Dass die klassische Physik in der Quantenmechanik (als Spezialfall) drinsteckt, hört man ja oft. Wie aber funktioniert das? Wie kommt man von lauter Wahrscheinlichkeiten wie in der Quantenmechanik zur vollkommen deterministischen klassischen Physik?
Ja, ich weiß, eigentlich wollte ich Quantenfeldtheorie erklären. Aber das hat ja auch Zeit bis zum nächsten Mal, zumal ich so endlich ein altes Versprechen einlösen kann.
Dazu müssen wir klären, wie man denn nun für einen bestimmten Pfad ausrechnet, welche Amplitude zu diesem Pfad gehört, was also das S(W) eigentlich ist. Es ist keine quantenmechanische Größe, sondern eine, die man in der klassischen Physik eingeführt hat: Die Wirkung.
Wir müssen also die Wirkung für jeden Pfad W berechnen können.
Wie das geht? Dazu erinnern wir uns an das letzte Mal. Da habe ich dieses schöne Experiment mit dem Mehrfachspalt gezeigt:
Die Gesamtamplitude, um von Q nach x zu kommen, haben wir aus lauter Einzelamplituden zusammengebaut, für jede Möglichkeit eine:
Um zum Beispiel von Q über S3 und T1 nach x zu kommen, müssen drei Ereignisse hintereinander stattfinden:
1. Von Q nach S3
2. Von S3 nach T1
3. von T1 nach x
Jedes dieser Ereignisse hat auch eine Amplitude, und weil sie alle stattfinden müssen, wurden sie – nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung – multipliziert.
Jetzt erinnern wir uns daran, dass jede einzelne Amplitude ja nichts als ein Pfeil ist, und zwar ein Pfeil der Länge 1. Zu jedem der drei Ereignisse gehört also ein Pfeil mit einem bestimmten Winkel, und weil wir die drei miteinander multiplizieren, bekommen wir das Endergebnis, indem wir diese Winkel alle addieren. Nennen wir die drei Winkel (weil’s einfacher ist) φ1,φ2 und φ3.
Um das Ergebnis auszurechnen, fangen wir mit einem “Startpfeil” an, der nach rechts zeigt und die Länge 1 hat. Dann drehen wir ihn entsprechend dem Winkel φ1, dann weiter um φ2 und schließlich um φ3. Das gibt die Gesamtamplitude für diesen Pfad. Die Gesamtamplitude setzt sich also aus lauter einzelnen Stückchen zusammen, indem wir den Pfeil immer weiter drehen.
Und dann haben wir uns vorgestellt, wir würden immer mehr und mehr Schirme mit Spalten dazunehmen. Die Abstände zwischen den einzelnen Schirmen werden dann immer kleinen und die Wegstückchen entsprechend immer kürzer, bis wir schließlich bei beliebigen Pfaden ankommen, die aus sehr sehr vielen sehr sehr kurzen Wegstückchen bestehen. (Und mathematisch sauber werden daraus natürlich unendlich viele unendlich kurze Wegstückchen.)
Hier nochmal das Bild
Wenn wir also die Gesamtamplitude für einen Pfad ausrechnen wollen, dann zerlegen wir den in lauter winzige Abschnitte. Auf jedem Abschnitt dreht sich der Amplitudenpfeil ein bisschen weiter, bis am Ende die Amplitude für diesen Pfad herauskommt:
Und was bringt uns das alles? Ganz einfach: Für ein winziges Wegstück können wir den zugehörigen Drehwinkel einfach ausrechnen. Der Drehwinkel ist gleich der Differenz zwischen der kinetischen (also der Bewegungs-) Energie und der sonstigen Energie (der potentiellen Energie) des Elektrons1 Diese Größe nennt man die “Lagrange-Funktion”.
1Genau genommen muss man noch mit der Zeit multiplizieren, die das Elektron für das winzige Wegstück braucht.
In Formeln sieht das dann etwa so aus, wobei L(t) die Lagrangefunktion ist:
Ging das zu schnell? Betrachten wir erst mal die kinetische Energie (also die Bewegungsenergie). Die hängt von der Geschwindigkeit ab – weil wir den Pfad W kennen, wissen wir, wo das Elektron zu jedem Zeitpunkt ist, und damit können wir auch seine Geschwindigkeit berechnen. (Wenn ich “jetzt” hier bin und in einer Sekunde zwei Meter weiter, habe ich eine Geschwindigkeit von 2m/s.) Und die kinetische Energie ist gleich mv2/2 – die berühmte Formel für die kinetische Energie, die ihr vermutlich in der Schule gelernt habt. Dabei ist m die Masse und v die Geschwindigkeit.
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