Schaut man sich die Planeten unseres Sonnensystems an, dann werden sie vom kleinen Merkur aus gesehen zunächst größer (Venus und Erde), weiter Außen kommt dann mit Jupiter der größte von allen, danach werden sie wieder kleiner (Saturn, Uranus, Neptun). Nur der Mars tanzt aus der Reihe, er hat nur etwa den halben Erddurchmesser.
Von Horst Frank, modifiziert durch Filemon CC BY-SA 3.0, Link
Modellrechnungen der Entstehung des Sonnensystems konnten dies bisher nicht korrekt wiedergeben. Ein paper in Nature legt jetzt den Grund nahe: Ein Spaziergang des Jupiter ist schuld.
Heutzutage bleiben die Planeten unseres Sonnensystems ja brav auf ihrer Umlaufbahnen. Die der Erde dürfte sich in den letzten Milliarden Jahren kaum verändert haben, sonst wäre es dem Leben auf der Erde schlecht ergangen.
Aber das war nicht immer so: Kurz nach der Entstehung des Sonnensystems war die Umgebung der Sonne noch voll von Gasen, Trümmern und sonstigem Zeugs, das mit den Urplaneten wechselwirkte und so ihre Bahn beeinflusste. So etwa sah es damals aus:
(Quelle: NASA)
Man geht davon aus, dass zuerst die großen äußeren Planeten entstanden, also Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun, allerdings noch nicht auf ihren heutigen Umlaufbahnen, sondern dichter an der Sonne als heute, Jupiter zum Beispiel in einer Entfernung von etwa drei Astronomischen Einheiten (=AE, eine AE sind etwa 150Millionen Kilometer, der Abstand Erde-Sonne).
Die Planeten wechselwirkten dabei mit dem Gas. Dabei verloren sie an Drehimpuls, so dass sie dichter an die Sonne heranrückten. (Prinzipiell ist es auch möglich, dass es Planet durch Wechselwirkung mit dem Gas nach Außen wandert, das hängt davon ab, wie genau er mit dem Gas wechselwirkt – der Planet erzeugt beim Umlauf Dichtewellen, in die er dann selbst wieder hineingerät.)
Mathematische Anmerkung: Wenn ich richtig gerechnet habe (ist für Astronomen vermutlich Standardwissen), dann sieht man das so: Der Drehimpuls ist (für eine Kreisbahn) L=rmv, mit r=Bahnradius, m=Masse, v=Geschwindigkeit.
Nach dem dritten Keplergesetz ist die Umlaufzeit ins Quadrat proportional zum Radius hoch drei
T2~r3.
Die Geschwindigkeit ist Umlaufstrecke durch Umlauffrequenz v =2πr/T, also ist (mit T~r3/2)
v~1/√r
Und damit
L ~ √r
Je kleiner der Drehimpuls, desto dichter ist der Planet also an der Sonne.
Jupiter et al. wanderten also im Sonnensystem nach Innen – dabei räumten sie natürlich kräftig auf und entfernten jede Menge Gase und Teilchen.
Irgendwann kehrte sich die Bewegung aber wieder um. Das geschieht durch Bahnresonanz – durch die Anziehung zwischen Jupiter und Saturn beeinflussen sich die beiden gegenseitig, (sie geraten in ) was letztlich zu einer Wanderung nach Außen führt.
Diese Wanderung des Jupiter könnte erklären, wie die protoplanetare Scheibe im inneren Sonnensystem bei etwa einer Astronomischen Einheit abgeschnitten wurde, so dass für den armen Mars nur wenig Material überblieb. Wenn allerdings Jupiter in dieser Weise durchs Sonnensystem gewandert ist, was ist dann mit dem Asteroiden? Müsste Jupiter den Bereich des Asteroidengürtels nicht leergefegt haben?
Detaillierte Simulationsrechnungen, die vor kurzem in Nature veröffentlicht wurden, zeigen jetzt, dass das nicht so ist. Tatsächlich passierte Jupiter den Bereich des Asteroidengürtels “sanft” genug, dass er diesen dabei nicht zerstörte. Die Simulationsrechnungen zeigen sogar noch mehr: Beim Nach-Außen-Wandern erreichte Jupiter schließlich einen Bereich, in dem viele eishaltige Objekte herumsausten, die der Jupiter in den Asteroidengürtel hineinschickte. Das könnte erklären, warum der Asteroidengürtel aus zwei unterschiedlichen Typen von Asteroiden besteht: Den kohlenstoffreichen C-Typen (die man vor allem im äußeren Bereich findet und die nach diesen Modellrechnungen vermutlich ursprünglich noch weiter außen im Sonnensystem herumschwirrten) und den siliziumeichen S-Typen.
Hier das ganze Szenario ein bisschen quantitativer:
Unten seht ihr, wie sich der Sonnenabstand (die große Halbachse der Ellipse) im Laufe der Zeit verändert: Jupiter startet knapp außerhalb von drei AE und wandert dann nach Innen. Als er bei etwas mehr als einer AE angekommen ist, gerät er in Resonanz mit Saturn: Saturn rückt dicht an den Jupiter heran und die beiden tanzen dann gemeinsam wieder nach Außen. Oben im Bild seht ihr, wie sich die Masse der Planeten verändert – insbesondere Saturn legt kräftig an Masse zu, während er der Sonne am nächsten ist.
Wie sich die Dichte an Material bei dieser Wanderung veränderte, zeigt das zweite Bild:
Hier nimmt die Zeit von oben nach unten zu. Die großen Scheiben sind die Planeten, die roten Punkte sind aus S-Typ-Material, die blauen aus dem kohlenstoffreichen C-Material. Innerhalb der einzelnen Plots zeigt die senkrechte Achse die Exzentrizität an, also wie stark die Bahn von einer Kreisbahn abweicht.
Man sieht sehr schön, wie die Wanderung der Planeten S-Material aus dem Innenbereich der Scheibe nach außen holt und wie umgekehrt blaues C-Material schließlich nach Innen gelangt, wenn die Planeten wieder außen angekommen sind.
Das letzte Teilbild hat gleich zwei Zeitangaben: Zum einen zeigt es Asteroidenmaterial und die großen Planeten nach 600000 Jahren, zum anderen wurde eine Simulation des Innenbereichs des Sonnensystems für 150 Millionen Jahre laufen gelassen um zu zeigen, wie dort die Planeten entstehen. Wie ihr seht, sind diese alle etwa am richtigen Platz, und Mars ist auch tatsächlich kleiner als Erde und Venus.
In der Arbeit wurde nicht nur eine einzige Simulation gerechnet, sondern gleich ein ganzer Haufen von Simulationen – mit einer einzigen könnte man ja womöglich quasi per Zufall ein passendes Ergebnis bekommen. Dabei wurden die Parameter aber immer so gewählt, dass Jupiter bei 1,5 AE seinen sonnennächsten Punkt erreicht – andere Parameter wurden dagegen stark variiert. Es zeigt sich, dass die Ergebnisse robust sind, sich also bei einer Änderung der freien Parameter nicht sehr stark ändern.
Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass Jupiter (im Verbund mit seinen Gasriesenkollegen) unser Sonnensystem formte, als er sich auf einem kleinen Spaziergang die Sonne aus der Nähe ansehen wollte.
Walsh, K., Morbidelli, A., Raymond, S., O’Brien, D., & Mandell, A. (2011). A low mass for Mars from Jupiter’s early gas-driven migration Nature, 475 (7355), 206-209 DOI: 10.1038/nature10201
Eine kurze Erklärung der Simulation (auf Englisch) findet ihr auch hier.
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