Für einen einigermaßen langen Pfad (also beim Elektron vielleicht ein paar Mikrometer oder mehr) dreht sich der Pfeil sehr schnell – typischerweise viele Milliarden mal pro Sekunde. Betrachten wir jetzt
irgendeinen beliebigen Pfad wie diesen hier:
Dieser Pfad leistet einen Beitrag zum Pfadintegral, den wir aus der Wirkung berechnen. Allerdings gibt es zu diesem Pfad auch einen anderen, der ihm sehr ähnlich ist, wie etwa diesen zweiten hier:
Die beiden Pfade unterscheiden sich nur wenig, aber weil der Pfeil sich so schnell dreht, unterscheiden sich S(W1)/ħ und S(W2)/ħ dennoch ziemlich deutlich. Es ist deshalb leicht, zu unserem krummen Pfad einen zu finden, der ihm sehr ähnlich ist, bei dem die Wirkung aber einen etwas höheren oder niedrigeren Wert hat, so dass die Amplitudenpfeile genau entgegengesetzt sind.
Diese beiden Pfade heben sich also sozusagen gegenseitig auf. Und das gilt für so ziemlich alle Pfade, die ihr aufzeichnen könnt.
Es gilt allerdings nicht für solche Pfade, bei denen sehr ähnliche Pfade auch einen sehr ähnlichen Wert der Wirkung haben. So einen Pfad können wir leicht finden: Es ist der Pfad mit der minimalen Wirkung.
Warum? Zeichnen wir ein schematisches Bild der Wirkung – auf der horizontalen Achse trage ich alle Pfade auf (das ist natürlich sehr vereinfacht, weil ich das nur eindimensional zeichne).
Da wo die Wirkung am kleinsten ist, hat die Kurve ein Minimum. In der Nähe des Minimums ändert sich die Wirkung nur wenig – dort verläuft die Kurve ja sehr flach (das ist an einem Minimum zwangsläufig so, wenn euch euer Mathelehrer mit Kurvendiskussion geärgert hat, dann habt ihr das in der Schule gelernt).
Mathematisch verschwindet ja die erste Ableitung – wobei man hier, weil man nach Pfaden ableitet, die so genannte Funktionalableitung aus der Variationsrechnung nehmen muss, Das könnt ihr in einschlägigen Büchern der klassischen Mechanik (z.B. im Kuypers) nachlesen, wenn ihr Details wissen wollt.
Malen wir jetzt die zugehörigen Pfeile zu den jeweiligen Werten der Wirkung dazu, dann sehen wir, dass die Pfeile in der Nähe des Minimums (weil sich die Wirkung da ja nur wenig ändert) alle fast in die selbe Richtung zeigen. Addiert man die Pfeile in diesem Bereich auf, dann ergibt sich ein großer Amplitudenpfeil (unten in blau):
Tut man dasselbe dagegen weiter weg vom Minimum (rechts an der Seite), dann ändert sich die Wirkung bei kleiner Pfadänderung rasch – entsprechend variieren die Amplitudenpfeile stark und ihr Beitrag zur Gesamtamplitude bleibt klein. Einen nennenswerten Beitrag leisten also nur die Pfade in der Nähe des Minimums der Wirkung.
Prinzipiell gilt dieselbe Überlegung auch für maximales S – normalerweise hat die Wirkung aber keine Maxima, weil ich den Weg beliebig lang machen kann, so dass die kinetische Energie entsprechend groß werden muss.
Fazit: Wenn die Wege lang genug sind, so dass der Wert der Wirkung groß ist, dann tragen nur solche Pfade zur Amplitude des Prozesses bei, die zum Pfad mit der kleinsten Wirkung gehören. Dieser Effekt wird um so stärker, je größer der Ausdruck S/ħ wird. Bei einem Teilchen, bei dem S/ħ insgesamt sehr sehr groß ist, sollte nur noch der Pfad eine Rolle spielen, bei dem S minimal ist. Ein solches Teilchen sollte sich aber nach den Regeln der klassischen Physik benehmen (denn wenn alle groß ist gegen ħ, dann spielen Quanteneffekte keine Rolle).
Also gilt: Ein “klassisches” Teilchen nimmt den Pfad der kleinsten Wirkung. Die Wahrscheinlichkeiten verschwinden, weil alle Pfad-Amplituden sich wegheben – bis auf die, die zur kleinsten Wirkung gehören.
Und das ist das berühmte Prinzip der kleinsten Wirkung, das man schon im 19. Jahrhundert entdeckt hatte – damals, ohne eine Idee zu haben, wie sich das anschaulich begründen lässt. Man hatte damals gezeigt, dass es direkt aus den Regeln der klassischen Physik (den Newtonschen Axiomen) folgt und sah es als netten mathematischen “Trick” an. Dass dahinter fundamentale Physik steckt, erkannte man erst mit der Quantenmechanik. Über dieses klassische Prinzip habe ich vor langer Zeit etwas geschrieben, und nun auch endlich das Versprechen eingelöst, den quantenmechanischen Hintergrund zu erklären.
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