Damit wir eine Quantenfeldtheorie bauen können, brauchen wir als erstes mal ein Feld – keinen Acker, auf dem Getreide wächst, sondern ein physikalisches Feld. Bevor wir uns mit der Quantenphysik herumschlagen, machen wir das ganze im Rahmen der klassischen Physik. (Klassische Feldtheorie gilt allgemein als ziemlich schwierig, aber das, was wir hier brauchen, ist zum Glück ziemlich einfach.)

Warum wir klassische Felder brauchen? Dazu eine Rückblende zu den letzten Einträgen mit dem Pfadintegral. Dort haben wir folgendes am Beispiel eines Elektrons herausgefunden:

Um ein System quantenmechanisch zu beschreiben, rechnet man die Wahrscheinlichkeit von Prozessen aus. Das geht so: Man überlegt sich alle Möglichkeiten, wie dieser Prozess stattfinden könnte (das waren unsere Pfade). Für jede dieser Möglichkeiten berechnet man eine Größe, die “Wirkung” heißt, nach den Regeln der klassischen Physik. Aus der Wirkung bekommt man für jede Möglichkeit eine Amplitude – die ist nichts als ein Pfeil, dessen Drehwinkel durch die Wirkung (geteilt durch das Wirkungsquantum ?) gegeben ist. Alle Pfeile für alle Möglichkeiten hängt man aneinander, das gibt einen Gesamtpfeil. Man zeichnet ein Quadrat mit der Kantenlänge dieses Pfeils, und die Fläche des Quadrats gibt die Wahrscheinlichkeit des Prozesses an.

Diese Grundregel der Quantenmechanik muss nun auf Felder übertragen werden, wenn wir eine Quantenfeldtheorie bauen wollen.

Was ist also ein Feld? Mein Lieblingsbeispiel für ein klassisches Feld (in zwei Dimensionen) ist ein gespanntes Gummituch, bei dem das Gummi sich an jedem Punkt aber nur in senkrechter Richtung bewegen kann.

i-32267808eacd04e03c1838306169613f-WarnschildFormelWinzig.jpg

Der Übergang zu diskreten Gittertheorien ist dann nichts als der Übergang zu einer Federkernmatratze – die nimmt übrigens Zee in seinem Buch als Beispiel.

i-f8eb1420da56fbf0a14eb4e5c2f3c1c2-WarnschildFormelWinzigEnde.jpg

Solange ihr nichts mit dem Gummituch macht (also keine Kräfte wirken), ist es einfach nur gespannt und sieht überall gleich aus, es ist also ganz eben. Wenn ihr aber eine Masse auf das Tuch legt (und zwar ganz langsam), dann wird es sich ausbeulen, ungefähr so:

i-079c4fdf845044add88995a28e2cfaae-feldanregung1.png

Wir können den Zustand des Tuchs beschreiben, in dem wir an jedem Punkt des Tuchs angeben, wie stark es dort von der Ruhelage abweicht – das gibt also eine Zahl an jedem Punkt des Tuchs. Ist die Zahl positiv, ist der betrachtete Tuchpunkt nach oben ausgelenkt, ist sie negativ, dann nach unten. Diese Auslenkung bezeichnen wir mit φ, weil sie vom Ort abhängt, können wir also φ(x) schreiben, x ist der Ort auf dem Gummituch, an dem wir gucken, φ(x) ist die Auslenkung aus der Ruhelage.

Im Bild ist die Auslenkung direkt zu sehen, zusätzlich habe ich sie noch farbig markiert (dank gnuplots schicker pm3d-Optionen).

Ich bin hier ein bisschen schlampig mit der Schreibweise – eigentlich müsste das x hier ja ein Vektor sein, weil wir zwei Koordinaten brauchen, um den Ort auf unserem Gummituch zu beschreiben – die Mühe, hier jedesmal das x fett zu drucken oder Vektorpfeile drüberzupinseln, spare ich mir, dafür ist html doch zu unhandlich, und in QFT-Büchern wird das normalerweise eh nicht gemacht. Zusätzlich hängt unser Feld φ auch noch von der Zeit ab, aber nach den Regeln der Relativitätstheorie können wir das alles in einen Vierervektor packen. Lasst euch davon nicht verwirren – auf die mathematische Notation kommt es überhaupt nicht an. φ ist einfach die Auslenkung unseres Gummituchs, und die kann sich natürlich mit dem Ort und der Zeit ändern.

Ich hoffe auch, niemand ist verwirrt, dass ich beim letzten Mal den Winkel unseres Pfeils auch φ genannt habe – beide Formelzeichen sind so üblich. Die Zahl der verfügbaren Formelzeichen ist halt begrenzt; es sei denn, man verwendet die Technik aus dem berühmten Buch von Morse & Feshbach, die Tensoren höherer Stufe ganz locker mit hebräischen Buchstaben bezeichnen.

Zurück zum Gummituchfeld: Wenn ihr jetzt ruckartig an einer Stelle am Tuch zupft, dann breitet sich eine Welle aus, ganz ähnlich wie eine Wasserwelle (eine Wasseroberfläche wäre auch ein gutes Beispiel für ein zweidimensionales Feld). Zu einem bestimmten Zeitpunkt würde das vielleicht so aussehen:

i-86a117840064bd387a929f770a633ad8-feldanregung2.png

Die Energie

Um das Verhalten des Gummituchs beschreiben zu können, (und das wird hier ein seeehr idealisiertes Gummituch, soviel steht fest), machen wir uns Gedanken über die Energie, die in ihm steckt. Warum? Weil wir ja unsere Pfadintegral-Technik anwenden wollen, und dafür müssen wir – ihr erinnert euch – die Wirkung berechnen, die sich aus Energietermen zusammensetzt.

Noch sind wir ja in der klassischen Physik – da hat so ein Gummituch eine klare Ruhelage. In der ist es flach und alle Punkte haben dieselbe Auslenkung, nämlich Null (warum gerade Null? Klären wir noch.). Um es an einer Stelle aus der Ruhelage auszulenken, brauchen wir eine Kraft, denn dabei müssen wir das Gummi bewegen, und müssen damit Energie aufwenden. Ohne Energiezufuhr ändert sich das Auslenkungsfeld des Gummituchs nicht. Wir können also davon ausgehen, dass es Energie kostet, die Auslenkung an einem Punkt zu ändern – eine zeitliche Veränderung des Gummituchs kostet Energie.

i-32267808eacd04e03c1838306169613f-WarnschildFormelWinzig.jpg

Die Änderung der Auslenkung ist die zeitliche Ableitung des Feldes

Damit die kinetische Energie immer positiv ist, egal ob wir das Tuch nach oben oder unten auslenken, müssen wir diesen Term quadrieren:

Einheitenmäßig bin ich hier natürlich ziemlich schlampig…

i-f8eb1420da56fbf0a14eb4e5c2f3c1c2-WarnschildFormelWinzigEnde.jpg

 

Nach der Speziellen Relativitätstheorie ist meine Zeit ja für euch (wenn ihr euch bewegt) eine Mischung aus Zeit und Raum. Entsprechend muss also in der Energie auch ein Term drinstecken, der die räumliche Änderung der Auslenkung beinhaltet. Wie ihr seht, können wir hier den praktischen Trick verwenden, den ich am Anfang der Serie eingeführt habe: Wenn aus Zeit Raum wird, dann kann es in einer relativistischen Theorie keinen Term geben, der nur die zeitliche Änderung enthält. (Das ist beim Gummituch auch ohne SRT leicht einzusehen: Um das Tuch an einer kleinen Stelle stark auszulenken, muss man es stark dehnen. Das Argument mit der SRT zeigt aber, dass das für jedes Feld gelten muss, bei dem eine zeitliche Änderung Energie kostet – letztlich besteht das Universum ja nicht aus Gummitüchern.)

i-32267808eacd04e03c1838306169613f-WarnschildFormelWinzig.jpg

Die lorentzinavriante Größe, die uns hier interessiert, ist die Lagrangefunktion (o.k., für PedantInnen ist es die Lagrange-Dichte, da mache ich keinen Unterschied, weil ich sonst ein schickes kalligraphisches L bräuchte). Die bekommt jetzt als einen Term

Damit ist dieser Teil der Lagrange-Funktion

oft kurz geschrieben als

i-f8eb1420da56fbf0a14eb4e5c2f3c1c2-WarnschildFormelWinzigEnde.jpg

Für unsere extrem einfache Feldtheorie können wir damit die Wirkung ausrechnen. Beim Elektron haben wir an jedem Punkt seines Pfades (also zu jedem Zeitpunkt) die “Lagrangefunktion” berechnet (die die Drehgeschwindigkeit des Pfeils angab), und dann über alle diese Werte von der Startzeit zur Zielzeit summiert.

Hier ist das jetzt ähnlich, aber da wir es jetzt mit einem Feld zu tun haben, nicht mit einem Pfad, haben wir zu jeden Zeitpunkt nicht bloß einen einzelnen Ort, sondern ein ganzes Feld – zu jeder Zeit hat das Feld ja überall einen Wert. Statt Orten, die sich entlang von Pfaden ändern, müssen wir jetzt also Feldkonfigurationen betrachten, die uns sagen, welchen Wert das Feld an jedem Ort zur gerade betrachteten Zeit hat. Wir müssen also die Funktion φ an jedem Punkt des Raumes kennen, außerdem ihre zeitliche Änderung.

Damit das nicht so abstrakt bleibt, zeige ich es euch an einem Beispiel.

Stellt euch vor, das Feld (also unser Gummituch) würde jetzt so aussehen:

i-3d04e3c574e820fbe2a996d41da31d85-feldaenderung1.png

Seine räumliche Änderung könnt ihr leicht erkennen – ihr seht ja direkt, wie sich das Feld von Ort zu Ort ändert. An den “Flanken” des Berges ist sie am größten, an seiner Spitze und ganz Außen ist sie sehr klein. Das sieht dann näherungsweise so aus:

i-dcfe889189a82228dbb70565bd913198-feldaenderung4.png

Dieses Bild zeigt also die räumliche Änderung des Feldes.

Weil das Feld einigermaßen “glatt” aussieht, ist die räumliche Änderung von Ort zu Ort klein – deswegen ist auch der Hügel ziemlich flach. Die Energie, die in dieser Anordnung steckt, ist also auch klein.

Um die zeitliche Änderung zu sehen, müssen wir auch noch wissen, wie das Feld einen Moment später aussieht. Hat sich der Berg ein bisschen ausgebreitet und sieht zum Beispiel so aus,

i-97a430c73e62e96418b14e793f945baf-feldaenderung2.png

dann können wir den Unterschied zwischen “jetzt” und “gleich” berechnen:

i-9d7b7bf8f8941dde6b687c2a5e317c55-feldaenderung3.png

Auch dieser Unterschied ist klein.

Wir wollen jetzt also die Lagrangefunktion berechnen (die uns nachher, in der Quantentheorie, sagen wird, wie schnell sich unsere Amplitudenpfeile drehen), in die die räumliche und zeitliche Änderung eingeht. Die Lagrangefunktion ist eine Funktion an jedem Punkt, denn an jedem Punkt hat das Feld ja eine räumliche und zeitliche Änderung. So sieht sie aus:

i-ddafbb2d68189d4d06f436bba302ed34-feldaenderung5.png

Mit Hilfe der Lagrangefunktion können wir jetzt eine Gleichung aufstellen, die das Verhalten der Membran beschreibt, die sogenannte Bewegungsgleichung. Wie das geht? Wir sind ja noch in der klassischen Physik (noch haben wir keine Amplituden oder so berechnet – das können wir ja erst, wenn wir die Wirkung mit den Mitteln der klassischen Physik berechnet haben). Unsere Membrangleichung ist also eine klassische Gleichung, die wir mit dem “Prinzip der kleinsten Wirkung” vom letzten Mal berechnen können. Wer’s genau wissen will, muss sich hinter die Warnschilder trauen.

i-32267808eacd04e03c1838306169613f-WarnschildFormelWinzig.jpg

Das geht ganz analog zur klassischen Mechanik. Dort hat man ja die Lagrange-Funktion L. Für eine Feder ist sie z.B.

und man berechnet die Bewegungsgleichung gemäß

Für die Feder ergibt das

wobei kx gerade die Federkraft ist.

Hier geht das entsprechend (allerdings mathematisch korrekt mit funktionalen Ableitungen)

und es ergibt sich

i-f8eb1420da56fbf0a14eb4e5c2f3c1c2-WarnschildFormelWinzigEnde.jpg

Das Ergebnis ist eine Wellengleichung, also eine Gleichung, die als Lösung ebene Wellen hat wie zum Beispiel diese hier

i-a94801e565c66693851af415dc9dc443-planeWave1.gif

Für die Membran ist das auch eigentlich ganz anschaulich – wenn man sie an einer Stelle auslenkt und dann loslässt, dann breiten sich ja Wellen nach außen aus – ähnlich wie wenn man einen Stein ins Wasser wirft und Wasserwellen bekommt.

Diese Animation hier (erstellt mit dem alten aber immer noch hervorragenden Paket xtoys vom Mike Creutz – läuft auf jeder Linux-Kiste mit C-Compiler stressfrei seit 15 Jahren (mit Cygwin sicher auch unter Windows)) gibt eine Idee, wie so eine Welle aussieht, die sich von einer zentralen Anregung aus ausbreitet:

i-6ae87b87fcd380718065157541f37faa-kleingordonMassless.gif

Wie ihr seht, breitet sich die Störung gleichmäßig nach außen aus (und ich verrate hier vermutlich kein Geheimnis, wenn ich euch sage, dass die Geschwindigkeit – für ein echtes Teilchenfeld, nicht für ein Gummituch – natürlich die Lichtgeschwindigkeit ist). Falls ihr euch übrigens wundert, dass der Simulationsschalter hier auf “light” steht – für den hier betrachteten Fall sind die Wellengleichung für Licht und die für unser “Gummituch” identisch.


Exkurs:
Diesen kleinen Exkurs dürft ihr überspringen und beim Exkurs-Ende wieder einsteigen, falls ihr keinen Widerspruch zwischen den beiden Animationen seht. Er ist aber nicht sehr anspruchsvoll, deswegen gibt es keine Warnschilder.

Noch dabei? Gut, hier also das Problem, das ich kurz anreißen will und das euch vielleicht Kopfzerbrechen macht: Erst habe ich erzählt, die Lösungen seien ebene Wellen, dann aber habe ich euch einen Blob gezeigt, der sich nach links und rechts ausbreitet und der gar nicht wie die ebene Welle aus dem Bild davor aussieht. Ist das nun eine Lösung oder nicht?

Ja, ist es – sonst hätte ich sie nicht gezeigt. Der Trick besteht darin, dass es sich um eine Überlagerung von ebenen Wellen handelt. Man kann einen solchen “Blob” mathematisch als Summe vieler verschiedener ebener Wellen ansehen. Unsere Gleichung (die ich hier im harmlosen Teil nicht hinschreibe) hat die Eigenschaft, dass die Summe zweier Lösungen auch wieder eine Lösung ist. Deswegen darf man verschiedene Wellen zu einer neuen Lösung addieren.

Das ist übrigens bei vielen physikalischen Gleichungen so – dasselbe Prinzip der Überlagerung von Lösungen gilt auch für den Elektromagnetismus (die Maxwell-Gleichungen) und ich habe es auch schon für Elektronen diskutiert.

Ende des Exkurses

Betrachtet man die ebenen Wellen als Lösung der Wellengleichung, dann sieht man, dass eine Welle mit sehr großer Wellenlänge eine sehr kleine Energie bekommt (die Energie ist umgekehrt proportional zur Wellenlänge). Das bedeutet, dass es gar keine Energie kostet, das gesamte Gummituch überall (und zwar unendlich langsam, wegen der zeitlichen Änderung) um den gleichen Betrag zu verschieben. Das ist wenig überraschend: Wir haben einen Beitrag der räumlichen und einen Beitrag der zeitlichen Änderung in unserer Lagrangefunktion. Wenn sich weder räumlich noch zeitlich was ändert, dann sind beide Beiträge zur Lagrangefunktion Null. Da diese beiden Terme aber Energieterme sind, ist auch die Energie Null.

Für das Gummituch ist das vielleicht sinnvoll – nicht aber für ein Feld, das irgendwann einmal ein Elementarteilchen wie ein Elektron beschreiben soll. Ein Elektron kann nicht einfach so aus dem Nichts entstehen, weil das Energie kostet, denn ein Elektron hat eine Masse, und Masse ist bekanntlich Energie. (Beim Elektron kommen noch Dinge wie Ladungserhaltung usw. hinzu, aber das spielt hier keine Rolle.) Also sollte auch unser Elektronenfeld nicht einfach von Null verschieden sein können, ohne dass das Energie kostet.

i-32267808eacd04e03c1838306169613f-WarnschildFormelWinzig.jpg

Bei einem masselosen Feld, wie zum Beispiel dem Feld der Photonen, ist das anders. Das sieht man auch daran, dass die zugehörige Gleichung eine Gleichung für Potentiale ist – auch in der klassischen Physik darf man deren Nullpunkt ja frei wählen.

i-f8eb1420da56fbf0a14eb4e5c2f3c1c2-WarnschildFormelWinzigEnde.jpg

Wir sollten also zu unserer Energie noch einen Term hinzunehmen, der dafür sorgt, dass die Energie nur dann gleich Null ist, wenn unser Feld Null ist. Ich nenne ihn erstmal den “Extra-Term”. Der Extra-Term enthält einen Parameter m – wir werden später sehen, dass wir ihn physikalisch tatsächlich mit einer Masse identifizieren können, allerdings erst in der Quantenfeldtheorie. Hier dient er nur dazu, das Feld eindeutig auf “Null” zu setzen. (Kommt euch diese Gleichungs-Bastelei seltsam vor? Alles ein bisschen willkürlich, hier nen Term addiert, da noch was drangepappt, und so weiter. Tatsächlich aber wurden viele zentrale Gleichungen in der Physik zunächst auf diese intuitive Weise gefunden – Schrödinger hat’s so gemacht und Dirac auch. Wie man sich seine Gleichungen bastelt, ist erstmal egal – wichtig ist, dass sie den Vergleich mit der Realität bestehen.)

Der “Extra-Term” sorgt dafür, dass unser klassisches Problem eine eindeutige Lösung mit kleinster Energie hat, nämlich φ=0. Er verändert die ebenen Wellen als Lösung nicht sichtbar (obwohl sich intern ein paar Zahlen ändern), aber wenn man sich ansieht, was passiert, wenn man am Gummituch mit “Extraterm” zupft, dann sieht man schon einen deutlichen Unterschied:

i-bf8dc14a2da873b93ee1b10cf0722d84-kleingordon1.gif

Ohne Extra-Term breitet sich die anfängliche Störung mit gleichbleibender Geschwindigkeit nach außen aus, mit Extra-Term dagegen ist unser Gummituch etwas “träger” und die Anregung lässt eine Störung zurück, die nur langsam abklingt.

i-32267808eacd04e03c1838306169613f-WarnschildFormelWinzig.jpg

Damit bekommen wir für die Lagrange-Funktion

Wobei ich das φ quadriert habe, damit der Term immer positiv ist.

Weil das eine Art “potentielle Energie” ist, bekommt der Term in der Lagrangefunktion ein Minus-Zeichen. (Wer’s nicht glaubt, kann mit ein bisschen Mechanik-Kenntnissen von der Lagrange- zur Hamilton-Funktion übergehen und sich davon überzeugen, dass alles passt.)

Die Größe m ist zunächst mal ein Parameter – noch können wir sie eigentlich nicht mit der Masse identifizieren, weil das von den Einheiten her nicht passt. Ich habe hier mal wieder ?=c=1 gesetzt – wenn man die wieder reinnimmt, dann ist der Term ?² c²m² φ², wenn m die Einheit einer Masse bekommen soll. Da steckt aber ein ? drin, und da wir noch in einer klassischen Theorie sind, dürfen wir das nicht benutzen. (Sagte ich oben schon, dass ich ein bisschen schlampig mit Einheiten umgehe?)

So oder so ergibt sich die Bewegungsgleichung

oft geschrieben als

Für die Lösungen gilt

Und damit ist dann

Wenn ihr euch die Formel für die Lagrangefunktion anguckt, könnt ihr leicht in eine fiese Falle tappen: Das Prinzip der kleinsten Wirkung sagt, dass die Wirkung minimal sein soll – aber dann könnte ich sie doch wegen des negativen Vorzeichens am Extra-Term beliebig klein machen, wenn ich nur φ groß genug wähle. Unser φ geht also immer gegen unendlich???

Nein, tut es nicht. Das Prinzip der kleinsten Wirkung funktioniert ja für gegebene Anfangs- und Endzustände – wenn φ am Anfang und am Ende einen bestimmten Wert haben soll, dann müsstet ihr φ ja stark ändern, um es möglichst groß werden zu lassen, und dann schlagen die Ableitungsterme zu.

i-f8eb1420da56fbf0a14eb4e5c2f3c1c2-WarnschildFormelWinzigEnde.jpg

Das Ergebnis ist unter dem Namen Klein-Gordon-Gleichung bekannt. Die Klein-Gordon-Gleichung Gleichung wurde ursprünglich von Schrödinger aufgestellt, aber als er versuchte, mit ihr das Elektron zu beschreiben, passte das Ergebnis nicht zu den Beobachtungen, und so drehte er an der Gleichung, bis er die Schrödingergleichung fand.

Moment mal? Haben wir die Klein-Gordon-Gleichung nicht gerade für ein klassisches Gummituch-Feld hergeleitet, ohne jede Quantenmechanik? Wieso hat Schrödinger diese Gleichung als Alternative zur Schrödingergleichung aufstellen wollen? Ist das nicht seltsam?

Ist es. Und wie. Es ist so seltsam, dass ich diesen Widerspruch als “erste Verwirrung der Quantenfeldtheorie” bezeichnen möchte. Was genau dahinter steht – ratet mal, wo ihr das erfahrt…


Abschließend noch eine Frage an euch: Liest hier eigentlich noch irgendjemand mit, der nicht Physik studiert oder studiert hat? Wenn ja, ist das hier noch halbwegs verständlich? Klemmt’s irgendwo? Beschwert euch ruhig in den Kommentaren, dann gebe ich mir Mühe, Unklarheiten zu beseitigen.

Kommentare (54)

  1. #1 nihil jie
    29. Oktober 2011

    doch..ich lese hier immer mit. manche Dinge schaue ich mir manchmal aber noch genauer an wenn mich etwas verwirrt oder ich es mathematisch nicht so richtig begriffen habe. Oft ist es aber so dass manche Sachverhalte einem erst nach ein paar Tagen klar werden wenn man sich das alles lange genug durch den Kopf sausen lässt. Ich frage aber auch nicht so viel nach, weil für mich persönlich viele Sachverhalte klarer werden wenn ich sie mir selbst erarbeitet habe. Lesen tue ich hier aber eigentlich immer… wie in einigen anderen S-Blogs auf dem Portal 😉

  2. #2 Kallewirsch
    29. Oktober 2011

    Also: Ich les auf jeden Fall noch mit, hab nicht Physik studiert und so einigermassen ist es für mich verständlich. Wenn ich auch oft erst beim 3-ten oder 4-ten mal durchlesen das Gefühl habe, das Thema und die Gedankengänge verstanden zu haben. Interessant ist es allemal – bitte nicht aufhören!

  3. #3 SCHWAR_A
    29. Oktober 2011

    @MartinB:

    Abschließend noch eine Frage an euch: Liest hier eigentlich noch irgendjemand mit, der nicht Physik studiert oder studiert hat? Wenn ja, ist das hier noch halbwegs verständlich? Klemmt’s irgendwo? Beschwert euch ruhig in den Kommentaren, dann gebe ich mir Mühe, Unklarheiten zu beseitigen.

    Hallo Martin,
    wie üblich eine tolle Einführung, und wieder mit ‘Gummi 😉

    Aber: Es hakt bei mir überall da aus, wo’s um ‘Lagrange’ geht. Das ist ein mathematisch-physikalischer Mechanismus, den ich zwar immer mal wieder sehe, aber ohne eine “Übersetzung” immer nur erahnen kann, was gemeint ist.
    Es ist schön, wenn sich Physikerinnen untereinander in einer “komprimierten” Weise unterhalten können. In einer Einführung wie dieser, die sinnvollerweise ja klassisch beginnt, müßte es doch aber möglich sein, aus bekannten (13.-Klasse-) Dynamik-Gleichungen zur Lagrange-Darstellung hinzuführen, also eine Art Übersetzung zur Verfügung stellen, am Anfang häufiger, später dann immer weniger. Aber immer dann, wenn zB.

    Einheitenmäßig bin ich hier natürlich ziemlich schlampig…

    passiert…

    Ich bin gespannt auf die weiteren Teile!
    Viele Grüße.

  4. #4 MartinB
    29. Oktober 2011

    @SCHWAR_A
    Ja, das mit Lagrange ist ein Problem – es gibt in der klasssischen Physik meines Wissens keine anschauliche Erklärung dafür, siehe auch mein alter Text:
    https://www.scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2010/08/ist-die-klassische-physik-anschaulich-teil-2-wirkung.php
    Man kann die Äquivalenz von Newton-Axiomen und Prinzip der kleinsten Wirkung mathematisch zeigen, aber das ist eigentlich wenig erhellend.

    In der klassischen Physik ist die Lagrangefunktion wohl eins von diesen Konzepten, an die man sich “gewöhnt” – beim ersten mal findet man sie seltsam, beim zweiten nur noch ein bisschen und irgendwann ist es ganz selbstverständlich geworden.

    Es lohnt sich vielleicht, mal in die Feynmanlectures, Band II Kap. 19, reinzugucken, da erklärt der das Prinzip der kleinsten Wirkung auch.

    Mein Tipp ist aber tatsächlich, die Lagrangefunktion von der QM her zu sehen: Sie gibt die Rotation der Amplitudenpfeile an, und im klassischen Grenzfall kommt, wie letztes Mal gezeigt, das Prinzip der kleinsten Wirkung raus. Ganz analog übrigens zum Fermatschen Prinzip, das ich neulich erklärt habe – das kommt auf dieselbe Weise aus der Wellennatur des Lichts raus.

    @kallewirsch, nihil je
    Dass nicht alles sofort klar ist, überrascht mich nicht (immerhin ist das hier Stoff Physik 6./7. Semester) – schön, wenn es nach mehrmaligem Drübernachdenken dann einigermaßen einleuchtet.

    Und keine Sorge, aufhören werde ich erstmal nicht – solange ich selbst noch mitkomme, denn eigentlich schreibe ich das hier auch, um mir selbst mal drüber klar zu werden. (Und es ist gerade um die Konzepte zu verstehen eine gute Übung, Dinge ohne viele Formeln erklären zu müssen.)

  5. #5 cimddwc
    29. Oktober 2011

    Ich schließ mich an, was das Als-Nicht-Physiker-Mitlesen – und den Dank für (nicht nur) die Serie – betrifft. 🙂 Mit ein paar Semestern Mathematikstudium schrecken mich die Formeln auch nicht allzu sehr ab, auch wenn’s schon ‘ne Weile her ist…

  6. #6 Slammer
    29. Oktober 2011

    Liest hier eigentlich noch irgendjemand mit, der nicht Physik studiert oder studiert hat?

    Jepp. Wobei der Verwirrnisfaktor in etwa dem entspricht, im ET-Studium einen gewissen Herrn Maxwell mit allen Implikationen und Weiterungen um die Ohren gehauen zu bekommen… 😉

  7. #7 Fossilium
    29. Oktober 2011

    Hi Martin,
    ich lese auch mit und frage mich, warum h die Dimension eines Drehimpulses hat.
    Gibt es dafür eine physikalische Erklärung ?
    Grüsse
    Fossilium

  8. #8 Niels
    30. Oktober 2011

    @Fossilium
    Eigentlich haben h und der Drehimpuls beide die Dimension einer Wirkung.

    h bzw. hquer und der Drehimpuls hängen aber tatsächlich zusammen.
    Der Quantenmechanik zufolge nehmen Drehimpulse nur bestimmte, diskrete Werte an, sie sind also quantisiert.
    Das sind dann zum Beispiel ganzzahlige Vielfache von hquer (Bahndrehimpuls) oder halbzahlige Vielfache von hquer (Bahndrehimpuls).

    Letztlich liegt das daran, dass die Komponenten des Drehimpules nicht vertauschen, dass man also also die Komponenten des Drehimpulses nicht gleichzeitig scharf messen kann (siehe Unschärferelation).
    Im Gegensatz dazu kann man beispielsweise die Komponenten des Impulses gleichzeitig scharf messen, der Impuls ist damit nicht quantisiert sondern kontinuierlich.

  9. #9 nihil jie
    30. Oktober 2011

    @MartinB

    @kallewirsch, nihil je
    Dass nicht alles sofort klar ist, überrascht mich nicht (immerhin ist das hier Stoff Physik 6./7. Semester) – schön, wenn es nach mehrmaligem Drübernachdenken dann einigermaßen einleuchtet.

    da ich kein Student bin und mir kein Prof im Nacken hängt kann ich mir da viel Zeit für lassen 😉

  10. #10 MartinB
    30. Oktober 2011

    @nihilje
    Ich hab ja auch 20 Jahre gebraucht, so anschaulich wie jetzt hatte ich QFT zu Promotionszeiten nicht verstanden.

    @Fossilium
    Hat Nils eigentlich gut erklärt. Ich setze mal noch einen drauf:
    In der Quantenmechanik (und auch in der klassischen Physik) gibt es oft Paare von Zusammenhängenden Größen, zum Beispiel
    Ort-Impuls
    Drehimpuls-Winkel
    Energie-Zeit (mit Einschränkungen, die Zeit fällt etwas aus dem Rahmen)

    Das Produkt aus den Größen eines solchen Paares hat dabei immer die Einheit einer Wirkung, also Joule-Sekunde. Man spricht bei sowas auch von “konjugierten” Größen:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Generalisierter_Impuls

  11. #11 Fossilium
    30. Oktober 2011

    HI Martin,
    das ist ja gerade die Frage, warum der Drehimpuls die Dimension der Wirkung hat bzw. umgekehrt hat.

    Was hat Wirkung mit Drehimpuls zu tun ? Gibt es da einen tieferen Zusammenhang ?
    Dass der Drehimpuls quantisiert ist, erklärt diesen Zusammenhang nicht.

    Ein Drehimpuls an einem Objekt tritt nur auf, wenn ein Drehpunkt oder eine Drehachse vorhanden ist. Ein Objekt, das einen Drehimpuls hat, ist wegen der Existenz eines Drehpunkts oder einer Drehachse in seinen Bewegungen eingeschränkt.

    Die Wirkung (z.B. in der Form der Lagrange Funktion) setzt nicht die Existenz einer solchen Raumfixierung voraus. Wirkung kann auch bei frei beweglichen Objekten definiert werden.

    Wieso ist dann Wirkung = Drehimpuls (Dimensionsmässig). Das passt doch garnicht zusammen.

    Ist es vielleicht nur Zufall – und es gibt gar keinen Zusammenhang ?

    Grüsse
    Fossilium

  12. #12 MartinB
    30. Oktober 2011

    @Fossilium
    “Ein Objekt, das einen Drehimpuls hat, ist wegen der Existenz eines Drehpunkts oder einer Drehachse in seinen Bewegungen eingeschränkt.”
    Nein, das ist falsch. Wirf mal einen Ball mit der Hand so, dass er sich dabei dreht – ein Objekt mir Drehimpuls hat zwar immer eine Drehachse, die darf sich aber in jedem Moment ändern. Auch ein taumelnder Kreisel hat keine feste Drehachse.

    “Ist es vielleicht nur Zufall – und es gibt gar keinen Zusammenhang ?”
    Naja, es gibt schon Zusammenhänge – Niels hat ja schon etwas über die Unschärfe geschrieben, ich über konjugierte Variablen. Es gibt also schon Zusammenhänge, die sind aber nicht so ganz einfach. (Und ich verspreche, dass ich mir bei Gelegenheit mal Gedanken über einen Artikel zu Drehimpulsen und Spins mache; vielleicht wird’s dann anschaulicher.)

    In der klassischen Physik kann man vielleicht auch so argumentieren:
    Zum Impuls gehört ja die Geschwindigkeit mit Einheit Meter/Sekunde. Daraus kann ich die Energie berechnen über
    E=(1/2) m*v*v = (1/2) p*v
    Der Impuls hat also die Einheit Energie/Geschwindigkeit.

    Zum Drehimpuls L gehört die Winkelgeschwindigkeit ω, die hat als Einheit 1/Sekunde (oder rad/Sekunde, wenn man Winkel in rad misst). Die Energieformel ist ganz analog
    E= (1/2) L ω
    Weil beim ω ein Meter “fehlt”, muss der beim Drehimpuls mehr dran sein, und das sorgt dafür, dass der die Einheit einer Wirkung hat:
    Energie/Winkelgeschwindigkeit = Energie * Sekunde.

    Aber nicht alle Größen, die dieselbe Einheit haben, müssen auch direkt zusammenhängen. Ich könnte ja zum Beispiel eine Metallstange durch die Gegend werfen, die hat dann einen Impuls, der hat die Einheit kg m/s.
    Jetzt könnte ich mich fragen, wie groß ist denn der Impuls pro Länge, das hat dann die Einheit kg/s. Und dann stelle ich mich auf die Autobahnbrücke, zähle wieviele Autos drunter durchfahren, und berechne die unter der Brücke durchfahrende Masse pro Zeit – hat auch die Einheit kg/s.

  13. #13 Wb
    30. Oktober 2011

    Liest hier eigentlich noch irgendjemand mit, der nicht Physik studiert oder studiert hat? Wenn ja, ist das hier noch halbwegs verständlich?

    Natürlich nicht. Macht aber nüscht, der Schreiber dieser Zeilen interessiert sich ohnehin eher für die metaphysische Deutung jener Beobachtungen, anstelle zeitgenössischer Mathematisisierung und Objektpflege…

  14. #14 engywuck
    30. Oktober 2011

    @SCHWAR_A:
    Also die Lagrange-Funktion wurde ja irgendwann im 18. Jahrhundert erfunden, um mechanische Probleme (wie verhält sich ein Fadenpendel? Wie ist die kürzestdauernde Bahnkurve?) zu lösen. Letztlich ist das erstmal nichts anderes als ein empirisch funktionierender Formalismus.
    Der große Vorteil ist, dass man beliebige “generalisierte” Koordinaten betrachten kann, beim Fadenpendel also z.B. Länge des Fadens und Auslenkungswinkel anstatt euklidische Koordinaten, und damit die Bewegungsgleichungen (oft) “einfach so” hinschreiben kann.
    Dass das Ganze auch in der QM und QFT funktioniert ist einer der glücklichen Zufälle 😀

  15. #15 MartinB
    30. Oktober 2011

    @engywuck
    “Dass das Ganze auch in der QM und QFT funktioniert ist einer der glücklichen Zufälle”
    Ganz und gar nicht, siehe den letzten Teil. Dass man in der klasischen Physik die Formeln für die Geschwindigkeit der Drehung von Amplitudenpfeilen mathematisch hergeleitet hat, ist der glückliche Zufall (bzw. die mathematische Genialität von Lagrange et al.).

  16. #16 SCHWAR_A
    30. Oktober 2011

    Hallo Martin,

    es hat schon ein wenig Recherche gebraucht, bis ich erkannt habe, daß hinter dem

    ω² – k² = m²

    über

    ω² /c² – k² = m² ·c²/h²·(2π)²

    (hf)² – (hc·k/(2π))² = (mc²)²

    eigentlich im Kern diese Gleichung steckt:

    E² – p²c² = m²c^4.

    Das Weglassen der “lästigen” h,c,2π etc. macht es Einsteigern sehr schwer, zu folgen…

    Stehe ich mit dieser Auffassung eigentlich alleine da?

    Mein Tipp ist aber tatsächlich, die Lagrangefunktion von der QM her zu sehen: Sie gibt die Rotation der Amplitudenpfeile an

    Das ist aber doch bereits eine (die?) Lösung der mit der LF verbundenen Differentialgleichung, nicht eine einfachere Sichtweise auf deren Bedeutung als Minimalproblem.

    Für mich sieht es so aus, als ob (mit k ersetzt durch Federkonstante D)

    L = mv²/2 – Dx²/2

    bereits direkt verwandt ist zum Exponenten einer (der?) Lösung

    ω·t – k·x.

    Aber vielleicht ist das ja bei harmonischen Schwingungen immer der Fall? Auch bei gedämpften?

    @engywuck:

    Letztlich ist das erstmal nichts anderes als ein empirisch funktionierender Formalismus.

    OK, dann gibt es ein Rezept, nach dem man vorgehen kann?

    Herzliche Grüße.

  17. #17 MartinB
    30. Oktober 2011

    @SCHWAR_A
    Ja, das mit den Naturkonstanten ist ein Problem. Zum einen, weil ich einfach ein bisschen faul war (weil das in den meisten Büchern auch mit h-quer=c=1 drinsteht, findet man die vollen Formeln oft nicht so leicht, und das selber-reinbasteln ist manchmal doch mühsam), aber hier kommt noch etwas anderes hinzu: bei deiner Herleitung hast du schon den Zusammenhang E=hf reingesteckt, den haben wir hier aber noch nicht – h ist noch gar nicht erlaubt, weil wir noch eine klassische Theorie haben.

    Ich werde aber im übernächsten Teil (im nächsten gibt es wenig Formeln) zumindest die h’s wieder einbauen, das ist da nämlich wichtig.

    Und ich geb’s zu, ich ärgere mich auch oft über weggelassene Naturkonstanten. (Never practice what you preach…)

    “Das ist aber doch bereits eine (die?) Lösung der mit der LF verbundenen Differentialgleichung, nicht eine einfachere Sichtweise auf deren Bedeutung als Minimalproblem. ”
    Nein, du kannst es andersherum sehen, mit der QM anfangen, daraus das Prinzip der kleinsten Wirkung ableiten und daraus dann die Differentialgleichung bzw. funktionale ableitung.

    Was die harmonichen Schwingungen angeht hast du recht, da sind solche e-Funktionen immer Lösungen.

    “OK, dann gibt es ein Rezept, nach dem man vorgehen kann? ”
    Ja, das gibt es. Deswegen lieben Physiker ja die Lagrangefunktionen so, weil es da ein Kochrezept gibt. Das ist eine der Sternstunden im Physikstudium (jedenfalls für Leute mit Hang zur Theorie), wenn man mit dem Lagrangeformalismus plötzlich total fiese Probleme der MEchanik lösen kann, die man sonst nie rausbekommen hätte.

  18. #18 SCHWAR_A
    30. Oktober 2011

    Hallo Martin,

    Vielen Dank

    Ja, das gibt es. Deswegen lieben Physiker ja die Lagrangefunktionen so

    … ich hätte wohl dazu fragen müssen:
    Wie lautet so ein (das) “Lagrange”-Rezept? Vielleicht hast Du ja irgendeinen Link, der auch für Nicht-Physik-Mathematiker geeignet ist…

  19. #19 MartinB
    30. Oktober 2011

    Für ein einfaches Teilchen steht das Rezept oben:
    Lagrangefunktion aufstellen (kinetische minus potentielle Energie), dann die Gleichung oben hinschreiben und lösen, fertig.

    Nen Link habe ich nicht parat, als Lektüre empfehle ich das Mechanik-Buch von Kuypers (und natürlich Feynman Lectures vol II Kap. 19).

  20. #20 blutfink
    30. Oktober 2011

    +1 “Gute Arbeit – weitermachen!” von einem Physikstudenten.

  21. #21 Engywuck
    30. Oktober 2011

    @MartinB: Dass man “mal eben” Amplitudenpfeile nehmen kann, die dann auch noch klassisch per Lagrange-Formalismus berechnet werden können, um die QM/QFT zu besschreiben *ist* glücklicher Zufall in meinen Augen. Die QM könnte auch komplett anders aufgebaut sein, so dass “wir rechnen klassisch und schalten erst im letzten Schritt um” nicht gehen würde.

  22. #22 Fossilium
    31. Oktober 2011

    Hallo Martin !
    Das mit dem Ball und Kreisel leuchtet mir ein.
    Aber: Soweit ich weiss hat ein Objekt ohne Drehachse oder Drehpunkt, das sich in einem normalen euklidischen Koortinatensystem bewegt, 6 Freiheitsgrade, also drei Ortskoordinaten und drei Geschwindigkeitskompontenten. Hat nun ein Objekt, das sich dort fortbewegt, und zusätzlich eine Drehachse oder einen Drehpunkt hat,
    auch nur sechs Freiheitsgrade ? Reichen dann auch 6 Parameter zur vollständigen Beschreibung aus ?
    Ich will es deshalb so genau wissen: keiner weiss genau, was das Minimum einer Wirkung ist. Der physikalische Sinn der Lagrange Funktion bleibt im Ungewissen (nicht ihre praktische Bedeutung). Das gibt es in der Physik häufiger, z.B. auch bei der Wellenfunktion. Letztendlich könnte es daran liegen, dass der Begriff Wirkung in der Physik nicht scharf definiert ist, oder dass keiner weiss, was man den unter Wirkung verstehen soll (ausser dass sie die Folge einer Ursache ist, aber das ist eine metapyhsische, keine physikalische Erklärung). Insofern mutet es seltsam an, dass diese so wichtige Grösse die Einheit eines Drehimpulses hat, so als wäre die allgemeinste Wirkung immer irgendetwas Rotierendes oder auf einer Kreisbahn Schwingendes. Es geht hier um die begriffliche Klarheit der Grundlagen Deines lobenswerten Versuchs, Felder und deren Quantisierung zu erklären.
    Also vielleicht gibt es da doch irgend einen Zusammenhang mit kreisenden Wurzeln aus Wahrscheinlichkeiten unter dem Integral aller Pfade.
    Grüsse Fossilium

  23. #23 Tom
    31. Oktober 2011

    @Fossilium:
    Meinst du im ersten Absatz, wieviele Freiheitsgrade ein ausgedehnter starrer Körper hat? Um die Lage eines solchen im (3dim) Raum zu einem bestimmten Zeitpunkt zu beschreiben, braucht man sechs Parameter (z.B. Koordinaten des Schwerpunkts + Drehung etwa durch Eulerwinkel). Im Phasenraum kommt dann noch zu jeder Koordinate ein konjugierter Impuls (im Beispiel drei “lineare” Impulse und drei Drehimpulse) hinzu, womit man dann bei 12 wäre (oder habe ich dich falsch verstanden und du meinst etwas anderes?).

    Zum deinem zweiten Absatz: Die Wirkung im Sinne von “Zeitintegral der Lagrange-Funktion” hat mit der Wirkung = “Folge einer Ursache” nichts zu tun. Das ist wiedereinmal einer dieser unglücklichen Fälle, wo in der Physik ein alltagssprachlicher Begriff für etwas anderes verwendet wird (mit der Komplikation, dass die alltagssprachliche Wirkung auch in der Physik eine Rolle spielt; Kausalität und so).
    Bezüglich den Einheiten denke ich, dass die Wirkung die fundamentalere Größe dieser Einheit/Dimension ist: Eine Wirkungsfunktion (mit genau dieser Einheit) lässt sich für jedes dymanische System definieren, unabhängig davon ob sich etwas dreht. Egal ob man ein eindimensionales System (z.B. Federpendel) oder ein unendlichdimensionales (klassische Feldtheorie wie in Martins Artikel) hat, Rotation kommt in beiden Fällen eigentlich nicht vor.
    Der Drehimpuls ist aber, wie Martin schon schrieb, der zum Winkel konjugierte Impuls (der Winkel kann bei einer Drehbewegung als verallgemeinerte Koordinate verwendet werden und bekommt dann ganz von selbst einen konjugierten Impuls). Winkel sind natürlicherweise dimensionslos bzw. haben die Einheit 1, da sie Quotienten von Längen (Länge eines Kreisbogens / Radius) sind. Und da das Produkt konjugierter Größen die Dimension einer Wirkung haben muss (sonst wären sie nicht zueinander konjugiert), muss der Drehimpuls eben dieselbe Einheit wie die Wirkung haben.
    Aber vielleicht ist das nur die Privatmeinung eines theoretischen Physikers, der die wirkliche Bedeutung der Wirkung maßlos überschätzt 😉

  24. #24 rolak
    31. Oktober 2011

    <OT>

    einer dieser unglücklichen Fälle

    Das halte ich tatsächlich für “maßlos überschätzt”, Tom 😉 Ohne eine Absicht annehmen zu wollen, halte ich dergleichen eher für hirnanregend. Und nicht nur für wesentlich weitgehender als bisher hier aufgeführt, sondern auch für ausnehmend normal: Wenn mein Großvater zur Bank geht, weiß auch erst einmal keiner, ob er nun die Kontoauszüge holt oder im Park von seinem Lieblingsplatz aus Tauben vergiftet.
    </OT>

  25. #25 MartinB
    31. Oktober 2011

    @Fossilium
    Tom hat es auch schon erklärt, trotzdem noch eine Anmerkung zu den Freiheitsgraden:
    Um die aktuelle Position/Lage eines starren Körpers zu beschreiben, brauchst du 6 Zahlen (drei Koordinaten und drei Winkel). Um zusätzlich auch seine momentane Änderung zu beschreiben (Geschwindigkeiten) brauchst du nochmal 6 Zahlen (die Ableitungen der Koordinaten und Winkel nach der Zeit). In der klassischen Physik brauchen wir keine weiteren Zahlen zur Beschreibung, weil wir Differentialgleichungen 2. Ordnung haben.

    “keiner weiss genau, was das Minimum einer Wirkung ist. ”
    Doch: Wir wissen genau, was die Wirkung ist (Integral der Lagrangefunktion bzw. Dichte) und damit auch, was deren Minimum ist.

    “Insofern mutet es seltsam an, dass diese so wichtige Grösse die Einheit eines Drehimpulses hat, so als wäre die allgemeinste Wirkung immer irgendetwas Rotierendes oder auf einer Kreisbahn Schwingendes.”
    Wie oben schon am Beispiel erläutert: Nicht alles, was dieselbe Einheit hat, hat direkt was miteinander zu tun. Überleg z.B. mal, was für Größen alle die Einheit 1/s haben können, das kann eine Winkelgeschwindigkeit sein, oder eine Frequenz oder alles mögliche andere.

    @engywuck
    “Die QM könnte auch komplett anders aufgebaut sein, so dass “wir rechnen klassisch und schalten erst im letzten Schritt um” nicht gehen würde.”
    Das stimmt natürlich. Ich würde das allerdings nicht gerade als “Zufall” bezeichnen, weil es so ziemlich das Fundamentalste ist, was man über die Natur sagen kann…

    @rolak
    “Ohne eine Absicht annehmen zu wollen, halte ich dergleichen eher für hirnanregend.”
    Man stellt aber schon fest, dass solche “Entfremdungen” von Alltagsbegriffen zu großer Verwirrung führen.

  26. #26 Engywuck
    31. Oktober 2011

    um auf Freiheitsgrade zurückzukommen:
    ein Fadenpendel (punktförmiger Körper hängt an starrem massefreiem Faden und schwingt fröhlich vor sich hin) kann man im dreidimensionalen euklidischen Raum mit 6 Zahen beschreiben: drei Koordinaten und drei Geschwindigkeiten (alle sechs natürlich zeitabhängig). Da das Fadenpendel in einer Ebene schwingt kann man diese Koordinaten so legen, dass es in der x-y-Ebene schwingt, und damit auf 4 Zahlen reduzieren (z und dz/dt sind dann immer Null), die aber natürlich über die Bedingung “hängt an starrem Faden” zusammenhängen. Somit sind x und y voneinander abhängig –> 1 Freiheitsgrad (+1 Geschwindigkeit)
    Alternativ kann man dies auch auf generaisierte Koordinaten umlegen: Um das Pendel vollständig zu beschreiben bauche ich nur die Länge des Fadens (die sich im Lauf der Zeit nicht ändert) und den Winkel, um den das Pendel von der Nullstellung ausgelenkt ist (sowie die Änderung dieses Winkels mit der Zeit (–> Geschwindigkeit)), also wieder 1 Freiheitsgrad (+Geschwindigkeit). Nur ist das Rechnen in diesem System deutlich leichter, weshalb man im Lagrange-Formalismus gerne diese “Koordinate” nutzt. Das Problem hierbei: nicht immer sind generalisierte Koordinaten, die alle Zwangsbedingungen (hier: Faden) erfüllen so leicht zu finden…

    Übrigens kann man jede lineare Bewegung als Drehbewegung interpretieren: wenn du an einer Straße stehst und ein Auto an dir vorbeifährt ändert sich der Winkel gegenüber der “Normalen” (kürzeste Entfenung zwischen dir und der Straße) laufend (du musst dich drehen, um denselben Punkt des Autos im Auge zu behalten), ebenso natürlich der Abstand :D. Insofern ist auch eine lineare Bewegung *in gewisser Weise* eine Drehbewegung relativ zu einem festen Beobachter. Ich hab’s jetzt nicht durchgerechnet aber möglicherweise kann dadurch der vermeintliche Widerspruch “aber das sind ja alles Drehimpulse” aufgelöst werden?

    @Martin: Wunsch für die nächste Reihe: statistische Thermodynamik und Zusammenhang mit chemischen Größen ;D

  27. #27 MartinB
    31. Oktober 2011

    @engywuck
    “Insofern ist auch eine lineare Bewegung *in gewisser Weise* eine Drehbewegung relativ zu einem festen Beobachter. ”
    Das halte ich für sehrgekünstelt – zumal die mechanik auch in einer Dimension prima funktioniert, da dreht sich nichts. Ich glaube, da ist einfach kein Widerspruch – jedenfalls sehe ich keinen.

    Zur Thermodynamik hab ich ja letztes Jahr was geschrieben, aber chemische Größen – igitt.
    https://www.scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2010/11/wie-die-entropie-funktioniert.php

  28. #28 rolak
    31. Oktober 2011

    Aber sicher doch führen solche Mehrdeutigkeiten zu Verwirrungen (bzw können…führen), MartinB, doch wie gesagt halte ich dies weder für besonders unglücklich noch für hinterfotzige Taktik – und deswegen dagegen. Denn der Benenner dürfte sehr wohl eine ‘Eselsbrücke’ gehabt haben bzw von einer passenden Bedeutung aus übertragen haben. Und falls die Benennung ein mehr oder weniger lange dahinschleichender Prozeß war (wie z.B. bei ‘Schwarzes Loch’) ist eh von Überzeugung oder Gewöhnung auszugehen.

    Und erstaunlicherweise regt sich halt kein Mensch {bisher mir gegenüber} über ähnlich verwirrende Teekesselchen der Alltagssprache auf (daher das ‘Bank’-Beispiel), doch bei den Großkopfeten, da wird gleich mal Vernebelungstaktik oder dergleichen vermutet. Oder wie nebenan gar unsinnige Manipulation unterstellt (das dortige ‘h(θ)’ entspricht ja dem ‘m’ in dem L() des klassischen Teilchens), obwohl sehr wohl gültige Lösungen betrachtet werden.

    Doch selbstverständlich geht es nicht darum, sondern im Gegenteil langfristig um bessere Verständlichkeit. Ja, auch das hiesige Konstanten-Vergessen mag anfänglich verwirrend sein, doch letztlich wird dadurch alles übersichtlicher, das Wesentliche schält sich heraus.
    Insofern halte ich das unpezifische Äußern solcher Quengeleien für {bestenfalls} unbedachtes Bilderstürmern, *räusper* antiwissenschaftliche Propaganda. Äquivalent zu dem Gebrauch des gräßlichen ‘Schulmedizin’ selbst unter Medizinern.

    (Es ist mir klar, daß ich höchstwahrscheinlich offene Türen einrenne 😉

  29. #29 Engywuck
    31. Oktober 2011

    och, chemische Größen lassen sich wunderbar aus der statistischen Thermodynamik ableiten, zumindest wenn ich mein Studium noch in Erinnerung habe. Leider weiss ich zu wenig noch darüber und dachte, ich könnte evtl. einen Freiwilligen finden, der sich den Kladderadatsch für mich nochmal ansieht 😀

    Aber wenn Du nicht willst… so ein zehnteiler über Lagrange-Formalismus an immer komplexeren Beispielen würde wohl auch gelesen werden…. 😀
    (ich muss zugeben, dass das bei mir damals “4 gewinnt” war — und das bei einer Nachprüfung)

  30. #30 MartinB
    31. Oktober 2011

    @rolak
    “Denn der Benenner dürfte sehr wohl eine ‘Eselsbrücke’ gehabt haben bzw von einer passenden Bedeutung aus übertragen haben.”
    Klar. Aber dann muss man imemr die Historie dazuwissen, um nicht verwirrt zu sein. Kla, einen Physiker verwirrt es nicht, wenn ich von Geistern rede (Fadejev-Popov) oder von Pinguinen oder Farbladungen, aber für Laien ist das verwirrend.

    “Ja, auch das hiesige Konstanten-Vergessen mag anfänglich verwirrend sein, doch letztlich wird dadurch alles übersichtlicher, das Wesentliche schält sich heraus.”
    Jein – das wesentliche schält sich heraus, ja. Aber wenn man mal eben was abschätzen will, dann ist es schon hilfreich, zu wissen, wo die Konstanten bei E=1/lambda hingehören…

    @Engywcuk
    “och, chemische Größen lassen sich wunderbar aus der statistischen Thermodynamik ableiten”
    Na denn mach mal… Poste ich gern als Gastbeitrag.

    “so ein zehnteiler über Lagrange-Formalismus an immer komplexeren Beispielen würde wohl auch gelesen werden”
    Von zwei Leuten? Außerdem gibt’s den ja schon – das oben empfohlene Buch von Kuypers macht eigentlich genau das.

  31. #31 rolak
    31. Oktober 2011

    Klar, sämtliche zum Bildungsprozeß gedachten Zwischenschritte zu kennen wäre manchmal hilfreich, doch wären völlig neugeschaffene Bezeichnungen tatsächlich weniger verwirrend, die notwendigerweise überhaupt keine auch noch so schwache Verbindung zum Beschriebenen haben?
    Zumindest sind aus solcher Mehrdeutigkeit entstandene Mißverständnisse schon häufiger ein guter Einstieg in ein erstes Gespräch gewesen.

    Der ‘ein’-Zweig des Jeins bzw der ‘aber’-Teil des zweiten Teils ist selbstverständlich unbestritten, spätestens werden die lästigen Konstanten gebraucht bei der Realisierung des obligatorischen Widerlegungsversuches einer Hypothese.

  32. #32 MartinB
    31. Oktober 2011

    “wären völlig neugeschaffene Bezeichnungen tatsächlich weniger verwirrend, die notwendigerweise überhaupt keine auch noch so schwache Verbindung zum Beschriebenen haben?”
    Ich glaube schon – weil keine Verwirrungs- und Verwechslungsgefahr besteht. Sieht man ja auch hier (und neulich) in der Diskussion zum Begriff “Wirkung” – auch Arbeit ist so ein Wort, das gern Ärger macht. (Und habe ich schon gesagt, dass ich den Begriff “farbe” für die Quarkladungen nicht mag?)

    Das sinnlose NEudefinieren von Alltagsbegriffen überlassen wir besser den Philosophen (Ich erinnere mich da an eine Aufsatzsammlung im Philosophieunterricht, bei denen die Texte immer damit anfingen, dass der Philosoph einen alltäglichen Begriff X (z.B. Angst) definierte, dann aus der Defintion Schlüsse zog und am Ende kam dann immer ein ganz erstauntes “Ja wer hätte gedacht, dass das im Begriff X drinsteckt?” – und er kam nie auf die Idee, das seine anfängliche Definition dann vielleicht Mist war…)

  33. #33 rolak
    31. Oktober 2011

    hmmm, vielleicht ist ja die Einschätzung verwirrend(ja|wenig|nein) individuell, eine Geschmacksfrage.
    btw: ‘Flavour’ hat eine mir Eisfan äußerst verständliche Entstehungsgeschichte, hilft jedoch nicht weiter – im Gegensatz zu der Farbladung, die eselbrückend immerhin ein schlichtes ‘zu neutral/weiß summieren’ als Abzählhilfe bietet.

    Zurück zum Geschmack: Für mich ist es kein Umdefinieren, sondern ein aus mehr oder weniger nachvollziehbaren Gründen erfolgtes Heranziehen zur Verdeutlichung. Und überhaupt, wenn die Physik das intuitiv Anschauliche erst verlassen hat, ist das alltagsoptimierte Denken nurmehr mit äußerster Vorsicht anzuwenden. Und das ist üblicherweise weit bevor die Quarkspeise aufgetischt wird.
    Kann an den Esotexten mit bedeutungsgewürfelter Verwendung von Energie, Fluß, Information, Dimension etc erkannt werden; die funktionieren für viele sofort, bei wenigen fangen alle *-o-meter das Alarmläuten an, das Gros wiegt abwägend das Haupt, kann sich aber nicht entscheiden, ‘ach ich weiß nicht, doch es klingt gut’ (Aufteilung von mir geschätzt).
    Ich erinnere mich noch deutlich, wie mir Ende 2008 in einem gemütlichen Häuschen in der winterlich kalten Eifel nach Tee und Gebäck mit strahlendem Gesicht und leuchtenden Augen ein Stäpelchen Kopien überreicht wurde wie ein harterkämpftes Stück HeiligesWissen™, ein weltlich gewordener Aspekt des Grals – das mittlerweile sattsam bekannte HörZu-Interview des (damals Dr.) Broers. Und mein mehr oder weniger sofortiges Granteln auf völliges Unverständnis stieß, nein eher ein Zusammenzucken erzeugte als hätte ich auf dem Höhepunkt der kultischen Handlung der Statue des Mars ans Bein gepinkelt.
    Wie schon erwähnt, ich glaube nicht, daß für ‘Uneingeweihte’ Neuschöpfungen á la Arkelfetz,-futz,-fatz statt rot,blau,grün+groß im Mittel einen entwirrenden Effekt haben würden. Oder einen tatsächlich in der Absicht des Verwirrens generierten Text tendenziell leichter erkennbar machen würden.

  34. #34 MartinB
    1. November 2011

    @rolak
    Bei den Esos ist eh Hopfen und Malz verloren – ich habe neulich in einer Buchhandlung ein Buch über Quantenheilung in den Fingern gehabt; mein schallendes lachen wirkte auf Umstehende wohl etwas irrititierend (Photonen und Neutrinos sind die fundamentalsten teilchen und sind sich ja auch ganz ähnlich und eigentlich dasselbe und weil Photonen und Neutrinos von der Sonne kommen ist die auch ganz wichtig und…)

    Aber so Normalsterbliche wundern sich doch immer, wenn sie beim Schleppen eines Koffers angeblich keine Arbeit leisten und ähnliches. Für Leute die tiefer einsteigen, ist es vermutlich oft weniger verwirrend, da gibt es andere Verwirrungsquellen (siehe das Ende dieses Artikels).

  35. #35 rolak
    1. November 2011

    Arbeit und Energie, ein schier unerschöpflicher Fundus an Fragen der Sorte, bei der ich nicht weiß, was schwieriger ist: Nicht breit zu grinsen oder befriedigend erläutern. Das erinnert schon manchmal an das kolportierte “und wie werden jetzt diese kleinen Löcher in den Draht gebohrt, damit die Elektronen durchkönnen?” nach der Kraftwerksführung 😉
    Bei solch Dingen wie dem nichtarbeitenden Kofferträger funktionierte bisher recht gut der Vergleich mit einer Situation, in der auch für das Gegenüber einsehbar keine Arbeit geleistet wird und trotzdem Erschöpfung folgt: Stehen. Blöderweise lenkt das ziemlich gut ab von der Physik hin zur Physiologie der Muskeln; allerdings ist gegen ein breit gestreutes Grundlagenwissen auch nichts einzuwenden.

    Verwirrungsquellen gibt es ungemein viele, ich will auch in keiner Weise behaupten, nie in deren Strudel festgesteckt zu haben. Doch es steht zu befürchten, daß nach einer Änderung, die bei mir eine Verwirrung vermieden hätte, mindestens ein anderer mehr verwirrt wäre als vorher (die erneute Umformulierung der Netto-Null-Hypothese). Es ist sicher schlecht möglich, solcherlei Klippen allzeit optimal zu umschiffen, Begriffe werden gemünzt und sind da, spätestens zwei Generationen später werden andere Wirrnisse ausgelöst. Benennungspragmatismus?

  36. #36 perk
    1. November 2011

    Aber so Normalsterbliche wundern sich doch immer, wenn sie beim Schleppen eines Koffers angeblich keine Arbeit leisten und ähnliches.

    also mich verwundert das immernoch.. damit die finger um den griff geschlossen bleiben, müssen die muskeln ja angespannt bleiben und da in meinen muskeln zu dem zeitpunkt genug atp verfügbar sein sollte damit es sich entspannt, muss ich durch aktives calziumionen-pumpen arbeit verrichten, damit die anspannung bleibt

  37. #37 MartinB
    1. November 2011

    @perk
    Na klar, erklärt ich meinen Studis auch immer so (übrigens tolle Muskelanimationen bei howstuffworks). Aber in der Schule lernt man (ich jedenfalls): Beim Halten eines Gewichts leistet man keine physikalische Arbeit. Ich hatte immer den Eindruck, für viele ist das ein Zeichen dafür, dass die Physik mit der realen Welt nix zu tun hat.

  38. #38 Engywuck
    1. November 2011

    nuja, das Beispiel ist ja auch objektiv falsch. Sauber wäre “solange das Gewicht am Faden/Haken/… hängt wird keine Arbeit verrichtet”. Einfach biologische Systeme weglassen, dann passts 😀

  39. #39 MartinB
    1. November 2011

    @Engywuck
    Ja, aber ich habe das genau so wie zitiert in der Schule gelernt und es stand meines Wissens auch so im Buch – ohne die zusätzliche Erklärung, dass in den Muskeln trotzdem Prozesse ablaufen, die Energie brauchen.

  40. #40 Engywuck
    2. November 2011

    auch Schulbücher sind nicht perfekt….

  41. #41 perk
    2. November 2011

    deswegen schreiben wir ja hier darüber: das öffentliche ansprechen von problemen ist ein schritt auf dem weg was zu bewegen.. und wenn es in richtung weniger wissenschaftsfeindlichkeit^1/mehr offenheit für wissenschaft geht bin ich immer dabei^^

    ^1
    nichts anderes befördert man wenn man dinge durch vereinfachung so darstellt, dass sie unanwendbar werden und in der folge leser aus der unanwendbarkeit die nutzlosigkeit schlussfolgern und damit beginnen das ganze konzept zu erodieren

  42. #42 Bjoern
    3. November 2011

    @MartinB:

    Ja, aber ich habe das genau so wie zitiert in der Schule gelernt und es stand meines Wissens auch so im Buch – ohne die zusätzliche Erklärung, dass in den Muskeln trotzdem Prozesse ablaufen, die Energie brauchen.

    Stimmt, viele (Schul-)Bücher (zum Glück nicht alle!) sind an der Stelle reichlich verwirrend. (Soweit ich mich erinnere, habe ich erst an der Uni in Experimentalphysik I eine saubere Erklärung gehört…) Im eigenen Unterricht erkläre ich das natürlich immer!

    Diese Grundregel der Quantenmechanik muss nun auf Felder angewandt werden, wenn wir eine Quantenfeldtheorie bauen wollen.

    Also, hier muss ich mal wieder nitpicken. 😉 Auch wenn es sehr viele Leute so machen – ich finde, dass hier Begriffe unsauber verwendet werden. Sinnvoller wäre IMO zu sagen: “Diese Grundregel der Quantentheorie muss nun auf Felder angewandt werden, wenn wir eine Quantenfeldtheorie bauen wollen.” Und entsprechend würde man dann natürlich auch sagen: “Diese Grundregel der Quantentheorie muss nun auf die Mechanik angewandt werden, wenn wir die Quantenmechanik bauen wollen.”

  43. #43 MartinB
    3. November 2011

    @Bjoern
    “Im eigenen Unterricht erkläre ich das natürlich immer!”
    Toll, zieh doch mal bitte nach Braunschweig – am besten bringst du nochnFlo gleich mit, dann gibt’s hier gute Lehrer und Ärzte 🙂

    Was den Nitpick angeht:
    Du hast recht, ich hätte es anders formulieren können/sollen – z.B. “müssenw ir nun auf Felder übertragen”, denn eingeführt hatte ich die Regel ja am Beispiel der QM.
    Falls ich heute abend dran denke, ändere ich das.

  44. #44 MartinB
    3. November 2011

    So, Wort geändert

  45. #45 Bjoern
    3. November 2011

    @Martin: Danke! 🙂 (auch für die Blumen 😉 )

  46. #46 MartinB
    3. November 2011

    @Bjoern
    Selber danke 🙂

  47. #47 matt
    12. November 2011

    Hallo Martin,

    finde die Reihe nicht schlecht. Danke für deine Mühe.

    Anregung: Alle Artikel dieser Reihe durchnummerieren und am Ende jedes Artikel verlinken->Bessere Übersicht
    (wie z.B. https://www.scienceblogs.de/mathlog/2011/11/topologie-von-flachen-cxciii.php)

    Grüße
    Matt

  48. #48 MartinB
    12. November 2011

    @matt
    Danke.
    Tipp: Oben auf meiner Seite gibt’s den Link “Artikelserien”,da sind alle aufgereiht. Ich habe mir jetzt aber vorgenommen, in den neuen Artikeln immer nen link drauf zu setzen, weil das anscheinend keiner merkt…

    Nummerieren hatte ich bei den anderen Serien gemacht, aber ich dachte, ich mach’s hier mal anders.

  49. #49 Volker Distelrath
    17. April 2012

    @Dr. Bäker
    “Liest hier eigentlich noch jemand mit, der nicht Physik studiert hat…..?”
    Ja, mit großem Eifer und Vergnügen. Ich bin nur ein einfacher Dipl. Ing. MB TH, der mal vor fast 50 Jahren Schwingungslehre, Gasdynamik uäm. gelernt und auch gelegentlich gebraucht hat, aber der mathematische Formalismus ist von Ihnen so gut erklärt, dass mir vieles bekannt vorkommt, und ich den Rest gerne lerne. Ich hatte mich mal mit der Berechnung von Platten und Membranen zu beschäftigen, und da ging’s manchmal auch wild her, mit der FEM in den Kinderschuhen (1970), da musste man sich noch vieles selber basteln. Ich bin Ihnen somit sehr dankbar, dass Sie mir altem Kopp einen Zugang zur QFT verschaffen. Danke, und neugierig auf mehr.

  50. #50 MartinB
    17. April 2012

    @Volker
    Das freut mich. Ja, in der Anfangszeit der FEM, da wurden coole Sachen gemacht (kenne ich leider nur aus Veröffentlichungen) und die Leute konnten sinvnolle Simulationen mit 100 Elementen machen. Heute darf man weniger als 10000 ja keinem mehr zeigen – ob mehr Daten aber immer auch bessere Ergebnisse bedingen, weiß ich nicht so recht.

  51. #51 Marie
    24. März 2014

    Vielen Dank für deinen tollen Blog erstmal.

    Was mir in diesem Artikel nur nicht klar ist: Wie kommt man von der Lagrangefunktion der Feder auf deren Bewegungsgleichung? Mir scheint dass an einer Stelle auf einmal zeitliche Ableitungen im Nenner auftauchen, und überhaupt ist mir die Notation an der Stelle nicht ganz klar. Warum braucht man hier auf einmal Differentialgleichungen mit mehreren verschiedenen Ableitungs”graden”?

    Danach sieht es so aus als würde statt x einfach psi eingesetzt worden, also eine ganze vierdimensionale Feldkonfiguration – wie sieht das dann konkret ausgeschrieben aus? Wie drückt man das mit Hilfe von Ableitungen in einer Differentialgleichung aus?

    (Dass ich kein Physiker bin ist vermutlich selbsterklärend)

    Vielen vielen Dank! (Vor allem auch nochmal für die Mühe die du dir mit den ganzen Artikeln machst, und die sicher sehr viele Leute sehr gern lesen, weil sie das meiste an populärwissenschaftlicher Literatur um Längen schlagen)

  52. #52 MartinB
    24. März 2014

    @Marie
    Die Bewegungsgleichung habe ich ja extra hinters Warbnschild gepackt – die ist eigentlich nur für die Leute gedacht, die die normalen Bewegungsgleichungen aus der klassischen Mechanik mit dem Lagrange_formalismus schon kennen. Man kann sich das ein bisschen so veranschaulichen, dass die Ableitung der Lagrangefunktion nach der Geschw. (x-punkt) der Impuls ist, die Änderung der potentiellen Energie mit dem Ort ist die Kraft durch dieses Potential.

    Wenn man das mit Feldern mathematisch sauber machen will, dann sind das Ableitungen nach Funktionen, so genannte Funktionalableitungen. Dafür gibt es ne eigene mathematische Theorie, aber die braucht man hier zum Glück nicht, soweit gehe ich mit der Vor-rechnerei ja nicht. (Physikstudis bekommen die auch frühestens im 5. oder 6. Semester…)

  53. #53 Blogger
    29. Juni 2014

    Ich bin 15 und lese deine Artikel.
    Alle sind verständlich, selbst die mathematischen Exkurse 🙂

  54. #54 MartinB
    29. Juni 2014

    @Blogger
    Das höre ich gern 🙂