Ist die Mathematik wirklich die Sprache der Natur? Oder stülpen wir unsere mathematischen Konzepte der Natur nur über und zwingen sie ihr auf, und die Natur ließe sich genauso gut ohne Mathematik beschreiben? Diesen zweiten Standpunkt würden wohl die Postmodernisten vertreten (oder auch Goethe mit seiner Farbenlehre), aber auch hier in den Kommentarspalten lesen wir gelegentlich Ähnliches. Wie sicher sind wir also, dass die Mathematik in der Natur wirklich drinsteckt?
Dazu heute ein paar – wie üblich eigentlich ziemlich offensichtliche – Gedanken.
Ist eine nicht-mathematische Natur überhaupt möglich?
Denken wir uns – sowas ist ja heutzutage sehr in – ein beliebiges Universum. Welche Eigenschaften muss es haben, damit seine Bewohner die Vorgänge in diesem Universum mittels Mathematik beschreiben können?
Nun, zunächst muss es solche Bewohner überhaupt geben, es muss also Leben möglich sein – nach allem, was wir wissen, erfordert das die Anwesenheit von Materie in irgendeiner Form.
Eine andere Möglichkeit wäre ein vollkommen ungeordnetes, mehr oder weniger rein geistiges Universum (so ähnlich wie “The Other Place” – die Welt der Djinns etc. – in der Bartimäus-Trilogie von J. Stroud), in dem es keinen Raum und keine Zeit gibt und in dem substanzlose Geister miteinander in Kontakt sind, die eigentlich auch nur ein einziger Geist sind, so dass es keinerlei abtrennbare Objekte gibt, allerdings ohne Zeit auch nichts, was wir als Gedanken verstehen könnten. (Und sobald es eine Zeit gibt, kann man Ereignisse zeitlich anordnen, man kann die Dauer von Ereignissen oder Gedanken vergleichen und – schwupps – ist man wieder mitten drin in der Quantifizierbarkeit.) Das ist zwar literarisch reizvoll, aber wohl nicht wirklich konkret vorstellbar, insofern klammere ich ein solches Universum mal aus der Betrachtung aus.
Wenn wir bei einem halbwegs vorstellbaren Universum bleiben, dann benötigen wir also Materie, die sich in irgendeiner Raumzeit befindet. Die materiellen Objekte befinden sich an irgendeinem Ort und sie bewegen sich. Damit können wir – zumindest qualitativ – Abstände und Größen vergleichen: Dieses Objekt ist größer als jenes, um von hier nach dort zu kommen, benötige ich länger als von da nach dort.
Diese Größen kann ich zunächst an mir selbst messen: Abstände kann ich mit meiner Körpergröße vergleichen, Zeiten mit irgendeinem Körperprozess. (Galilei hat seinen Herzschlag genommen, aber ihr könntet auch die Zeit nehmen, die ihr braucht, um eure Tentakel einmal zu ver- und wieder zu entknoten, wenn ihr ein tentakeliger Alien seid.)
Wir können also in einer solchen Welt zumindest versuchen, sie mathematisch zu untersuchen. Ob dabei auch etwas herauskommt, steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht gibt es ja in unserem hypothetischen Universum keine systematischen Beziehungen zwischen Abständen und Größen oder Zeiten?
Wenn es aber Lebewesen in unserem Universum gibt, dann haben diese eine einigermaßen einheitliche Größe, sonst könnten sie nicht miteinander wechselwirken (Wenn eure Kinder bakteriengroß sein könnten und eure Nahrung manchmal planetengroß wäre, dann wäre Leben ziemlich schwierig).
In unserem realen Universum haben Lebewesen eine ziemlich einheitliche Größe. Letztlich liegt das daran, dass alles aus Atomen besteht, die alle dieselbe Größe haben: Atome setzen Moleküle zusammen, das bestimmt die Größe von Zellen, und aus Zellen setzt sich ein Lebewesen zusammen.
Ein Universum mit Atomen ist eigentlich zwangsläufig der Mathematik unterworfen: Atome sind zueinander identisch, und es gibt mehrere von ihnen. Dadurch sind sie zwangsläufig abzählbar, und weil sie identisch sind, haben sie eine feste Größe und andere wohldefinierte Eigenschaften. Nicht umsonst hat man ja bei der Pioneer-Plakette die Eigenschaften des Wasserstoffatoms verwendet, um Maßstäbe festzulegen.
Wenn wir ein nicht-mathematisches Universum haben wollen, könnte dann die Materie in diesem Universum aus “Atomen” bestehen, von denen nie zwei dieselben Eigenschaften haben, sondern von denen jedes anders ist? Das scheint mir auch problematisch, denn dann wird es ziemlich schwierig, aus ihnen Moleküle zusammenzusetzen – in denen spielen ja Bindungsabstände und damit Atomgrößen eine wichtige Rolle.
Aber vielleicht können wir ja radikaler vorgehen, und die Materie kontinuierlich machen? So, dass es keine Atome gibt, sondern dass man Elemente beliebig immer weiter teilen kann? Dann gäbe es keine natürliche Größenskala mehr (stimmt auch nicht so ganz, siehe unten) – ein Mensch könnte tatsächlich genausogut 100 Meter oder 100 Mikrometer groß sein – er würde die entsprechenden Elemente in immer derselben Mischung enthalten, aber in unterschiedlichen Mengen.
(Kleine Nebenbemerkung: Die Präformationisten glaubten ja seinerzeit, dass in jedem Menschen seine gesamte Nachfahrenreihe sozusagen als ineinandergeschachtelte Homunculi enthalten ist, was uns heute absurd erscheint. Wenn die Materie kontinuierlich gedacht wird, ist das aber wesentlich sinnvoller – dann könnte man auf endlichem Raum unendlich viele immer kleiner werdende Kopien haben, die nur noch ihre jeweiligen Bestandteile vermehren müssen. Wäre interessant zu wissen, ob sich Präformationisten jemals zur Atomlehre geäußert haben.)
Allerdings – auch in einer solchen Welt könnte man zum Beispiel Längenstandards finden. Als man das Urmeter gebaut hatte, glaubte man auch noch nicht an Atome – trotzdem konnte man es zur Längendefinition heranziehen.
Auch eine Welt aus kontinuierlicher Materie könnte also mathematisch untersucht werden. Aber vielleicht ist ihre Sprache trotzdem nicht mathematisch, und man stellt beim Untersuchen einfach fest, dass man mit Mathematik nicht sehr weit kommt?
Auch das halte ich für schwierig, wenn wir Leben in dieser Welt haben wollen. Egal ob die Materie kontinuierlich ist oder nicht – Leben (wie wir es verstehen) erfordert, dass Prozesse mit einer gewissen Verlässlichkeit und Regelmäßigkeit ablaufen. Wenn beim Verwerten von Nahrung beim Frühstück nur ein Mikrojoule, aber beim Mittagessen plötzlich ein 100-Gigatonnen-TNT-Äquivalent freigesetzt wird, dann wird es für Lebewesen ziemlich schwierig. Ein Mundvoll (Schnabelvoll, Rüsselvoll, Was-auch-immer-voll) Nahrung sollte zumindest in etwa immer eine ähnliche Energiemenge liefern, und darauf müssen sich Lebewesen verlassen können.
Und noch etwas anderes kommt hinzu: Selbst kontinuierliche Materie hat eine Form, unterliegt also den Regeln der Geometrie. Beispielsweise ist das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen für größere Körper anders als für kleinere, was ziemlich viele Auswirkungen in der Biologie hat. Auch mit kontinuierlicher Materie muss zum Beispiel Wärme durch die Oberfläche abgeführt werden, was für große Objekte schwieriger ist als für kleine. Wenn wir auch solche Effekte umgehen wollen, dann sind wir wieder bei einem Universum ohne Raum.
Aber es könnte doch vielleicht sein, dass die Natur nur näherungsweise mathematisch ist – dass zwei Objekte unter identischen Bedingungen näherungsweise dasselbe tun, aber nicht ganz genau, weil es immer eine ZUfallskomponente im Verhalten gibt. Das stimmt – aber die Abweichungen selbst sind dann auch mathematisch erfassbar. Wenn sie selbst auch zufällig, aber vollkommen regellos sind, dann wäre hier eine natürliche Grenze der mathematischen Beschreibung erreicht – allerdings könnte diese Grenze mit mathematischer Naturbeschreibung auch klar erkannt werden.
Wenn die Zufälligkeiten selbst aber sogar gewissen Gesetzmäßgkeiten unterliegen, dann können wir diese wiederum als mathematische Gleichungen fassen – dieser Fall ist nicht hypothetisch, sondern dank der Quantenmechanik in unserem Universum letztlich ja realisiert.
Es ist also ziemlich schwierig (oder gar unmöglich), sich ein Universum auszudenken, in dem keine mathematisch formulierbaren Naturgesetze gelten, aber in dem trotzdem Leben existiert. Man könnte also sagen:
“Ich denke, also bin ich.
Ich bin, also ist die Sprache der Natur die Mathematik.”
Die empirische Basis der Naturbeschreibung
Die bisherigen Überlegungen sind im wesentlichen durch reines Nachdenken gewonnen. Da ist natürlich immer Skepsis angezeigt – Kant hat durch reines Nachdenken “bewiesen”, dass wir einen dreidimensionalen absoluten Raum denken müssen, was seit Einstein widerlegt ist.
Es lohnt sich also vielleicht noch einmal zu fragen, wie das Verhältnis von Mathematik und Natur in unserem Universum tatsächlich ist – haben die Menschen die Mathematik der Natur eben doch “übergestülpt”?
Die grundlegendste mathematische Tätigkeit ist sicher das Zählen – und zählen kann man natürlich nur Dinge, die einerseits abgegrenzt sind und andererseits in eine bestimmte Kategorie fallen. Beispielsweise kann ich Schafe zählen oder Menschen; Wolken zu zählen ist dagegen schon schwieriger, weil die Grenzen zwischen ihnen nicht klar definiert sind, und Wasser zu zählen geht gar nicht: “Es sind 150 Wasser im Eimer” ergibt wenig Sinn.
Nun sind zwei Schafe (oder Menschen) niemals ganz gleich – wenn wir sie zählen, dann stülpen wir tatsächlich der Natur etwas über, nämlich die Kategorie “Schaf”. Ähnliches gilt, wenn ich mir ein Urmeter baue und damit feststelle, dass die Strecke von A nach B doppelt so lang ist wie von B nach C – ich reduziere damit ein Stück Landschaft auf eine einzige Zahl, ungeachtet der Tatsache, dass vielleicht der Weg von A nach B durch eine Wüste führt und der von B nach C durch einen Wald. Und auch mit Zeitmessungen ist es genauso – wenn ich Tage zähle, dann tue ich so, als ob alle Tage in gewisser Weise gleich wären, dabei ist jeder Tag anders.
Klingt also auf den ersten Blick (autsch, diese “mixed metaphor” wäre ein Fest für Bernard Woolley) so, als hätten die Postmodernisten doch recht? Aber das ist meiner Ansicht nach nicht so: Die Kategorisierungen, die die Basis für das Zählen und Messen bilden, erweisen sich nämlich bei näherer Überprüfung als der realen Welt angemessen. Es ist sinnvoll, Schafe zu zählen, weil mir das etwas über die Menge an Schafskäse oder Lammkoteletts sagt, die ich zum Essen zur Verfügung habe, und das wiederum erlaubt mir, Vorhersagen darüber zu machen, ob ich den nächsten Winter überstehe oder nicht. Es ist sinnvoll, Strecken zu messen, weil mir das sagt, wie lange ich benötige, um sie zu gehen und ob ich Proviant dabeihaben sollte. (Und spätestens wenn wir bei den Atomen ankommen, ist die Sache eindeutig: Atome sind absolut identisch und ununterscheidbar, und damit auch zählbar.)
Ob die Natur mathematisch beschreibbar ist, ist eine Frage, die sich empirisch beantworten lässt: Nämlich indem man es versucht. Dann stellt man schnell fest, dass eben vier Schafe mehr fressen als zwei und dass ein längerer Weg im Allgemeinen anstrengender ist. (Allerdings nicht mehr, wenn der kurze Weg über einen Berg führt – jedenfalls, wenn der Berg hoch genug ist; schon wieder hat sich eine halbquantitative Aussage eingeschlichen.)
Und vor der Gefahr, dass man etwas hineininterpretiert, das nicht da ist, bewahrt einen die innere Konsistenz der Natur (die ein Ergebnis der Beobachtung ist, keine Voraussetzung): Beispielsweise hat man Sekunde ursprünglich als 1/86400 des mittleren Sonnentags definiert, dann aber gemerkt, dass diese Definition nicht genau genug ist. Einen axiomatisch denkenden Menschen könnte das in große Verwirrung stürzen: Wie kann denn eine Definition nicht genau genug sein, es ist doch eine Definition? Aber die Antwort besteht eben darin, dass man Zeitabläufe an ganz verschiedenen Stellen in der Natur beobachten kann, und dass man entweder annimmt, dass all diese Zeitabläufe in Prozessen, die nichts miteinander zu tun haben, in genau derselben Weise Schwankungen unterworfen sind, oder dass es eben die Erddrehung ist, die ihrerseits schwankt. (Und genau das entzieht auch denen die Grundlage die sagen, durch die aktuelle Sekundendefinition über die Lichtgeschwindigkeit hätten die Physiker die Lichtgeschwindigkeit als konstant definiert und würden deshalb niemals Abweichungen bemerken.)
Wäre die Natur nicht letztlich mathematisch beschreibbar, dann wäre eine solche Konsistenz unterschiedlicher Zeitmessmethoden nicht denkbar – dann wäre es nicht egal, ob wir eine Pendeluhr, eine mit Unruhe oder eine Quarzuhr nehmen, wenn wir die Zeit messen, weil das Ergebnis immer ein anderes wäre. (Und Uhren wären ohnehin sinnlos, weil ähnliche Ereignisse ganz unterschiedliche Zeitspannen dauern würden, ohne jede Regel.)
Wenn wir also versuchen, die Natur quantitativ zu beschreiben, dann stellen wir fest, dass wir konsistente Ergebnisse bekommen – Sternspektren enthalten Spektrallinien an denselben Stellen wie Gasspektren auf der Erde (und wenn es da Abweichungen gibt, dann können wir die erklären, mit diesen Erklärungen neue Vorhersagen machen, die sich dann ebenfalls bestätigen lassen), und der Abstand zwischen mehreren Spektrallinien (oder das Verhältnis von Abständen) ist auch derselbe, unabhängig davon, ob ich ihn auf einem Foto des Spektrums messe oder ob ich Frequenzen zeitlich abfahre und Zeitabstände messe.
Wäre die Natur nicht mathematisch, dann wäre so etwas nicht möglich – dann würden wir vielleicht an unterschiedlichen Tagen unterschiedliche Spektrallinien messen oder andere Zeitintervalle beobachten.
Letztlich ist es genau diese Konsistenz der Natur, die Goethe in seiner Farbelehre nicht akzeptierte – er nahm an, dass der Experimentator, der das Licht durch ein Prisma schickt, der Natur etwas “unnatürliches” aufzwingt und Erscheinungen heraufbeschwört, die keine wirkliche Bedeutung besitzen. Die Konsistenz von Sternspektren mit Experimenten auf der Erde zeigt aber, dass das nicht so ist.
Entgeht uns etwas Wesentliches?
Dass die Natur also mathematisch beschreibbar ist, daran besteht eigentlich kein Zweifel. Aber ist es möglich, dass uns hier etwas Wesentliches entgeht, weil wir uns eben genau auf diese mathematisch beschreibbaren Aspekte konzentrieren?
Ich versuche mal, diesen Gedanken mit einer Analogie näher auszuführen: Stellt euch Außerirdische vor, die das Leben auf der Erde beobachten, indem sie Computernetzwerke anzapfen. Sie haben schnell gemerkt, dass bei uns Geld eine wichtige Rolle spielt, und dass sich sehr viel von dem, was wir tun, mit Hilfe von Geldwerten quantifizieren lässt. Sie beobachten also unseren Zahlungsverkehr, sehen, wie ich für meine Blogtätigkeit Unsummen überwiesen bekomme (ja, es ist ja nur eine Fantasievorstellung) oder wie ich Geld zum Beispiel für Bücher ausgebe, die ich bestelle. Sie stellen Erhaltungssätze für Geldmengen auf, wenn sie meine Kontobewegung beobachten und sehen, dass das, was ich bezahle, woanders wieder auftaucht und so weiter.
Sicherlich beobachten sie damit einen relevanten Teil unseres Lebens – so ganz unwichtig ist Geld ja nicht. Und ihre Beobachtungen sind auch in sich konsistent und sie können Vorhersagen treffen, wann welche Geldmengen wohin fließen werden und vieles mehr. Trotzdem hätten sie natürlich keine Ahnung, was tatsächlich dahintersteckt – warum ich mir ein Buch kaufe (oder was ein Buch überhaupt ist).
Könnte es also vielleicht mit unserer Welt genauso sein? Sie ist zwar in gewissen Aspekten mathematisch, aber die mathematische Beschreibung ist nicht in der Lage, alles zu erfassen?
Denkbar ist das natürlich. Aber, wenn man wieder die Analogie betrachtet, dann stellt man fest, dass die Aliens beim Beobachten unserer Geldflüsse vermutlich doch schnell merken würden, dass ihnen etwas wesentliches zur Beschreibung fehlt – warum kauft der eine ein Buch, der andere nicht? Warum bekommt der eine jeden Monat viel Geld, der andere wenig? Warum verändern sich Zinssätze oder Aktienkurse? (Ja, darauf hätte ich auch gern ne Antwort…) Es lassen sich schnell viele Dinge finden, die durch das Beobachten von Geldflüssen allein eben nicht erklären lassen und die zeigen, dass die Erklärung lückenhaft ist.
Das ist – in der bisherigen Wissenschaftsgeschichte – anders. Man kann zum Beispiel biologische Prozesse ziemlich gut mit Hilfe von Physik und Chemie erklären, auch bei der Erklärung des Bewusstseins machen wir mit unserer im Kern mathematischen Methode des Messens, Beschreibens, Quantifizierens immer weitere Fortschritte (auch wenn eine rein mathematische Beschreibung eines Bewusstseins vermutlich viel zu komplex ist, um sinnvoll zu sein). Bisher scheint es nicht so, als würde unsere mathematikbasierte Beschreibung an eine Grenze stoßen. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass wir irgendwann Phänomene entdecken, die nicht quantifizierbar sind – es ist aber für mich schwer vorstellbar, dass solche Phänomene in einem mit so viel “Messbarkeit” versehenem Universum wie unserem existieren können, denn an der Schnittstelle würde es unweigerlich zu Problemen kommen: Wo hört die Unmessbarkeit auf und fängt die Messbarkeit an?
Es scheint also tatsächlich so zu sein, als sei die Natur im Kern mathematisch.
Wie ist die Natur “wirklich”?
Aber was genau heißt das nun – die Natur ist “mathematisch”? Sicherlich darf man sich nicht naiv vorstellen, dass den mathematischen Gesetzen, so wie wir sie formulieren, eine echte Realität zukommt. Das ist schon allein deswegen kaum denkbar, weil es viele unterschiedliche Möglichkeiten gibt, dasselbe Naturgesetz zu formulieren (beispielsweise kann ich die Quantenmechanik über die Schrödingergleichung oder den Pfadintegralformalismus formulieren, beide Darstellungen sind äquivalent).
Manche Leute (z.B. hat Roger Penrose Ähnliches geäußert) stellen sich vor, dass es eine tieferliegende Realität gibt, in der Art einer Platonischen Ideenwelt. In dieser Realität haben die Naturgesetze vielleicht eine ganz eindeutige und einheitliche Form, die aber unserem Verstand (noch?) nicht zugänglich ist. Unsere mathematischen Beschreibungen sind dann vielleicht so etwas wie unterschiedliche Perspektiven desselben Gegenstands, die erst zusammengenommen das Gesamtbild ergeben.
Und wie schaffen es nun diese Naturgesetze, dass die Welt ihnen gehorcht? Woher “weiß” das Elektron von der Schrödingergleichung? Es wird ja kaum einen Algorithmus zum Lösen von Differentialgleichungen verwenden. Gibt es da einen noch tiefer liegenden Mechanismus? Aber wenn es den gibt, wie funktioniert der – ein auf Regeln basierender Mechanismus wäre ja selbst auch wieder mathematisch beschreibbar? Vermutlich landen wir bei einem endlosen Regress, wenn wir versuchen, das zu Ende zu denken, und wie die Natur “wirklich” ist und wie sie es schafft, mathematisch zu sein, bleibt uns letztlich veborgen.
Senke nieder,
Adlergedank, dein Gefieder!
Kühne Seglerin, Phantasie,
Wirf ein mutloses Anker hie.
(F. Schiller)
Kommentare (597)