Stellt euch vor, ihr seid ein hungriges Krokodil, das lauernd im leicht brackigen Flusswasser liegt und auf etwas leckeres zu futtern wartet. Ein paar große Tiere kommen zum Wasser – wenn ihr nicht schon unter Wasser wärt, würde euch selbiges jetzt im Mund zusammenlaufen. Eins der Tiere kommt näher, noch näher, und…

tja, da habt ihr euch wohl etwas verschätzt. Ein Elefant ist dann doch eine Nummer zu groß und zu wehrhaft für euch.

Solche Angriffe sind zwar nicht häufig, aber auch keine extreme Seltenheit. Stellt sich natürlich die Frage, warum ein Krokodil so etwas versucht: Dass es tatsächlich eine Chance hat, den Elefanten erlegen zu können, ist ja eher unwahrscheinlich. Vielleicht gibt es einfach einen Angriffsreflex, sobald etwas in die Krokodilreichweite kommt, vielleicht verwechselt das Krokodil auch den Rüssel mit dem Bein einer Antilope – der Rüssel ist hier ja ziemlich weit vorgestreckt und die Elefantenkuh steht nur gerade eben im Wasser.

Zu häufig dürfte so etwas allerdings auch nicht passieren – dafür ist die Geschichte für’s Krokodil doch etwas zu gefährlich. Krokodile, die so etwas regelmäßig tun, würden vermutlich nicht lange leben. Das ist wieder ein Fall der berühmten Asymmetrie zwischen Räuber und Beute (die in vielen Tiergeschichten – und besonders in computeranimierten Dinosaurierfilmen – ignoriert wird): Die Beute kämpft ums Überleben, der Räuber nur um die nächste Mahlzeit. Ein Räuber sollte sich also beim Jagen nicht in Lebensgefahr bringen – ein Beutetier dagegen kann alles riskieren.

Ganz so spielend, wie man vielleicht denkt, wird ein Elefant allerdings mit einer solchen Attacke nicht fertig: Angeblich soll es durchaus vorkommen, dass dabei die Muskeln im Elefantenrüssel so stark verletzt werden, dass der Elefant kein Futter mehr greifen kann und verhungern muss.

Wie so oft habe ich auch diesen Link von der Dinosaur mailing list (wenn ihr euch für Dinosaurier interessiert, ist die absolute Pflichtlektüre), und natürlich wurde dort sofort die Analogie zu Sauropoden gezogen. Ein langhalsiger Sauropode mit kleinem Kopf wie dieser Dicraeosaurus hier:

Dicraeosaurus.jpg
Von Eduard Solà Vázquez – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link

der würde bei so einem Angriff natürlich deutlich gefährdeter sein. Es ist also durchaus denkbar, dass solche Angriffe damals wesentlich eher von Erfolg gekrönt waren. Aber jetzt bitte nicht spekulieren, dass das Krokodilverhalten ein Überbleibsel aus dem Mesozoikum ist – dafür sind 65 Millionen Jahre doch etwas zu lang.

Und noch etwas ganz anderes ist bemerkenswert: Anscheinend hatte Rudyard Kipling recht mit seiner Geschichte, wie der Elephant zu seinem Rüssel kam:

Then the Elephant’s Child put his head down close to the Crocodile’s musky, tusky mouth, and the Crocodile caught him by his little nose, which up to that very week, day, hour, and minute, had been no bigger than a boot, though much more useful. …

Then the Elephant’s Child sat back on his little haunches, and pulled, and pulled, and pulled, and his nose began to stretch. And the Crocodile floundered into the water, making it all creamy with great sweeps of his tail, and he pulled, and pulled, and pulled.

And the Elephant’s Child’s nose kept on stretching; and the Elephant’s Child spread all his little four legs and pulled, and pulled, and pulled, and his nose kept on stretching; and the Crocodile threshed his tail like an oar, and he pulled, and pulled, and pulled, and at each pull the Elephant’s Child’s nose grew longer and longer–and it hurt him hijjus!

Kommentare (17)

  1. #1 WolfgangK
    21. Oktober 2011

    Hm, ist das so ungewöhnlich? Auch ein Hund beisst ja manchmal jemanden ins Bein, wenn entweder der Jagdtrieb erwacht oder er sich entsprechend gestört fühlt. Und Rücksicht auf die eigene Unterlegenheit nimmt er ja dabei auch nicht. Ansonsten erinnert es mich irgendwie an das hier, und beim Suchen fand ich auch noch das… 😉

  2. #2 BreitSide
    21. Oktober 2011

    Der ist auch mutig: https://fun-gallery.com/wp-content/uploads/2011/01/Catch-Me-If-You-Can-Cat-vs-Eagle.jpg

    Naja, ein Mensch ist ja für einen Hund im Rahmen seines Beuteschemas. Skurril wird es dann, wenn er in Reifen von Pkws oder gar Lkws beißt (beißen will). Da sind dann tatsächlich die Jagd/-Hüte-/Verteidigungsinstinkte einfach stärker.

  3. #3 marco
    21. Oktober 2011
  4. #4 Flo
    22. Oktober 2011
  5. #5 MartinB
    22. Oktober 2011

    @Wolfgang
    Es ist selten, aber nicht sehr. Bei Hunden darf man aber auch nicht vergessen, dass die natürlich durch Zucht nicht mehr unbedingt auf evolutionären Jagderfolg optimiert sind, sondern auf andere Dinge (wie z.B. die Hemmung vor Menschen zu verlieren).

    Wölfe z.B. greifen Menschen dagegen nur in Ausnahmefällen an. Und dass ein Tier sich so massiv verschätzt wie das Krokodil hier, finde ich schon bemerkenswert.

    @Flo
    Die Bilder sind der Hammer, vor allem auch die Qualität.

  6. #6 WolfgangK
    22. Oktober 2011

    @MartinB

    Ja, stimmt sicher, aber ich meinte, dass das Kroko vielleicht eher gestört wurde und deshalb zuschnappte, was man ja bei anderen Wildtieren (bspw. Schlangen oder Ratten) ohne Rücksicht auf Größe des Gebissenen auch öfters beobachten kann. Aber es kommt natürlich auch vor, dass manche sich bei der Größe des Fressopfers völlig verschätzen

  7. #7 MartinB
    22. Oktober 2011

    Ich finde, nach gestört werden sieht es nicht aus – am Anfang des Videos steht der Elefant ja schon da und hat den Rüssel im Maul, hat also vermutlich schon einmal getrunken. Großartig bewegen tut er sich auch nicht.

    Das Pythonbild darf ich nicht sehen…

  8. #8 WolfgangK
    22. Oktober 2011

    “Das Pythonbild darf ich nicht sehen…”

    ???

  9. #9 MartinB
    22. Oktober 2011

    You don’t have permission to access /vb/attachments/tiere/83989d1128614153-fette-beute-phyton-geplatzt-phyton.jpg on this server.
    !!!

  10. #10 WolfgangK
    22. Oktober 2011

    Komisch, die ganze Zeit konnte ich darauf zugreifen, nun kommt auch “Forbidden”
    Dann nehmen wir eben das hier, und weil es so schön ist, auch noch diese Python, die es aber wohl überlebt hat…

  11. #11 MartinB
    22. Oktober 2011

    Perfekte Illustration für die berühmte elterliche Warnung
    “Da war das auge mal wieder größer als der Mund.”

  12. #12 rolak
    22. Oktober 2011

    ..ach komm, bloß weil jmd den Mund mal etwas zu vollgenommen hat^^ Ist diese Fotostrecke von jenem Artikel.

    Seit dem ersten Lesen gestern habe ich ein penetrantes Echo im Schädel: Das piepsige “Würg ihn, Willi, würg ihn!” eines Heeres von Ameisen 😉

  13. #13 rolak
    22. Oktober 2011

    Nachschlag: Vielleicht ist es aber auch die perfekte Illustration für das elterliche “Wie schlimm auch immer es aussehen mag, versuche immer, Dich durchzubeißen”…

  14. #14 MartinB
    22. Oktober 2011

    @rolak
    Bei mir hieß die Ameise aber immer “Emil”.

  15. #15 rolak
    22. Oktober 2011

    Das liegt selbstverständlich an der 3. humoristischen Lautverschiebung (s/Willi/Emil/<over time>)

  16. #16 Stefan Seider
    23. Oktober 2011

    Vielleicht Revierverhalten, wie in diesem Fall?

    https://www.grindtv.com/outdoor/blog/30571/amazing+footage+shows+mountain+biker+ambushed+by+african+antelope/

    Kam natürlich klar von Rechts.

    Viele Grüße

    Stefan

  17. #17 MartinB
    24. Oktober 2011

    @Stefan
    Das war ja ein Volltreffer 🙂