Einem Schwarzen Loch sollte man besser nicht zu nahe kommen. Es ist zwar keine Staubsauger, aber in seiner Nähe können trotzdem Kräfte wirken, die einen Stern zerreißen können. Zwei Forschungsteams haben diesen Vorgang jetzt anscheinend beobachten können.
Entdeckt wurde das ganze von SWIFT, einem Satelliten der NASA, der nach Gammablitzen (also starken Ausbrüchen von Gammastrahlen, hochenergetischen Röntgenstrahlen) sucht.
Gammablitze entstehen vermutlich bei Supernovaexplosionen oder wenn zwei Neutronensterne kollidieren. Der Gammablitz vom 28. März dieses Jahres war allerdings ungewöhnlich: Normalerweise klingt die Helligkeit von Gammablitzen relativ schnell wieder ab, dieser aber blieb über mehrere Wochen hinweg hell und zeigte dabei auffallende Helligkeitsschwankungen. Auch aktive Galaxienkerne können starke Gammastrahlen aussenden, aber ihre Helligkeit variiert weit weniger als die des neuen Gammablitzes, der im nature-Artikel den Namen Swift J164449.3 + 573451 hat, auf der NASA-Homepage aber kurz Swift J1644+57 genannt wird. Andere Gammaquellen, die vergleichbar starke Schwankungen zeigen, sind wiederum bei weitem nicht so hell.
So sieht die Gamma-Quelle aus, in weiß und purpur seht ihr die UV- und die sichtbare Strahlung, in gelb und rot die Röntgenanteile:
(Quelle: NASA)
Eine gleichzeitige Untersuchung mit Radioteleskopen zeigte am selben Ort eine starke Radioquelle, die zu einer Galaxie gehört, und die ebenfalls in kurzer Zeit heller wurde:
(Quelle: NASA)
Hier seht ihr den Bereich, in dem laut Swift-Beobachtung die Quelle sitzen muss, als weißen Kreis. Links seht ihr das Beobachtungsergebnis mit Radioteleskop, rechts das Ergebnis einer optischen Beobachtung. In Teilbild a markiert das Strichende das Zentrum der Radioemission und der kleine Kreis das optische Zentrum der Galaxie, in Teilbild b ist umgekehrt das Strichende das Zentrum der Galaxie und der Kreis das Zentrum der Radioemission. (Es gibt zwei Darstellungen, damit man jeweils die Unsicherheiten erkennt.) Im Rahmen der Messgenauigkeit fallen also die Gammablitz-Quelle, das Zentrum der Galaxie und die Quelle der Radiostrahlung zusammen.
Daraus lässt sich schließen, dass der Auslöser des Gammablitzes ein Schwarzes Loch im Zentrum einer Galaxie sein dürfte. Da die Helligkeitsschwankungen in relativ kurzer Zeit auftreten, muss das aussendende Objekt einigermaßen klein sein (wegen der endlichen Lichtgeschwindigkeit kann ein sehr großes Objekt ja nicht ohne weiteres Signale mit schneller Schwankung aussenden). Mit ein bisschen Mathematik (hat Florian mal schön erklärt) lässt sich daraus berechnen, wie schwer das verursachende Schwarze Loch maximal sein kann, um die beobachteten Helligkeitsschwankungen (die zum Teil in Minuten passierten) erzeugen zu können – man kommt dabei auf eine Masse von etwa 7Millionen Sonnemassen.
Absichern lässt sich diese Zahl auch durch die Beobachtung der zugehörigen Galaxie – man weiß inzwischen genug über Galaxien, dass man eine Idee hat, wie schwer ihre Schwarzen Löcher im Zentrum maximal sein können. Für die Galaxie die zu Swift J1644+57 gehört, ergibt sich eine Obergrenze von 20 Millionen Sonnemassen. Das Schwarze Loch hat also eine Masse ein paar Millionen Sonnen, das ist viel, aber nicht gigantisch – andere Galaxien haben Schwarze Löcher mit Milliarden von Sonnenmassen im Zentrum.
Als nächstes berechneten die Forscher, wieviel Energie das Schwarze Loch abstrahlt. Es ist nicht besonders schwer, aus der bekannten Entfernung (durch die Rotverschiebung) und der beobachteten Helligkeit zu berechnen, wie groß die tatsächliche Helligkeit sein muss. Nimmt man an, dass die Energie in alle Richtungen abgestrahlt wird, kommt man aber auf einen Wert, der für ein Schwarzes Loch dieser Größe unmöglich passen kann. Allein der Strahlungsdruck würde das Material um das Schwarze Loch herum blitzschnell wieder wegdrücken, so dass die Quelle sofort erlöschen würde.
Die Strahlung geht also nicht in alle Richtungen weg, sondern konzentriert sich in enge Bereiche – die naheliegendste Erklärung sind Jets: Gerichtete Teilchenstrahlen, die sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit bewegen. Aus einer Analyse der ausgesandten Wellenlängen lassen sich einige Rückschlüsse darüber ziehen, wie dieser Jet beschaffen ist, aber ich gebe ehrlich zu, dass ich die zugehörigen Analysetechniken nicht im Detail verstehe.
Die gewonnenen Daten lassen ein Szenario plausibel erscheinen: Der Gammablitz ist entstanden, als ein Stern zu dicht am Schwarzen Loch vorbeizog und von dessen Gezeitenkräften zerrissen wurde. (Gezeitenkräfte entstehen, weil der Teil des Sterns, der dichter am Schwarzen Loch ist, stärker angezogen wird als der weiter weg liegende Teil. Oder, anders veranschaulicht, weil die Raumzeit in der Nähe des Schwarzen Lochs stark verzerrt ist. Details habe ich hier erklärt.)
Hier eine künstlerische Darstellung des Vorgangs (von der NASA):
Ihr seht, wie der Stern sich dem Schwarzen Loch nähert und zerrissen wird. Weil der Stern sich auf einer Bahn um das Loch herum befand, hat die einstürzende Materie einen hohen Drehimpuls und formt deshalb eine Scheibe, die Akkretionsscheibe. Der Rest des Sterns (der dabei natürlich zerstört wird) fliegt als heißes Gas ins All. Die Teilchen, die in der Akkretionsscheibe nach innen beschleunigt werden, werden durch das vorhandene Magnetfeld teilweise konzentriert und in einem Jet davongeschleudert.
Modellrechnungen (das ist nicht alles so wischi-waschi, wie es sich hier liest), mit denen das Strahlungsspektrum verglichen wird, zeigen, dass das Zerreißen eines Sterns tatsächlich zu einem solchen Jet mit der beobachteten Stärke und dem entsprechenden Verhalten führen kann – das kam ein bisschen überraschend, denn bisherige Modelle haben die Möglichkeit dieser Jets nicht berücksichtigt.
Natürlich braucht man eine gehörige Portion Glück, um so etwas zu beobachten, denn den Jet können wir ja nur sehen, wenn er in unsere Richtung zeigt. Wieviel Glück genau? (Ja, da sind Physiker am Werk, die quantifizieren alles…) Man weiß, wie lange SWIFT den Himmel bisher beobachtet hat und wieviel Fläche dabei angeschaut wurde. Dabei wurde dieses eine Ereignis entdeckt. Daraus kann man grob abschätzen, wie viele solcher Ereignisse es im Universum geben sollte. Dazu muss man noch abschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass der Jet genau in unsere Richtung zeigt – diese Wahrscheinlichkeit ist – wenn ich das paper richtig verstehe, die Formulierung ist für Nicht-Astrophysiker etwas kryptisch – 1:1000. Das Ergebnis liegt (wieder unter Vorbehalt, dass ich hier alles richtig lese) bei 100 Ereignisse pro Gigaparsec und Jahr. In einem Würfel von 3Milliarden Lichtjahren Kantenlänge passiert es also alle paar Tage, dass ein Stern von einem Schwarzen Loch zerrissen wird. Diese Zahl wiederum mag in der Zukunft helfen, die Zahl Schwarzer Löcher im Universum besser abszuschätzen.
Handelt es sich wirklich um einen zerrissenen Stern, der von einem Schwarzen Loch gefressen wird? Das wird die Zukunft zeigen. Denn wenn das Schwarze Loch den Stern frisst, wird die Helligkeit des Jets im Laufe der Zeit abnehmen. Swift J1644+57 steht weiter unter Beobachtung.
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Wer keinen Zugriff auf Nature hat, kann sich auch bei der Nasa informieren
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