Und weil wir den Ort des Elektrons zu jedem Zeitpunkt kennen, können wir auch seine sonstige (potentielle) Energie berechnen, die es beispielsweise durch ein angelegtes elektrisches Feld hat.
Wenn wir einen bestimmten Pfad festlegen, ist es also ein Kinderspiel, die Lagrangefunktion für jeden Punkt auf diesem Pfad zu berechnen.
Der entscheidende Punkt hierbei ist, dass man die Wirkung so berechnet, als wäre das Elektron ein ganz gewöhnliches Teilchen innerhalb der klassischen Physik. Um die Lagrange-Funktion (und damit die Amplitude) für jeden einzelnen Pfad zu berechnen, vergessen wir kurzfristig alles, was wir über Quantenmechanik wissen; die kommt erst ins Spiel, wenn wir die ganzen einzelnen S(W)-Ausdrücke im Pfadintegral zusammenzählen.
Um die Gesamtamplitude für einen Pfad W zu berechnen, addieren (eigentlich integrieren) wir die Lagrangefunktion für jeden Zeitpunkt auf. Ihr seht hier, wie praktisch die Mathematik zusammenpasst: Wir multiplizieren die Amplituden für die einzelnen Stückchen (weil die alle nacheinander passieren müssen), und daraus wird wegen der Rechenregeln für die Pfeile eine Addition der einzelnen Drehwinkel.
In Formeln sieht diese Zerlegung so aus:
Und nach den handelsüblichen Regeln können wir das umschreiben:
Der gesamte Drehwinkel ist – nach unserer Pfadintegralformel – S(W)/ħ. Diese Größe S(W) heißt – wie schon beim letzten Mal erwähnt – “Wirkung”. Sie hat die Einheit Joule-Sekunde – Joule, weil das die Energieeinheit (und damit die Einheit der Lagrangefunktion ist) und Sekunde, weil wir das über die Zeit aufaddieren.
Damit können wir jetzt für jeden Pfad W die zugehörige Amplitude berechnen: Wir berechnen die kinetische und die potentielle Energie des Elektrons an jedem Punkt, nehmen jeweils die Differenz, addieren alles auf, teilen durch ħ, und das Ergebnis ist der Drehwinkel des Amplitudenpfeils.
Also nochmal, weil es so wichtig ist: Ihr wollt die Wahrscheinlichkeit für einen Prozess Q->x berechnen. Das geht so:
1. Ihr sucht alle denkbaren Pfade W für das Elektron.
2. Für alle Pfade W macht ihr jetzt folgendes:
2a Ihr zerlegt jeden Pfad in viele kleine Wegstückchen.
2b Für jedes Wegstückchen berechnet ihr, um wieviel sich der
Amplitudenpfeil auf diesem Stückchen dreht. (Das macht ihr mit der Lagrangefunktion)
2c alle diese Drehwinkel aufaddiert (die Pfeile multipliziert) geben
euch die Gesamtamplitude
für diesen Pfad W
3. Alle diese Amplituden zählt ihr zusammen und bekommt
so die Amplitude für den Gesamtprozess.
Wenn ihr das von der Idee her verstanden habt, dann habt ihr gleich den Kern der Quantenfeldtheorie mitverstanden. Da funktioniert letztlich alles genauso, nur mit ein paar Wortersetzungen (Aus “Elektron” wird “Feld”, aus “Pfad” wird “Konfiguration” – was das genau bedeutet, erkläre ich aber noch.)
Konzeptionell ist es eigentlich einfach: Zu jedem Pfad gehört eine Amplitude, die man Stück für Stück berechnet, und am Ende wird alles aufaddiert. Mathematisch ist es allerdings ziemlich trickreich, weil es unendlich viele denkbare Pfade von Q nach x gibt, über die man geschickt summieren muss. Deswegen wird diese Technik in der Quantenmechanik selten verwendet – in der Quantenfeldtheorie dagegen erweist sie sich als sehr praktisch.
Aber bevor wir in die Quantenfeldtheorie einsteigen, löse ich nun endlich das Versprechen ein, zu erklären, wie Quantenmechanik und klassische Physik zusammenhängen – das kann man am Pfadintegral praktisch direkt sehen.
Dazu gucken wir uns jetzt die Amplituden für die einzelnen Pfade etwas genauer an. Habe ich einen Pfad W, dann gibt S(W)/ħ ja den Winkel an, unter dem ich den Amplitudenpfeil drehen muss. S(W) wiederum bekomme ich aus der oben erklärten Lagrangefunktion. Zu jedem Zeitpunkt gibt die Lagrangefunktion an, wie schnell ich den Amplitudenpfeil drehen soll – und wenn ich das über die Zeit aufsummiere, bekomme ich den gesamten Drehwinkel. Die Lagrangefunktion gibt also die Geschwindigkeit des Pfeils an.
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