Die aktuelle Ausgabe von nature enthält mal wieder spannende Forschungsergebnisse – beispielsweise über die Wissenschaft von Kaffeeflecken.

“Kaffeeflecken?”, fragt ihr euch vielleicht. “Was kommt als nächstes? Die Physiologie des Nasebohrens? Eine statistische Analyse des Theaterräusperns?”

Aber die Forschung an Kaffeeflecken ist nicht so sinnlos, wie man vielleicht auf den ersten Blick denkt (mal davon abgesehen, dass Grundlagenforschung ohnehin ihren eigenen Wert hat), sondern hat einige Anwendungen.

Aber erstmal werfen wir einen Blick darauf, was eigentlich das besondere an einem Kaffeefleck ist. Hier ist einer:

i-5ebcef94890919536e382d91a1b1dde8-coffee-stain-thumb-500x333.jpg (C) free-photo-gallery.org

(Quelle: free-photo-gallery)

Kaffeeflecken zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie in der Mitte sehr blass sind und zum Rand hin immer dunkler werden. Und das ist eigentlich merkwürdig, wenn man bedenkt, dass Kaffee ja eine einheitlich braune Brühe ist.

Die Erklärung für diesen Effekt wurde 1997 gefunden (und damals auch in nature veröffentlicht): Das braune Zeug, was nachher den Fleck ausmacht, sind Teilchen, die im Kaffee schwimmen – Kaffee ist also physikalisch gesehen eine Suspension. Wenn ein Kaffeefleck sich ausbreitet, dann stoppt er an einem Punkt auf der Oberfläche, an dem das energetisch besonders günstig ist, beispielsweise einer Rauigkeit im Tischtuch. Wenn der Kaffee verdunstet (so dass die braunen Schwebeteilchen zurückbleiben), dann zieht sich der Fleck nicht einfach zusammen, sondern es strömt Flüssigkeit von innen nach außen, um dort den Kontakt am günstigen Punkt aufrecht zu erhalten:

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Der blaue Bereich ist der ursprüngliche Kaffeetropfen, der sich ausgebreitet hat, die gestrichelte Linie zeigt, wie der Fleck sich zusammenziehen würde, wenn es keine Verankerung am Rand gäbe, die schwarze Linie zeigt, was der Fleck tatsächlich tut. Die grauen Pfeile symbolisieren den Flüssigkeitsstrom von innen nach außen.

Um den Kontakt am Rand zu halten, muss Flüssigkeit von innen nachströmen. Dabei nimmt sie die Schwebteilchen mit, die sich deshalb am Rand konzentrieren.

ResearchBlogging.orgDas war, wie gesagt, schon vorher bekannt. Die neue Arbeit beschäftigt sich nun mit der Frage, wie man diesen Effekt vermeiden kann. Und dazu ist den Forschern ein raffinierter Einfall gekommen: Man muss die Form der Schwebteilchen ändern. Nimmt man längliche Schwebteilchen, dann haben die ein Problem, wenn sie zum Rand laufen: Sie neigen dazu, sich gegenseitig zu behindern. Dieses Bild zeigt rechts einen normalen Fleck mit kugelförmigen Teilchen (oben im Bild), links einen mit eher zigarrenförmigen:

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Wie ihr sehen könnt, ist der Fleck links ganz gleichmäßig. Hier seht ihr die gegenseitige Behinderung der Teilchen:

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Dass sich kleine Teilchen, die an der Oberfläche einer Flüssigkeit schwimmen, gegenseitig anziehen, ist seit langem bekannt – es liegt daran, dass die Teilchen die Oberfläche der Flüssigkeit verformen, was aber ein bisschen Energie kostet, weil die Oberflächenspannung dieser Verformung einen Widerstand entgegensetzt. Rücken zwei Teilchen eng zusammen, wird diese Energie geringer. (Das lässt sich leicht experimentell zeigen, indem man Seife zur Flüssigkeit hinzugibt – die verringert die Oberflächenspannung und die Teilchen rücken nicht mehr zusammen.) In der Arbeit wurde deshalb detailliert untersucht, wie genau die zigarrenförmigen Teilchen sich an der Grenzfläche Wasser-Luft verhalten und welche Form sie haben müssen, um sich gegenseitig zu blockieren und so einen gleichmäßigen Fleck zu bekommen.

Und was soll das nun? Gibt es demnächst Kaffee mit spezieller Pulver-Mikrostruktur, damit Kaffeeflecken hübscher werden? Nein, aber die Forschung hat zahlreiche Anwendungsgebiete. Denkt beispielsweise an Tintenstrahldrucker oder Farbsprühpistolen – auch dort sind Teilchen in einer Flüssigkeit gelöst und sollen einen Fleck bilden, und dort ist tatsächlich das “Kaffeefleckphänomen” ein Problem, um eine gleichmäßige Farbe hinzubekommen. Da eröffnet die Arbeit neue Möglichkeiten, die Verfahren zu verbessern.


Die Arbeit, aus der auch die Bilder hier stammen:
Yunker, P., Still, T., Lohr, M., & Yodh, A. (2011). Suppression of the coffee-ring effect by shape-dependent capillary interactions Nature, 476 (7360), 308-311 DOI: 10.1038/nature10344

Das 1997er paper, in dem der Effekt erklärt wurde, ist sogar frei verfügbar:
Capillary flow as the cause of ring stains from dried liquid drops
Deegan, Robert D.; Bakajin, Olgica; Dupont, Todd F.; Huber, Greb; Nagel, Sidney R.; Witten, Thomas A.
Nature, Volume 389, Issue 6653, pp. 827-829 (1997)

Kommentare (13)

  1. #1 roel
    18. August 2011

    @MartinB irgendwie war mir der geschilderte Effekt bekannt, was ihn nicht uninteressanter macht. Aber guck dir mal die Ähnlichkeiten an: https://www.contentmanagement.de/NT/EA-Toner/ea-toner.html besonders den Abschnitt: Oberflächenkontrollierter Toner kommt mit 1/3 der bisherigen Farbschicht aus.

  2. #2 Roland
    19. August 2011

    Bitte im Titel das verlorengegangene zweite e einfügen!

  3. #3 rolak
    19. August 2011

    Ich nehme an, Du meinst das fünfte, Roland?

    /statistische Analyse des Theaterräusperns?/ Nun ja, dazu gibt es immerhin schon Ansätze; zusätzlich auch zur Typologie 😉

  4. #4 MartinB
    19. August 2011

    @roel
    Aber in dem Text steht ja etwas von “einheitlich runder Form” – die nutzen also genau nicht diesen Effekt.

    @rolak
    Danke – als ich das schrieb, war mir so, als hätte ich darüber vor nicht allzu langer Zeit was gelesen, ich konnte mich nur nicht erinnern, wo.

    @Roland
    Hab’s geändert, danke.

  5. #5 roel
    19. August 2011

    @MartinB em ja, ich hatte wohl zu sehr auf die gleichmäßige Farbverteilung geachtet. Da werden tatsächlich 2 verschiedene Verfahren mit gleichem Ziel angewandt.

  6. #6 lekrul
    19. August 2011
  7. #7 MartinB
    19. August 2011

    @lekrul
    Cool, danke für den link.

    @alle
    Unbedingt angucken!

  8. #8 regow
    19. August 2011

    Beim Rotwein hab ich das auch beobachtet.
    Heißt das, dass die rote Farbe auch auf Partikel zurückzuführern ist?

  9. #9 regow
    19. August 2011

    Beim Kaffee gibt es auch noch Nebel zu beobachten.
    Schön heißer, schwarzer Kaffee “raucht” Wasser ab wie alle heißen Flüssigkeiten;
    aber man kann auch einen feinen weißlichen Nebel ca. 0,5 mm dick über der Oberflächer beobachten, den man schön wegblasen kann.

  10. #10 Andy
    20. August 2011

    Hat jetzt nicht direkt was mit Kaffeeflecken zu tun, zeigt aber auch, wie interessant es sein kann, Farbe beim Trocknen zuzuschauen.

    https://www.sixtysymbols.com/videos/paintdry.htm

  11. #11 MartinB
    20. August 2011

    @regow
    Ja, die Farbe von Rotwein dürfte dann auch durch Partikel kommen – der Bodensatz ist ja auch immer besonders dunkel.

    @Andy
    🙂

  12. #12 seema
    20. August 2011

    nice

  13. #13 WolfgangK
    8. September 2011

    Und was soll das nun? Gibt es demnächst Kaffee mit spezieller Pulver-Mikrostruktur, damit Kaffeeflecken hübscher werden? Nein, aber die Forschung hat zahlreiche Anwendungsgebiete. Denkt beispielsweise an Tintenstrahldruckers oder Farbsprühpistolen…

    Man denke dabei nicht nur (aber auch) an den Zettel aus der Zettelbox unter der Tasse, um den Kaffeefleck auf dem Tisch zu verhindern und seine nach dem Trocknen enthaltene wellige Struktur, sondern auch an den gleichen Effekt beim Druck des Tintenstrahldruckers (z.B. bei einem Bild) auf ganz normalem Papier. Deshalb ist nicht nur die Physik des Kaffeeflecks interessant, sondern auch die Frage, warum sich Papier bei Feuchtigkeit ausdehnt und wellig wird, beim Trocknen aber diese wellige Struktur beibehält.