Ist es ein Meisterwerk der Glasbläserkunst?
Ist es der neue High-Tech-Handy-Sendemast auf der Spitze des Söldenkogels?
Ist es ein außerirdisches Objekt, das kürzlich auf alten Apollo-Aufnahmen entdeckt wurde?
(Alle Bilder aus der unten angegebenen Quelle.)
Seltsam sieht es ja aus, dieses Gebilde.
Es ist aber nichts dergleichen. Trotz des leicht technischen Aussehens mit Kugeln, die an einem Mast befestigt sind, handelt es sich um einen Schwamm – genauer gesagt, einen Tiefseeschwamm der Art Chondrocladia lampadiglobus.
Dieser seltsame Meeresbewohner wurde bei U-Boot-Expeditionen entdeckt, gefilmt und – jedenfalls ein Exemplar – auch an die Wasseroberfläche befördert, worunter sein Aussehen allerdings etwas litt:
Unter Wasser sieht er aber deutlich hübscher aus, deswegen hier noch ein paar Bildchen:
Hier sieht man auf der “Kugel” links unten einen kleinen drüberkrabbelnden Wurm; im kleinen Bild erkennt man, dass er ein Stückchen weitergewandert ist. (Es handelt sich um Bilder aus einem Video – was wohl auch die mäßige Auflösung erklärt.)
Und weil’s so schön ist, hier noch ein weiteres Bild mit Bunt (besser als ohne Bunt):
Das Besondere an diesem Tiefseeschwamm ist nicht nur sein seltsames Aussehen, sondern auch seine Ernährung. “Normale” Schwämme (wie die, die man als Badeschwämme kennt) sind ja Filterer, die das Wasser nach Nährstoffen durchfiltern. Chondrocladia (und seine Verwandten, die allerdings nicht ganz so cool aussehen) dagegen ist ein echter Karnivore und ernährt sich anscheinend von Krebstieren, die – wenn ich es richtig verstehe, die Veröffentlichung verwendet ziemlich viele mir bisher unbekannte Fachbegriffe aus der Schwammologie – an den “Kugeln” hängenbleiben.
Dazu hat der Schwamm winzige hakenartige Fortsätze (“Isochelae”) wie diese hier:
(Die Maßstabsbalken haben eine Länge von 14 bzw. 9,6 Mikrometern.)
An diesen Haken bleiben kleine Wirbellose mit Härchen oder Antennen hängen und können dann vom Schwamm verspeist werden. Wie er das genau erledigt, konnte ich dem paper nicht entnehmen, aber anscheinend findet man Überreste von halbverdauten Krebschen auf den “Tischtennisbällen”, die Tiere bleiben also dort hängen und werden dann irgendwie zersetzt.
Noch etwas anderes finde ich an diesem Schwamm faszinierend: Science-Fiction-Autoren versuchen ja gern, sich möglichst seltsam aussehende Außerirdische auszudenken. Etwas fleischfressender Schwamm, der aussieht wie ein Baum mit Tischtennisbällen ist mir in all meiner SF-Lektüre aber nicht untergekommen. Unsere Phantasie scheint doch einigermaßen begrenzt zu sein – “truth is stranger than fiction”.
VACELET, J. (2006). New carnivorous sponges (Porifera, Poecilosclerida) collected from manned submersibles in the deep Pacific Zoological Journal of the Linnean Society, 148 (4), 553-584 DOI: 10.1111/j.1096-3642.2006.00234.x
Drauf gestoßen bin ich übrigens im aktuellen Heft von “Spektrum der Wissenschaft”.
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