht doch? Mark Twain war anscheinend kein großer Fan von Jane Austen:
“I haven’t any right to criticize books, and I don’t do it except when I hate them. I often want to criticize Jane Austen, but her books madden me so that I can’t conceal my frenzy from the reader; and therefore I have to stop every time I begin. Every time I read ‘Pride and Prejudice,’ I want to dig her up and hit her over the skull with her own shin-bone.” Obwohl ich glaube, dass Huckleberry Finn ein verdammt gutes Buch ist – hier irrte Twain gewaltig.
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